Einleitung

Schilddrüsenhormone steuern sowohl direkt als auch indirekt viele metabolische Vorgänge, welche für Wachstum, Entwicklung und Stoffwechsel entscheidend sind [1]. Bei einer Hypothyreose stehen unter anderem ein verminderter Grundumsatz, schlechte Kälteresistenz, Gewichtszunahme, Müdigkeit, Muskelschwäche, Hypercholesterinämie sowie Kognitionsstörungen und Depressionen im Vordergrund [1]. Eine Hyperthyreose ist unter anderem mit Unruhe, Arrhythmie, Tachykardie, Gewichtsverlust oder endokriner Orbitopathie vergesellschaftet [1]. Neben oder statt einer medikamentösen Therapie sind manche Patientinnen und Patienten versucht, Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen, welche als „Unterstützung“ für die Schilddrüse oder Ähnliches vermarktet werden. In diesen Präparaten oft verwendete Stoffe, z. B. L‑Tyrosin, B‑Vitamine, Knoblauch, Ingwer, Lakritze, Magnesium, Mangan, Haferflocken, Kalium u. v. m., konnten in klinischen oder präklinischen Studien keinen thyromimetischen Effekt vorweisen [2]. Diese Nahrungsergänzungsmittel sollten jedoch mit Vorsicht genossen werden. Nicht nur fehlen in den meisten Fällen ausreichende Daten bezüglich Wirksamkeit, auch können klinisch relevante Mengen an L‑Thyroxin oder L‑Triiodthyronin zugesetzt sein [2].

Jod

Ein essenzieller Mikronährstoff für die Schilddrüsenhormonproduktion ist Jod, welches einen Bestandteil der Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) bildet [1]. Jod kommt in unserer Ernährung in Form von Jodid in natürlicher Form vor. Österreich ist aufgrund der geografischen Lage für Jodmangelzustände prädisponiert, weswegen Speisesalz seit 1963 mit Jod in Form von Jodat angereichert wird [3]. Etwa 14 % aller Länder weltweit werden derzeit als Jodmangelländer bezeichnet und zeigen ein erhöhtes Risiko für Jodmangel auch während der Schwangerschaft auf [4]. Österreich weist in rezenten Analysen, durchgeführt an Schulkindern, einen adäquaten Jodstatus auf [5]. Trotzdem ist das Thema Jodmangel in Österreich weiterhin von Relevanz, da rezente Studien einen Jodmangel sowohl unter schwangeren als auch nichtschwangeren österreichischen erwachsenen Frauen feststellten [6, 7]. Besonders in Anbetracht der gravierenden Auswirkungen von Mangelerscheinungen auf Wachstum und neurologische Entwicklung von Föten [8, 9] ist die Thematik von Wichtigkeit und Aktualität. Allgemein empfiehlt die World Health Organization (WHO) eine tägliche Jodaufnahme von 150 µg, um eine adäquate Versorgung sicherzustellen [10]. Salzwasserfische, Algen, Seetang und Meeresfrüchte haben aufgrund des Jodgehalts des Meerwassers einen höheren Jodgehalt als andere Lebensmittel [11]. Andere wichtige Jodquellen sind Milchprodukte und Brot [11]. Davon profitieren vor allem Kinder, da sie in der Regel mehr Milchprodukte verzehren als Erwachsene [12]. Die verpflichtende Jodierung des Speisesalzes ist jedoch die kosteneffizienteste Methode zur Jodversorgung (Abb. 1; [13]).

Abb. 1
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Speisesalz ist als Vektor für Jodat die kosteneffizienteste Methode zur Jodversorgung in Jodmangelländern. Sogenanntes „Vollsalz“ wird in Österreich mit 15–20 mg Jod angereichert [3]. (© YelenaYemchuk/Getty Images/iStock. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation)

Ein schwerer Jodmangel, klassifiziert als eine Jodausscheidung über den Urin (UIC) von unter 50 µg/L, kann eine Hypothyreose verursachen, da die Jodaufnahme einfach nicht hoch genug ist, um die Schilddrüsenhormonproduktion aufrechtzuerhalten [14]. Überraschenderweise ist jedoch die Prävalenz von subklinischer und manifester Hypothyreose in Gebieten mit mildem bis mäßigem Jodmangel geringer als in Gebieten mit ausreichendender oder übermäßiger Jodeinnahme [15]. Bei leichtem bis mäßigem Jodmangel ist die Schilddrüse durch erhöhte Aktivität in der Lage, die unzureichende Nahrungsaufnahme auszugleichen, wodurch die Produktion von Schilddrüsenhormonen aufrechterhalten wird. Diese chronische Stimulation der Schilddrüse führt jedoch zu einem höheren Risiko einer Knotenbildung oder Autonomie des Schilddrüsengewebes, was wiederum das Risiko erhöht, eine Hyperthyreose zu entwickeln [15]. Generell ist der Link zwischen Jodzufuhr und Autoimmunität der Schilddrüse komplex. Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen zu geringer sowie übermäßiger Jodzufuhr und Autoimmunthyreoiditiden (AIT) bei Erwachsenen hin, was bedeutet, dass sowohl Jodmangel als auch Jodüberschuss Risikofaktoren für AIT bei Erwachsenen darstellen [16,17,18,19]. Die Jodzufuhr in Jodmangelgebieten zu erhöhen, führt zu einer leichten Erhöhung der Inzidenz von subklinischer Hypothyreose, besonders bei Personen, welche positive Schilddrüsenantikörper aufweisen [15]. Generell kann eine schnelle Erhöhung der Jodzufuhr auch die Wahrscheinlichkeit steigern, eine Schilddrüsenautoimmunität zu erleiden [20]. Eine übermäßige Jodaufnahme oder -exposition, die durch jodhaltige Kontrastmittel bei radiologischen Untersuchungen, jodhaltige Medikamente und die Ernährung erfolgen kann, wird im Allgemeinen gut vertragen. Bei bestimmten anfälligen Personen kann die Jodbelastung jedoch zu Schilddrüsenfehlfunktionen führen. Hier ist auch zu beachten, dass eine Supplementierung mit hohen Joddosierungen ohne bestehenden Jodmangel zu unerwünschten Wirkungen bei Personen mit Hashimoto-Syndrom führen kann [14]. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat daher präventiv empfohlen, dass die Jodzufuhr über die Nahrung bei Erwachsenen zum Schutz empfindlicher Verbraucher 500 μg/Tag nicht überschreiten sollte [11].

Empfehlungen für Jodzufuhr in der Schwangerschaft

Die WHO empfiehlt 250 μg Jod/Tag für schwangere und stillende Frauen aufgrund des höheren Bedarfs in der Schwangerschaft und Stillzeit [10]. Dieser Wert wird durch Studien gestützt, in denen festgestellt wurde, dass subklinische Hypothyreose und Hypothyroxinämie im Urinjodbereich (UIC) von 150–249 μg/L am wenigsten häufig auftraten, das Risiko für diese beiden Anomalien jedoch anstieg, wenn der UIC unter oder über diesem Bereich lag [13, 21, 22]. In Gebieten mit schwerem Jodmangel führt eine Jodsupplementierung der Mütter vor oder in der Frühschwangerschaft zu einer Verbesserung der kognitiven Leistungen der Kinder [23,24,25], zu einem Rückgang der Totgeburtenrate und Säuglingssterblichkeit [26] und geringerer Prävalenz von Kretinismus und anderen schweren neurologischen Anomalien [27]. Prinzipiell werden neurologische Anomalien, die in utero während eines Jodmangels auftreten, nicht direkt durch Jodmangel, sondern durch die unzureichende Schilddrüsenhormonsynthese durch die Mutter und den Fötus verursacht [14].

Studienergebnisse zu Auswirkungen von leichtem bis mittlerem Jodmangel auf TSH-Spiegel (thyreoideastimulierendes Hormon), auf die mütterliche Schilddrüsenfunktion sowie auf die neurologischen Entwicklungsergebnisse bei Kindern sind uneinheitlich. Eine Metaanalyse ergab eine Besserung von mütterlichen Schilddrüsenindizes und kognitiver Funktion der Kinder durch Jodsupplementierung [28], eine andere rezente Metaanalyse sah keinen signifikanten Effekt der Supplementierung auf die Schilddrüsenhormonkonzentration bei Müttern und Kindern sowie auf die kognitive, sprachliche oder motorische Entwicklung [29]. Die bisher beste Evidenz stammt aus einer randomisiert kontrollierten Studie (RCT), in der Jodsupplementierung keinen signifikanten Effekt auf die kindliche Neuroentwicklung des Kindes, gemessen im Alter von 5,5 Jahren, und die mütterlichen oder kindlichen Schilddrüsenfunktionen hatte [30]. Zusammenfassend gibt es jedoch weiterhin zu geringe Evidenz, um klare Empfehlungen für oder gegen eine Jodsupplementierung in der Schwangerschaft in Gebieten mit leichtem bis mittlerem Mangel auszusprechen.

Auch in der Schwangerschaft ist ein Jodüberschuss mit einer erhöhten Prävalenz an Schilddrüsenfehlfunktionen [31, 32] und hyperthyreoten Neugeborenen [33] vergesellschaftet. Eine dauerhafte Jodzufuhr über die Nahrung und Nahrungsergänzungsmittel von mehr als 500 μg täglich sollte daher auch während der Schwangerschaft vermieden werden [13].

Zusammenfassend kann man davon ausgehen, dass eine Jodzufuhr in Bevölkerungsgruppen mit leichtem Jodmangel eher zu einem Rückgang der Strumaprävalenz, Schilddrüsenautonomie und Thyreotoxikose bei Erwachsenen und einem Anstieg des IQ bei Kindern führt [8, 15, 34, 35]. Diese Vorteile gehen auf Kosten einer erhöhten Prävalenz einer leichten subklinischen Hypothyreose bei Erwachsenen, aber diesem Anstieg kann durch Vermeidung einer übermäßigen Zufuhr entgangen werden [15].

Selen

Als Bestandteil der Aminosäure Selenocystein ist Selen Teil des aktiven Zentrums einer Reihe von Selenoenzymen, die einen maßgeblichen Teil zur Funktion der Schilddrüse beitragen. Neben einer Schutzfunktion (z. B. Glutathionperoxidase, Thioredoxinreduktase) sind Selenoenzyme in der Form von Jodthyronin-Dejodinasen für die Umwandlung zwischen aktiven und inaktiven Formen von Schilddrüsenhormonen verantwortlich [36]. Die laut D‑A-CH-Verband empfohlene tägliche Verzehrsmenge beträgt 70 µg/Tag bei Männern und 60 µg/Tag bei Frauen ([11]; Abb. 2) mit einer maximalen Zufuhrmenge von 300 µg Selen pro Tag [37], da eine längerfristige Überdosierung von Selen die Gesamtmortalität erhöhen kann [38, 39].

Abb. 2
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Paranüsse enthalten hohe Mengen an Selen (in etwa 100 µg pro 100 g). Der Selengehalt dieser Nusssorte kann jedoch je nach Anbaugebiet stark variieren [11]. (© Shawn Hempel/Fotolia. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation)

Eine Metaanalyse über Selensupplementierung bei Patientinnen und Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis konnte eine deutliche Senkung des Thyroxidperoxidase-Antikörper(TPO-Ak)-Titers und eine Verbesserung der Stimmung, jedoch keinen Effekt auf die L‑Thyroxin-Substitutionsdosis aufzeigen [3]. Des Weiteren wurde in einer RCT an über 2000 euthyreoten, TPO-Ak-positiven Frauen durch die Einnahme von Selen eine Reduktion der Inzidenz postpartaler Thyreoiditis, Hypothyreose und der TPO-Ak-Level erreicht [40]. In hypothyreoten, TPO-Ak-positiven Patientinnen erzielten 50 % nach vier Monaten Selensubstitution (83 µg/Tag) eine euthyrote Stoffwechsellage [41]. Jedoch waren in einer randomisierten placebokontrollierten Studie an Patientinnen und Patienten mit einem Alter von über 60 Jahren wiederum alle unterschiedlichen Selendosen (100 µg, 200 µg, 300 µg/Tag) mit keinen relevanten positiven Veränderungen bei der Konversion von T4 in T3 vergesellschaftet [1].

Aufgrund der weltweit unterschiedlichen Höhe der Selenaufnahme über die Nahrung sind die Ergebnisse dieser Studien vermutlich nicht auf alle Bevölkerungsgruppen übertragbar. Eine routinemäßige Einführung einer Selensupplementierung erfordert von ärztlicher Seite die Berücksichtigung bevölkerungsspezifischer Unterschiede in der natürlichen Selen- und Jodversorgung und des individuellen Selenversorgungsstatus. Auch ist die Dosierung, je nach klinischer Situation der betreffenden Person, individuell festzusetzen. Zum Beispiel haben stillende Personen einen höheren Selenbedarf (laut D‑A-CH 75 µg Selen/Tag empfohlen) [11, 42].

Die bisher begrenzten vorhandenen klinischen Daten lassen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine eindeutige Empfehlung zur Selensubstitution aussprechen [2]. Eine Ausnahme stellt am ehesten die endokrine Orbitopathie dar, hier konnte man unter Selensubstitution eine Verbesserung der Lebensqualität und eine Verlangsamung der Progression der endokrinen Orbitopathie feststellen [43].

Weitere Vitamine und Mineralstoffe

Für Vitamine und Mineralstoffe wie Zink, Magnesium [44], Eisen [42] sowie Vitamin D [42, 45] und Vitamin C [46] ist die derzeitige Studienlage unzureichend, um eine Empfehlung, abgesehen von ausgewogener, nährstoffreicher Ernährung, auszusprechen. Zwar ist Zink für die Synthese von Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH) und thyreoideastimulierendem Hormon (TSH) notwendig und hemmt Typ 1- und Typ 2-Dejodinasen, jedoch zeigt Zinksupplementierung wenig bis keinen Effekt in der Klinik [47, 48]. Eine Autoimmunthyreoiditis ist mit Vitamin D- [42] und Magnesiummangel [44] sowie Anämie assoziiert, was eine dahingehende laborchemische Abklärung und Supplementierung im Falle eines tatsächlichen Mangels sinnvoll erscheinen lässt.

Zusammenfassend ist neben der bereits in Leitlinien empfohlenen Behandlung von Jodmangelzuständen auch eine gezielte Selensupplementation für bestimmte Patientenpopulationen wie zum Beispiel im Falle der endokrinen Orbitopathie möglicherweise sinnvoll.