Einleitung

Die Inzidenz und Mortalität von Dickdarmkrebs hat in den letzten 10 Jahren sowohl in Österreich [1] als auch in Deutschland abgenommen [2]. Dieser Trend ist wahrscheinlich vor allem einer besseren Vorsorge, aber auch neuen Therapien zu verdanken. In Deutschland wurde die Vorsorgekoloskopie im Jahr 2002 für Menschen ab 55 eingeführt. In Österreich wurde die Koloskopie für Menschen über 50 Jahre in die „Vorsorgeuntersuchung neu“, die im Jahr 2005 in Kraft getreten ist, aufgenommen. Zusätzlich soll bei Vorsorgeuntersuchungen vermehrt auf die individuellen Lebenssituationen eingegangen werden. Dies inkludiert eine Ernährungs- und Bewegungsberatung, die gesundheitsfördernde Veränderungen im Lebensstil bewirken sollen.

Trotz aller dieser Maßnahmen ist Dickdarmkrebs immer noch die zweithäufigste Krebserkrankung bei Frauen, bei Männern die dritthäufigste [1]. Ernährungsgewohnheiten und der Lebensstil spielen eine entscheidende Rolle für die Darmgesundheit. Es mehren sich Daten, die zeigen, dass eine hochkalorische Diät, rotes und prozessiertes Fleisch, Rauchen, aber auch ein Mangel an Bewegung mit der Dickdarmkrebsentstehung assoziiert sind [3]. Innerhalb dieses Artikels wollen wir auf die Möglichkeiten der Darmkrebsprophylaxe sowohl aus Sicht der Ernährung als auch der medikamentösen Behandlung, im Besonderen auf Acetylsalicylsäure (ASS; Aspirin), eingehen.

Acetylsalicylsäure

Es häufen sich die Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien sowie prospektive randomisierte klinische Studien, die einen protektiven Effekt von ASS auf die Entstehung eines Kolorektalkarzinoms zeigen [4, 5]. Eine Vielzahl von Studien, die primär ASS zur Prophylaxe von kardiovaskulären Erkrankungen untersuchten, zeigte auch bei geringen Dosen einen Langzeiteffekt zur Prävention eines kolorektalen Karzinoms. Eine der wichtigsten und größten randomisierten Studien und als Beispiel hier erwähnt ist die Women’s Health Study aus den USA mit fast 40.000 gesunden Probandinnen [6]. Bei Einnahme von 100 mg ASS jeden zweiten Tag für 10 Jahre zeigte sich keine Reduktion des Kolorektalkrebsrisikos (RR 0,97; 95 %-Konfidenzintervall [CI]: 0,77–1,24; p = 0,83). Eine Folgeanalyse nach 18 Jahren zeigte einen Rückgang der Kolorektalkarzinominzidenz (HR 0,80; 95 %-CI: 0,67–0,97; p = 0,02) und im Besonderen einen Rückgang der proximalen Kolorektalkarzinome [7]. Dem gegenüber steht ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Blutungen und Magengeschwüre. Hier gilt: Unterschiede in der Placebo- versus ASS-Gruppe sind auf die Studienphase beschränkt, in der Zeit nach der Studienphase hatte die Medikation keine zusätzlichen negativen Effekte mehr.

Diskussionen über die optimale Dosis, um Nebenwirkungen wie gastrointestinale Blutungen und Ulzerationen oder hämorrhagische Schlaganfälle zu vermeiden, aber den chemopräventiven Effekt nicht zu reduzieren, sind derzeit Gegenstand der Forschung. Hier seien als Beispiel die Add-Aspirin-Studie, die ASS in Dosen von 300 und 100 mg zur tertiären Chemoprävention solider Tumoren gegen Placebo vergleicht [8], und die CaPP3-Studie, bei der verschiedene ASS-Dosen bei Lynch-Syndrom-Patienten untersucht werden, erwähnt (Details siehe weiter unten; [9]).

Erste Aufschlüsse über das Wirkungs- und Risikoprofil verschiedener potenzieller chemopräventiver Substanzen gibt eine Metaanalyse von Dulai et al. [10]. In der Analyse von 15 randomisierten Studien mit Fokus auf verschiedene Substanzen wie Nahrungsergänzungsmittel (Vitamine oder Kalzium), bei der die Effektivität zur tertiären Prävention von fortgeschrittenen metachronen Neoplasien und das Sicherheitsprofil der einzelnen Substanzen verglichen wurden, schnitt niedrigdosiertes ASS am besten ab. Nicht-ASS-haltige nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) hatten zwar ein besseres Ergebnis bezogen auf die Chemoprävention, hatten aber ein schlechteres Risikoprofil. Hochdosiertes ASS war in seiner chemopräventiven Wirkung zwar mit ASS vergleichbar, hatte aber ebenso ein schlechteres Risikoprofil.

Personalisierte Medizin und Acetylsalicylsäure

Bei der Einnahme von ASS ist es am besten, eine Risikobewertung für jeden einzelnen Patienten vorzunehmen. Personen über 70 Jahre haben ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Blutungen und sollten daher, wenn überhaupt, nur eine sehr geringe Dosis zwischen 75 und 100 mg einnehmen [5, 8]. Aufgrund der sich mehrenden Daten zum protektiven Effekt bei Langzeiteinnahme von niedrigdosiertem ASS (75–300 mg) auf die Darmkrebsrate, die vor allem auch aus Studien zur Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen hervorgegangen sind, hat die United States Preventive Services Task Force eine Empfehlung zur Einnahme von ASS für Personen zwischen 50 und 69 Jahren, die ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, aber ein geringes Risiko für gastrointestinale Blutungen haben, herausgegeben. Diese Empfehlung ist somit die erste zur Einnahme eines Medikaments für eine Patientenkohorte ohne erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom.

Genomweite Assoziationsstudien deuten darauf hin, dass Patienten mit Einzelnukleotidpolymorphismen (Single Nucleotide Polymorphism, SNP) von Genen, die im ASS-Metabolismus eine Rolle spielen oder in den WNT/β-Catenin-Signalweg involviert sind, auf ASS verschieden ansprechen. Als Grundlage für diese Assoziationsstudien wurden die Nurses Health Study und die Health Professionals Study herangezogen.

Der SNP rs6983267 auf dem Chromosom 8q24 steht im Zusammenhang mit der DNA-Bindung der Transkriptionsfaktoren TCF7L2 und β‑Catenin und der Regulierung des nächst gelegenen Onkogens c-MYC. Ist ein T‑Allel vorhanden, verringert sich die Bindung der Transkriptionsfaktoren, ein G‑Allel führt zu konstitutiv aktiver Bindung und einer erhöhten c‑MYC-Expression. Homozygotie für das G‑Allel erhöht daher die Wahrscheinlichkeit, an einem Kolorektalkrebs zu erkranken, um das 1,5-Fache [11]. Bei regulärer ASS-Einnahme zeigt sich, dass nur in Individuen mit mindestens einem T‑Allel der schützenden Effekt von ASS zum Tragen kommt, hierbei auch nur bei einer Subgruppe mit nukleärer β‑Catenin-Expression [12]. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass der Effekt von ASS auf die Hemmung der Prostaglandinsynthese zusätzlich zur Verringerung des β‑Catenin-Pools beiträgt [13, 14].

Auf Chromosom 12p12.3 liegen 2 weitere SNPs (rs2965667 und rs10505806) „downstream“ der mikrosomalen Glutathion-S-Transferase 1 (MGST1), einem Gen, das Homologien zur Prostaglandin-E-Synthase (MGST1L1) aufweist. Abhängig vom SNP-Genotyp ist die reguläre ASS-Einnahme oder auch die Einnahme anderer NSAR mit einem verringerten oder erhöhten Risiko für kolorektale Karzinome assoziiert. Die Autoren vermuten, dass MGST1 wie auch MGST1L1 in die NSAR-abhängigen Änderungen im Prostaglandin- wie auch im WNT/β-Catenin-Signalweg involviert sind und dadurch die Karzinogenese beeinflussen [15].

Auch eine Punktmutation in der katalytischen Untereinheit α der Phosphatidylinositol-3-Kinase (PIK3CA) erhöht die Überlebensrate bei ASS-Einnahme, nicht aber die Wildtypvariante, wie aus der Nurses Health Study hervorgeht [16]. Diese Daten sind aber nicht eindeutig. Eine niederländische Studie, die ebenfalls den Einfluss von PIK3CA-Mutationsstatus und ASS-Einnahme auf die Überlebensrate untersuchte, zeigte gegenteilige Effekte [17]. Zwei weitere Studien, eine aus Irland und eine aus Australien und den USA, fanden keinen signifikanten Effekt von ASS-Einnahme und PIK3CA-Mutationsstatus auf die Überlebensrate, wobei bei der letzteren ASS auch nicht die Überlebensrate verbesserte [18, 19]. Ebenso wurde innerhalb der Nurses Health Study und der Health Professionals Study untersucht, wie sich eine BRAF-Mutation auf die Tumorgenese auswirkt. Eine reguläre ASS-Einnahme senkt demnach die Wahrscheinlichkeit, an einem BRAF-Wt-Tumor zu erkranken. Dies traf auf BRAF-mutierte Tumoren nicht zu [20]. Die Autoren schließen daraus, dass BRAF-mutierte Tumoren schlechter auf ASS ansprechen. Zu diesem Schluss kommt auch eine rezente Studie aus den Niederlanden: Die ASS-Einnahme nach Krebsdiagnose erhöhte die Überlebensrate bei Wt-BRAF-Tumoren, nicht aber bei mutierten BRAF-Tumoren [21].

Innerhalb der Nurses Health Study und der Health Professionals Study wurde auch die Expression von Cyclooxygenase 2 (Cox-2) oder Prostaglandinsynthase 2 auf die Überlebensrate von Darmkrebspatienten untersucht. Wenn der Primärtumor eine hohe Expression von Cox-2 aufwies, sank die Anzahl der darmkrebsassoziierten Todesfälle bei ASS-Einnahme, nicht aber, wenn der Tumor eine schwache oder gar keine Cox-2-Expression zeigte. Eine aktuelle Studie aus Irland sah einen ähnlichen Effekt, eine hohe Cox-2-Expression erhöhte die darmkrebsspezifische Überlebensrate [18]. In der holländischen Studie wiederum konnte dieser Effekt nicht bestätigt werden [17]. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Wirkung von ASS auf den WNT/β-Catenin-Signalweg und die Prostaglandinsynthese einen entscheidenden Einfluss auf die Kolonkarzinogenese hat. Verschiedene Mutationen in Genen in diesen Signalwegen beeinflussen zudem die Wirksamkeit von ASS.

Vererbbare Formen des Kolorektalkarzinoms und (chemo)präventive Maßnahmen

Das Lynch-Syndrom ist eine seltene vererbbare Erkrankung, die ungefähr 2–3 % aller kolorektalen Karzinome umfasst. Durch das Fehlen eines DNA-Reparaturgens kommt es vor allem zu Mutationen in sogenannten Mikrosatelliten, repetitiven DNA-Sequenzen und folgend zur Tumorentwicklung. Mitunter kommt es zur Entstehung von synchronen oder metachronen Tumoren. Auch andere Organe können betroffen sein, allen voran entstehen Tumoren des Urogenitaltrakts [22]. Obwohl die Erkrankung häufiger ist als die familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), die ungefähr 1 % aller kolorektalen Karzinome ausmacht, sind klinische (Chemo‑)Präventionsstudien seltener, da der Phänotyp nicht so stark ausgeprägt ist. Das Lebenszeitrisiko, ein Kolorektalkarzinom zu entwickeln, liegt bei 50–80 %, abhängig vom DNA-Reparatur-Gen, bei FAP bei annähernd 100 %, wenn nicht eingegriffen wird. Obwohl die Inzidenz in dieser Patientenkohorte im Vergleich zur generellen Bevölkerung sehr hoch ist, gibt es derzeit nur eine Handvoll prospektiver randomisierter klinischer Studien, die den Effekt von (chemo)präventiven Maßnahmen auf das Adenom- und Kolorektalkarzinomrisiko bei Lynch-Syndrom untersuch(t)en (Tab. 1). Bis auf die CaPP3-Studie, die als Nichtunterlegenheitsstudie („non-inferiority“) geplant ist, handelt es sich um placebokontrollierte Studien.

Tab. 1 Prospektive und epidemiologische Studien bei Lynch-Syndrom-Mutationsträgern

Sowohl die MesaCAPP-Studie als auch die CaPP3-Studie sind laufende multizentrische Studien. Die MesaCAPP-Studie, eine EU-finanzierte multizentrische Studie unter der Leitung von Christoph Gasche und Judith Karner-Hanusch (Medizinische Universität Wien), wurde vor Kurzem initialisiert und untersucht den Effekt von 3200 oder 1600 mg 5‑Aminosalicylsäure (5-ASA, Mesalazin) gegen Placebo auf das Auftreten eines Adenoms oder Karzinoms nach einer Behandlungszeit von 2 Jahren [23]. In Österreich wurde vor Kurzem der erste Patient in die Studie eingeschlossen, insgesamt sollen es über 500 werden. Die CaPP3-Studie ist als Dosisfindungsstudie geplant und widmet sich der Untersuchung von ASS in dieser Patientenkohorte [9]. Unter der Leitung von John Burn (Newcastle University, England) konnten schon über 1000 Patienten für diese multizentrische Studie rekrutiert werden, die den Effekt von 600, 300 oder 100 mg ASS auf die Darmkrebsentstehung untersucht. Die Vorläuferstudie von CaPP3 war CAPP2. Dies war die erste randomisierte prospektive Studie zur Prävention einer Neoplasie im Dickdarm bei Lynch-Syndrom-Patienten. In diesem 2‑mal-2-faktoriellen Design wurde der Effekt von 600 mg ASS und/oder 30 g resistenter Stärke (Novelose) nach zweieinhalbjähriger Behandlung evaluiert. Weder ASS noch resistente Stärke oder eine Kombination daraus zeigten einen protektiven Effekt auf die Tumorentstehung [24]. Eine geplante Analyse ca. 10 Jahre nach Einschluss des ersten Patienten hingegen zeigte eine Risikoreduktion von 60 % bei Einnahme von ASS [25] verglichen zu Placebo. Resistente Stärke hatte keinen protektiven Effekt auf die Kolorektalkarzinomentstehung [26]. Diese verspätete Wirkung von ASS ist allgemein in vielen Studien zu beobachten, wie auch bei der oben erwähnten Women’s Health Study [5, 7]. In einer epidemiologische Studie aus Australien, die ASS- und Ibuprofeneinnahme bei Lynch-Syndrom-Patienten untersuchte, war nicht nur die Einnahme von ASS, sondern auch die Einnahme von Ibuprofen mit einem geringeren Risiko, an einem Kolorektalkarzinom zu erkranken, assoziiert (siehe auch Tab. 1; [27]). In einer Subgruppenanalyse der CAPP2-Studie zeigte sich, wie erwartet, ein erhöhtes Risiko für ein Kolorektalkarzinom in adipösen Lynch-Syndrom-Patienten (siehe auch Tab. 1). Interessant in diesem Zusammenhang war, dass der Effekt nur bei Patienten aus der Placebogruppe signifikant war [28]. Zusammenfassend kann man sagen, dass ASS einen protektiven Langzeiteffekt auf die Kolorektalkarzinogenese in Lynch-Syndrom-Patienten hat.

Westlicher Lebensstil als Krebsauslöser?

Der westliche Lebensstil, insbesondere die Ernährung, hat eine tragende Rolle in der Genese des kolorektalen Karzinoms. Untersuchungen zeigten, dass bis zu 50 % der Kolorektalkarzinome in Verbindung mit Ernährungsfaktoren stehen, hingegen nur ein deutlich geringerer Anteil von unter 10 % genetischer bzw. familiärer Genese ist [29]. Seit bereits mehr als 30 Jahren wird der Einfluss von Fleisch bzw. verarbeiteten Fleischprodukten auf die Kolorektalkarzinomentstehung diskutiert. Die WHO hat nun kürzlich rotes sowie prozessiertes Fleisch zu Kanzerogenen erklärt [30]. Zu prozessierten Fleischprodukten zählen gegrillte, gepökelte als auch geräucherte Produkte. Diese sind mit großer Sicherheit krebserregend im Menschen. Als höchstwahrscheinlich krebserregend gilt rotes Fleisch, dazu zählt Muskelfleisch vom Rind, Schwein oder Lamm. Zu dieser Entscheidung führte die Analyse von mehr als 800 epidemiologischen Studien.

Fleischsorten und Darmkrebs

Für das beschriebene Darmkrebsrisiko durch Fleischkonsum ist es wichtig, zwischen verschiedenen Produkten zu unterscheiden. Carr et al. haben dazu eine umfassende Metaanalyse verfasst, die detailliert die Darmkrebsrisiken für verschiedene Fleischsubtypen auflistet [31]. Insbesondere Rindfleischprodukte erhöhten das Darmkrebsrisiko signifikant, in Abhängigkeit von der konsumierten Menge (RR = 1,24; 95 %-CI = 1,07–1,44). Für das Rektalkarzinom ist diese Assoziation hingegen nicht gegeben (RR = 0,95; 95 %-CI = 0,78–1,16). Konsum von Schweinefleisch scheint das Risiko nicht zu erhöhen (RR = 1,07; 95 %-CI = 0,90–1,27). Trotz der im Vergleich zu Rind- und Schweinefleisch reduzierten Datenlage ist für Lammfleisch ein erhöhtes Risiko für das Kolorektalkarzinom erkennbar (RR = 1,24; 95 %-CI = 1,08–1,44). Im Gegensatz dazu ist der Konsum von Geflügelfleisch nicht mit einem erhöhten Risiko verbunden (RR = 0,96; 95 %-CI = 0,88–1,04). In der größten europäischen prospektiven Studie zu Ernährung (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition – EPIC, siehe auch Tab. 2) konnte gezeigt werden, dass neben den bereits bekannten Assoziationen von prozessiertem rotem Fleisch der Verzehr von Fisch negativ mit Darmkrebs assoziiert ist (HR = 0,69; 95 %-CI = 0,54–0,88; [32]).

Tab. 2 Studien zu Ernährungsfaktoren und Darmkrebsrisiken

Eng verknüpft mit der Nahrungsmittelaufnahme ist der Ernährungszustand. Neben den oben beschriebenen Nahrungsmitteln gibt es epidemiologische Hinweise darauf, dass insbesondere Übergewicht ein Risiko zur Darmkrebsentstehung darstellt. Eine Metaanalyse von Ma et al. zeigte einen Zusammenhang zwischen Darmkrebsrisiko und Übergewicht auf [33]. Ein Vergleich von adipösem mit normalem BMI zeigte eine positive Assoziation (RR = 1,33; 95 %-CI = 1,24–1,42), der Taillenumfang ergab ähnliche Ergebnisse (1,46; 95 %-CI = 1,38–1,60). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Phänomene des westlichen Lebens- und Ernährungsstils einen bedeutenden Einfluss auf das Erkrankungsrisiko haben. Insbesondere die Folgen von hochkalorischer bzw. fettreicher Ernährung, allen voran Übergewicht, sowie ein übermäßiger Anteil an prozessiertem und rotem Fleisch in der Ernährung ergeben Präventionsansätze im täglichen Umgang mit Patienten, denn auch eine Reduktion des Darmkrebsrisikos scheint möglich.

Reduktion des Darmkrebsrisikos durch Nahrungsbestandteile

Neben den oben genannten negativen Assoziationen durch Fleischkonsum sind auch andere Nahrungsmittel intensiv untersucht worden. Neben Milchprodukten ist eine umfangreiche Datenlage für Früchte, Gemüse und insbesondere Ballaststoffe vorhanden.

Aus der EPIC-Studie ergaben sich interessante Assoziationen wie beispielsweise die inverse Assoziation für Milch und Milchprodukte (Tab. 2). Im Detail ist die Milchaufnahme invers assoziiert mit Kolorektalkrebs (HR für 200 g/Tag 0,93; 95 %-CI = 0,89–0,98), wobei sich für je 200 g Milch pro Tag das Risiko um 7 % verringert [34]. Des Weiteren trifft dies auch auf andere Milchprodukte zu, dazu zählen Käse (aHR 0,87; 95 %-CI = 0,76–0,99) und Joghurt (aHR = 0,86; 95 %-CI = 0,78–0,95). Darüber hinaus ergibt sich dementsprechend eine Reduktion von 14 % Kolorektalkarzinomrisiko pro 400 g Milchprodukte pro Tag. Ursächlich scheint der Kalziumanteil zu sein. Laborstudien zeigten hier einen direkten Einfluss auf Epithelzellen des Kolons, Kalzium kann dort den Zelltod aktivieren sowie einen Einfluss auf die Differenzierung nehmen. Überdies ist der Einfluss anderer Bestandteile, wie Lactoferrin, Vitamin D, verschiedener Fettsäuren wie auch von Milchsäurebakterien, noch nicht ausreichend geklärt. Eine Untersuchung der kolorektalkarzinomassoziierten Todesfälle innerhalb der EPIC-Studie konnte nur einen protektiven Effekt von Joghurt feststellen [35].

Die American Cancer Society wie auch verschiedene andere Ernährungsgesellschaften empfehlen in ihren Leitlinien bereits seit einigen Jahrzehnten den regelmäßigen Verzehr von ausreichend Obst und vor allem Gemüse und Ballaststoffen. Derartige Empfehlungen basieren auf einer Mehrzahl von epidemiologischen und experimentellen Studien. Insbesondere Ballaststoffe und deren Einfluss auf das Darmkrebsrisiko werden bereits lange kontrovers diskutiert. Verschiedene Studien und Metaanalysen untersuchten und bestätigten den positiven Effekt von Ballaststoffen auf das Darmkrebsrisiko. Hier sei zunächst wieder die Analyse der EPIC-Studie erwähnt, die eine inverse Assoziation zwischen Ballaststoffaufnahme und Darmkrebsinzidenz zeigt (aHR = 0,75; 95 %-CI = 0,59–0,95; [36]). Ein Unterschied zwischen Männern und Frauen wurde dabei nicht festgestellt. Eine weiters durchgeführte Korrektur für rotes bzw. prozessiertes Fleisch hatte keinen Einfluss auf das Ergebnis. Aune et al. analysierten mehr als 25 prospektive Studien und auch hier bestätigte sich die inverse Assoziation [37]. In dieser Metaanalyse wurde auch zwischen den verschiedenen Ballaststoffquellen unterschieden. Generell reduzieren Ballaststoffe das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken (RR = 0,88; 95 %-CI = 0,82–0,94). Insbesondere Ballaststoffe aus Zerealien und Vollkornprodukten zeigen dabei eine negative Assoziation (RR 0,90; 95 %-CI = 0,83–0,96 bzw. 0,79; 0,72–0,86). Darüber hinaus zeigte sich eine Risikoreduktion in Abhängigkeit von der konsumierten Menge von 10 % pro 10 g Ballaststoff pro Tag bzw. 20 % bei 90 g Vollkornprodukten pro Tag. Hierbei darf jedoch nicht vergessen werden, dass eine ballaststoffreiche Ernährungsweise häufig mit einem insgesamt gesünderen Lebensstil einhergeht. Dies wiederum beeinflusst das Darmkrebsrisiko zusätzlich, beispielsweise durch verminderten Konsum von Fleischprodukten und einer besseren Gewichtskontrolle. Mechanistisch zeichnen sich verschiedene Einflussfaktoren ab, sei es die Verdünnung bzw. Aufschwemmung des Stuhls mit folgender reduzierter Stuhltransitzeit oder die Begünstigung des Wachstums bestimmter anaerober Bakterien. Durch Darmbakterien findet ebenfalls die Fermentation bzw. der Abbau von Ballaststoffen mit resultierender Produktion bzw. Anstieg der freien Fettsäuren Azetat, Propionat und Butyrat statt. Insbesondere Butyrat steht im Fokus der Forschung, da es nicht nur Hauptenergiequelle für Kolonepithelzellen ist, sondern in diesen auch Transformationsprozesse eindämmt und damit direkt eine chemopräventive Wirkung zeigt (siehe unten).

Darmbakterien und Darmkrebs

Durch neue Sequenzierungstechniken erlebt die Erforschung des Darmmikrobioms in den letzten Jahren ein regelrecht exponentielles Wachstum. Bisherige Ergebnisse dieser Forschung zeigten, dass Menschen trotz hoher interindividueller Variation einem von zwei verschiedenen Darm-Enterotypen (Firmicutes oder Bacteroidetes) angehören [38]. Diese bilden sich unabhängig von Herkunft, Alter und Geschlecht als Folge der Ernährungsgewohnheiten [39]. Allerdings ist nach wie vor unklar, wie eine „gesunde“ intestinale Bakterienkomposition definiert ist und inwiefern sich diese nachhaltig beeinflussen lässt. Nichtsdestotrotz zeigen Studien, dass bereits kurzfristige Änderungen der Diät einen signifikanten Einfluss auf die Bakterienzusammensetzung selbst haben. Dies gibt Hinweise darauf, wie mithilfe einer bestimmten Ernährungsweise eine bestimmte Darmbakterienzusammensetzung gefördert werden kann und damit langfristig eine Darmkrebsprävention möglich wäre. Im Zentrum steht dabei eine vor allem auf pflanzlichen Produkten basierende bzw. ballaststoffreiche Diät [40]. Ballaststoffe bestehen zum Großteil aus unverdaulichen Poly- und Oligosacchariden von Pflanzen- bzw. Nahrungsbestandteilen [41, 42]. Die Zusammensetzung und die Quelle der Ballaststoffe haben dabei direkten Einfluss auf die bakterielle Komposition im Darm [43,44,45]. In dieser Hinsicht könnten bestimmte Bakterien mittels Ernährung gefördert oder zusätzlich aufgenommen werden (Probiotika).

Die potentiellen Mechanismen zur Verhinderung von Darmkrebs sind vielseitig, beispielsweise können Milchsäurebakterien Karzinogene wie z. B. aromatische Amine (aus prozessiertem Fleisch) und Mykotoxine aktiv binden. Eine weitere Möglichkeit stellt die Reduktion bestimmter fäkaler Karzinogene dar. Laktobazillen und Bifidobakterien als Probiotikum scheinen in der Lage zu sein, schädliche Enzyme, wie Nitroreduktase, β‑Glucuronidase, Azoreduktase, 7α-Dehydroxylase und Urease, im Darm zu reduzieren [46]. Wie oben bereits erwähnt sind Darmbakterien Fermentierer unverdaulicher Nahrungsbestandsteile. Dabei entstehen die kurzkettigen freien Fettsäuren Butyrat, Azetat und Propionat. Allen dreien wird eine antikanzerogene bzw. präventive Wirkung zugeschrieben, allen voran Butyrat. Neben den aus In-vitro-Studien aufgezeigten Effekten von Butyrat auf Zellzyklus, Zelldifferenzierung und Apoptose gibt es auch Hinweise darauf, dass Butyrat, neben anderen von Bakterien produzierten organischen Säuren, den pH-Wert im Darm senkt. Dies wiederum beeinflusst das Wachstum pathogener Bakterien negativ, modifiziert schädliche Enzyme und verbessert die Aufnahme diverser Mineralien wie Kalzium, Magnesium und Eisen [47]. Eine Reduktion von butyratproduzierenden Firmicuten (vor allem Roseburia spp.) und Actinobakterien (wie Bifidobacterium spp.) ist im Gegensatz dazu das Resultat einer kohlenhydratarmen Diät [48, 49]. Eine gängige westliche Ernährungsweise, reich an tierischem Protein und Fett, hat eine Anreicherung von vor allem Bacteroides spp. zur Folge. Dies ist wahrscheinlich ein Resultat der diätbedingten erhöhten Gallensäuresekretion. In der Tat ist nicht nur eine fettreiche Ernährung mit Darmkrebs assoziiert, sondern auch ein erhöhter Anteil an von Bakterien metabolisierten sekundären Gallensäuren [50,51,52]. Personen mit einem hohen Anteil an Prevotella spp. hingegen scheinen sich vor allem ballaststoffreich zu ernähren [53, 54]. Demnach sind diese Veränderung meist immer Folge der Ernährungsgewohnheiten und es sollte theoretisch möglich sein, mittels einer ausgewogenen fleischarmen und ballaststoffreichen Ernährung den positiv assoziierten Darmbakterien günstige Bedingungen zu bieten und das Darmkrebsrisiko deutlich zu senken.

Wie können sich Nahrungsmittelzusatzstoffe auf die Darmgesundheit auswirken?

Seit dem Jahr 1996 gibt es in der EU eine einheitliche Regelung hinsichtlich der Verwendung von technologischen Zusatzstoffen. Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sind 320 Zusatzstoffe zugelassen, sie alle tragen eine E‑Nummer. Mit einer Verordnung aus dem Jahr 2008 wurde auch das Zulassungsverfahren vereinheitlicht. Ob und inwieweit solche Zusatzstoffe (in den erlaubten Konzentrationen) einen negativen Effekt auf die Darmgesundheit haben könnten, ist derzeit Gegenstand der Forschung. Einige mögliche Hinweise ergeben sich durch verschiedene Veröffentlichungen aus der Grundlagenforschung. Insbesondere die Forschungsgruppe um Gewirtz hat in den letzten Jahren gezeigt, wie die regelmäßig in Nahrungsmitteln genutzten Emulgatoren Polysorbat 80 (E433) und Carboxymethylcellulose (E466) das Gleichgewicht im Darm von Mäusen stören [55, 56]. Die Folgen der regelmäßigen Aufnahme der Emulgatoren waren eine Veränderung der Darmbakterien, Kolitis, metabolisches Syndrom und Adipositas, die abgeschwächt in Wildtypmäusen und verstärkt in Mäusen, die anfällig für Kolitis sind, aufgetreten sind. Zu ähnlich interessanten Ergebnissen kamen Constante et al., die Eisennahrungsergänzungsmittel in einem Mausmodell für chemisch induzierte Kolitis untersuchten [57]. Hier stach insbesondere das in Nahrungsmitteln genutzte Fe(III)-Na-EDTA hervor, das eine fatale Kolitis, verglichen zu anderen Eisensubstanzen, in Mäusen zur Folge hatte. Auch unsere Forschungsgruppe kann derlei Wirkung von Eisen-EDTA und anderen EDTA-Verbindungen aus der Nahrungsmittelindustrie bestätigen [58, 59]. In suszeptiblen Mäusen, bei denen die Kolitis künstlich ausgelöst wurde und die mit einem Karzinogen behandelt wurden, entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit eine massive Kolitis sowie Darmkrebs, beides war in der Kontrollgruppe schwächer ausgeprägt. Bedeutung haben diese Funde, da EDTA-Substanzen von der Nahrungsmittelindustrie als Lebensmittelzusatzstoffe und Nahrungsergänzungsmittel in Form von Fe(III)-Na-EDTA oder Ca-EDTA verwendet werden. Ca-EDTA wird als Antioxidationsmittel, Stabilisator und Komplexbildner genutzt, mit dem Ziel, beispielsweise eine Farb- und Geschmacksveränderung bei Lebensmitteln zu verhindern. Öle werden aus gleichem Grund an der Oxidation gehindert. In der EU trägt es als Lebensmittelzusatzstoff die Bezeichnung E385 und ist nur für emulgierte Saucen, Dosen- und Glaskonserven bestimmter Lebensmittel, Streichfette mit geringem Fettgehalt sowie gefrorene Schalentiere in einer Konzentration von 75–250 mg/kg zugelassen. Seit dem Jahr 2010 ist Fe(III)-Na-EDTA als neuartige Lebensmittelzutat in der EU zugelassen [60]. Die Höchstmenge als Nahrungsergänzungsmittel beträgt 75 mg je täglicher Verzehrmenge gemäß Herstellerempfehlung, bei Kindern 18 mg. Im Jahr davor hat die EFSA eine Stellungnahme abgegeben, dass EDTA unbedenklich ist, solange die tägliche EDTA-Exposition 1,9 mg/kgKG nicht übersteigt.

Ob und wie die Ergebnisse aus den Tierversuchen auf den Mensch übertragbar sind, werden zukünftige Studien zeigen müssen. Es zeigt sich jedoch ein weiteres Puzzleteil im großen Rätsel, warum die westliche Diät mit einem erhöhten Darmkrebs- bzw. generellen Erkrankungsrisiko einhergeht.