Einführung

Das Polyurie-Polydipsie-Syndrom ist charakterisiert durch die Ausscheidung hoher Mengen (> 50 ml pro kg Körpergewicht pro 24 h) von hypotonem Urin, begleitet von einer hohen Trinkmenge von mehr als drei Litern pro Tag [1]. Die Diagnose und Differenzialdiagnose dieses Krankheitsbildes ist komplex und für viele Mediziner eine Herausforderung.

Sobald eine osmotische Diurese (wie bei einem unkontrollierten Diabetes mellitus) ausgeschlossen ist, müssen drei verschiedene Ätiologien der Polyurie und Polydipsie unterschieden werden: 1) Der zentrale Diabetes insipidus, bei dem das Hormon Arginin-Vasopressin (AVP) bei osmotischem Stimulus mangelhaft oder nicht synthetisiert oder nicht sezerniert wird. Dieser Mangel von AVP ist meist erworben (z. B. traumatisch, postoperativ oder durch einen Tumor), kann aber auch genetisch bedingt sein ([2]; Tab. 1). 2) Der nephrogene Diabetes insipidus, der charakterisiert ist durch eine renale Resistenz gegenüber AVP. Auch hier gibt es kongenitale Formen mit Mutationen des AVP-Rezeptors 2 oder des Aquaporin 2 [3], meist ist aber die Ursache auch hier erworben durch Nebenwirkungen verschiedener Medikamente, typischerweise Lithium, oder durch Elektrolytstörungen (Hyperkalzämie oder Hypokaliämie). Beide, sowohl zentraler als auch nephrogener Diabetes insipidus, können in kompletter oder in partieller Ausprägung vorkommen, was die Unterscheidung voneinander und von der primären Polydipsie zusätzlich erschwert. Die primäre Polydipsie ist charakterisiert durch einen exzessiven Flüssigkeitskonsum mit daraus folgender (sekundärer) Polydipsie.

Tab. 1 Verschiedene Entitäten des Polyurie-Polydipsie-Syndroms

Die Unterscheidung und Differenzialdiagnose dieser drei Entitäten ist wichtig, da die jeweilige Therapie unterschiedlich ist und die „falsche“ Therapie schwerwiegende Konsequenzen haben kann, wie zum Beispiel eine Hyponatriämie wegen Wasserintoxikation, falls ein Patient mit primärer Polydipsie fälschlicherweise mit einem AVP-Analogon (Desmopressin) behandelt wird.

Das Polyurie-Polydipsie-Syndrom

Wie oben erwähnt wird das Polyurie-Polydipsie-Syndrom unterteilt in zentralen Diabetes insipidus, nephrogenen Diabetes insipidus sowie primäre Polydipsie.

Mit einer Prävalenz von 1:25.000 [4] ist der Diabetes insipidus eine seltene Erkrankung. Männer und Frauen sind ähnlich oft betroffen, und ein Beginn ist in jedem Lebensalter möglich. Während ein zentraler Diabetes insipidus charakterisiert ist durch eine ungenügende oder fehlende hypophysäre AVP-Sekretion bei osmotischem Stimulus [5, 6], liegt bei einem nephrogenen Diabetes insipidus eine renale Resistenz gegenüber AVP vor [3]. Beides führt zur Ausscheidung eines hypotonen Urins mit konsekutiver und kompensatorischer Polydipsie. Ein zentraler Diabetes insipidus kann verschiedene Ursachen haben: Unterschiedliche Krankheiten, die das hypothalamisch-hypophysäre System beeinträchtigen, können einen zentralen Diabetes insipidus induzieren, wie zum Beispiel eine Operation, ein Trauma, Tumoren oder infiltrative Erkrankungen ([7, 8]; Zusammenfassung in Tab. 1). Genetische Formen mit Defekten in der AVP-Synthese wurden ebenfalls beschrieben und führen zu einem familiären zentralen Diabetes insipidus [2, 9]. In den allermeisten Formen des zentralen Diabetes insipidus ist das Durstzentrum intakt, und der Flüssigkeitsverlust wird durch entsprechende Trinkmenge kompensiert. Selten ist gleichzeitig das Durstempfinden gestört, was die Behandlung enorm schwierig macht. Da diese Patienten den Flüssigkeitsverlust nicht kompensieren, entwickeln sie oft schwere Hypernatriämien und müssen engmaschig monitorisiert werden mit täglich fixierter Flüssigkeitsaufnahme und Gewichtskontrollen [10, 11].

Ein nephrogener Diabetes insipidus ist meist durch einen Mangel an Aquaporin-2-induzierter Wasserrückresorption im Sammelrohr der Niere versursacht. Meist ist die Ursache dafür medikamentös induziert, durch Medikamente wie Lithium oder durch Elektrolytstörungen wie einer Hyperkalzämie oder einer Hypokaliämie. Auch hier kann die Ursache genetisch sein, wie bei Mutationen im Vasopressin-2-Rezeptor oder in Aquaporin 2 (Tab. 1).

Eine seltenere Form des Diabetes insipidus tritt selten auch in der Schwangerschaft auf. Hier kann es durch einen erhöhten AVP-Metabolismus und Abbau durch die plazentare Vasopressinase, insbesondere bei Mehrlingsschwangerschaften, zu einem AVP-Mangel kommen [12, 13]. Dies muss unterschieden werden von einem bereits vor der Schwangerschaft vorliegenden milden (partiellen) Diabetes insipidus, der in der Schwangerschaft manifest werden kann.

Schließlich gibt es die sogenannte primäre Polydipsie, welche charakterisiert ist durch einen exzessiven Flüssigkeitskonsum trotz einer physiologischen AVP-Sekretion und adäquater renaler AVP-Antwort. Eine chronische Polydipsie kann zu einer Downregulation der Aquaporin-2-Kanäle in der Niere führen (so genanntes „Wash-out–Phänomen“), was die Differenzialdiagnose zu einem Diabetes insipidus zusätzlich erschwert [14]. Eine primäre Polydipsie wurde vor allem im psychiatrischen Setting beschrieben (deshalb zum Teil auch psychogene Polydipsie genannt), heutzutage wird diese Form der Polydipsie aber auch immer häufiger außerhalb der Psychiatrie beobachtet, insbesondere bei sehr gesundheitsbewussten Personen, die eine hohe Flüssigkeitseinnahme über den Durst-Setpoint aufzeigen.

Differenzialdiagnose des Polyurie-Polydipsie-Syndroms

Differenzialdiagnose durch klinische Symptome und Radiologie

Beide, sowohl Diabetes insipidus als auch primäre Polydipsie, zeichnen sich durch die Kardinalsymptome Durst, Polyurie und Polydipsie aus, sodass diese Symptome in der Unterscheidung nicht hilfreich sind [15]. Die Präsenz einer Nykturie sowie ein plötzlicher Beginn der Symptome weisen eher auf einen Diabetes insipidus hin, sind allerdings absolut nicht beweisend (Tab. 1). Psychiatrische Begleitdiagnosen wie zum Beispiel Suchterkrankungen oder Depression werden häufiger gesehen bei primärer Polydipsie, allerdings zeigte eine prospektive Studie mit 156 Patienten mit dem Polyurie-Polydipsie-Syndrom eine ähnliche Prävalenz von psychiatrischen Komorbiditäten bei primärer Polydipsie und Diabetes insipidus auf [15].

Radiologische Auffälligkeiten, wie das Fehlen des sogenannten Bright Spot im MRT – ein hyperintenses Gebiet im hinteren Hypophysenlappen, welches wahrscheinlich gespeichertes AVP angibt – wurde als pathognomonisch für einen zentralen Diabetes insipidus beschrieben [16, 17]. Größere Studien haben allerdings gezeigt, dass dieser Bright Spot auch altersabhängig fehlen kann bei gesunden Personen [18]. Zudem ergab eine prospektive Evaluation bei 92 Patienten mit dem Polyurie-Polydipsie-Syndrom, dass zwar in der Tat bei 70 % der Patienten mit zentralem Diabetes insipidus der Bright Spot fehlte, dies jedoch auch bei 39 % der Patienten mit primärer Polydipsie der Fall war [15]. Zudem sind einige Fälle von zentralem Diabetes insipidus beschrieben, bei denen der Bright Spot persistiert [19, 20], was wahrscheinlich auf ein sehr frühes Stadium der Krankheit hinweist, oder aber Oxytocinspeicher reflektiert und nicht AVP. So gesehen kann das Vorhandensein respektive das Fehlen des Bright Spot nicht als einzelnes differenzialdiagnostisches Kriterium zur Unterscheidung eines zentralen Diabetes insipidus von einer primären Polydipsie benutzt werden. Ein zweites radiologisches Zeichen ist ein verdickter Hypophysenstiel [21]. Dies ist zwar auch nicht spezifisch für einen zentralen Diabetes insipidus [15, 22], aber insbesondere wenn dies zusammen mit einem fehlenden Bright Spot auftritt, sollte eine Abklärung auf neoplastische oder infiltrative Erkrankungen der Hypophyse oder des Hypothalamus erfolgen [23].

Differentialdiagnose mittels Durstversuch

In den vergangenen Jahrzehnten war der indirekte Durstversuch (ursprünglich beschrieben von Miller et al. [6]) der Goldstandard für die Differenzialdiagnose des Polyurie-Polydipsie-Syndroms. Die Evaluation des Durstversuchs basiert primär auf zwei Beobachtungen: Erstens wird die AVP-Aktivität indirekt evaluiert durch die Messung der Urinkonzentrationsfähigkeit während einer längeren Durstphase von 16 h. Und zweitens wird die Veränderung der Urinkonzentration nach Gabe von exogenem AVP (Desmopressin, ein synthetisches AVP) evaluiert. Die verschiedenen Ätiologien des Polyurie-Polydipsie-Syndroms werden wie folgt diagnostiziert: Patienten, bei denen die Urinosmolalität unter 300 mosm/kg bleibt trotz der langen Durstphase, haben einen kompletten Diabetes insipidus, komplett zentral, wenn die Urinosmolalität anschließend nach Desmopressin mehr als 50 % ansteigt, und komplett nephrogen, wenn die Urinosmolalität nach Desmopressin weniger als 50 % ansteigt. Im Gegensatz dazu sind Patienten mit partiell zentralem Diabetes insipidus und primärer Polydipsie fähig, ihren Urin in gewissem Maße zu konzentrieren (300–800 mosm/kg), mit einem weiteren Anstieg der Urinosmolalität über 9 % bei partiellem zentralem Diabetes insipidus, während Patienten mit primärer Polydipsie unter 9 % bleiben. Auch wenn diese Evaluation intuitiv erscheint, muss beachtet werden, dass die oben beschriebenen Kriterien und Cut-offs auf Werten von lediglich 36 Patienten beruhen mit einem Post-hoc-Assessment, welches nie prospektiv validiert wurde [6, 24]. Wie eingangs erwähnt können Patienten mit einer chronischen primären Polydipsie ein Wash-out-Phänomen entwickeln, was es besonders schwierig macht, sie von Patienten mit partiell zentralem Diabetes insipidus zu unterscheiden. Weitere Schwierigkeiten sind unter anderem, dass Patienten mit nephrogenem Diabetes insipidus teilweise nur eine partielle Resistenz gegenüber AVP aufweisen, was zu einem ähnlichen Bild führen kann wie bei partiell zentralem Diabetes insipidus. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die diagnostische Zuverlässigkeit des Durstversuchs nur bei rund 70 % liegt und für die Diagnose der primären Polydipsie besonders schlecht ist, was in zwei prospektiven Studien gezeigt wurde [15, 25].

Copeptin

AVP ist das Hormon, welches hauptsächlich für die Wasserhomöostase in unserem Körper verantwortlich ist. Es führt dazu, dass Wasser resorbiert wird via den V2-Rezeptoren in den Sammelrohren der Niere. Der Hauptstimulus für eine AVP-Sekretion ist dabei auf der einen Seite osmotisch ein Anstieg der Plasmaosmolalität, auf der anderen Seite nichtosmotisch ein Abfall des Plasmavolumens (Hypovolämie). Die Messung von AVP könnte somit theoretisch hilfreich sein in der Differenzialdiagnostik des Polyurie-Polydipsie-Syndroms. Leider schränken aber technische Schwierigkeiten und komplexe präanalytische Anforderungen die einfache Messung von AVP im klinischen Alltag ein. Die validierten AVP-Assays in der Differenzialdiagnose des Diabetes insipidus sind zudem nicht kommerziell erhältlich. Deshalb hat die Messung von AVP keinen Eingang in die klinische Routine gefunden [26].

Copeptin entstammt dem Vorläuferhormon des AVP (Prä-Pro-Vasopressin), welches neben Copeptin AVP und Neurophysin II beinhaltet. Es wurde 1972 im hinteren Hypophysenlappen von Schweinen entdeckt ([27, 28]; Abb. 1). Es spiegelt die AVP-Spiegel in der Zirkulation wider [29], ist aber im Gegensatz zu AVP stabiler und kann einfach mit einem Radio-Immunoassay gemessen werden. Die beiden CE-zertifizierten Assays, welche im Moment kommerziell erhältlich sind, sind der manuelle immunoluminometrische Sandwich-Assay (LIA) [30] und dessen automatisierter immunofluoreszierender Nachfolger (Kryptor-Plattform). Andere kommerzielle Copeptin-Assays sind meist ELISA-Assays, die aber für den differenzialdiagnostischen Gebrauch bei Polyurie-Polydipsie-Syndrom nicht validiert wurden. Weitere Vorteile des Copeptin-Assays gegenüber AVP sind, dass es stabil ist für theoretisch 7 Tage bei Raumtemperatur, dass für die Messung nur wenig Volumen benötigt wird (50 μL Serum oder Plasma), dass keine komplexen präanalytischen Prozeduren nötig sind und dass das Resultat normalerweise innerhalb von 0,5–2,5 h zur Verfügung steht.

Abb. 1
figure 1

Struktur von Copeptin

Die physiologische Funktion von Copeptin ist unklar. Ebenso ist der Abbau-Pathway nicht ganz geklärt; eine renale Clearance scheint aber wahrscheinlich, da die Copeptinspiegel bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion eine inverse Korrelation mit der glomerulären Filtrationsrate aufzeigen [31].

Copeptin wird durch die gleichen Stimuli freigesetzt wie AVP: durch einen Anstieg der Plasmaosmolalität und durch einen Abfall des Volumens. Umgekehrt führt eine Flüssigkeitsgabe (oral oder per Infusion) zu einer schnellen Suppression der Copeptinspiegel [29, 32, 33]. Interessanterweise fallen die Copeptinspiegel bereits bei geringer Flüssigkeitseinnahme von 200–300 ml ab [34], was in der klinischen Praxis für die jeweilige Beurteilung der Werte beachtet werden muss.

Eine weitere Funktion von Copeptin (und AVP) ist, dass es ein unspezifischer Stressmarker bei diversen akuten Erkrankungen ist, wie zum Beispiel einem Myokardinfarkt, einer Pneumonie oder einem akuten Schlaganfall [35,36,37]. Nicht nur somatischer Stress, auch psychischer Stress kann zu einem (kleineren) Anstieg von Copeptin führen [38, 39].

Es ist deshalb wichtig, relevanten somatischen, emotionalen und psychischen Stress vor Bestimmung der Copeptinwerte wenn möglich zu vermeiden.

Der Normbereich von Copeptin bei gesunden Personen liegt zwischen 1,0 und 13,8 pmol/L mit etwas höheren Spiegeln bei Männern als bei Frauen [30, 40]. Der Geschlechtsunterschied bleibt etwas unklar, insbesondere da während des Menstruationszyklus keine signifikante Copeptinveränderung beobachtet wurde [41]. Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass dieser Geschlechtsunterschied nur bei basalen Werten beobachtet wurde, nicht aber bei osmotischer Stimulation von Copeptin. Des Weiteren scheint Copeptin keine relevante zirkadiane Rhythmik aufzuzeigen und sich mit dem Alter nicht zu verändern [42, 43].

Differenzialdiagnose mittels Copeptin

Die Limitationen des Durstversuchs legen nahe, dass eine direkte Messung von AVP oder Copeptin eine genauere Diagnostik erlauben dürfte. Bereits 1981 hatten vielversprechende Daten gezeigt, dass die direkte AVP-Messung nach osmotischer Stimulation die Unterscheidung eines Diabetes insipidus von primärer Polydipsie besser erlaubt: AVP-Werte unter dem Normalbereich diagnostizierten einen zentralen Diabetes insipidus, über dem Normalbereich einen nephrogenen Diabetes insipidus, während Patienten mit primärer Polydipsie AVP-Werte innerhalb des Normalbereichs aufzeigten [44]. Wegen der bereits erwähnten technischen Limitationen der AVP-Messung und da die diagnostische Zuverlässigkeit kommerziell erhältlicher AVP-Assays enttäuschend war, konnte die AVP-Messung jedoch den Durstversuch als Goldstandard nicht ablösen und wurde in die klinische Praxis nicht eingeführt.

Die Verfügbarkeit der Copeptinmessung als Surrogatmarker für AVP hat nun zu einem „Revival“ dieser direkten Messung geführt. Erste Studien, welche Copeptin in der Differenzialdiagnose des Polyurie-Polydipsie-Syndroms evaluiert haben, zeigten, dass basale Copeptinspiegel von über 21,4 pmol/L ohne vorheriges Dursten einen nephrogenen Diabetes insipidus mit 100 % Sensitivität und Spezifität diagnostizierten [25, 45]. Allerdings zeigten die basalen Werte bei den anderen Ätiologien, d. h. dem zentralen Diabetes insipidus und der primären Polydipsie, eine starke Überlappung, was auf die Notwendigkeit einer Stimulation hinweist [15, 45]. Entsprechend stiegen die Copeptinwerte nach osmotischer Stimulation mit einer 3‑prozentigen NaCl-Lösung (welches zu einem Natriumanstieg von >147 mmol/L führte) signifikant an bei Patienten mit primärer Polydipsie, während sie bei zentralem Diabetes insipidius tief blieben. Ein Cut-off von 4,9 pmol/L hatte hier die beste (94 %) Sensitivität und Spezifität [45]. Dies konnte in der bisher größten prospektiven Studie bei 156 Patienten mit zentralem Diabetes insipidus und primärer Polydipsie bestätigt werden, bei der ein direkter Vergleich mit der diagnostischen Zuverlässigkeit des Durstversuchs durchgeführt wurde [15]. Auch in dieser Studie wurde eine 3‑prozentige NaCl-Lösung verabreicht, um eine genügende osmotische Stimulation zu erreichen. Nach einem initialen Bolus von 250 ml erfolgte die Infusion körpergewichtadaptiert bis zu einem Natriumspiegel von ≥150 mmol/L. Sobald dies erreicht wurde, wurde Copeptin gemessen (Testbeschreibung im Detail Abb. 2). Mit dem a priori definierten Copeptin-Cut-off von > 4,9 pmol/L konnten Patienten mit primärer Polydipsie mit einer hohen diagnostischen Zuverlässigkeit (97 % (93 % Sensitivität und 100 % Spezifität, Abb. 3)) [15] von Patienten mit zentralem Diabetes insipidus unterschieden werden. Dagegen hatte der Durstversuch nur eine diagnostische Zuverlässigkeit von 77 % (86 % Sensitivität und 70 % Spezifität). Diese Resultate unterstreichen die Limitationen des Durstversuchs, insbesondere da auch aufgezeigt wurde, dass Dursten allen keinen genügend starken osmotischen Stimulus darstellt für eine relevante AVP- oder Copeptinfreisetzung [15]. Ein weiterer Vorteil dieses neuen Tests ist die kürzere Testdauer (nur 2–3 h), was eine Diagnostik im ambulanten Setting ermöglicht, während Patienten für den Durstversuch oft hospitalisiert werden müssen. Nebenwirkungen waren zwar häufiger während des Kochsalztests, aber insbesondere dank der kürzeren Testdauer bewerteten die meisten Patienten dennoch den Kochsalztest als weniger unangenehm als den Durstversuch [15]. Trotzdem ist es wichtig anzumerken, dass seine korrekte Durchführung gemäß Protokoll sehr wichtig ist für die Patientensicherheit. Insbesondere muss eine halbstündliche Natriummessung gewährleistet sein (mittels venöser Blutgasanalyse), und die Natriumwerte müssen entsprechend engmaschig monitorisiert werden, um eine osmotische Überstimulation zu verhindern (Details siehe Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Testprotokoll des hypertonen Kochsalztests. aDer Test sollte nur gestartet werden bei Normonatriämie und Normokaliämie. bEine schnelle Natriummessung mittels venöser Blutgasanalyse (vBGA) muss vorhanden sein, um die Testsicherheit zu gewährleisten

Abb. 3
figure 3

Stimulierte Copeptinspiegel nach hypertoner Kochsalzlösung (links) und nach Durstversuch (rechts) bei Patienten mit dem Polyurie-Polydipsie-Syndrom. Gezeigt sind die stimulierten Copeptinwerte nach hypertoner Kochsalzlösung (links, HIS) und nach Durstversuch (rechts, WDT) bei Patienten mit dem Polyurie-Polydipsie-Syndrom (DI Diabetes insipidus). Die horizontale Linie jeder Box zeigt den Median, die untere und obere Grenze der Boxen die interquartilen Ranges und die Enden der Linien das Minimum und Maximum, die Punkte die Outlier. (Modifiziert nach Fenske W et al. [15])

Um die Gefahr der osmotischen Überstimulation zu umgehen, wäre eine nichtosmotische Stimulation von Copeptin zu begrüßen. Es ist bekannt, dass Arginin verschiedene Hormone des vorderen Hypophysenlappens stimuliert, unter anderem Wachstumshormon und Prolaktin [46,47,48]. Der Arginintest ist deshalb ein weit verbreiteter und gut tolerierter Test zur Diagnose eines Wachstumshormonmangels, vor allem bei Kindern [49].

Die Auswirkung einer Argininstimulation auf den hinteren Hypophysenlappen wurde aber bisher nicht untersucht. Erst eine kürzlich publizierte Studie zeigte, dass Arginin auch Copeptin stimuliert und somit einen neuen, nichtosmotischen Stimulus für Copeptin bei gesunden Erwachsenen und Kindern darstellt: Bei Erwachsenen stieg Copeptin von (median [IQR]) 5,2 pmol/L [3,3, 10,9] nach 60 min auf 9,8 pmol/L [6,4, 19,6] (p < 0,001) an, bei Kindern von 4,3 pmol/L [3,2, 6,0] auf 6,5 pmol/L [4,7, 8,5] (p < 0,001).

Bei Patienten mit Polyurie-Polydipsie-Syndrom hatte ein Copeptin-Cut-off von 3,8 pmol/L die höchste diagnostische Zuverlässigkeit, um zwischen einem zentralen Diabetes insipidus und einer primären Polydipsie zu unterscheiden. Gemessen 60 min nach Arginininfusion hatte dieser Cut-off eine Zuverlässigkeit von 93 % [95 %CI: 86, 97], mit einer Sensitivität von 93 % und einer Spezifität von 92 %.

Während der Arginininfusion blieben die klinischen und Laborparameter im Allgemeinen stabil und innerhalb des Normbereichs. Die Testverträglichkeit war gut, obwohl milde Nausea häufig auftrat. Im Vergleich mit dem Kochsalztest war die Verträglichkeit aber klar besser [15], und das Nebenwirkungsprofil ist attraktiver. Um die beiden Tests hinsichtlich ihrer diagnostischen Zuverlässigkeit und ihres Nebenwirkungsprofils aber genau vergleichen zu können, braucht es eine prospektive Studie, welche im Moment in verschiedenen Ländern durchgeführt wird.

Für den Moment kann eine schrittweise Abklärung empfohlen werden, mit dem einfacheren Arginintest als erstem Schritt und dem Kochsalztest bei unklaren Fällen als zweitem Test (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Neuer Copeptin-basierter diagnostischer Algorithmus in der Differenzialdiagnose des Polyurie-Polydipsie-Syndroms

Fazit für die Praxis

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Copeptin einen stabilen und zuverlässigen Surrogatmarker von AVP darstellt, welcher einfach mittels Immunoassays in Serum oder Plasma gemessen werden kann. Die Messung von Copeptin vereinfacht die Differenzialdiagnose des Polyurie-Polydipsie-Syndroms. Basale Werte, ohne vorheriges Dursten, können einen nephrogenen Diabetes insipidus diagnostizieren. Osmotische (3-prozentige Kochsalzlösung) oder nichtosmotische (Arginin) Stimulation mit anschließender Copeptinmessung kann einen zentralen Diabetes insipidus von einer primären Polydipsie mit hoher diagnostischer Zuverlässigkeit unterscheiden. Neben der erhöhten diagnostischen Sicherheit führt dies auch zu einer kürzeren Testdauer und einer größeren Testakzeptanz bei den Patienten. Deshalb sollten die Copeptin-basierten Testmethoden den Durstversuch als Goldstandard in der Abklärung des Polyurie-Polydipsie-Syndroms ersetzen. Dennoch muss darauf geachtet werden, insbesondere beim Kochsalztest, dass ein engmaschiges Natrium-Monitoring erfolgt, um eine Überstimulation zu verhindern.