Unsicherheit bezüglich der Pubertät ihrer Kinder führt viele Familien in unsere Ambulanzen. Sorge bereitet meist der zeitliche Aspekt einer Pubertät, die entweder zu früh oder noch nicht aufgetreten ist. Erste Zeichen der Pubertät sind die Thelarche bei Mädchen und das Erreichen eines Hodenvolumens von 4 ml bei Buben. Sie beruhen auf der Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse (HHG Achse) mit Estradiolproduktion vonseiten der Ovarien und Testosteronproduktion vonseiten der Hoden. Die Thelarche sollte zwischen dem 8. und 13. Geburtstag auftreten, die Hoden sollten zwischen dem 9. und 14. Geburtstag das Volumen von 4 ml erreichen. Konstitutionelle und ethnische Einflüsse können diese Zeitspanne ausweiten. So wissen wir, dass etwa bei afrikanischen Mädchen die Pubertät bereits im Alter von sieben Jahren beginnen kann. Diese Altersgrenzen basieren in Bezug auf Geschlecht und ethnische Herkunft auf der Tatsache, dass 97–99 % der Kinder in diesem Alter einen Pubertätsbeginn aufweisen. Sie sollen dazu dienen, bei vorzeitigen oder verzögerten Pubertätszeichen einen pathologischen Prozess eher in Betracht zu ziehen oder auszuschließen. So spricht man von Pubertas praecox bzw. Pubertas tarda, wenn der Pubertätsbeginn vor oder nach diesen Altersgrenzen auftritt. Unreine Haut, Schweißgeruch, Achsel- und Schambehaarung sind Zeichen einer begonnenen Adrenarche. Diese beruht auf der Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse mit Androgensekretion vonseiten der Nebennierenrinde und läuft meist synchron und parallel zur Gonadarche.

Der Zeitpunkt des Pubertätsbeginns ist nicht nur von Kind zu Kind verschieden, demografische Studien über die letzten 30 Jahre haben einen Trend zum früheren Beginn aufgewiesen. Eine Metaanalyse zeigt eine weltweite Antizipation der Thelarche um drei Monate pro Dekade in den letzten 36 Jahren, während aus Studien in Amerika, Europa, Skandinavien und China Buben etwa 1,5 bis zwei Jahre früher als historisch festgelegt einen Pubertätsbeginn aufweisen [1].

Ziel dieser Arbeit ist es, eine Übersicht über jene Faktoren zu geben, die im Timing der Pubertät eine bedeutende Rolle spielen.

Der GnRH-Pulsgenerator

Die Kontrolle der HHG-Achse erfolgt durch die Neuronen, die das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) sezernieren. Diese Zellen wandern im Embryo unter dem Einfluss verschiedener Migrationssignale in die Area preoptica und den Nucleus arcuatus der mediobasalen Region des Hypothalamus, von wo sie GnRH in das portale System ausschütten und dadurch die Produktion von luteinisierendem Hormon (LH) und follikelstimulierendem Hormon (FSH) vonseiten der Adenohypophyse induzieren. Diese Hormone beeinflussen die gonadale Produktion von Estradiol, Progesteron, Testosteron und Inhibinen und bewirken so bereits im Embryo die Entwicklung der geschlechtsspezifischen Genitale. Mit der Geburt kommt es durch den Wegfall der mütterlichen Hormone zu einer Aktivierung der neonatalen HHG-Achse und damit in den ersten Lebensmonaten zur Minipubertät. Erst durch die Expression der zentralen Rezeptoren für die peripheren Sexualhormone kommt es in Folge zum Mechanismus des negativen Feedbacks.

Pulsatilität

Um eine adäquate Response zu erlangen, muss das GnRH pulsatil auf deren Rezeptoren einwirken [2]. Jedem hypothalamischen GnRH-Puls in das portale System entspricht ein LH-Puls im peripheren Blut.

Die Frequenz und Amplitude der GnRH- und LH-Pulse ist für die Entwicklung und Erhaltung der Reproduktionsfähigkeit essenziell [3]. In den letzten 50 Jahren haben viele Studien versucht, die Mechanismen dieses GnRH-Pulsgenerators zu identifizieren. In vitro zeigen GnRH-Neuronen eine intrinsische elektrische Pulsatilität. Deren Axonen bilden Synapsen auf Zellkörpern anderer GnRH-Neuronen, wodurch eine koordinierte Kontrolle der Pulsatilität zu erfolgen scheint [4]. Während die zentrale Rolle des GnRH-Pulsgenerators unumstritten ist, zeigt sich in den letzten Jahren, dass seine effektive Funktion vom Input eines komplexen neuronalen Netzwerks abhängig ist. Eine Vielzahl an Neurotransmittern und Hormonen dienen hierbei als inhibitorische oder exzitatorische Signale. Die Prädominanz der inhibitorischen Faktoren bewirkt ein Stilllegen des GnRH-Pulsgenerators gegen Ende der Minipubertät und während der gesamten Kindheit bis zur Übergabe der Kontrollfunktion an exzitatorische Faktoren, welche für seine Reaktivierung und somit für den Pubertätsbeginn verantwortlich sind.

Kisspeptin-Neurokinin-B-Dynorphin-neurales Netzwerk

Die inhibitorischen und exzitatorischen Signale basieren auf genetischen, ethnischen, nutritiven, psychosozialen und hormonellen Eigenschaften sowie auf Umweltfaktoren. Doch auf welche Art und Weise können derart unterschiedliche Informationen den GnRH-Pulsgenerator erreichen und in seiner Aktivität beeinflussen? 2007 konnte die Co-Lokalisierung von Kisspeptin‑, Neurokinin-B- und Dynorphin-Neuronen im Hypothalamus bewiesen werden, welche demnach als KNDy-Neuronen bezeichnet wurden. Die Entdeckung dieses KNDy-neuralen Netzwerks hat das Verständnis der neuroendokrinen Regulation der Reproduktion revolutioniert. Dieses intermediäre Netzwerk scheint eine Schlüsselrolle in der Integration der Informationen und der Mediation mit dem GnRH-Pulsgenerator darzustellen. Hypothalamische Kisspeptin-Neuronen des Nucleus arcuatus bilden ein dichtes Netzwerk an Synapsen mit GnRH-Neuronen in der medianen Eminenz des Hypophysenstiels, wo sie als mächtigster Förderer der GnRH-Sekretion und somit der Pubertät und Reproduktion gelten [5]. Glutamat gilt als dominanter exzitatorischer Neurotransmitter des zentralen Nervensystems (ZNS) und spielt in der Initiierung der Pubertät eine Kernrolle. Er ist es, der eine Depolarisationswelle anfeuert, welche sich über verschiedene Zellgruppen ausdehnt und letztendlich zur pulsatilen Hormonsekretion führt. Das Signaling über den ionotropen Glutamat-Rezeptor bewirkt eine synchronisierte Depolarisation der Kisspeptin-Neuronen. Diese setzen selbst Glutamat frei und zeigen kollaterale Innervationen. Durch eine parakrine und neuronale Aktivität kommt es so zu einer synchronen oszillatorischen Aktivität der Kisspeptin-Neuronen und in der Folge zur Produktion des Peptidhormons Kisspeptin. Die Aktivierung des Kisspeptin-Rezeptors signalisiert eine massive synchronisierte Depolarisation der GnRH-Neuronen mit Sekretion von GnRH in die portale Zirkulation. Kisspeptin-Neuronen wirken somit als präsynaptischer Pacemaker des GnRH-Pulsgenerators und sind für die Pulsatilität des GnRH und des LH verantwortlich [6]. Die endogene Rhythmizität der Kisspeptin-Neuronen ist bereits in der frühen Neonatalperiode aktiv, gilt als ultradianer Pulsgenerator und wird durch multiple Faktoren reguliert [7]. Die meisten der Kisspeptin-Neuronen koexprimieren auch Neurokinin B und Dynorphin, welche mittels Eigensynapsen über den Neurokinin-B-Rezeptor beziehungsweise Kappa-Opioid-Rezeptor die Kisspeptin-Sekretion regulieren. Insbesondere verstärkt Neurokinin B die Glutamat-induzierte Synchronisierung der Kisspeptin-Neuronen und übernimmt die Mediation des positiven und negativen Feedbacks von Östrogen auf die LH-Sekretion mittels Estrogen-Rezeptoren, welche auf KNDy-Neuronen, nicht aber auf GnRH-Neuronen vorhanden sind [6, 8].

Es gibt Evidenz, dass Opioide eine inhibitorische Wirkung auf die HHG-Achse aufweisen. Die synergetische Aktivität der KNDy-Neuronen mit stimulierendem Effekt von Kisspeptin und Neurokinin B und inhibierendem Effekt von Dynorphin induziert und ermöglicht die koordinierte und pulsatile GnRH-Sekretion ([9]; Abb. 1).

Abb. 1
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Das KNDy-Neuronen-Modell. (Aus [25], mit Genehmigung von Elsevier. © 2014 Elsevier Inc. All rights reserved. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation)

Kisspeptin-Neuronen sind auch mit Thalamus, limbischen Regionen, Amygdala, Hippocampus und weiteren Arealen in Verbindung, wo sie eine bedeutende Rolle im sozialen, emotionalen und sexuellen Verhalten spielen. Die Response auf Kisspeptin und die anatomische Verteilung dieser Neuronen ist sexuell dimorph. Dies reflektiert eine sexuell dimorphe Funktion des Kisspeptins mit unterschiedlicher Kontrolle von Emotionen, Stimmungslage und sexuellem Verhalten in den Geschlechtern [10].

Einflussfaktoren für das Timing der Pubertät

Die Variation im Timing der Pubertät wird zu 50–70 % durch genetische Faktoren bestimmt und das Alter bei der Menarche bei Mädchen wird am besten durch das Alter bei Menarche seiner Mutter vorhergesagt [11]. Genomweite Studien bei 370.000 Frauen und 205.000 Männern haben Polymorphismen an etwa 400 Genloci in beiden Geschlechtern und verschiedenen Ethnien identifiziert, welche mit dem Timing der Pubertät assoziiert sind [12].

Einzelne Gene sind in Pubertas praecox bzw. tarda impliziert. So sind zum Beispiel inaktivierende Mutationen an KISS1, dem codierenden Gen des Kisspeptins sowie an KISS1R (Rezeptor) für verzögerte Pubertät verantwortlich, während aktivierende bzw. Missense-Mutationen an KISS1 eine vorzeitige Pubertät mit sich bringen [13]. Trotz der dominanten genetischen Prägung im Timing der Pubertät im Sinne der Familiarität und ethnischen Herkunft reagiert die HHG-Achse sehr sensibel auf endogene und exogene Faktoren wie Ernährung, Gewicht, Stress, Leistungssport und Einwirkung von endokrinen Disruptoren. Als Bindeglied zwischen diesen endogenen und exogenen Einflüssen und der genetischen Expression dient die epigenetische Regulation. Sie bestimmt, unter welchen Umständen welches Gen in zeitlich und räumlich geordneter Weise in spezifischen Geweben aktiviert oder deaktiviert werden soll. So ist auch die Pubertät als Prozess zu verstehen, der unter der Anleitung epigenetischer Mechanismen verläuft. Während exzitatorische Signale zu einer epigenetischen Aktivierung spezifischer Gene und somit zum Pubertätsbeginn führen, bewirken inhibitorische Signale deren Inaktivierung. Während der präpuberalen Phase sind pubertätsaktivierende Gene wie KISS1, GnRH, FSH und deren Rezeptoren reprimiert. In der Transition zur Pubertät wird diese Repression mittels epigenetischer Prozesse zugunsten einer Aktivierung aufgehoben. Die hypothalamische Expression von KISS1- und KISS1R-mRNA wird im Lauf der Pubertät hochreguliert und die Depolarisierung der GnRH-Neuronen durch Kisspeptin nimmt zu, sodass eine zunehmende Sensibilität dieser Neuronen auf Kisspeptin anzunehmen ist [14].

Exzitatorische Signale

Bei Mädchen und Buben sind eine präpuberale Adipositas und eine rasche präpuberale Gewichtszunahme mit einem früheren Pubertätsbeginn assoziiert. Die „body composition“ und der Anteil an Körperfett wurden als primäre Faktoren für den Pubertätsbeginn in Betracht gezogen, sind in dieser Funktion aber vermutlich nicht allein [15]. Es ist beobachtet worden, dass der Ernährungszustand die Repression des KISS1-Promoters eliminieren kann und somit für eine frühere bzw. späte Pubertät verantwortlich ist [16]. Auch der säkulare Trend zum früheren Pubertätsbeginn wurde auf die zunehmende Prävalenz der Adipositas zurückgeführt, aber diese Assoziation ist derzeit noch nicht gänzlich geklärt. Body-Mass-Index (BMI) und die Gesamtmasse an Körperfett korrelieren mit der Produktion und den Plasmaspiegeln von Leptin. Dieses Hormon wird in den Fettzellen produziert und hat freien Zugang zum zentralen Nervensystem, wo es den Status der Energiereserven kommuniziert. Über Leptin-Rezeptoren im Nucleus arcuatus und entlang der HHG-Achse hat dieses Hormon eine aktivierende Wirkung auf den GnRH-Pulsgenerator, scheint aber nicht der Trigger für den Pubertätsbeginn zu sein, da die Verabreichung bei Leptinmangelzuständen eine Pubertät nur im dafür vorgesehen Alter ermöglicht, nicht zuvor [17].

Epidemiologische Daten, Fallstudien sowie Studien am Tiermodell und in vitro zeigen, dass „endocrine-disrupting chemicals“ (EDCs) die Gesundheit von Lebewesen beeinflussen. EDCs sind exogene Stoffe, welche eine Interferenz mit der hormonellen Physiologie aufweisen, indem sie die Synthese, den Metabolismus und die zelluläre Aktion verschiedener Hormone prägen. Sie können die Funktion natürlicher Hormone nachahmen oder unterbrechen, indem sie mit transmembranen und nuklearen Hormonrezeptoren interagieren oder epigenetische Programme modifizieren. Von allen Auswirkungen der EDCs sind die estrogene und antiandrogene Wirkung am besten etabliert [18]. EDCs stellen eine heterogene Gruppe an Chemikalien dar, welche pflanzlichen Ursprungs (Phytoestrogene), Produkte industrieller Herstellung (Pestizide, Schmiermittel, Verbrennungsprodukte etc.) oder Bestandteile kosmetischer, pharmakologischer und alltäglicher Gebrauchsgüter sind. Viele EDCs sind lipophil, werden somit im Fettgewebe gespeichert und über Jahre in den Blutstrom freigesetzt. In kritischen Entwicklungsabschnitten wie in utero, im Kleinkind und in der Pubertät zeigen sich Effekte bereits bei sehr geringer Exposition, weswegen keine risikofreie Mindestdosis definiert werden kann. Prämature Thelarche bei Mädchen und Gynäkomastie bei Buben können durch eine exzessive Östrogen-Exposition in Cremen und Sprays zustande kommen. Diese können als Medikamente gegen menopausale Symptome verwendet und akzidentell auf Kinder übertragen werden. Androgenhaltige Cremen können auf dieselbe Art und Weise bei Kindern eine Virilisierung hervorrufen. Aber auch Lavendel und Teebaumöl, welche eine leicht estrogene und antiandrogene Wirkung aufweisen, können diese Symptome hervorrufen [19]. Weitere Phytoestrogene zeigen sich in Leinsamen, Nüssen, Soja, Hülsenfrüchten und einigen Getreidesorten. Auch Fleisch, vor allem Geflügel, kann aufgrund estrogenhaltigen Futters für die Tierzucht als EDC wirken. Bisphenol A (BPA) war ein Bestandteil von Babyflaschen, Schnullern, Verpackungsmaterial von Babynahrung und Spielsachen. Es bindet an transmembrane Estrogen-Rezeptoren und kann so estrogene Effekte auslösen. Bei Frauen mit einem Polyzystischem Ovar-Syndrom wurden höhere Werte an BPA gefunden als bei Frauen ohne Polyzystisches Ovar-Syndrom. Diese Werte korrelierten mit der Hyperandrogenämie und der Insulinresistenz, weswegen ein kausaler Zusammenhang zwischen BPA und Hyperandrogenämie in Erwägung gezogen wurde [20]. BPA wurde in Serum, Muttermilch und Fruchtwasser gefunden. Die National Health and Nutrition Examination Survey NHANES III ergab detektierbare BPA-Werte in 93 % der Harnproben von Kindern ≥ 6 Jahren. Als die frühkindliche BPA-Exposition mit erhöhtem Risiko an Endokrinopathien, Diabetes, Unfruchtbarkeit, Krebs in Verbindung gebracht werden konnte, wurde 2015 europaweit die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge auf 4 µg pro kg Körpergewicht gesenkt. Seither wird die Verwendung von BPA zunehmend aus der Herstellung verschiedener Produkte gebannt. Oxybenzon ist der meistverwendete chemische UV-Filter und in chemischen Sonnencremen sehr verbreitet. In hohen Dosierungen scheint er als EDC zu wirken, weswegen Sonnenschutzmittel mit UV-Filter auf Mineralbasis zu bevorzugen sind [21]. Insgesamt zeigen zahlreiche klinische und experimentelle Studien, dass in Bezug auf die puberale Entwicklung die pränatale und präpuberale Exposition mit EDCs bei Mädchen eine prämature Thelarche und ev. in Folge durch das positive Estrogen-Feedback auf die HHG-Achse eine Pubertas praecox auslösen können, während bei Buben z. B. durch akzidentelle topische Applikation eine Gynäkomastie induziert werden kann.

Inhibitorische Signale

In der Kindheit ist der GnRH-Pulsgenerator nicht nur durch Inaktivität seiner Förderer wie etwa des KNDy-neuronalen Netzwerks stillgelegt, sondern auch durch die Aktivität seiner Inhibitoren. Eine besondere Rolle nimmt die Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ein, welche als Gegenspielerin des Glutamats der vorrangige Neurotransmitter inhibitorischer Synapsen ist. Durch den Einfluss exzitatorischer Signale kommt es zu epigenetischen Veränderungen, welche eine Reduktion der GABA-vermittelten Inhibition vor Aktivierung des GnRH-Pulsgenerators induzieren [16].

Zahlreiche Gene wirken u. a. mit epigenetischer Funktion als Inhibitoren der HHG-Achse und sind im Falle einer Mutation mit Pubertas praecox assoziiert [16].

Während ein guter Ernährungszustand und Leptin eine fördernde Rolle auf den Pubertätsbeginn haben, bewirkt Untergewicht durch reduzierte Kalorienzufuhr, Malabsorption oder vermehrten Kalorienverbrauch im Rahmen chronischer Erkrankungen eine Wachstumsretardierung und eine Verzögerung oder gar Regression der pubertären Entwicklung. Wenn sich zu reduziertem Körpergewicht Stress addiert, wie es bei Erkrankungen oder etwa Leistungssport der Fall ist, wirken diese Faktoren durch Erhöhung der Cortisol- und Prolaktinspiegel synergistisch in der Inhibition der HHG-Achse. Bei chronisch entzündlichen Erkrankungen reduzieren Zytokine wie der Tumornekrosefaktor TNFα und Interleukin‑1 (IL-1) nicht nur die Effektivität der Wachstumshormonachse, sondern auch die der HHG-Achse durch Inhibition des GnRH-Pulsgenerators, der gonadalen Hormonproduktion und vermutlich durch reduzierte Expression der Estrogen- und Testosteron-Rezeptoren im peripheren Gewebe [22].

EDCs haben viele pubertätsinduzierende Eigenschaften, es gibt jedoch auch störende und inhibierende Effekte. BPA kann bei Mädchen zu multiplen Alterationen im reproduktiven Gewebe führen, welche eine Interferenz mit der hormonellen Aktivität und Fertilität darstellen [23]. Bei Buben können Pestizide (DDT) für Entwicklungsstörungen am männlichen Reproduktionstrakt verantwortlich sein und Hypospadien, Kryptorchismus sowie Oligospermie induzieren [24].

Fazit für die Praxis

Das Timing der Pubertät ist ein komplexes Zusammenspiel endogener und exogener Faktoren, deren Integration und Kontrolle im wichtigsten Steuerzentrum unserer Homöostase, dem Hypothalamus, zu erfolgen scheint. Welches Signal letztendlich die Waage der inhibitorischen und exzitatorischen Elemente zugunsten der einen oder anderen kippen lässt und somit den Zeitpunkt des Pubertätsbeginns bestimmt, kann derzeit noch nicht definiert werden, ist aber Inhalt zahlreicher Studien.