Einleitung

Infolge der Verfügbarkeit von direkt antiviral wirkenden Therapeutika („direct-acting antivirals“, DAA) hat sich der wissenschaftliche Fokus im Bereich der chronischen Hepatitis C (CHC) deutlich verschoben: Aufgrund der hohen Effektivität der auf Kombinationen aus DAA basierenden Therapien, die eine Heilung („sustained virologic response“, SVR) bei nahezu allen PatientInnen, inkl. jenen mit fortgeschrittener Leberkrankung, ermöglichen, stellen nun die Distribution der DAA-Therapien zur Erreichung der HCV-Eliminationsziele der WHO [1] sowie die Nachbetreuung von PatientInnen mit ausgeheilter HCV-Infektion die zentralen Herausforderungen dar. Letzteres ist insbesondere bei PatientInnen mit fortgeschrittener Lebererkrankung relevant, da diese PatientInnen auch nach erfolgreicher Therapie ein reduziertes, jedoch weiterhin relevantes Risiko für ein Dekompensationsereignis bzw. das Auftreten eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) aufweisen. Bisherige Risikostratifizierungssysteme und Surveillance-Empfehlungen basieren primär auf Beobachtungsstudien, die auch PatientInnen mit „ungeheilter“ Ätiologie (i.e., PatientInnen mit fortbestehendem Alkoholkonsum, fortbestehender Virushepatitis, …) eingeschlossen hatten, welche naturgemäß ein höheres Risiko für Komplikationen aufweisen. Dementsprechend müssen diese Risikostratifizierungssysteme/Surveillance-Empfehlungen an das Post-SVR-Setting adaptiert werden, um eine „Übertherapie“ und eine damit einhergehende unnötige Belastung, sowohl für PatientInnen als auch für das Gesundheitssystem, zu vermeiden.

Zudem ergab sich durch die Verfügbarkeit neuer hocheffektiver Therapien die Möglichkeit, anhand der CHC einerseits das Ausmaß, aber andererseits auch die Determinanten der Regression einer chronischen Lebererkrankung (i.e. Regression von Leberfibrose und portaler Hypertonie) retrospektiv zu untersuchen.

Ziel dieses Artikels ist es, rezent publizierte Studien und Empfehlungen zum Management von PatientInnen nach SVR einer HCV-Infektion zusammenzufassen sowie auf Basis dieser Studien und der vorhandenen Leitlinien Handlungsempfehlungen für den klinischen Alltag zu geben.

Regression der Leberfibrose

Studien aus Zeiten vor der Einführung der DAA-basierten Therapien belegen, dass die Ausheilung der CHC mit einer Verbesserung der Leberfibrose einhergeht – oder besser einhergehen kann: In mehreren Arbeiten konnte gezeigt werden, dass es bei bis zu 82 % der PatientInnen zu einer Verbesserung des histologischen Fibrosegrads kommt [2,3,4]. Entgegen der noch immer weitläufig verbreiteten Meinung, dass der zirrhotische Umbau der Leber einen irreversiblen Endzustand darstellt, zeigte sich auch bei bis zu 61 % der PatientInnen mit histologischer Zirrhose vor Therapie (F4) eine Verbesserung des Leberfibrosegrads in den nichtzirrhotischen Bereich [2,3,4].

Da jedoch die Leberbiopsie ein invasives Verfahren mit entsprechenden Risiken darstellt und in den letzten Jahren zunehmend nichtinvasive Tests (NIT) zur Fibroseabschätzung entwickelt und in der klinischen Praxis angewandt wurden, fokussiert sich die Mehrzahl der Studien zu den DAA auf die Veränderung der NIT als Surrogatmarker der histologischen Leberfibrose. Die transiente Elastographie mittels FibroScan® (Echosens, Paris, Frankreich) oder andere Elastographieverfahren sind die prominentesten Vertreter [5]: Zahlreiche Studien konnten bereits zeigen, dass es nach SVR zu einer signifikanten Abnahme der Lebersteifigkeitsmessung (LSM; meist gemessen in kPa) kommt [6,7,8,9,10,11]. Nachdem die LSM unter anderem auch durch die hepatische Inflammation beeinflusst wird, stellt sich jedoch die Frage, ob deren Abnahme tatsächlich die Regression der Leberfibrose abbildet, da diese innerhalb der meist kurzen Beobachtungszeiträume der genannten Studien wohl nur selten tatsächlich in diesem Ausmaß auftritt [12]. Sequenzielle Messungen ergaben außerdem, dass der stärkste Abfall der LSM bereits sehr früh, noch während der Therapie, eintritt, was für eine maßgebliche Beteiligung der Inflammationsregression spricht [13, 14].

Verbesserung der Laborparameter

Zusätzlich verbessern sich auch bedeutende Laborparameter nach SVR: Neben einem Abfall der Transaminasen als Maß für hepatische Inflammation können ein Anstieg des Serumalbumins (Indikator der Lebersynthese) sowie ein Anstieg der Thrombozytenzahl beobachtet werden. Der letztgenannte Parameter stellt auch nach Ausheilung der CHC einen guten Marker für das Vorliegen einer klinisch signifikanten portalen Hypertension („clinically significant portal hypertension“, CSPH) – definiert als ein Lebervenendruckgradient („hepatic venous pressure gradient“, HVPG) ≥10 mm Hg – dar [15]. Der therapieassoziierte Anstieg selbst sollte jedoch nicht als Evidenz für eine Besserung der portalen Hypertonie missinterpretiert werden, da dieser auch bei PatientInnen ohne Leberzirrhose [16] bzw. auch ohne Regression der portalen Hypertonie auftritt und mitunter durch immunologische Mechanismen zustande kommen dürfte [17]. Hingegen bilden Veränderungen des von-Willebrand-Faktors (VWF) als breit verfügbarer laborbasierter NIT bzw. ein Abfall der LSM die Dynamik der portalen Hypertension nach Viruseradikation besser ab [15].

Regression der portalen Hypertension

Die portale Hypertension (i.e. HVPG von ≥6 mm Hg) stellt eine der wichtigsten Determinanten für die Entwicklung von Komplikationen der fortgeschrittenen Lebererkrankung dar [18]. Das Vorhandensein einer CSPH korreliert eng mit dem Auftreten von Komplikationen (i.e. Dekompensation der Lebererkrankung, die sich durch Aszites, Varizenblutung oder hepatische Enzephalopathie äußert [19]). Dies unterstreicht die Bedeutung der Dynamik der portalen Hypertension nach SVR für den weiteren klinischen Verlauf der PatientInnen.

In einer ersten Studie unserer Arbeitsgruppe [20] konnte an 60 PatientInnen mit portaler Hypertension gezeigt werden, dass es sowohl bei PatientInnen mit einem Ausgangs-HVPG von 6–9 mm Hg, 10–15 mm Hg als auch ≥16 mm Hg (i.e. Hochrisikopfortaderhochdruck) zu einem Abfall des HVPG nach SVR kommt, wobei die HVPG-Verläufe im letztgenannten Stratum die höchste interindividuelle Variabilität aufwiesen; möglicherweise, da bei einem relevanten Anteil dieser PatientInnen der Point-of-no-return im natürlichen Verlauf der portalen Hypertonie und somit der fortgeschrittenen Lebererkrankung bereits überschritten ist. In diesem Fall könnte die bakterielle Translokation und die daraus resultierende Inflammation („gut–liver axis“ [21]) zu einem Fortbestehen der Krankheitsprogression trotz HCV-Eradikation führen. In Summe wiesen 63 % der PatientInnen mit CSPH einen klinisch relevanten HVPG-Abfall von ≥10 % auf [22]. Obwohl ein klinisch relevanter HVPG-Abfall auch in einer Arbeit von Lens et al. [23] in 62 % bestätigt werden konnte, blieb bei 78 % der PatientInnen trotz SVR die CSPH bestehen, die in einer rezent veröffentlichten Folgearbeit bei 53–65 % der PatientInnen auch 96 Wochen nach Therapieende persistierte [24]. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass bei einem relevanten Anteil der PatientInnen mit fortgeschrittener Lebererkrankung trotz SVR keine bedeutende Regression bzw. sogar eine Progression der Lebererkrankung auftritt und diese PatientInnen daher unbedingt einer entsprechenden Nachsorge bedürfen. Da jedoch die breite Anwendung von HVPG-Messungen aufgrund ihrer Invasivität und der begrenzten Ressourcen nicht möglich erscheint, wurden NIT zur Risikostratifizierung untersucht [25]. Arbeiten aus Wien bei HCV-monoinfizierten [20] und HIV-HCV-koinfizierten PatientInnen [26] konnten zeigen, dass die LSM, gemessen ~12 Wochen nach Therapieende, mit dem HVPG korreliert und eine CSPH nach SVR belegen bzw. ausschließen kann, wobei bei isolierter Anwendung dieses NIT ein hoher Anteil an nichtklassifizierbaren PatientInnen („Grauzone“) verbleibt. Die alleinige Anwendung der LSM weist, wie in den Arbeiten von Lens et al. [23, 24] in einem Kollektiv mit noch weiter fortgeschrittener Lebererkrankung sowohl für 24 als auch 96 Wochen nach Therapieende gezeigt, eine für die klinische Anwendung ungenügende Genauigkeit/Trennschärfe in der Diagnostik der CSPH auf. Eine weitere Publikation unserer Arbeitsgruppe [15] konnte bestätigen, dass die Ratio aus VWF und Thrombozytenzahl (i.e. der sogenannte VITRO-Score [27, 28]; VWF-Antigen in % dividiert durch Thrombozytenzahl in G/l) einen zusätzlichen vielversprechenden NIT darstellt. Die Kombination beider Parameter (LSM und VITRO-Score; Details siehe unten) in einem Algorithmus konnte das Vorliegen einer CSPH nach erfolgreicher HCV-Therapie mit deutlich reduzierter diagnostischer Grauzone belegen bzw. ausschließen [29]. Somit steht eine klinisch leicht anwendbare, nichtinvasive Methode zur Reevaluierung der portalen Hypertonie bei SVR-PatientInnen, die vor der Viruseradikation eine fortgeschrittene Lebererkrankung aufwiesen, zur Verfügung.

Hepatische Dekompensation

Wie bereits durch den Begriff Hochrisikopfortaderhochdruck nahegelegt, hatten PatientInnen, die trotz SVR einen HVPG ≥16 mm Hg aufwiesen, das höchste Dekompensationsrisiko nach Therapie, wogegen das Risiko der PatientInnen mit einem HVPG von 10–15 mm Hg deutlich geringer war und PatientInnen ohne CSPH nach SVR keine Dekompensation erlitten [15]. Wichtig zu erwähnen ist, dass die HVPG-Werte vor Therapie weniger prädiktiv für eine zukünftige Dekompensation waren als Werte nach SVR. Ebenso konnte belegt werden, dass ein HVPG-Abfall ≥10 % bei PatientInnen mit CSPH mit einer deutlichen Prognoseverbesserung einherging. Folglich ist neben der Schwere der Lebererkrankung vor HCV-Therapie auch die individuelle Dynamik während/nach Therapie für den weiteren klinischen Verlauf entscheidend, weshalb die Schwere der portalen Hypertonie nach erfolgreicher HCV-Therapie reevaluiert werden sollte. Aufgrund der eingangs erwähnten Invasivität und limitierten Verfügbarkeit der HVPG-Messung mittels Lebervenenkatheter kommt hierbei in der klinischen Praxis den NIT (z. B. LSM kombiniert mit VITRO-Score) ein hoher Stellenwert zu.

Pons et al. [7] beobachtete eine Inzidenzrate der hepatischen Dekompensation von 0,31/100 PatientInnenjahre bei PatientInnen mit kompensierter fortgeschrittener Lebererkrankung (i.e. ≥10 kPa vor Therapiebeginn), wobei Dekompensationsereignisse nur bei PatientInnen mit einer LSM >20 kPa vor HCV-Therapie auftraten [30]. Unsere Forschungsgruppe beobachtete bei 276 PatientInnen mit fortgeschrittener Lebererkrankung eine deutlich höhere Inzidenz der hepatischen Dekompensation von 0,96/100 PatientInnenjahre, wobei in dieser Studie [29] auch ein kleiner Anteil an bereits vor Therapiebeginn dekompensierten PatientInnen eingeschlossen war. Anhand eines Algorithmus, bestehend aus LSM/VITRO gemessen ~12 Wochen nach Therapieende, konnten 3 Risikogruppen definiert werden (Abb. 1):

  1. 1.

    „Hochrisikogruppe“ – CSPH hochwahrscheinlich; hoher Anteil mit Hochrisikopfortaderhochdruck: LSM >25,3 kPa oder VITRO-Score >3,3;

  2. 2.

    „diagnostische/prognostische Grauzone“ – CSPH möglich; niedriger Anteil mit Hochrisikopfortaderhochdruck: LSM 12,4–25,3 kPa und VITRO-Score 0,95–3,3;

  3. 3.

    „Niedrigrisikogruppe“ – CSPH äußerst unwahrscheinlich: LSM <12,4 kPa oder ein VITRO-Score <0,95.

Abb. 1
figure 1

Nichtinvasiver Algorithmus zur Risikostratifizierung bezüglich des Vorliegens einer klinisch signifikanten portalen Hypertension (CSPH)/des Risikos für eine hepatische Dekompensation nach erfolgreicher Hepatitis-C-Therapie. CSPH „clinically significant portal hypertension“/klinisch signifikante portale Hypertonie, LSM Lebersteifigkeitsmessung, VITRO-Score Ratio aus von-Willebrand-Faktor und Thrombozytenzahl

Bei PatientInnen in der „Hochrisikogruppe“ wurde ein deutlich hohes kumulatives Risiko (17,4 %) einer hepatischen Dekompensation innerhalb von 3 Jahren nach Therapieende beobachtet, während das 3‑Jahres-Risiko in den anderen Gruppen nur 0 % („Niedrigrisikogruppe“) bis 2,6 % („diagnostische/prognostische Grauzone“) betrug [29]. Diese Ergebnisse konnten auch intern und extern validiert werden.

HCC-Entwicklung

Aus Kohorten, welche mittels interferonbasierten Therapien behandelt wurden, sowie aus rezenten Studien ist bekannt, dass neben dem Risiko, eine hepatische Dekompensation zu erleiden, auch das Risiko des Auftretens eines HCC durch eine erfolgreiche HCV-Therapie deutlich reduziert wird [31,32,33,34,35]. Initiale Befürchtungen, dass das Risiko eines De-novo- oder rekurrierenden HCC kurz nach DAA-Therapie erhöht wäre [36, 37], wurden in Folgeuntersuchungen nicht bestätigt [38]. Die hohe Bedeutung der De-novo-HCC-Entwicklung für den Langzeitverlauf der PatientInnen wird unter anderem dadurch belegt, dass das Risiko, ein HCC zu entwickeln, in den meisten Studien höher war als das Risiko, eine hepatische Dekompensation zu erleiden [7, 29]. Bei PatientInnen mit fortgeschrittener Lebererkrankung vor HCV-Therapie, die einer erfolgreichen DAA-basierten Therapie unterzogen wurden, dürfte es innerhalb der ersten 3 Jahre nach Therapie kumulativ bei ca. 10 % liegen [39, 40]. Wenn alle behandelten PatientInnen, also auch jene ohne fortgeschrittene Lebererkrankung, berücksichtigt werden, ist naturgemäß von einem niedrigeren Risiko auszugehen [41, 42]. Auch wenn bei PatientInnen mit fortgeschrittener Lebererkrankung vor Therapie das Risiko eines HCC auch nach SVR auf interferonbasierte Therapien im Langzeitverlauf abnahm, betrug das Risiko auch 10 Jahre nach Therapieende noch ca. 2 %/Jahr [39]. Es gilt daher, analog zum Risiko der hepatischen Dekompensation, auch für das Auftreten eines HCC ein Risikostratifizierungssystem zu entwickeln. Insbesondere die Identifikation jener – sofern überhaupt existierender – Subgruppe von PatientInnen mit fortgeschrittener Lebererkrankung vor HCV-Therapie, bei denen aufgrund eines äußerst niedrigen Risikos für ein De-novo-HCC von der potenziell lebenslangen HCC-Surveillance Abstand genommen werden kann, hätte große klinische Bedeutung.

Auch in der Risikostratifizierung für das De-novo-HCC nach DAA-basierter HCV-Therapie spielen NIT eine bedeutende Rolle. Neben der Vorhersage der hepatischen Dekompensation konnte der prognostische Wert der LSM auch für die HCC-Prädiktion bestätigt werden [42], wobei die Cut-off-Werte, die ein erhöhtes Risiko definieren, je nach Studienpopulation zwischen ≥20 kPa [43], >21,5 kPa [44] und >30 kPa [39, 45] vor Therapie bzw. ≥10 kPa [7, 43] 24–56 Wochen nach Therapie deutlich variierten. Des Weiteren ist anzumerken, dass die oben angeführten Cut-off-Werte teils basierend auf der Maximierung der Sensitivität und Spezifität ermittelt wurden und daher nur bedingt zur Definition einer Niedrigrisikopopulation (i.e. hohe Sensitivität) herangezogen werden können. Ab einer LSM <14 kPa nach Therapie [8] oder bei PatientInnen mit einer LSM ≤17,3 kPa vor Therapie, einem Serumalbumin >4,2 g/dl sowie einem LSM-Abfall >25,5 % 1 Jahr nach Therapieende kam es in rezenten Studien bisher zu keinem De-novo-HCC im Beobachtungszeitraum. Andere Surrogatparameter der Leberfibrose, wie der Fibrosis(FIB-)4-Score bzw. der „AST to platelet ratio index“ (APRI; [34, 39,40,41]), eine niedrige Thrombozytenzahl als Marker der portalen Hypertension [33, 46] sowie ein niedriges Serumalbumin als Maß der reduzierten Lebersyntheseleistung, waren mit einem erhöhten HCC-Risiko assoziiert [7, 33]. Letztendlich zeigte auch das α‑Fetoprotein (AFP), ein in Österreich häufig angewandter Biomarker/Tumormarker für das Vorliegen eines HCC, einen prädiktiven Wert [39, 43, 47,48,49]. Bezüglich aller dieser Parameter bleibt jedoch abzuwarten, welche Kombination(en) schlussendlich die höchste Genauigkeit aufweisen werden. Hier konnte bereits eine Arbeit aus Ägypten eine große Studienpopulation anhand des Geschlechts (männlich), Alters (≥54 Jahre), Fibrosestadiums, Serumalbumins (<3,8 g/dl) und des AFP(>20 ng/ml) in 3 Risikogruppen mit unterschiedlich hohem HCC-Risiko einteilen [47]. Eine andere Studie aus Spanien entwarf 2 Scores, die jeweils eine gute Vorhersagekraft bezüglich HCC aufwiesen. Ein Score kombinierte die LSM in kPa vor Therapie, deren relative Veränderung nach einem Jahr und das Serumalbumin vor Therapie; der andere Ansatz nutzte den FIB-4-Score vor sowie ein Jahr nach Therapieende, das Serumalbumin vor Therapie sowie die γ‑Glutamyltransferase ein Jahr nach Therapieende [50].

Neben diesen konventionellen Risikostratifizierungsmodellen stützte sich eine rezente Arbeit auf die Anwendung von künstlicher Intelligenz im Sinne von „maschinellem Lernen“, mit dessen Hilfe Algorithmen kreiert werden konnten, die möglicherweise zukünftig Vorhersagen mit einer höheren Präzision als die bisher mittels herkömmlicher statistischer Verfahren ermittelten Modelle erlauben [46].

Leberassoziierte Mortalität und Gesamtsterblichkeit

Bereits Studien zu PatientInnen nach interferonbasierter Therapie belegten, dass die Heilung der chronischen Hepatitis C die Gesamtsterblichkeit reduziert [51, 52]. Diese Daten konnten, wenngleich mit naturgemäß kürzerer Nachbeobachtungszeit, auch bei PatientInnen mit SVR auf DAA-basierte Therapien bestätigt werden [35, 53, 54]. Jedenfalls scheint demnach ein eindeutiger Vorteil einer erfolgreichen Therapie der CHC in Hinblick auf die Gesamtsterblichkeit vorzuliegen.

Für die Praxis – Surveillance der portalen Hypertension bei PatientInnen mit fortgeschrittener Lebererkrankung

Bei PatientInnen mit Ösophagusvarizen vor Therapiebeginn sollte nach erfolgreicher HCV-Therapie eine Gastroskopie zur Kontrolle des Varizenstatus erfolgen, wobei die EASL den Zeitrahmen nicht genau spezifiziert. Nachdem bereits ~12 Wochen nach HCV-Therapie in der Mehrheit der PatientInnen ein deutlicher Abfall des HVPG vorliegt, erscheint eine Regastroskopie ab diesem Zeitpunkt, an dem auch der Therapieerfolg bestätigt wird, sinnvoll. Sollten sich bei (re)kompensierten PatientInnen die Ösophagusvarizen zurückgebildet haben, ist eine Rückbildung der CSPH wahrscheinlich, weshalb die Therapie mit nichtselektiven β‑Blockern (NSBB) beendet werden sollte. Des Weiteren sollte, entsprechend dem Baveno-VI- [22] bzw. dem österreichischen Billroth-III-Konsensus [18], bei (re)kompensierten PatientInnen ohne bekannte Ösophagusvarizen eine Gastroskopie durchgeführt werden, wenn die LSM im jährlichen Follow-up auf >20 kPa ansteigt oder die Thrombozytenzahl auf <150 G/l fällt [55], da in diesem Fall das Vorliegen von unbedingt therapiebedürftigen Hochrisikoösophagusvarizen nicht auszuschließen ist. Grundsätzlich muss jedoch erwähnt werden, dass ein erstmaliges Auftreten bzw. eine Progression von kleinen auf große Ösophagusvarizen nach SVR nur sehr selten vorkommt. Nach 5 Jahren trat eine solche Befundverschlechterung (kumulativ) nur in 4,1 % der PatientInnen ohne Ösophagusvarizen vor Therapie bzw. in 2,5 % der PatientInnen auf, die zu Therapiebeginn die Baveno-VI-Kriterien erfüllten (i.e. LSM <20 kPa und Thrombozytenzahl >150 G/l [30]).

Alternativ kann alle 2 Jahre (bei bekannter zusätzlicher Hepatopathie oder weiteren Risikofaktoren wie Alkoholabusus, Übergewicht, Diabetes mellitus etc.) bis 3 Jahre (ohne weitere Hepatopathie/Risikofaktoren) eine Gastroskopie zum Varizenscreening durchgeführt werden.

Bei (re)kompensierten PatientInnen, die nach Therapieende der „Niedrigrisikogruppe“ (LSM <12,4 kPa oder VITRO-Score <0,95; Abb. 1) zugeordnet werden können, kann aus Sicht der portalen Hypertension und deren Komplikationen Entwarnung gegeben werden – bei diesen PatientInnen ist eine CSPH auszuschließen und das Dekompensationsrisiko ist vernachlässigbar niedrig [29]. Sofern keine hepatologischen Komorbiditäten bzw. Risikofaktoren (s. oben) für eine Progression der Lebererkrankung vorliegen, bedürfen diese PatientInnen nicht unbedingt einer Weiterbehandlung an einem Tertiärzentrum. So könnten Behandlungszentren entlastet und ggf. eine wohnortnahe Versorgung ermöglicht werden.

Unabhängig davon ist bei PatientInnen mit vorbestehender fortgeschrittener Lebererkrankung (s. unten) jedoch unbedingt eine Fortführung der HCC-Surveillance sicherzustellen.

Für die Praxis – HCC-Surveillance

Vor dem Hintergrund der möglichen Unterschätzung des Fibrosegrads empfiehlt die EASL im Rahmen der HCC-Surveillance eine Ultraschalluntersuchung alle 6 Monate nicht nur bei PatientInnen mit Zirrhose (F4), sondern auch bei jenen mit fortgeschrittener Fibrose (F3; i.e. LSM ≥10 kPa; [55]). Die Dauer der HCC-Surveillance ist vorerst unbefristet [55]. Kritisch anzumerken bleibt jedoch, dass aufgrund der abnehmenden Inzidenz des HCC nach SVR eine HCC-Surveillance bei PatientInnen mit fortgeschrittener Fibrose (F3) vor Therapiebeginn evtl. nicht kosteneffizient ist [56].

Vor dem Hintergrund zunehmenden Erkenntnisgewinns bez. a) Risikofaktoren für das Auftreten eines De-novo-HCC nach SVR und der damit möglichen Identifikation von Niedrigrisikopopulationen sowie einer b) möglichen, zeitabhängigen Abflachung der HCC-Inzidenzrate im Langzeitverlauf ist davon auszugehen, dass in Zukunft ein individualisiertes Vorgehen im Rahmen der HCC-Surveillance empfohlen wird. Derzeit liegt diesbezüglich jedoch noch keine ausreichend sichere Evidenz vor.

Für die Praxis – Management von Komorbiditäten

Da bei PatientInnen mit CHC auch andere Risikofaktoren für eine Lebererkrankung (Alkoholkonsum, Übergewicht, Diabetes mellitus etc.) eine hohe und zunehmende Prävalenz aufweisen, empfehlen die Guidelines der EASL bei PatientInnen mit diesen Risikofaktoren regelmäßige klinische Kontrollen, da trotz HCV-Eradikation diese Noxen bestehen bleiben und zu einer Progression führen können. Hierzu ist erwähnt, dass das Vorliegen eines Diabetes mellitus auch nach SVR das Risiko einer hepatischen Dekompensation, eines HCC und die Mortalität signifikant erhöht [34, 39, 57]. Auch die Rolle des Alkoholkonsums darf nicht vernachlässigt werden, da dieser die Wahrscheinlichkeit erhöht, ein HCC oder extrahepatische Malignome nach HCV-Eradikation zu entwickeln [34, 58, 59]. Bezüglich des Dekompensationsrisikos deuten eigene Beobachtungen ebenfalls auf einen entsprechend negativen Effekt auf das Dekompensationsrisiko hin [29]. Folglich wird auch nach Erreichen eines SVR eine entsprechende Lebensstilmodifikation empfohlen; eine mögliche Progression nach SVR kann mittels NIT überwacht werden.

Bei Risikopopulationen hinsichtlich einer Reinfektion, also bei PatientInnen mit aufrechtem intravenösem Drogenkonsum oder homosexuellen Männern mit anhaltendem Risikoverhalten, werden halbjährliche bzw. zumindest jährliche HCV-RNA-Kontrollen empfohlen, um eine etwaige Reinfektionen rasch zu diagnostizieren und zu therapieren.

Fazit

Die Abb. 2 zeigt den vorgeschlagenen Algorithmus des risikoadaptierten Langzeitmanagements nach SVR basierend auf NIT.

Abb. 2
figure 2

Zusammenfassung der Empfehlungen zur Nachbetreuung von PatientInnen mit SVR. Asterisk Zusätzliche Hepatopathie, übermäßiger Alkoholkonsum oder Übergewicht/Diabetes mellitus. HCV Hepatitis-C-Virus, LSM Lebersteifigkeitsmessung, HCC hepatozelluläres Karzinom, NSBB nichtselektiver β‑Blocker, SVR „sustained virologic response“/Ausheilung der HCV-Infektion, VWF von-Willebrand-Faktor, VITRO-Score Ratio aus von-Willebrand-Faktor und Thrombozytenzahl