Einleitung

Eine portale Hypertension ist die häufigste Ursache für schwere Komplikationen bei Patienten mit Leberzirrhose. Zu diesen zählen u. a. die Entwicklung von Aszites sowie die akute Varizenblutung aus Ösophagus- oder Fundusvarizen. Trotz deutlicher Verbesserung des konservativen und endoskopischen Managements in den letzten Jahrzehnten stellt die akute Varizenblutung insbesondere bei Hochrisikopatienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose (Child B oder C bis 13 Punkte) oder aktiver Blutung bei der Endoskopie trotz vasoaktiver Therapie eine lebensbedrohliche Situation dar. Studien haben gezeigt, dass hier der frühzeitige Einsatz eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts („early TIPS“) innerhalb von 72 h das Überleben signifikant verbessern kann [1,2,3,4], mit niedrigerem Risiko eines Therapieversagens (Auftreten einer Reblutung) [5] und weniger Hospitalisierungen. Somit ist die Implantation eines „early TIPS“ mit geringeren ökonomischen Kosten [3, 4] gegenüber einem kombiniert medikamentösen und endoskopischen Management assoziiert. Diese Studien sind jedoch an einem streng vorselektierten Patientenkollektiv mit sehr „strikten“ Ein- und Ausschlusskriterien durchgeführt worden (u. a. Alter <70–75 Jahre, Child-Pugh B mit aktiver Blutung bei Endoskopie oder C ≤ 13 Punkte, keine malignen Erkrankungen außer dem hepatozellulären Karzinom [HCC] innerhalb der Mailand-Kriterien, keine Sekundärprophylaxe mit Varizenligatur plus nichtselektiven β‑Blockern [NSBB]; keine relevante Nierenerkrankung oder Herzinsuffizienz; [1,2,3, 5]). Dies führte dazu, dass >80 % der Patienten mit akuter Varizenblutung, die für diese Studien infrage gekommen wären, letztendlich nicht eingeschlossen werden konnten [1, 2]. Ob ein Vorteil bezüglich Komplikationsrate und/oder Effektivität zur Blutungsverhinderung oder Überleben auch bei Patienten, die diese „strikten Kriterien“ nicht erfüllen, durch frühzeitige Implantation eines „early TIPS“ erzielt werden kann, wurde bislang nicht untersucht.

Patienten und Methodik

Studiendesign und Patientenkollektiv

Für diese retrospektive „Real-world-Analyse“ wurde ein Patientenkollektiv des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien sowie des Kaiser-Franz-Josef-Spitals Wien mit TIPS-Implantationen nach akuter Varizenblutung untersucht. Klinische und laborchemische Daten wurden zum Zeitpunkt der TIPS-Implantation sowie im weiteren klinischen Verlauf erhoben, ebenso wurden Gastroskopiebefunde vor und nach TIPS-Intervention sowie jegliche Komplikationen und Reinterventionen nach TIPS-Implantation dokumentiert. Tod innerhalb von 6 Wochen wurde als blutungsassoziierte Mortalität gewertet.

Patienten erfüllten die „strikten Early-TIPS-Kriterien“, wenn folgende Bedingungen erfüllt waren:

  • Alter <75 Jahre,

  • Child-B-Zirrhose mit aktiver Blutung bei Endoskopie oder Child C ≤ 13 Punkte,

  • keine Diagnose eines hepatozellulären Karzinoms (HCC), oder HCC innerhalb der Mailand-Kriterien,

  • keine renale Insuffizienz (Serumkreatininwert <2 mg/dl),

  • keine kombinierte Sekundärprophylaxe mit nicht-selektiven β-Blockern (NSBB) und Endoskopie vor TIPS-Implantation.

Patienten, die innerhalb von 72 h nach einem Blutungsevent einen TIPS erhalten haben, wurden in die Early-TIPS-Gruppe inkludiert. Patienten, die die „strikten Kriterien“ erfüllten, aber den TIPS erst nach 72 h und bis zu 28 Tage nach dem Blutungsevent erhielten, wurden in eine TIPS-Kontrollgruppe eingeschlossen. Zusätzlich haben wir aus einer Datenbank Patienten mit Leberzirrhose und Varizenblutungen rekrutiert, die zwar die „strikten Kriterien“ für eine Early-TIPS-Implantation erfüllt hätten, aber letztendlich nur medikamentös und endoskopisch behandelt wurden. Diese Gruppe fungierte als endoskopische Kontrollgruppe.

Statistik

Für diese Studie wurden die Reblutungsraten, die blutungsassoziierte Mortalität (innerhalb von 6 Wochen nach Varizenblutung) und das transplantatfreie Überleben von Patienten mit unbeschichteten und PTFE(Polytetrafluorethylen)-beschichteten Stents mittels Kaplan-Meier-Analyse dargestellt und die Gruppen mittels Log-rank-Test und Competing-risk-Analyse verglichen. Des Weiteren wurden Risikofaktoren für das Auftreten von Reblutungen und Mortalität mittels univariater Analysen (χ2-Test und Fishers exakter Test für kategoriale, sowie Student’s t‑Test und Wilcoxon-Mann-Whitney-U-Test für metrische Variablen) ermittelt. Das Signifikanzniveau wurde mit α = 0,05 festgelegt.

Ergebnisse

Patientencharakteristika

Die Patientencharakteristika sind in (Tab. 1) dargestellt.

Tab. 1 Patientencharakteristika und Outcome

Es erhielten 55 Patienten einen TIPS innerhalb von 72 h nach einer Varizenblutung; 6 Patienten erfüllten Ausschlusskriterien, womit n = 49 Patienten in die Early-TIPS-Gruppe eingeschlossen wurden. Davon erhielten 32 Patienten (65 %) unbeschichtete und 17 Patienten (35 %) PTFE-beschichtete Stents. Insgesamt erfüllten 13 von 49 Patienten (26,5 %) die „strikten Kriterien“ nicht und wiesen Charakteristika auf, die Kontraindikationen zu früheren Studien darstellten (>75 Jahre: n = 3, Child-Score >13 Punkte: n = 3; HCC außerhalb von Milan: n = 1; renale Insuffizienz: n = 1, Sekundärprophylaxe: n = 5).

Die „strikten Kriterien“ für eine Early-TIPS-Implantation erfüllten 68 Patienten, sie erhielten jedoch erst nach 72 h bis 28 Tagen einen TIPS (TIPS-Kontrollgruppe: 50 % beschichtete und 50 % unbeschichtete Stents). Weitere 34 Patienten wurden in die endoskopische Kontrollgruppe eingeschlossen, das waren also Patienten, die zwar die „strikten Kriterien“ für „early TIPS“ erfüllt hätten, jedoch lediglich endoskopisch/medikamentös behandelt wurden.

Reblutungsraten nach TIPS-Implantation

Die Reblutungsraten nach TIPS-Implantation sind in Tab. 1 und Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Reblutungsrate nach Early-TIPS-Implantation. a, b Frühe Reblutungen (<6 Wochen), c, d Reblutungsrate nach 2 Jahren, e Competing-Risk Analyse: unbeschichtete vs. beschichtete Stents. TIPS transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt, PTFE Polytetrafluoroethylen (Beschichtung), HR „hazard ratio“

Der mediane Nachbeobachtungszeitraum betrug 18,5 Monate. Sowohl beschichtete wie auch unbeschichtete Stents waren effektiv zur frühen Blutungskontrolle (Reblutungen innerhalb von 6 Wochen bei 7,1 und 9,9 %, p = 0,6905; siehe Abb. 1b), wobei die Reblutungsrate nach 2 Jahren bei unbeschichteten Stents deutlich höher war als bei beschichteten (64,2 % vs. 7,7 %, p = 0,0044; Abb. 1d). Patienten, die lediglich endoskopisch und medikamentös behandelt wurden, hatten eine deutlich höhere frühe Reblutungsrate innerhalb von 6 Wochen (35,3 % vs. 8,2 % in der Early-TIPS-Gruppe, p = 0,002, und 2,9 % in der TIPS-Kontrollgruppe; siehe Tab. 1). Insgesamt traten Reblutungen bei knapp über 32 % aller Patienten nach TIPS-Implantation und in 53 % der endoskopischen Kontrollgruppe auf (p = 0,065 vs. „early TIPS“). In einer Competing-risk-Analyse (Abb. 1e), in der zusätzlich zu Reblutungen eine Lebertransplantation und der Tod als kompetitive Events gewertet wurden (kumulative Risiken: 31 %, 6 % und 33 %), war das Blutungsrisiko nach 2 Jahren nach Implantation PTFE-beschichteter Stents um 89,4 % niedriger als nach Implantation unbeschichteter Stents (Hazard Ratio [HR] = 0,106; p = 0,033). In den meisten Fällen (n = 11 von 16) konnte eine TIPS-Stenose als Ursache für eine Reblutung ermittelt werden, und fast alle Reblutungen (15 von 16) traten bei Patienten mit unbeschichteten Stents auf.

Komplikationen nach TIPS-Implantation

Nach Reblutungen war die hepatische Enzephalopathie (HE) die häufigste Komplikation nach TIPS und wurde bei 12 von 49 der Early-TIPS-Patienten (25 %) und bei 15 von 68 Patienten (22 %) der TIPS-Kontrollgruppe diagnostiziert (p = 0,758). Ein Nierenversagen trat bei 8 Patienten (16 %) der Early-TIPS-Gruppe und bei 3 Patienten (4,4 %) der TIPS-Kontrollgruppe auf. 3 Patienten (8,8 %) der endoskopischen Kontrollgruppe sowie jeweils 6 Patienten (12,2 % bei „early TIPS“-Patienten; 8,8 % bei der TIPS-Kontrollgruppe) in beiden TIPS-Gruppen benötigten eine Lebertransplantation im weiteren Verlauf (p = 0,547).

Mortalität nach TIPS-Implantation

Die Mortalität nach TIPS-Implantation ist in Tab. 1; Abb. 1e und Abb. 2 dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Transplantatfreies Überleben nach Early-TIPS-Implantation. a, b Blutungs-assoziiertes Überleben nach TIPS, c–f Überleben nach TIPS-Implantation

Die blutungsassoziierte Mortalität (<6 Wochen nach einem Blutungsereignis) war mit 8,8 % in der TIPS-Kontrollgruppe signifikant niedriger als in der Early-TIPS-Gruppe (24,5 %; p = 0,020) und mit 35,7 % am höchsten in der endoskopischen Kontrollgruppe. Mit 7,2 Monaten war die mediane transplantatfreie Überlebenszeit („transplant-free survival“, TFS) in der endoskopischen Kontrollgruppe am niedrigsten und mit 57,4 Monaten am längsten in der TIPS-Kontrollgruppe; diese unterschieden sich jedoch nicht signifikant von der TFS der Early-TIPS-Gruppe (20,7 Monate; p = 0,187 und p = 0,091).

Bei Patienten der Early-TIPS-Gruppe gab es zwischen beschichteten und unbeschichteten Stents keinen Unterschied im blutungsassoziierten Überleben (25,0 % vs. 23,5 %, p = 0,9906; Abb. 2b) und im transplantatfreien Überleben nach 2 Jahren (54,1 % vs. 43,9 %, p = 0,6645; Abb. 2d). Es zeigte sich jedoch ein signifikanter Überlebensvorteil bei Patienten, die die „strikten Early-TIPS-Kriterien“ erfüllten, im Vergleich zu jenen, die diese nicht erfüllten (transplantatfreies Überleben nach 2 Jahren: 79,5 % vs. 39,7 %, p = 0,0049), insbesondere, wenn PTFE-beschichtete Stents verwendet wurden (20,5 % vs. 47,9 % mit unbeschichteten Stents, p = 0,1563).

Risikofaktoren für blutungsassoziierte Mortalität (<6 Wochen)

Die Risikofaktoren für die blutungsassoziierte Mortalität (<6 Wochen) sind in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 2 Risikofaktoren für blutungsassoziierte Mortalität

Unter den untersuchten Variablen fanden sich erniedrigte Albuminspiegel (24,1 vs. 30,7 g/dl, p = 0,021) sowie erhöhte Infektparameter (Leukozyten: 9,4 vs. 6,4 G/l, p = 0,019; CRP: 3,01 vs. 1,05 mg/dl, p = 0,011) bei Patienten, die innerhalb von 6 Wochen nach der Varizenblutung verstorben sind. Andere Variablen, wie Alter, männliches Geschlecht, Ätiologie der Leberzirrhose und die Art des TIPS-Stents, schienen keinen Einfluss auf die blutungsassoziierte 6‑Wochen-Mortalität zu haben.

Diskussion

In dieser retrospektiven Studie wurde die Effektivität einer Early-TIPS-Implantation innerhalb von 72 h nach einer Varizenblutung anhand eines „Real-world-Patientenkollektivs“ analysiert. Wir konnten bei Patienten mit Leberzirrhose, die einen „early TIPS“ erhalten haben, eine bessere Blutungskontrolle im Vergleich zu einem kombinierten medikamentösen und endoskopischen Management zeigen. Weiters konnten wir erstmalig einen deutlichen Überlebensvorteil bei Patienten, die die „strikten Early-TIPS-Selektionskriterien“ erfüllen – im Vergleich zu Patienten, die eben diese Kriterien nicht erfüllen und daher von früheren Studien ausgeschlossen wurden – zeigen (Mortalität nach 2 Jahren 79,5 %). Das 2‑Jahres-Überleben war besonders gut bei Patienten, die die „strikten Early-TIPS-Kriterien“ erfüllten und einen PTFE(Polytetrafluoroethylen)-beschichteten Stent erhalten haben. Diese Daten entsprechen den bisherigen Studien zum „early TIPS“, die ebenfalls ein herausragendes Outcome unter diesen Konditionen beschrieben haben [1,2,3]. Rezente Leitlinien haben diese Kriterien bereits in ihre Empfehlungen aufgenommen [6, 7] und anhand der Ergebnisse unserer Studie können wir die Einhaltung dieser Early-TIPS-Kriterien dringend empfehlen.

Interessanterweise wiesen Patienten mit unbeschichteten Metallstents eine deutlich höhere Reblutungsrate auf als Patienten, die einen beschichteten TIPS erhalten haben, was sich nicht wie erwartet in der Mortalität reflektierte; dies könnte jedoch auch der niedrigen Fallzahl geschuldet sein. Weiters zeigte sich eine signifikant bessere Überlebensrate nach „später“ TIPS-Implantation (72 h bis 28 Tage nach dem Blutungsevent). Dies kann jedoch in Anbetracht der generell niedrigeren MELD- und Child-Scores verfälscht sein, da an den untersuchten Abteilungen kritische Patienten mit unkontrollierter Blutung eher einer raschen TIPS-Implantation unterzogen werden als jene, denen aufgrund besserer Leberfunktion eine „Verzögerung“ der TIPS zugemutet werden konnte. Insgesamt ist das Outcome bei TIPS-Implantation sowohl hinsichtlich der Blutungskontrolle als auch der Mortalität der medikamentös-endoskopischen Behandlung überlegen.

Zusammenfassend verbessert die Einhaltung der „strikten Early-TIPS-Kriterien“ (Alter <75 Jahre, Child B oder Child C ≤ 13 Punkte, kein HCC oder HCC innerhalb der Mailand-Kriterien, erhaltene kardiale und renale Funktion) bei einer frühzeitigen TIPS-Implantation innerhalb von 72 h nach einer akuten Varizenblutung („early TIPS“) signifikant das Überleben. Der Einsatz PTFE-beschichteter Stents reduziert zudem signifikant das Risiko einer Reblutung. Die Implantation unbeschichteter Metallstents sowie der Einsatz eines „early TIPS“ außerhalb dieser Kriterien sind aufgrund des dramatisch schlechteren Outcomes nicht zu empfehlen.