Einleitung

Patienten mit schweren Lebererkrankungen weisen im Vergleich zu Patienten ohne Leberprobleme ein erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko bei chirurgischen Eingriffen auf [1,2,3].

Das erhöhte Risiko setzt sich aus mehreren Einzelfaktoren zusammen: So ist oft das rein chirurgische Risiko aufgrund erschwerter chirurgischer Bedingungen erhöht (portale Hypertension, Kollateralenbildungen), von anästhesiologischer Seite können relevante Veränderungen des Metabolismus von Anästhetika und eine instabile perioperative Hämodynamik von Bedeutung sein, aus internistischer Sicht erhöhen Infektionen, Nierenfunktionseinschränkung und hepatische Enzephalopathie das Gesamtrisiko.

Bei ca. 10 % der Patienten mit Lebererkrankung muss aus den unterschiedlichsten Gründen innerhalb der letzten beiden Lebensjahre eine Operation durchgeführt werden [4], somit ist die klinische präoperative Risikoeinschätzung eine häufige Fragestellung. Da vielfach eine beträchtliche Unsicherheit bezüglich des vorhandenen Operationsrisikos besteht, werden bei vielen Patienten mit a priori niedrigem Operationsrisiko unnötige präoperative Untersuchungen veranlasst, auf der anderen Seite werden Patienten mit beträchtlichem operativem Risiko vermeidbaren Operationen ausgesetzt. Die zur Risikobestimmung notwendige Datenlage ist jedoch insgesamt als nur mangelhaft zu bezeichnen – sie stammt praktisch ausschließlich aus retrospektiven Fallserien, sehr oft aus den 80er- und 90er-Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts. Die seither beträchtlichen Fortschritte der chirurgischen und anästhesiologischen Techniken und des heute flächendeckend zur Verfügung stehenden postoperativen intensivmedizinischen Monitorings lassen vermuten, dass das Operationsrisiko für Patienten mit Lebererkrankung – obwohl nach wie vor in bestimmten Situationen gegenüber Nichtlebererkrankten erhöht – deutlich gesunken ist.

Tools zur Risikoabschätzung

Leberwerte

Die „Leberwerte“ sind Hilfsmittel zur Erkennung einer Hepatopathie und ihrer ätiologischen Einordnung; sie eignen sich weniger zur Abschätzung des operativen Risikos ([5]; Tab. 1).

Tab. 1 Leberfunktionsproben – Leberwerte

Leberwerte ermöglichen zusammen mit den klinischen Zeichen und Symptomen die Diagnose „Lebererkrankung“ und die Zuordnung in eine cholestatische oder mehr hepatische Verlaufsform.

Quantitative Leberfunktionstests

Quantitative Leberfunktionstests beruhen auf der Bestimmung der Verstoffwechselungsrate und Eliminationshalbwertszeit exogen zugeführter Xenobiotika. Dazu gehören die Indocyaningrünhalbwertszeit, der Monoethylglycinexylidid(MEGX)-Lidocaintest und der Aminopyrinatemtest. Es besteht eine gute Korrelation dieser Parameter zum Ausmaß der bestehenden Leberschädigung [6, 7]. Die Teste sind jedoch in ihrer Durchführung aufwendig und keiner weist einen klaren Vorteil gegenüber den weit einfacheren Scoringsystemen der Leberfunktion auf, sodass sie in der klinischen Routine nur selten eingesetzt werden.

Scoringsysteme

Die Leber führt mit ihren Teilaufgaben Synthese, Gallenproduktion und Detoxifikation eine Vielzahl von Funktionen aus, die in unterschiedlichem Ausmaß bei Patienten mit chronischer Lebererkrankung beeinträchtigt sind. Ein einzelner Parameter, der das Gesamtausmaß der erhaltenen Leberfunktion beurteilen könnte, existiert nicht. Es müssen daher die Teilfunktionen getrennt beurteilt und zu einem Gesamtpunktescore zusammengefasst werden, der zum Überleben und auch zum Mortalitätsrisiko bei Operationen korreliert. Das älteste und bekannteste dieser Scoringsysteme ist die von Child und Turcotte im Jahr 1964 [8] vorgeschlagene und von Pugh [9] 1973 modifizierte Child-Pugh-Klassifikation. Child und Turcotte entwickelten den Score zur Risikoabschätzung der zu ihrer Zeit häufig durchgeführten portokavalen Shuntoperation, er ist jedoch auch zur Risikoabschätzung bei anderen chirurgischen Eingriffen und auch zur allgemeinen Prognoseabschätzung bei Patienten mit Leberzirrhose geeignet ([10]; Tab. 2). Im ursprünglichen Scoringsystem erfolgte eine subjektive Einschätzung des Therapieansprechens bei Aszites, des Ernährungszustands und der Enzephalopathie. In der Modifikation nach Pugh wurde der Ernährungszustand durch die PTZ ersetzt [9], für die Enzephalopathie-Einschätzung werden heute meistens die Westhaven-Kriterien zur qualitativen Evaluierung der hepatischen Enzephalopathie eingesetzt. Dem Child-Pugh-Score liegt kein prospektiv evaluiertes mathematisches Modell zugrunde, er wurde von den Autoren aus ihrer klinischen Erfahrung und ihrer Intuition entwickelt. Aufgrund seiner leichten Handhabbarkeit ist er auch heute noch immer das am häufigsten verwendete Scoringsystem, obwohl der MELD-Score dem Child-Pugh-Score auch in der chirurgischen Risikoabschätzung überlegen erscheint [11].

Tab. 2 Child-Pugh-Score

Der MELD(„Mayo model for endstage liver disease“)-Score wurde ursprünglich zur Prognoseabschätzung von Patienten vor TIPS-Implantation entwickelt [12, 13]. Der MELD-Score ist ein prospektives evaluiertes Prognosemodell, für das aus einer großen Anzahl klinischer Parameter durch Multivarianzanalyse und logistische Regression 4 mit der Prognose signifikant assoziierte Parameter identifiziert wurden: Bilirubin, Gerinnung (INR), Kreatinin und Ätiologie der Lebererkrankung (Tab. 3). In der heute allgemein benutzten Variante des MELD-Scores wird der Faktor Ätiologie der Lebererkrankung nicht mehr verwendet, da dieser die Genauigkeit des Modells bezüglich der Vorhersagekraft des Überlebens nicht wesentlich verbessert. Der Vorteil des MELD-Scores liegt in der Verwendung von Parametern, die gemessen werden können und nicht einer subjektiven Fehleinschätzung unterliegen können. Er korreliert ausgezeichnet mit der Mortalität von Patienten mit Lebererkrankungen ([14]; Abb. 1). Der MELD-Score ist etwas aufwendig zu berechnen und somit nicht unmittelbar am Krankenbett abschätzbar. Im Internet sind mehrere MELD-Score-Rechner abrufbar, z. B. unter https://www.mayoclinic.org/medical-professionals/transplant-medicine/calculators/meld-model/itt-20434705.

Tab. 3 MELD-Score
Abb. 1
figure 1

Drei-Monate-Mortalität nach MELD-Score [13]. MELD „Mayo model for endstage liver disease“-Score

Der MELD-Score wurde in prospektiven Studien zur Abschätzung des Operationsrisikos bei Leberzirrhose untersucht. Bei Patienten mit Leberzirrhose war der MELD-Score der beste Prädiktor für die 30- und 90-Tage-Mortalität und zeigte eine lineare Korrelation [16]. Andere Studien verglichen den Child-Pugh-Score mit dem MELD-Score und zeigten häufig, wenn auch nicht immer, eine Überlegenheit des MELD-Scores gegenüber dem Child-Pugh-Score [17,18,19,20]. Hanje et al. [21] halten Patienten mit Leberzirrhose und einem MELD-Score unter 10 für geeignet für eine elektive chirurgische Intervention. Bei einem MELD-Score zwischen 10 und 15 ist eine Operation unter erhöhtem Risiko möglich. Bei einem MELD-Score über 15 sollte vor einer elektiven chirurgischen Intervention Abstand genommen werden. Basierend auf dem MELD-Score, der ASA-Klassifikation und dem Patientenalter ist ein postoperativer Mortalitätsrisikorechner bei Patienten mit Leberzirrhose aufrufbar [16, 22].

Bewertung des Operationsrisikos

Die Frage des Operationsrisikos bei Patienten mit Lebererkrankung soll anhand folgender klinischer Situationen behandelt werden.

1. Patient ohne bekannte Lebererkrankung mit zufällig entdeckten erhöhten „Leberwerten“

Diese Situation kommt mit einer Häufigkeit von ca. 1:300 bis 1:700 bei Operationskandidaten ohne vorbekannte Lebererkrankung vor [23, 24]. Die Erhöhung nur eines Einzelwerts (γ-GT, alkalische Phosphatase, Transaminasen) hat keine fassbare Erhöhung des chirurgischen Risikos zur Folge [3]. In der nichtinvasiven Abklärung hilft eine nochmalige Kontrolle nach Alkoholkarenz oder das Absetzen medikamentöser Therapien. Isolierte Erhöhungen von einzelnen Leberwerten sind häufig auch bei nichthepatologischen Erkrankungen zu beobachten (Übergewicht, Diabetes mellitus, kardiale Dekompensation, Kollagenosen, Vaskulitiden, Sarkoidose). Sind hingegen mehrere „Leberwerte“ bei Patienten ohne vorbekannte Lebererkrankung erhöht, ist eine bisher nicht erkannte hepatale Grunderkrankung möglich. Bei asymptomatischen Patienten ohne akute Lebererkrankung kann das Operationsrisiko anhand der Child-Pugh-Klassifikation orientierend abgeschätzt werden. Da es sich um asymptomatische Patienten handelt, kann als „worst case scenario“ maximal eine kompensierte Leberzirrhose im Stadium Child-Pugh A angenommen werden. Da für Child-Pugh-A-Leberzirrhosen selbst kein wesentlich erhöhtes Operationsrisiko angenommen werden muss, kann unter Voraussetzung einer korrekten Operationsindikation eine elektive Operation auch ohne weitere Abklärung der Lebererkrankung (Leberbiopsie) durchgeführt werden [3].

2. Patienten mit bekannter stabiler Lebererkrankung

Patienten mit chronischer Virushepatitis (Hepatitis B, Hepatitis C) weisen keine erhöhte präoperative Mortalität im Vergleich zu nichthepatal erkrankten Patienten auf [25]. Patienten mit Steatosis hepatis weisen eine gegenüber Lebergesunden nicht erhöhte operative Mortalität auf, lediglich bei hepatischen Resektionen ist die Mortalität mit dem histologischen Ausmaß der Steatose verknüpft. Patienten mit mehr als 30 % Steatose weisen eine Mortalität von 14 % auf gegenüber 3 % Mortalität bei Patienten mit weniger als 5 % hepatalem Fett [26]. Liegt eine nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH) vor, ist die Morbidität nach hepatischer Resektion gegenüber Patienten mit reiner Steatose erhöht [27]. Obwohl NASH eine häufige Komplikation bei Patienten mit morbider Adipositas ist und in diesen Patienten auch häufiger eine NASH-Zirrhose vorliegt, können Patienten mit NASH-Zirrhose einem bariatrisch-chirurgischen Eingriff zugeführt werden [28]. Patienten mit einer gut eingestellten Autoimmunhepatitis unter immunsuppressiver Therapie mit Kortison und/oder Azathioprin sind geeignete Kandidaten für elektive chirurgische Eingriffe. Auch eine Lebersegmentresektion in einer Child-Pugh-A-Leberzirrhose ist gegenüber einer Lebersegmentresektion in einer nichtzirrhotischen Leber bei sorgfältiger Patientenselektion nur mit einer nicht signifikant erhöhten intra- und postoperativen Mortalität verknüpft [29,30,31]. Geeignete Kandidaten für eine operative Resektion eines hepatozellulären Karzinomknotens sind Patienten mit Child-Pugh-A-Zirrhose, bei denen zusätzlich weder das Bilirubin über den Normbereich erhöht ist noch eine klinisch signifikante portale Hypertension (HPVG > 10 mm Hg) vorliegt [32].

3. Symptomatischer Patient mit Lebererkrankung

Hierbei handelt es sich meist um Patienten mit mechanischem Ikterus, manchmal wird auch eine akute Hepatitis unter einer anderen Verdachtsdiagnose einer Operation zugeführt. Auch Patienten mit bekannter dekompensierter Leberzirrhose fallen in diese Kategorie. Symptomatische Patienten mit Lebererkrankung weisen ein erhöhtes OP-Risiko auf [8]. Zwei Studien aus dem Jahre 1984 [33] und 13 Jahre später 1997 [34] zeigen bei abdominellen offenen Operationen bei Child-Pugh-C- (ca. 70–80 %) und bei Child-Pugh-B-Zirrhose (ca. 30 %) eine praktisch unveränderte Mortalität über die Jahre. Eine bei Child-Pugh-C-Zirrhose-Patienten durchgeführte offene Cholezystektomie weist eine 30-Tage-Mortalität nach der Operation von ca. 80 % auf, bei Child-Pugh A/B von ca. 9 % [35]. Seit Einführung der laparoskopischen Cholezystektomie haben sich diese Zahlen deutlich verbessert, eine 2002 veröffentlichte Studie [36] zeigt eine Mortalität bei Leberzirrhose von lediglich 0,9 %; diese ist jedoch immer noch signifikant erhöht gegenüber den 0,01 % bei nicht an Leberzirrhose erkrankten Patienten [37,38,39].

Eine laparoskopische Cholezystektomie kann bei Patienten mit Leberzirrhose Child-Pugh A oder B oder einem MELD-Score bis zu 13 mit einer akzeptablen geringen Mortalität durchgeführt werden [40]. Eine offen durchgeführte kolorektale Chirurgie (wegen Divertikel oder kolorektaler Tumoren) ist mit Mortalitätsraten bis 26 % vergesellschaftet [41, 42]. Auch hier könnte eine laparoskopische chirurgische Vorgangsweise, wenn krankheitsstadiengerecht möglich, eine Reduktion der Mortalität aufweisen.

Eine spezielle Situation stellen Patienten mit mechanischem Ikterus dar. Sie sind für eine Reihe von peri- und postoperativen Komplikationen, wie Infektionen, Stressulzera, disseminierte intravaskuläre Koagulation, Wunddehiszenz und Nierenversagen, anfällig. Die perioperative Mortalität dieser nichtzirrhotischen Patienten mit mechanischem Ikterus lag bei 9 % [43]. Eine Multivariatanalyse zeigte, dass ein Hämatokrit unter 30 %, ein Bilirubin über 11 mg% und eine maligne Natur der Obstruktion unabhängige Risikofaktoren darstellen. Bei Vorhandensein aller 3 Faktoren war die 30-Tage-Mortalität 60 %, wohingegen bei der Präsenz nur eines Faktors eine nur 5 %ige Mortalität zu verzeichnen war. Diese Hochrisikosituation wurde durch verschiedene präinterventionelle Eingriffe zu verändern versucht. Bei Vorhandensein eines malignen Verschlusses konnte jedoch weder für die präoperativ perkutane [44] noch für die endoskopisch transpapillare Drainage [45, 46] eine Reduktion der Mortalität gezeigt werden. Eine perioperative breitspektrumantibiotische Therapie führt zwar zu einer Reduktion perioperativer Infektionen, hat jedoch keinen Einfluss auf die Mortalität [47], die besonders durch postoperatives Nierenversagen beeinflusst wird [48].

Bei Vorliegen eines steinbedingten Gallengangsverschlusses ist die Situation jedoch gänzlich anders. Hier konnte überzeugend gezeigt werden, dass der Einsatz einer endoskopisch geführten Drainage und intravenöser Antibiotika mit einer Reduktion von Morbidität und Mortalität assoziiert ist [49].

Symptomatische Patienten mit Leberzirrhose wiesen in der Vergangenheit bei Resektion eines Lebertumors eine inakzeptable hohe Mortalität (>50 %) auf; auch heute noch ist diese sehr hoch und für Child-Pugh-B- und -C-Patienten keine Option [50]. In den letzten Jahren ist die peri- und postoperative Mortalität deutlich gesunken und weist Mortalitätsraten von 8 % für ausgedehnte Resektionen und 3,4 % für eingeschränkte Resektionen auf [31]. Eine deutlich verbesserte chirurgische Technik (minimalinvasive Resektion), verbunden mit intensiver postoperativer Überwachung und besserer Selektion von potenziellen Resektionskandidaten haben eine weitere Verbesserung erbracht [51]. So wird eine postoperative Mortalität von nur 1,2 % erreicht, wenn kein Leberversagen nach Resektion, definiert als INR > 1,7 (entspricht PTZ < 50 %) und Bilirubin > 2,9 mg/dl (entspricht 50 µmol/l), auftritt. Eine klinisch signifikante portale Hypertension (Splenomegalie mit Plättchen < 100.000/ml oder Ösophagusvarizen) ist auch gegenwärtig noch mit einer hohen postoperativen Morbidität und Mortalität verknüpft [32]. Dementsprechend empfehlen die Leitlinien der Europäischen Lebergesellschaft zur Resektion des Hepatozellulären Karzinoms [52], eine Resektion bei singulären HCC-Knoten in Child-Pugh-A-Leberzirrhose mit ausgezeichneter Leberfunktion (normales Bilirubin) und klinisch nichtsignifikanter portaler Hypertension (HPVG < 10 mm Hg) zu beschränken. In letzter Zeit wurde versucht, die Limits der Operabilität Richtung größere Tumoren zu verschieben: Die 3 wesentlichen Parameter portale Hypertension, Ausmaß der Leberresektion (größer oder kleiner 3 Segmente) und Leberfunktion (MELD-Score) stellen die Eckpfeiler der Risikoabschätzung dar. Eine Resektion von weniger als 3 Lebersegmenten bei einem niedrigen MELD-Score (≤9) und Absenz einer klinisch signifikanten portalen Hypertension ist mit einer Mortalität von nur 0,5 % verknüpft [53].

Patienten mit symptomatischer Leberzirrhose haben ein deutlich erhöhtes Risiko bei kardiochirurgischen Eingriffen. Die Mortalität erreicht 25 %, die Komplikationsrate 60 %. Auch diese Patienten sind, wenn verfügbar, mit weniger invasiven therapeutischen Optionen (Stenting, Valvuloplastie) besser versorgt [54].

4. Notfalleingriffe

Für Notfalleingriffe ist die Erhöhung von Leberwerten oder die Präsenz einer Lebererkrankung im Wesentlichen irrelevant, so die Operationsindikation und die Dringlichkeit der Operation feststeht. Die Kenntnis einer Lebererkrankung bzw. von erhöhten Leberwerten ist jedoch für die korrekte Interpretation der Laborwerte und des klinischen Verlaufs in der postoperativen Situation von Bedeutung.

Hochrisikosituationen für elektive chirurgische Eingriffe

Eine Reihe von Hochrisikokonstellationen für elektive Eingriffe lassen sich daher für Patienten mit Lebererkrankung formulieren. Elektive Eingriffe sollten bei akuter und fulminanter Hepatitis (Ausnahme: Lebertransplantation zur Therapie der fulminanten Hepatitis), schwerer alkoholischer Hepatitis, schwerer chronischer Hepatitis, Leberzirrhose Child-Pugh B/C, schwerer Koagulopathie und bei extrahepatischen Komplikationen, wie Hypoxie, Kardiomyopathie und akute Niereninsuffizienz, postponiert werden. Für Patienten mit anderer Lebererkrankung soll das Risiko individuell abgeschätzt werden. Im Allgemeinen gilt, dass Patienten mit chronischer Lebererkrankung ohne Zirrhose und Patienten mit Child-Pugh-A-Zirrhose extrahepatische operative Eingriffe gut tolerieren und dass auch bei Child-Pugh-B-Zirrhose diese Operationen unter perioperativer Optimierung durchgeführt werden können. In Child-Pugh-B-Zirrhose ist jedoch eine hepatische Resektion, aber auch eine kardiale Operation nur unter Inkaufnahme eines deutlich erhöhten Risikos möglich. Bei Child-Pugh-C-Zirrhose ist von einer elektiven Operation aufgrund der beträchtlichen Mortalität (bis 60 %) abzuraten.

Präoperative Optimierung

Die Korrektur einer Gerinnungsstörung sollte durch Gabe von Vitamin K bzw. Blutgerinnungsprodukten auf eine PTZ > 50 %, die Thrombozytenzahl auf > 50.000 gebracht werden. Eine Steuerung der Korrekturmaßnahmen der Blutgerinnung mittels Thromboelastographie verspricht einen reduzierten Einsatz von Fesh-frozen-Plasma und Thrombozytenkonzentraten [55, 56]. Eine Hypokaliämie, eine Acidose und ein (meist prärenales) Nierenversagen sollte durch entsprechende Elektrolyt- und Flüssigkeitszufuhr ausgeglichen werden. Aszites sollte mit Nachdruck behandelt werden, um postoperative Wunddehiszenzen und Hernienbildung zu verhindern. Bei Patienten mit Beinödemen kann eine Rekompensation mit Diuretika erfolgen, bei Patienten ohne Ödeme ist eine prä- oder intraoperative komplette Aszitesdrainage von Vorteil. Eine bestehende Therapie der portalen Hypertension mittels nichtselektiven β‑Blockern und einer hepatischen Enzephalopathie mit L‑Ornithin-L-Aspartat sollte fortgesetzt werden.