Der vorliegende Beitrag gibt einen kurzen historischen Abriss von den Anfängen der Vitamin-D-Entdeckung bis hin zum aktuellen Stand der klinischen Forschung bei wichtigen Erkrankungen, die in Zusammenhang mit einem Vitamin-D-Mangel gebracht werden. Des Weiteren werden die empfohlenen Dosierungen, insbesondere im Hochdosisbereich, einer kritischen Wertung unterzogen.

Rachitisprophylaxe

Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert war die Rachitis, eine klassische Vitamin-D-Mangelerkrankung, in Nordamerika und Europa endemisch. Damals führten die Luftverschmutzung im Rahmen der Industrialisierung sowie die dunklen Hinterhöfe im Rahmen der Urbanisierung zu einer unzureichenden UVB-Exposition der Haut der Säuglinge und Kleinkinder und in deren Folge zu einem Vitamin-D-Defizit. Die Prävalenz an Rachitis bei Säuglingen und Kleinkindern lag bei 50 %, in manchen Städten bei bis zu 80 %. Vor ca. 100 Jahren wurde dann erkannt, dass sowohl die Gabe von Lebertran, einer besonders Vitamin-D-reichen Quelle, als auch die Exposition gegenüber UVB-Strahlung die Rachitis heilen kann. Damit kristallisierte sich heraus, dass es grundsätzlich zwei Vitamin-D-Quellen für den Menschen gibt: die Synthese in der Haut durch die solare UVB-Strahlung sowie die alimentäre Zufuhr über bestimmte Lebensmittel. Bis die chemische Struktur von Vitamin D aufgeklärt werden konnte, dauerte es noch bis in die 1930er-Jahre. Der deutsche Chemiker Adolf Windaus bekam für seine diesbezüglichen Arbeiten den Nobelpreis [1].

In den ersten Jahrzehnten nach der Entdeckung des Vitamin D und dessen Bedeutung für die Vermeidung von Rachitis wurden Säuglinge der natürlichen und auch der künstlichen UV-Strahlung ausgesetzt, Letztere auch bekannt als Höhensonne. Alternativ wurde die Verabreichung von Lebertran bzw. die intermittierende hochdosierte Gabe von Vitamin D durchgeführt, Letztere auch bekannt als Stoßprophylaxe. Heutzutage erfolgt die Rachitisprophylaxe durch kontinuierliche, niedrigdosierte Vitamin-D-Gabe im Säuglingsalter (500 IE/Tag) sowie durch die stumme Prophylaxe, d. h. durch zusätzliche Anreicherung der industriell hergestellten Säuglingsmilch mit 400 IE pro Liter. In Kontinentaleuropa wird die Rachitisprophylaxe sehr erfolgreich durchgeführt (Tab. 1). In der Zielgruppe der Säuglinge hat sie in einigen Ländern (Österreich, Ungarn) eine Breitenwirksamkeit von 98 %, während in den USA weniger als 33 % der Säuglinge und auf den britischen Inseln nur 5–20 % durch die Rachitisprophylaxe erreicht werden [2, 3].

Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse von klinischen Studien [4] hat die Effizienz der Rachitisprophylaxe bestätigt: Als Indikator einer adäquaten Vitamin-D-Versorgung der Säuglinge wurde hierbei der Blutspiegel an 25-Hydroxyvitamin D (25[OH]D) herangezogen. Bei täglicher Einnahme von 500 IE Vitamin D erreichten 97,5 % der Untersuchten den Zielwert von 50 nmol/l (20 ng/ml).

Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre wurde erkannt, dass Vitamin D zur Aktivierung zwei Hydroxylierungsschritte benötigt, und zwar die hepatische Synthese zu 25(OH)D und die anschließende renale Synthese zum Vitamin-D-Hormon 1,25(OH)2D (Abb. 1). Nach Freisetzung in den Blutkreislauf kann 1,25-Dihydroxyvitamin D von verschiedenen Zielgeweben aufgenommen werden und entfaltet dort seine Wirkung durch Vitamin-D-Rezeptor(VDR)-vermittelte Prozesse. Es sind mehrere SNPs („single nucleotide polymorphisms“) des Vitamin-D-Rezeptors bekannt: BsmI und ApaI in Intron 8, TaqI in Exon 9 und FokI im Exon 2. Das Vitamin-D-bindende Protein (DBP) ist das wichtigste Transportprotein für Vitamin D und seine Metaboliten. Die Inaktivierung von 25-Hydroxyvitamin D und 1,25-Dihydroxyvitamin D wird durch die 24-Hydroxylase (Gen CYP24A1) zu 24,25-Dihydroxyvitamin D (24,25(OH)2D) bzw. 1,24,25-Trihydroxyvitamin D (1,24,25(OH)3D) eingeleitet. Erste Methoden zur Bestimmung der beiden Vitamin-D-Metabolite wurden ebenfalls in dieser Zeit entwickelt (Abb. 2). In den 1980er-Jahren zeigten experimentelle Daten, dass Vitamin D nicht nur Wirkungen auf den Knochen hat, sondern auch immunmodulierend wirkt [5]. In den 2000er-Jahren wurde dann bei Versuchen mit Vitamin-D-Rezeptor-Knockout-Mäusen deutlich, dass diese Tiere neben Störungen im Knochenstoffwechsel auch anfälliger gegenüber Autoimmunerkrankungen sowie gegenüber Kanzerogenen waren. Zudem entwickelten sie eine Herzinsuffizienz und wiesen eine erhöhte Thromboseneigung auf. Sie waren auch ängstlicher und hatten eine geringere Lebenserwartung [6]. In den 2000er-Jahren wurde ebenfalls eine Vielzahl von prospektiven Kohortenstudien am Menschen durchgeführt (Abb. 2). Viele dieser Studien stimmten insofern mit den tierexperimentellen Daten überein, als eine Reihe von entsprechenden klinischen Endpunkten (kardiovaskuläre und Tumormortalität, Gesamtmortalität, Infektionen, multiple Sklerose) signifikant mit dem Vitamin-D-Status assoziiert waren. Häufig ergab sich ein minimales Erkrankungsrisiko bei einem 25(OH)D-Spiegel von ca. 75 nmol/l (30 ng/ml), während sich das Risiko bei niedrigeren Werten nichtlinear erhöhte.

Abb. 1
figure 1

Vitamin-D-Stoffwechsel im Menschen. Prävitamin D wird in der Haut durch solare UVB-Strahlung (290–315 nm) durch eine 7‑Dehydrocholesterol-Reduktase (DHCR7) gebildet und durch eine thermische Reaktion zu Vitamin D isomerisiert. Vitamin D kann auch oral über native Lebensmittel, angereicherte Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen werden. Durch hepatische 25-Hydoxylasen wird Vitamin D in 25-Hydroxyvitamin D (25(OH)D) umgewandelt, wobei die wichtigste 25-Hydroxylase ein mikrosomales Enzym ist (Gen CYP2R1). Eine renale 1α-Hydroxylierung (Gen CYP 27B1) von 25(OH)D führt zur Bildung des physiologisch aktiven Vitamin-D-Hormons, 1,25-Dihydroxyvitamin D (1,25(OH)2D)

Abb. 2
figure 2

Publikationen zu Vitamin D in Pubmed. 25(OH)D 25-Hydroxyvitamin D, 1,25(OH)2D 1,25-Dihydroxyvitamin D, VDR-/- Vitamin-D-Rezeptor-Knockout, pros. prospektiv, Vit.D Vitamin D, klin. klinische, RCTs randomized controlled trials (randomisierte, kontrollierte Studien)

Dosierungsstudien und Zufuhrempfehlungen

In den 2000er-Jahren wurde auch im Rahmen von Dosierungsstudien erkannt, dass bei Ausgangswerten an 25(OH)D von 30 nmol/l eine Dosis von 5000 IE Vitamin D und bei einem Ausgangswert von ca. 50 nmol/l eine Dosis von 3800 IE Vitamin D täglich erforderlich ist, damit alle Versuchspersonen einen Spiegel von 75 nmol/l sicher überschreiten [7]. Im Jahr 2011 gab dann die Endocrine Society eine Clinical Practice Guideline heraus, in der empfohlen wurde, die Vitamin-D-Versorgung ausschließlich anhand der Messung des 25(OH)D-Spiegels zu beurteilen [8]. Die Guideline definierte ein Vitamin-D-Defizit bei 25(OH)D-Konzentrationen < 50 nmol/l und eine Vitamin-D-Insuffizienz bei einem Wert von 52,5–72,5 nmol/l. Die Endocrine Society riet, bei einem Vitamin-D-Defizit Erwachsene einmal wöchentlich mit 50.000 IE Vitamin D oder täglich mit 6000 IE für eine Dauer von acht Wochen zu behandeln, bis ein Blutspiegel von 75 nmol/l (30 ng/ml) erreicht ist. Bereits in den Jahren vor der Publikation der Endocrine Society war es zu einem Anstieg der 25(OH)D-Bestimmungen im klinischen Bereich um den Faktor 2–6 gekommen [9]. Kurz nach dieser Publikation wurde im Jahre 2012 in einem Lancet-Artikel auf den sprunghaften Anstieg der 25(OH)D-Bestimmungen im klinischen Bereich hingewiesen [9]. Ebenfalls wurde kritisch angemerkt, dass diese Praxis, ohne glaubwürdige Ergebnisse zu liefern, zu hohen Kosten führt und somit letztlich nur zur Konfusion beträgt.

Verschiedene andere Fachgesellschaften aus Nordamerika und Europa [10,11,12,13,14] waren zum gleichen Zeitpunkt der Ansicht, dass der untere 25(OH)D-Zielwert für eine adäquate Vitamin-D-Versorgung bei Erwachsenen bereits bei 50 nmol/l erreicht ist und hierfür 600 bis 800 IE ausreichen würden (Tab. 2). Es wird somit deutlich, dass bei niedrigeren Zielwerten an 25(OH)D im Blut die benötigten Zufuhrmengen überproportional absinken. Das nordamerikanische Institute of Medicine legte als oberen Wert für eine adäquate Vitamin-D-Versorgung einen Wert an 25(OH)D von 125 nmol/l fest, da ansonsten schädliche Vitamin-D-Wirkungen nicht auszuschließen seien. Der „upper tolerable intake level“ (UL) wurde entsprechend bei 4000 IE täglich festgesetzt. In der Tat wurde in der o. g. Dosierungsstudie [7] bei täglicher Vitamin-D-Zufuhr von bis zu 5000 IE der 25(OH)D-Spiegel von 125 nmol/l von manchen Probanden überschritten.

Tab. 1 Breitenwirksamkeit der Rachitisprophylaxe in ausgewählten Ländern [2, 3]
Tab. 2 Zielwerte an 25-Hydroxyvitamin D im Blut und entspreche Zufuhrmengen
Tab. 3 Konzentrationen der 25(OH)D-, 24,25(OH)2D- und 1,25(OH)2D‑Konzentrationen bei Kindern und Jugendlichen ohne offensichtliche Störungen im Vitamin-D-Stoffwechsel in Abhängigkeit von der Jahreszeit

Dreifacher Vitamin-D-Hype

In der Allgemeinbevölkerung kam es ebenso wie im klinischen Bereich, bedingt durch positive Berichte über das Sonnenhormon D oder Sonnenvitamin D, bereits in den 2000er-Jahren zu einem starken Anstieg der Supplementierung von Vitamin D. In den USA nahmen dann 2013–2014 knapp 20 % der Allgemeinbevölkerung Vitamin-D-Präparate in einer Dosierung von 1000 IE oder mehr auf, aber auch 3 % 4000 IE oder mehr [15]. Es kam somit in den 2000er- und ersten 2010er-Jahren zu einem dreifachen Vitamin-D-Hype: einem Publikations-Hype in Wissenschaft (Abb. 2) und Medien, einem Mess-Hype unter Ärzten (Bestimmung von 25(OH)D als Indikator der Versorgungslage) sowie einem Supplementierungs-Hype im medizinischen und privaten Bereich zur Vermeidung und Behandlung von Krankheiten. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse [16], die die Langzeiteinnahme von Vitamin D untersuchte, ergab, dass Dosierungen von 3200 oder 4000 IE täglich mit einem signifikant erhöhten Hyperkalzämierisiko verbundenen sind und insbesondere bei älteren Personen auch das Sturz- und Hospitalisierungsrisiko erhöhen. Obwohl die von nordamerikanischen und europäischen Ernährungsgesellschaften empfohlenen täglichen Zufuhrmengen in Höhe von 600–800 IE vermutlich etwas zu niedrig sind, um bei praktisch allen (97,5 %) Erwachsenen einer Alterskohorte eine adäquate Vitamin-D-Versorgung (25[OH]D von 50 nmol/l) zu erzielen, und in der Größenordnung von 1000 IE liegen sollten (Tab. 2), wie eine individuelle Personendatenanalyse ergeben hat [17], liegen diese Mengen jedoch deutlich niedriger als die von der Endocrine Society vorgeschlagenen Mengen zur Therapie eines Vitamin-D-Mangels.

Wie äußert sich ein Vitamin-D-Mangel?

Aufgrund der positiven Kohortenstudien der 2000er-Jahre wurde in den 2010er-Jahren eine Vielzahl von randomisierten, kontrollierten Studien und entsprechenden Metaanalysen zu verschiedenen Endpunkten durchgeführt. Ein Umbrella-Review zu nichtklassischen Vitamin-D-Wirkungen ergab, dass eine Vitamin-D-Supplementierung bei Asthma- und COPD-Patienten positive Effekte auf den Krankheitsverlauf hat. Präventive Effekte entfaltet Vitamin D auch bzgl. des Risikos von Erkrankungen des oberen Respirationstraktes. Alle diese Effekte wurden insbesondere dann deutlich, wenn der Ausgangswert an 25(OH)D im Blut bei den Untersuchten < 25 nmol/l war [18]. Auch bei Prädiabetes und Diabetes [19, 20], Tumormortalität [21] und Autoimmunerkrankungen [22] sind positive Wirkungen einer Vitamin-D-Supplementierung beschrieben worden. Da ein Vitamin-D-Mangel jedoch lediglich bei den klassischen Vitamin-D-Mangelerkrankungen Rachitis und Osteomalazie der primäre Grund der Erkrankung ist, bei den o. g. Erkrankungen nur einen Faktor im multifaktoriellen Geschehen darstellt und ein Blutspiegel an 25(OH)D von 25 nmol/l bereits durch vergleichsweise geringe Vitamin-D-Zufuhrmengen überschritten wird, ist eine rasche Aufsättigung mit hochdosierten täglichen Gaben oder intermittierenden Hochdosierungen nicht notwendig und auch nicht zielführend. Hochdosierte intermittierende Gaben führen zu starken Fluktuationen an Vitamin D im Blut und in dessen Folge auch zu Fluktuationen an 25(OH)D und 1,25(OH)2D im Blut sowie vermutlich auch in den Zielgeweben. Die tägliche, niedrigdosierte Gabe sollte daher bevorzugt werden [6].

Bestimmung von freiem 25(OH)D oder Gesamt-25(OH)D?

Seit einiger Zeit rückt auch die Frage verstärkt in den Fokus, ob zur Beurteilung der Versorgungslage nicht anstelle des Gesamt-25(OH)D im Blut besser nur das freie, nicht proteingebundene 25(OH)D bestimmt werden sollte. Hintergrund ist, dass die Konzentration an freiem 25(OH)D für die Wirkung in den Zielzellen entscheidend sei und nicht die Unterschiede der Konzentration an Gesamt-25(OH)D, die durch genetische, ethnische, stoffwechsel- oder krankheitsbedingte Effekte auf das Vitamin-D-bindende Protein (DBP) auftreten können. Dem ist entgegen zu halten, dass ein sehr wichtiger Stoffwechselweg, nämlich die Synthese des aktiven Vitamin-D-Hormons 1,25(OH)2D in der Niere durch Aufnahme des Gesamt-25(OH)D in die Niere, über einen Megalin-Cubilin-vermittelten Effekt erfolgt [23]. Hinzu kommt, dass es einen Kreislauf zwischen Blut und DBP-gebundenem 25(OH)D Speicher in der Muskulatur gibt [6], der bewirkt, dass 25(OH)D aus der Muskulatur ins Blut übertragen wird, und zwar auch das proteingebundene 25(OH)D, sodass die Blutspiegel im Winter nicht in dem Maße abfallen, wie aufgrund der Halbwertzeit und fehlender UVB-Strahlung im Winter zu erwarten wäre. Des Weiteren steigen durch Vitamin-D-Supplementierung sowohl das freie 25(OH)D als auch das Gesamt-25(OH)D an [23]. Die Zukunft muss zeigen, ob es beispielsweise bei bestimmten Erkrankungen wie Lebererkrankungen sinnvoll ist, die freie Form des 25(OH)D zu bestimmen.

Bestimmung von 25(OH)D und/oder 1,25(OH)2D?

Es stellt sich auch die Frage, weshalb der Blutspiegel an 25(OH)D der allgemein anerkannte Indikator der Vitamin-D-Versorgung ist und nicht der biologisch wirksamste Metabolit des Vitamin D, das 1,25(OH)2D. Hierbei spielt eine Rolle, dass das 1,25(OH)2D stets ein schwieriger Analyt gewesen ist, da die Konzentration nur ca. 1/1000 der 25(OH)D-Konzentration im Blut beträgt. Hinzu kommt, dass die Konzentration im Gegensatz zum Blutspiegel an 25(OH)D homöostatisch durch Parathormon (PTH) und Fibroblast-Growth Factor (FGF)-23 reguliert wird, damit Vitamin D seine endokrinen Funktionen erfüllen kann, d. h. die Aufrechterhaltung eines adäquaten Serumcalciumspiegels sowie die Bereitstellung von Aktivator-Kalzium als „second messenger“ für eine Vielzahl zellulärer Prozesse. Eine spanische Studie bei Kindern [24] hat gezeigt, dass eine Vitamin-D-Supplementierung zu einem signifikanten Anstieg an 1,25(OH)2D und Abfall an PTH nur bei den Kindern führt, die basale 25(OH)D-Werte von 25 nmol/l oder weniger hatten. Der signifikante PTH-Abfall trat auch bei Kindern mit basalen 25(OH)D-Werten zwischen 25 und 50 nmol/l auf, während Kinder mit initialen 25(OH)D-Werten > 50 nmol/l weder signifikante Veränderungen im 1,25(OH)2D- noch PTH-Spiegel durch die Vitamin-D-Supplementation aufwiesen. Metaanalysen bestätigen die Ergebnisse zur PTH-Suppression durch Vitamin-D-Supplement in Abhängigkeit vom zirkulierenden 25(OH)D [25]. Somit scheint in der Allgemeinbevölkerung eine adäquate endokrine Vitamin-D-Wirkung ab 25(OH)D-Spiegeln von 50 nmol/l gewährleistet zu sein. Inwieweit dies auch auf parakrine sowie autokrine Wirkungen des Vitamin D zutrifft, ist unklar. Es gibt Hinweise, dass parakrine und autokrine Vitamin-D-Effekte zum Teil ebenfalls durch PTH und FGF-23 reguliert werden [26], in Immunzellen aber auch unabhängig davon durch andere Faktoren [27].

Während PTH die 1,25(OH)2D‑Synthese aktiviert, wird diese von FGF-23 supprimiert. Bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz und terminaler Herzinsuffizienz sind die FGF-23-Werte im Blut extrem hoch und die 1,25(OH)2D‑Werte extrem niedrig [28]. Dies ist höchstwahrscheinlich nicht Folge eines Substratmangels, sondern Konsequenz der endogenen Regulation des Phosphatstoffwechsels durch FGF-23. Das FGF-23 beeinflusst vermutlich auch die 24-Hydroxylase-Aktivität (CYP24A1). CYP24A1 ist ein mitochondriales Enzym, das den Abbau der Vitamin-D-Metabolite reguliert (Abb. 1). Es hydroxyliert sowohl das 25(OH)D als auch das 1,25(OH)2D und inaktiviert diese somit. Möglicherweise wird bei den o. g. Erkrankungen durch die hohen FGF-23- und niedrigen 1,25(OH)2D‑Spiegel eine Phosphatintoxikation des Organismus als Folge einer verminderten Verwertung bzw. unzureichenden Ausscheidung verhindert [28].

24-Hydroxylaseaktivität

Verschiedene genetische Defekte können zu einer reduzierten 24-Hydroxylaseaktivität führen [29]. Dies hat niedrige 24,25(OH)2D‑Konzentrationen im Blut zur Folge. Parallel führt dies zu einer Abbaustörung von 1,25(OH)2D und 25(OH)D, was die Konzentrationen beider Metabolite im Blut erhöht. Die Ratio zwischen 24,25(OH)2D und 25(OH)D liegt dann häufig unter einem Prozent. Folgen sind eine Kalziumhyperabsorption im Intestinum, eine Hyperkalzämie und eine Suppression des PTH-Spiegels. Aufgrund des hohen 1,25(OH)2D‑Spiegels wird FGF-23 aktiviert, welches aufgrund seiner phosphatausscheidenden Wirkung den Blutspiegel an Phosphat sinken lässt. Die Prävalenz eines 24-Hydroxylasemangels liegt in Mitteleuropa wahrscheinlich in der Größenordnung von 1:30.000 [30].

Bei Stoffwechselgesunden liegt die Ratio 24,25(OH)2D zu 25(OH)D deutlich > 1 % (Tab. 3). Es sind Überlegungen angestellt worden, die Ratio als Indikator für eine unzureichende Vitamin-D-Versorgung zu nutzen [31]. Eigene Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen ohne Störungen im Vitamin-D-Stoffwechsel haben jedoch sowohl bei niedrigen 25(OH)D- als auch bei hohen 25(OH)D-Werten eine relativ konstante Ratio von 24,25(OH)2D zu 25(OH)D von 4 % gefunden [32]. Bei terminaler Herz- und Niereninsuffizienz wäre aufgrund der hohen FGF-23- und niedrigen 1,25(OH)D- und 25(OH)D-Spiegel eine hohe Ratio von 24,25(OH)2D zu 25(OH)D zu erwarten. Bei Studien wurde jedoch bei niedriger glomerulärer Filtrationsrate eine niedrige Ratio gefunden [33], was eventuell darauf zurückzuführen ist, dass das Enzym nicht spezifisch ist und neben 24,25(OH)2D die Bildung einer Vielzahl weiterer Metaboliten katalysiert. Insgesamt besteht noch Forschungsbedarf bezüglich der Regulation der 24-Hydroxylase und deren klinischer Bedeutung.

Fazit für die Praxis

Obwohl der Vitamin D-Hype in der Vergangenheit über das Ziel hinausgeschossen ist und einige Maßnahmen zur Vermeidung und Behandlung eines Vitamin-D-Mangels potenziell schädlich waren, ist es ebenfalls Fakt, dass in Europa etwa 10–15 % der Allgemeinbevölkerung einen 25(OH)D-Spiegel unter 25 nmol/l aufweisen und der Prozentsatz im Winter bis zu 30 % und mehr betragen kann. Generell ist deshalb eine Vitamin-D-Supplementierung, vor allem in den Wintermonaten, in Höhe von bis zu 1000 IE täglich zu begrüßen. Zur Vermeidung einer unzureichenden Vitamin-D-Versorgung der Allgemeinbevölkerung ist jedoch insbesondere eine (obligatorische) Lebensmittelanreicherung zielführend. Zusätzlich sollte eine Supplementierung von Risikogruppen (Säuglinge, Pflegeheimbewohner, evtl. nichteuropäische Migrantengruppen, immobile Patienten oder Patienten, die die UV-Strahlung meiden müssen) durchgeführt werden. Im klinischen Bereich ist die Gabe von Vitamin D ansonsten nur bei nachgewiesener Evidenz sinnvoll. Im Idealfall gäbe es entsprechende Zulassungsstudien, die aber weitgehend fehlen. Eine adäquate nutritive Versorgung, bei der 97,5 % der Personen ausreichend mit Vitamin D versorgt sind, ist bei täglicher Zufuhr von 1000 IE Vitamin D (im Rahmen einer fetthaltigen Mahlzeit) gewährleistet. In diesem Fall sind keine Vitamin-D-Bestimmungen zur Kontrolle erforderlich. Weiterer Forschungsbedarf besteht noch bzgl. der Bedeutung der 24-Hydroxylaseaktivität sowie der Gen-Polymorphismen im Vitamin-D-Rezeptor. Ob diese Einfluss auf die Vitamin-D-Wirkung in den Zielzellen haben und somit auch die notwendige orale Vitamin-D-Zufuhr beeinflussen, muss die Zukunft zeigen.