Vorbericht

Familiäre partielle Lipodystrophieformen (FPLD) unterscheiden sich von den deutlich häufiger vorkommenden generalisierten Lipodystrophieformen durch das Vorliegen von regionalen Körperfettverteilungsstörungen. FPLD-Syndrome gelten als insgesamt unzureichend erforscht und epidemiologische Daten sind mangelhaft. Dieser Artikel soll dazu beitragen, das Auge des Klinikers für das etwaige Vorliegen eines FPLD-Syndroms, insbesondere des Köbberling-Syndroms (FPLD1), zu schärfen.

Dieser Fallbericht beschreibt eine 50-jährige Patientin aus Österreich mit langjährig bestehendem Diabetes mellitus Typ 2 und ausgeprägter Insulinresistenz. Trotz einer intensivierten Insulintherapie und Insulindosen von über 300 Einheiten täglich konnte zu keinem Zeitpunkt eine suffiziente glykämische Kontrolle erreicht werden. Das HbA1c in den letzten Jahren bewegte sich um 86 mmol/mol (10,0 %) und neben den hohen Insulindosen zeigte sich ein persistierend erhöhter C‑Peptid-Wert (3,15 ng/ml [Normalbereich 0,78–1,89 ng/ml]) als Ausdruck einer ausgeprägten Insulinresistenz. Aufgrund einer Intoleranz gegenüber mehreren oralen Antidiabetika (Metformin, Pioglitazon, Dapagliflozin) und GLP1(Glucagon-like Peptide 1)-Rezeptoragonisten (Dulaglutid, Liraglutid, Exenatid) bestand keine Möglichkeit der Therapieerweiterung. Mehrfache Hospitalisierungen zur Durchbrechung der Insulinresistenz mittels Insulinperfusor waren notwendig. Als Therapieversuch erfolgte die Implementierung einer Insulinpumpentherapie. Darunter zeigte sich eine nur geringgradig gebesserte glykämische Kontrolle. Zwischenzeitlich wurde auch die Implantation einer intraperitonealen Insulinpumpe diskutiert, dieser chirurgische Eingriff ist in Österreich jedoch nicht durchführbar und von einer Implantation im Ausland wurde vorerst Abstand genommen. An Komorbiditäten bestanden eine viszeral betonte Adipositas, ein (unter Therapie gut kontrollierter) arterieller Hypertonus, eine Dyslipoproteinämie sowie eine Lebersteatose [1].

Die Patientin hatte ein Körpergewicht von 137 kg bei einer Körpergröße von 164 cm, entsprechend einer morbiden Adipositas (BMI [Body-Mass-Index] von 40,3 kg/m2). In der klinischen Untersuchung fielen bei der Patientin ungewöhnlich muskulös wirkende untere Extremitäten und eine fettarme Glutealregion auf. Gegensätzlich dazu präsentierte sich die Patientin mit deutlicher viszeraler Fettverteilung, einem adipösen Rumpf sowie einem ödematös geschwollenen, cushingoid wirkenden Gesicht.

Der Beginn dieser charakteristischen körperlichen Veränderungen wurde bereits ab dem 3. Lebensjahr bemerkt. Ein ähnlicher Habitus sowie vergleichbare metabolische Veränderungen lagen auch bei der Mutter und Großmutter vor, während die männlichen Verwandten der Patientin (Bruder, Vater) stets sehr schlank und metabolisch gesund waren.

Klassische endokrinologische Erkrankungen wie ein endogener Hyperkortisolismus, eine Hypothyreose und ein polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) sowie ein Glukagonom konnten ausgeschlossen werden.

In Zusammenschau der körperlichen Charakteristika sowie der Komorbiditäten kann bei dieser Patientin die Diagnose eines Köbberling-Syndroms gestellt werden.

Das Köbberling-Syndrom (Synonym: familiäre partielle Lipodystrophie [FPLD]1) ist eine seltene, wahrscheinlich aber häufig nicht diagnostizierte Erkrankung des Fettgewebes und wird aktuell mit einer Prävalenz von 1:15.000.000 (FPLD1 und FPLD2) beziffert, wobei von einer hohen Dunkelziffer von nichtdiagnostizierten Menschen auszugehen ist [2, 3]. Für FPLD-Erkrankungen wurden bisher sechs genetische Subtypen identifiziert (u. a. LMNA-Gen, PPARγ-Gen), wobei für das Köbberling-Syndrom selbst bisher keine genetischen Loci gefunden werden konnten. Auffällig ist jedoch, dass bisher ausschließlich Frauen diagnostiziert wurden. Im Allgemeinen sind FPLD-Syndrome durch eine hohe Insulinresistenz, eine hohe Diabetesprävalenz, Hypertriglyzeridämie und Fettlebererkrankung charakterisiert. Im Gegensatz zu generalisierten Lipodystrophieentitäten liegt bei an FPLD Erkrankten kein Leptinmangel vor. Patienten mit Köbberling-Syndrom sind klinisch charakterisiert durch einen Verlust von Fettgewebe im Bereich der Extremitäten und des Gesäßes und einer umso stärkeren Fettgewebsakkumulation im Bereich des Körperstamms, des Abdomens und des Gesichtes. Daher werden FPLD1-Patienteninnen häufig zur endokrinologischen Abklärung eines Cushing-Syndroms bei „Mondgesicht“ vorgestellt. FPLD2- (Dunningan-Syndrom) und FPLD3-Patienten, deren genetische Mutationen (LMNA- bzw. PPARγ-Gen) identifiziert werden konnten, präsentieren sich meist mit schlankem Habitus, jedoch einer Vermehrung von supraklavikulärem und fazialem Fettgewebe. Im Vergleich zu Patienten mit Köbberling-Syndrom entwickeln sich bei FPLD2 und FPLD3 diese Eigenschaften meist erst in der Pubertät, während die Veränderungen beim Köbberling-Syndrom bereits in der frühen Kindheit objektiviert werden können. Für weitere Subtypen (FPLD4, 5 und 6) wurden bisher nur Einzelfälle beschrieben [4, 5].

Neben der Berücksichtigung der metabolischen und optischen Veränderungen dient eine Körperfettmessung der genaueren Identifikation und schlussendlich der Diagnosestellung des Syndroms. Der sogenannte Köbberling-Index setzt sich aus dem Hautfaltendicke-Quotienten, bestehend aus Subskapula- und Wadenregion, zusammen (Sensitivität 89 %; Spezifität 84 %). Als Grenzwert wurde eine Ratio von 3,477 als höchst sensitiv beschrieben [5]. Bei unserer gegenwärtigen Patientin lag eine Ratio von 4,41 vor.

Nachdem es bisher aufgrund der niedrigen Prävalenz und wohl hohen Dunkelziffer an Erkrankten kaum epidemiologischen Daten gibt, ist die Diagnosestellung erst nach Ausschluss anderer Erkrankungen (alimentäre Adipositas, Cushing-Syndrom, Hypothyreose, …) möglich.

Menschen mit FPLD-Syndromen wird ein hohes kardiovaskuläres Risiko zugesprochen, weswegen eine explizite Identifizierung und eine rasche und intensive Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren empfohlen wird [6]. Aufgrund der fehlenden spezifischen Therapie beruhen die therapeutischen Maßnahmen aktuell auf der Behandlung der Begleiterkrankungen. Da häufig eine ausgeprägte Insulinresistenz besteht, hat sich eine Therapie mit Metformin und Glitazonen als effektiv erwiesen [7]. Nachdem diese Substanzen von unserer Patientin nicht toleriert wurden, waren folglich sehr hohe Insulinmengen erforderlich, um eine halbwegs akzeptable Blutzuckerkontrolle zu erreichen. Wenige, aber vielversprechende Daten gibt es zu bariatrisch-chirurgischen Maßnahmen, um einerseits eine dadurch angestrebte Gewichtsabnahme zur Senkung der Insulinresistenz zu erreichen und andererseits kosmetische Korrekturen zu bewirken [8]. Die Datenlage zur Leptinersatztherapie, welche bei generalisierten Lipodystrophieerkrankungen eingesetzt wird, ist für Patienten mit FPLD-Syndromen schwach [7].

Wann sollten Sie an das Vorliegen eines Köbberling-Syndroms denken?

Die unten genannten Kriterien beschreiben unterschiedliche habituelle und metabolische Veränderungen, welche für das Köbberling-Syndrom typisch sind. Die Prozentzahlen beschreiben die Häufigkeiten, die in einer Population von 13 Patientinnen mit Köbberling-Syndrom dokumentiert wurden [4]. Eine definitive Anzahl der notwendigerweise erfüllten Kriterien zur Diagnosestellung wurde bisher nicht festgelegt. Die eingekreisten Zahlen verweisen auf die Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Anthropometrische Eigenschaften einer Patientin mit Köbberling-Syndrom [1], charakterisiert durch das Fehlen von subkutanem Fett im Bereich der unteren Extremitäten und Glutealregion und ausgeprägten viszeralen und stammbetonten Fettdepots sowie „cushingoidem“ Mondgesicht. Die eingekreisten Zahlen beziehen sich auf die in der Publikation von Herbst et al. charakteristischen Veränderungen (Tab. 1)

Tab. 1 Typische anatomische und metabolische Kriterien zur Diagnosestellung eines Köbberling-Syndroms, modifiziert nach Herbst et al. [4]