Zusammenfassung
Das primäre Sjögren-Syndrom ist eine häufige Kollagenose, die etwa 0,01–0,09 % der Bevölkerung betrifft. Chronische Xerophthalmie und Xerostomie sind die häufigsten Symptome dieser Erkrankung und sollten durch objektive Tests wie den Schirmer- und Saxon-Test bestätigt werden. Auch seltenere Symptome wie Arthritiden, Parotisschwellungen, interstitielle Lungen- und Nierenerkrankung und Entzündungen des zentralen und peripheren Nervensystems sollten hinsichtlich eines Sjögren-Syndroms weiter abgeklärt werden. Die weiteren diagnostischen Maßnahmen sollten eine Lippenspeicheldrüsenbiopsie und den Nachweis von Ro/SSA- und La/SSB-Antikörpern enthalten.
In bis zu 70 % der Fälle verläuft das Sjögren-Syndrom mit niedriger Krankheitsaktivität, sodass eine symptomatische Lokaltherapie, die orale Applikation von Pilocarpin und von nichtsteroidalen Antirheumatika ausreichend wirksam sind. Therapierefraktäre Arthritiden, Parotisschwellungen, interstitielle Lungen- oder Nierenerkrankung, Entzündungen im zentralen und peripheren Nervensystem und Vaskulitiden erfordern eine immunsuppressive Therapie. Europäische Guidelines empfehlen den Einsatz von Methotrexat und Hydroxychloroquin zur Therapie von Arthritiden, obwohl klinische Studien zu deren Wirksamkeit fehlen. Studien mit hoher Qualität für den Einsatz von anderen Immunsuppressiva wie Azathioprin, Mycophenolat und Cyclophosphamid sowie von Biologika wie zum Beispiel Rituximab, Belimumab und Abatacept fehlen ebenfalls. Aus offenen Studien und Fallbeschreibungen ist deren Einsatz bei schweren Organmanifestationen aber gerechtfertigt.
Abstract
Primary Sjögren’s syndrome is a frequent collagen vascular disease affecting about 0.01–0.09% of the general population. Persistent xerophthalmia and xerostomia are the most frequent symptoms of Sjögren’s syndrome and should be promptly confirmed by objective means such as the Schirmer’s and Saxon test. Less frequently, patients with inflammatory polyarthralgia, parotid glandular swellings and systemic disease including interstitial lung disease, interstitial nephritis and central nervous system involvement need further work-up in terms of Sjögren’s syndrome. The subsequent diagnostic procedure should include lip biopsy and the search for Ro/SSA and La/SSB antibodies in all patients.
In up to 70% of patients Sjögren’s syndrome runs a favourable course with low disease activity. Therefore, local therapeutics, oral application of pilocarpine and non-steroidal anti-rheumatic drugs are usually sufficient to cope with the clinical condition. Refractory inflammatory joint disease, pulmonary and central nervous system involvement as well as small vessel vasculitis require immunosuppressive therapy. There is some evidence that patients with inflammatory joint disease can be treated with methotrexate or hydroxychloroquine. High-quality clinical trials with other immunosuppressants, such as azathioprine, mycophenolate and cyclophosphamide, as well as biologics such as rituximab, belimumab and abatacept, are missing but these agents may successfully be used in patients with severe systemic disease.
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Das Sjögren-Syndrom ist eine systemische Autoimmunerkrankung, die 1933 erstmals vom schwedischen Ophthalmologen Henrik Samuel Conrad Sjögren beschrieben wurde. Man unterscheidet ein primäres Sjögren-Syndrom, welches isoliert oder im Rahmen einer organspezifischen Autoimmunerkrankung (Thyreoiditis, primär biliäre Cholangitis) auftritt und ein sekundäres Sjögren-Syndrom im Rahmen einer anderen Kollagenose (Tab. 1; [9, 23]). Nachdem erstmals 1975 Klassifikationskriterien für das Vorliegen eines Sjögren-Syndroms erstellt wurden, können die aktuell bestehenden europäisch-amerikanischen Klassifikationskriterien von 2016 als Hilfestellung bei der Diagnose des Sjögren-Syndroms herangezogen werden (Tab. 2; [35]).
Legt man epidemiologischen Untersuchungen standardisierte Klassifikationskriterien des Sjögren-Syndroms zugrunde, so dürfte die Prävalenz des primären Sjögren-Syndroms bei etwa 0,01–0,09 % der Gesamtbevölkerung liegen [30]. Damit ist das primäre Sjögren-Syndrom nach dem systemischen Lupus erythematodes die zweithäufigste Kollagenose [10]. Die Inzidenz des primären Sjögren-Syndroms liegt bei etwa 5–9 pro 100.000 Einwohner und Jahr. Frauen erkranken etwa 9‑mal häufiger an einem primären Sjögren-Syndrom und das mittlere Erkrankungsalter liegt mit etwa 56 Jahren deutlich höher als beim systemischen Lupus erythematodes [30].
Pathophysiologisch steht am Beginn der Erkrankung eine möglicherweise viral getriggerte Entzündung der glandulären Epithelzellen, die apoptotisch werden, Autoantigene freisetzen und über die Produktion von Interferone vom Typ I zu einer Aktivierung des spezifischen Immunsystems einschließlich von CD8+-T-Lymphozyten und B‑Lymphozyten führen. In den exokrinen Drüsen entstehen unter anderem durch den B‑Zell-Aktivierungsfaktor (BAFF) Keimzentren mit reifen Plasmazellen, die Autoantikörper zum Beispiel gegen Muskarinrezeptoren bilden und zu den Funktionsstörungen der Drüsen beitragen [23].
Das Kardinalsymptom des Sjögren-Syndroms ist eine bei allen Patienten durch eine Funktionsstörung der exokrinen Drüsen hervorgerufene Sicca-Symptomatik der Augen und/oder des Mundes, aber auch der Haut, des Respirationstraktes und/oder des Genitales [44]. Eine Sicca-Symptomatik der Augen tritt allerdings mit zunehmendem Lebensalter bei bis zu 50 % der Bevölkerung auf [34, 38], woraus hervorgeht, dass nur bei einem kleinen Teil der Patienten mit Sicca-Symptomatik ein Sjögren-Syndrom vorliegt. Eine typische Komplikation des Sjögren-Syndroms ist die Entwicklung eines Lymphoms in etwa 5–10 % der Patienten [47].
Diagnostik des Sjögren-Syndroms
Das Sjögren-Syndrom ist eine auch unter Ärzten wenig bekannte Autoimmunerkrankung, die allerdings in bis zu 71 % der Fälle auch mit extraglandulären Manifestationen einhergeht [31].
Klinische Befunde
Wegweisend für die Diagnose eines Sjögren-Syndroms ist bei der Mehrzahl der Patienten eine Sicca-Symptomatik über mindestens 3 Monate, obwohl Polyarthralgien, Raynaud-Phänomen oder eine pathologisch erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) sowie eine Hypergammaglobulinämie ebenfalls Ausdruck eines Sjögren-Syndroms sein können (Tab. 3).
Die Sicca-Symptomatik ist bei zwei Drittel der Patienten Erstsymptom des Sjögren-Syndroms und manifestiert sich als Xerophthalmie am Auge und/oder als Xerostomie im Mund. Bei Vorliegen einer Xerophthalmie schildern die Betroffenen besonders ein Fremdkörper- oder Trockenheitsgefühl in den Augen. Bei einem Teil der Patienten wird die verminderte Tränensekretion als Keratoconjunctivitis sicca manifest. Diese Erkrankung geht meist mit einer deutlichen Augenoberflächenschädigung einher, die auch zu einer Hornhautentzündung und Hornhauteinschmelzung führen kann. Ähnlich häufig ist die Xerostomie Erstsymptom des Sjögren-Syndroms, wobei die Erkrankten die einsetzende Mundtrockenheit meist als nicht krankheitsrelevant erachten und mit einer vermehrten Flüssigkeitszufuhr kompensieren. Erst eine ausgeprägte Xerostomie mit nächtlichem Trinkzwang, Schluckstörungen für trockene Speisen und Störungen beim Sprechen werden den meisten Patienten bewusst und sind für den behandelnden Arzt gute klinische Hinweise auf ein Sjögren-Syndrom. Auch eine im frühen Erwachsenenalter auftretende Parodontitis mit vorzeitigem Zahnverlust als Folge der verminderten Bakterizidie der reduzierten Speichelmenge ist ein wichtiges, auf ein Sjögren-Syndrom hinweisendes Symptom [39].
Ein Drittel der Patientinnen und Patienten mit einem Sjögren-Syndrom präsentiert sich mit entzündlichen Arthralgien ohne synovitische Schwellungen [46]. Charakteristisch sind symmetrische Polyarthralgien mit Befall der Sprunggelenke, Finger- und Zehengrundgelenke, Handgelenke und Schultergelenke [13]. Typische Arthritiden finden sich in weniger als 5 % der Patienten mit Sjögren-Syndrom.
In der Literatur werden Parotisschwellungen als häufiges Erstsymptom bei bis zu 49 % der Betroffenen angegeben [36]. In unserem eigenen Patientenkollektiv waren jedoch zum Zeitpunkt der Diagnosestellung nur bei 5 % der 118 Patienten mit Sjögren-Syndrom Parotisschwellungen erhebbar.
Weitere Symptome, die auf ein Sjögren-Syndrom hinweisen können, sind ein ungeklärtes allgemeines Krankheitsgefühl, ein Raynaud-Phänomen, eine Hypergammaglobulinämie sowie selten eine interstitielle Lungenerkrankung, eine interstitielle Nephritis, eine leukozytoklastische Vaskulitis oder zentrale und periphere neurologische Störungen [3, 15].
Weisen klinische Symptome auf ein Sjögren-Syndrom hin, müssen diese objektiviert werden. Eine vom Patienten angegebene Sicca-Symptomatik an den Augen sollte durch einen Schirmertest und eine spezifische ophthalmologische Untersuchung mit Beurteilung der Tränenfilmqualität und der Augenoberfläche bestätigt werden. Beim Schirmertest wird ohne vorherige Gabe eines Lokalanästhetikums ein Filterpapierstreifen in das Unterlid gehängt und die Distanz der befeuchteten Strecke nach 5 min bestimmt. Eine Befeuchtung von 5 mm oder weniger gilt als pathologisch verminderte Tränensekretion [17]. Der Schirmertest muss für die Diagnosestellung durch eine Fluoreszeinfärbung des Tränenfilms und der kornealen Oberfläche ergänzt werden, wobei an der Spaltlampe mit diesem Farbstoff eine verminderte Stabilität des Tränenfilms bzw. Hornhautschäden sichtbar gemacht werden können. Um eine Schädigung der Bindehaut beurteilen zu können, ist es notwendig, Farbstoffe wie Lissamingrün und Bengalrosa einzusetzen (Abb. 1a, b).
Für die Objektivierung der Speichelsekretion stehen neben anderen Methoden der Saxon-Test, die Sialometrie und die Speicheldrüsenszintigraphie zur Verfügung [16]. Beim Saxon-Test wird eine Kompresse für 2 min gekaut und die Gewichtsdifferenz der Kompresse vor und nach dem Kauen bestimmt. Eine Zunahme des Gewichtes der Kompresse von <2,75g/2 min gilt als pathologisch [20]. Bei der Speicheldrüsenszintigraphie wird die Aufnahme und stimulierte Sekretion von 99mTechnetium(Tc)-Pertechnetat über den großen Speicheldrüsen szintigraphisch dargestellt (Abb. 2). Wenn die maximale Aufnahme von 99mTc in die Speicheldrüsen und die Geschwindigkeit der 99mTc-Ausscheidung als Zielparameter verwendet werden, liegt die Spezifität für das Vorliegen eines Sjögren-Syndroms bei über 80 % [27].
Szintigraphisches Bild einer pathologischen Speicheldrüsenfunktion bei Sjögren-Syndrom (zur Verfügung gestellt von Univ. Prof. Dr. R. Lipp, Klinische Abteilung für Nuklearmedizin, Universitätsklinik für Radiologie, Medizinische Universität Graz). Auffallend ist der stark verlangsamte Anstieg der Traceraufnahme von 99mTc-Pertechnetat in die Speicheldrüsen und der schwache und verzögerte Abfluss des Tracers aus den Speicheldrüsen nach einer Reizmahlzeit. 1, 2 rechte und linke Parotis, 3, 4 rechte und linke Submandibulardrüsen
Ein anamnestisch angegebenes Raynaud-Phänomen sollte durch einen Kälteprovokationstest verifiziert werden.
Labortests
Wie bereits erwähnt sind eine pathologisch erhöhte BSG, eine Hypergammaglobulinämie, eine Hypokomplementämie, eine Leukopenie oder eine renale tubuläre Acidose im Rahmen einer interstitiellen Nephritis, wenn die Veränderungen nicht durch eine andere Erkrankung erklärbar sind, manchmal die einzigen Hinweise auf ein Sjögren-Syndrom.
Im Serum nachweisbare Ro(SSA)- und La(SSB)-Antikörper sind mit dem Sjögren-Syndrom assoziierte Autoantikörper, wobei Ro-Antikörper mit maximal 60 % eine höhere Sensitivität und La-Antikörper mit über 90 % die höhere Spezifität aufweisen [22, 31]. Der Nachweis von Antikörpern gegen α‑Fodrin hat bei fehlendem Nachweis von Ro- und La-Antikörpern diagnostische Bedeutung, wird aber nicht in allen Laboratorien angeboten [45]. Obwohl Autoantikörper gegen einen Peptidabschnitt des Muscarin-M3-Rezeptors bei Patienten mit Sjögren-Syndrom gefunden wurden, hat sich ein Test zum Nachweis dieser Antikörper bisher im klinischen Alltag nicht durchgesetzt [1].
Speicheldrüsenbiopsie
Bei Patienten mit Hinweisen auf ein Sjögren-Syndrom ist zur Diagnosesicherung, zur Abgrenzung anderer mit einer Sicca-Symptomatik einhergehenden Erkrankungen wie einer Sarkoidose oder einer IgG4-assoziierten Erkrankung sowie zur Abgrenzung eines sekundären Sjögren-Syndroms eine Speicheldrüsenbiopsie erforderlich [21, 35]. Die Biopsie erfolgt als ambulanter Eingriff an der Unterlippe und die histologische Auswertung von lymphozytären Aggregaten durch die Bestimmung des Fokus-Scores nach Chisholm und Mason ([5]; Abb. 3). Ein Fokus-Score von ≥1 weist mit einer Spezifität von 82 % auf ein Sjögren-Syndrom hin [41].
Nach den im Jahr 2016 weiterentwickelten europäisch-amerikanischen Klassifikationskriterien [35] liegt ein primäres Sjögren-Syndrom dann vor, wenn bei signifikanter und objektivierbarer Sicca-Symptomatik der Augen und/oder des Mundes eine pathologische Speicheldrüsenbiopsie und/oder eine signifikant erhöhte Konzentration an Ro/SSA-Antikörpern gefunden werden. Ein sekundäres Sjögren-Syndrom kann bei Vorliegen einer Kollagenose dann diagnostiziert werden, wenn neben einer Xerophthalmie und Xerostomie 2 der folgenden 3 Befunde vorliegen: pathologisch verminderte Tränen- oder Speichelsekretion, positive Lippenspeicheldrüsenbiopsie.
Therapie des Sjögren-Syndroms
Da nur etwa 15 % der Patienten mit Sjögren-Syndrom schwerwiegende extraglanduläre Organmanifestationen entwickeln [2], steht die lokale und ggf. systemische symptomatische Therapie der Sicca-Symptomatik und/oder der entzündlichen Arthralgien im Vordergrund. Für nichtpharmakologische Interventionen liegt jedoch bisher keine gesicherte Evidenz vor [12].
Die Standardtherapie der Xerophthalmie und der Keratoconjunctivitis sicca besteht in der lokalen Applikation von Tränenersatzmitteln [14, 17]. Mit zunehmender Schwere der Symptomatik werden höhervisköse Substanzen wie Hyaluronsäure und Carbomere tagsüber als Augentropfen und abends als Augengele eingesetzt. Da Konservierungsmittel nachweislich schädigend für den Tränenfilm und die Augenoberfläche sind, ist die Behandlung mit nicht konservierten Präparaten medizinisch indiziert [11, 18]. Additiv führen die lokale Wärmezufuhr mit feucht-warmen Umschlägen und eine Lidrandmassage zur Linderung der Beschwerden. Durch diese Maßnahmen werden Fette der Lidranddrüsen freigesetzt und damit die Stabilität des Tränenfilms verbessert. Die entzündlichen Veränderungen, die beim trockenen Auge im Rahmen des Sjögren-Syndroms besonders häufig und ausgeprägt auftreten können, sind mit topisch applizierten antiinflammatorischen Substanzen gut therapierbar. Glucocorticoidhaltige Präparate können aufgrund der Nebenwirkungen nur kurzfristig eingesetzt werden. Die lokale Anwendung von Cyclosporin A hat sich seit einigen Jahren als sehr wirksam erwiesen und kann auch über lange Zeit durchgeführt werden [4].
Zusätzlich kann auch ein zuerst temporärer und schließlich ein permanenter Verschluss der Tränenabflusswege durch die Applikation von sog. Punctum Plugs (Tränenwegsstöpsel) hilfreich sein. Die Behandlung führt dazu, dass die künstliche Tränenflüssigkeit über längere Zeit das Auge feucht hält [18].
Die Therapie der Xerostomie gestaltet sich im Vergleich zur Therapie der Xerophthalmie ungleich schwieriger [28]. Empfohlen werden eine gründliche Mundhygiene, die limitierte Zufuhr von zuckerhaltiger Nahrung und die Vermeidung von Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr zwischen den Mahlzeiten, vor dem Schlafengehen und während der Nacht. Bei Patienten mit Zahnproblemen sollten saure und zuckerhaltige Produkte vermieden werden. Die Zähne sollten 2‑mal pro Tag mit einer hochfluorierten Zahnpasta geputzt werden. Zur Anregung der Speichelsekretion kann das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi empfohlen werden. Als Speichelersatzmittel können die nur wenig und kurz wirksamen Methylzellulosederivate verwendet werden. Wichtig sind regelmäßige, z. B. 3‑monatliche, jeweils über 2 Wochen durchgeführte, Mundspülungen mit Chlorhexidin und eine zahnärztliche Überwachung, um eine frühzeitige Parodontose und eine Candida-Besiedelung hintan zu halten. Eine orale Candida-Infektion sollte mit Fungostatika über 7 Tage behandelt werden.
Zur Therapie der vaginalen Sicca-Symptomatik sind nichtöstrogenhaltige Linimente und eine gynäkologische Betreuung anzuraten.
Bei ausgeprägter lokaler oder systemischer Sicca-Symptomatik kann Pilocarpin als cholinerg wirksames Pharmazeutikum in einer Dosis von maximal 30 mg täglich eingesetzt werden [40]. Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schweißneigung, Tachykardie und verstärkter Harndrang können durch eine einschleichende Dosierung minimiert werden. Die spezifisch den Muscarin-M1- und Muscarin-M3-Rezeptor stimulierende Substanz Cevimelin hat eine deutlich längere Halbwertszeit als Pilocarpin und ist in den USA zur Therapie der Sicca-Symptomatik beim Sjögren-Syndrom und nach Bestrahlung der Speicheldrüsen zugelassen. In Europa wurde die Zulassung von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) wegen nicht ausreichend belegter Wirksamkeit und ungenügenden Studien zur klinischen Sicherheit bisher verweigert.
Bei entzündlichen Arthralgien im Rahmen des Sjögren-Syndroms können nichtsteroidale Antirheumatika als Erstlinientherapie verschrieben werden [23].
Die Therapie des Sjögren-Syndroms mit Immunsuppressiva beschränkt sich vorwiegend auf extraglanduläre Manifestationen an den Gelenken, den Lungen und des Nervensystems [2]. Zusätzlich kann eine Beteiligung der Nieren meist in Form einer interstitiellen Nephritis, eine Vaskulitis vorwiegend der Haut oder selten eine Myositis eine immunsuppressive Therapie erforderlich machen.
Glucocorticoide sollen nur bei systemischen Komplikationen des Sjögren-Syndroms wie bei Lungenbeteiligung oder einer neurologischen Manifestation für kurze Zeit eingesetzt werden [32, 43].
Hydroxychloroquin führte in Studien zu einer geringen Reduktion der Sicca-Symptomatik und auch von Gelenkschmerzen, sodass europäische Guidelines die Anwendung von Hydroxychloroquin bei Gelenkbeteiligung und Müdigkeit empfehlen [33]. In einer Metaanalyse wurde jedoch keine sichere Wirksamkeit von Hydroxychloroquin in der Therapie des Sjögren-Syndroms gefunden [42].
Methotrexat verbesserte die Sicca-Symptomatik am Auge und im Mund, führte aber zu keiner Änderung der objektiven Parameter der Drüsensekretion [37]. Die Wirksamkeit von Methotrexat in der Therapie von mit dem Sjögren-Syndrom assoziierten Arthralgien und Arthritiden ist klinisch nicht geprüft, diese Substanz wird in europäischen Richtlinien zur Therapie von Arthritiden jedoch empfohlen [33].
Für die Anwendung von Azathioprin in der Therapie von pulmonalen und myelopathischen Komplikationen des Sjögren-Syndroms liegen positive Fallberichte vor. Eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie von Azathioprin in einer sehr niedrigen Dosis von 1 mg/kg/Tag zeigte allerdings bei Patienten mit Sjögren-Syndrom keine signifikante Wirksamkeit [29].
Fallberichte dokumentieren eine Wirksamkeit von Mycophenolat-Mofetil besonders bei Sjögren-Syndrom mit interstitieller Lungenerkrankung und europäische Guidelines empfehlen die Anwendung von Mycophenolat bei Lungenbeteiligung, obwohl entsprechende klinische Studien dafür fehlen [33].
Es gibt Fallberichte, die eine Wirksamkeit von Cyclosporin A bei interstitieller Zystitis und Pneumonitis im Rahmen eines Sjögren-Syndroms beschreiben [6]. Cyclosporin A war in einer offenen Phase-II-Studie auch bei Arthritiden wirksam [19]; wegen seiner schlechten Verträglichkeit sollte diese Substanz aber nicht längerfristig angewendet werden.
Therapie des Sjögren-Syndroms mit Biologika
Während 2 von 3 kontrollierten Studien mit TNF-Blockern keinen klinischen Effekt zeigten, führte Rituximab – ein chimärer Antikörper gegen das CD20-Oberflächenmolekül, das zu einer Depletion von B‑Lymphozyten und zu einer Reduktion der Immunglobulinkonzentration im Serum führt – in 2 Studien zu einer Verbesserung von subjektiven und objektiven Parametern der Sicca-Symptomatik einschließlich der Müdigkeit sowie von extraglandulären Manifestationen an der Lunge und am Nervensystem [7, 25]. In 2 placebokontrollierten Phase-II-Studien wurde unter einer Therapie mit Rituximab das primäre Therapieziel einer Verbesserung der Sicca-Symptomatik sowie von Gelenkschmerzen und Müdigkeit jedoch nicht erreicht [8]. Deshalb und wegen vereinzelter Berichte über das Auftreten einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie sollte diese Therapie auf schwere und therapierefraktäre Fälle beschränkt werden.
In einer offenen Phase-II-Studie über 24 Wochen führte die intravenöse Gabe von 10 mg/kgKG Belimumab in der Woche 0, 2, 4 und dann alle 4 Wochen zu einer signifikanten Besserung der anhand eines Scores gemessenen Krankheitsaktivität des Sjögren-Syndroms, nicht jedoch der subjektiven und objektiven Symptome der Sicca-Symptomatik [24].
Eine ähnliche Wirksamkeit zeigte sich unter einer Therapie des Sjögren-Syndroms mit Abatacept. In einer offenen Studie an 15 Patienten kam es zu einer signifikanten Verbesserung der anhand eines Scores gemessenen Krankheitsaktivität des Sjögren-Syndroms sowie der Müdigkeit und Lebensqualität, nicht jedoch der Tränen- und Speichelsekretion [26].
Fazit für die Praxis
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Das primäre Sjögren-Syndrom gehört neben dem systemischen Lupus erythematodes zu den häufigen Kollagenosen und führt bei etwa 5–10 % der Patienten zum Auftreten eines malignen Lymphoms.
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Xerophthalmie und Xerostomie sind die Kardinalsymptome der Erkrankung. Das Sjögren-Syndrom kann sich jedoch auch extraglandulär an der Lunge, der Niere, am zentralen und peripheren Nervensystem sowie als Kleingefäßvaskulitis manifestieren. Für die Diagnosestellung sind neben dem Nachweis einer objektiven Sekretionsstörung der exokrinen Drüsen auch eine pathologische Speicheldrüsenbiopsie und/oder der Nachweis von Ro/SSA-Antikörpern erforderlich.
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Die Mehrzahl der Patienten mit Sjögren-Syndrom kann lokal mit Lubrikantien und antiinflammatorischen Substanzen behandelt werden. Bei Organmanifestationen werden Glucocorticoide und Immunsuppressiva eingesetzt, wobei für die eingesetzten Substanzen bisher eine ausreichende klinische Wirksamkeit wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist.
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An österreichischen Universitäten, insbesondere in Graz, laufen allerdings klinische Studien mit Biologika, die auf die Möglichkeit, das Sjögren-Syndrom in Zukunft effektiv behandeln zu können, hindeuten.
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Open access funding provided by Medical University of Graz.
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Aktualisierung von: Hermann J, Horwath-Winter J (2011) Diagnose und Therapie des Sjögren-Syndroms. J Miner Stoffwechs 18(2):72–76
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag überwiegend das generische Maskulinum verwendet. Dies impliziert immer beide Formen, schließt also die weibliche Form mit ein.
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Hermann, J., Horwath-Winter, J. Diagnose und Therapie des Sjögren-Syndroms. J. Miner. Stoffwechs. Muskuloskelet. Erkrank. 26, 50–56 (2019). https://doi.org/10.1007/s41970-019-0073-6
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DOI: https://doi.org/10.1007/s41970-019-0073-6