Einleitung

Die Feinnadelpunktion (FNP) der Schilddrüse ist eine Technik, die in der Thyreologie bereits seit über tausend Jahren etabliert ist. Der spanisch-arabische Arzt Albucasis, der 952 nach Christus eine erfolgreiche Thyreoidektomie durchführte, beschrieb bereits Instrumente zur therapeutischen Punktion der Schilddrüse, die an heutige Spritzen erinnern [1, 2]. Noch früher datieren die aus dem antiken Griechenland und später aus Byzanz stammenden Berichte über Punktionen der Schilddrüse [3, 4]. Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wurde die Feinnadelpunktion in der modernen Thyreologie (wieder) etabliert. Die Feinnadelpunktion ist heute eine Basisuntersuchung bei der Abklärung fokaler Schilddrüsenläsionen und wird auch therapeutisch bei Zysten verwendet [5, 6].

Bezüglich der technischen Durchführung einer FNP der Schilddrüse werden zahlreiche verschiedene Varianten beschrieben, und die FNP der Schilddrüse wird sehr unterschiedlich durchgeführt. Die Dicke der Nadeln, die Volumina der Spritzen, die Anzahl der Punktionen pro Sitzung, die Zugangswege und auch die Hygiene werden von verschiedenen Punkteuren völlig unterschiedlich gehandhabt. Trotzdem führen diese verschiedenen Zugänge individuell zu sehr guter diagnostischer Aussage. Es gibt verschiedene, meist sehr allgemein gehaltene Empfehlungen, wie eine Feinnadelpunktion durchgeführt werden kann, aber keine einheitliche Leitlinie.

2011 wurde vom Robert Koch-Institut eine Empfehlung für Anforderungen an die Hygiene bei Punktionen und Injektionen veröffentlicht [7]. Aus den Formulierungen dieser Empfehlungen könnte abgeleitet werden, dass die ultraschallgezielte Feinnadelpunktion der Schilddrüse aus hygienischer Sicht als Organpunktion klassifiziert wird, was entsprechende hygienische Anforderungen wie bei Stanzbiopsien innerer Organe erfordern würde. Dies steht im Gegensatz zu verschiedenen Empfehlungen zur Durchführung von FNPs der Schilddrüse, wie den Anleitungen der American Thyroid Association [8]. Auch in Korea – jenem Land, in dem weltweit die meisten FNPs der Schilddrüse durchgeführt werden – wird im Konsensus-Statement der Korean Society of Thyroid Radiology die FNP hinsichtlich ihrer hygienischen Anforderungen wie eine intramuskuläre Injektion gestellt [9].

Die Österreichische Schilddrüsengesellschaft führte daher in Zusammenarbeit mit den anderen österreichischen Fachgesellschaften eine landesweite Umfrage durch, wie die FNP der Schilddrüse derzeit durchgeführt wird, um einen aktuellen Status zu erheben.

Methoden

In Absprache mit der Österreichischen Schilddrüsengesellschaft (OSDG), der Österreichischen Gesellschaft für Endokrinologie und Stoffwechsel (ÖGES), der Österreichischen Gesellschaft für Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung (OGNMB) und der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgische Onkologie (ACO ASSO) erfolgte eine Aussendung an alle Mitglieder der obengenannten Fachgesellschaften. Die Autoren erhielten Rückmeldung von 32 Institutionen. Alle österreichischen Institutionen, die Feinnadelpunktionen der Schilddrüse in nennenswerter Zahl durchführen, wurden erfasst. Zusätzlich erfolgte die Rückmeldung eines österreichischen Mitglieds, das in einem Schweizer Krankenhaus tätig ist.

Ergebnisse

Die Ergebnisse dieser Umfrage sind in Abb. 1234567891011121314, 1516171819 und 20 dargestellt.

Abb. 1
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Anzahl der Feinnadelpunktionen der Schilddrüse pro Jahr an den befragten Institutionen

Abb. 2
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Verwendete Nadeldicke in Gauge

Abb. 3
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Einverständnis der Patienten

Abb. 4
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Bereitstellung der verwendeten Einverständniserklärung für die Befragung

Abb. 5
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Anzahl der Punktionen pro Knoten pro Sitzung

Abb. 6
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Volumen der Spritze zur Aspiration bei Punktion solider Knoten

Abb. 7
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Vorlegen von Luft in der Spritze vor dem Punktieren

Abb. 8
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Falls ja: Vorlegen von Luft in der Spritze in ml vor dem Punktieren

Abb. 9
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Anteil der ultraschallgezielten Punktionen in Prozent

Abb. 10
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Händedesinfektion vor Punktion

Abb. 11
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Punktion mit oder ohne Assistenz

Abb. 12
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Bei der Punktion verwendete Utensilien

Abb. 13
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Bei der Punktion verwendete Utensilien

Abb. 14
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Bei der Punktion verwendete Utensilien

Abb. 15
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Bei der Punktion verwendete Utensilien

Abb. 16
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Bei der Punktion verwendete Utensilien

Abb. 17
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Art der angefertigten Ausstriche

Abb. 18
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Anzahl der angefertigten Ausstriche

Abb. 19
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Färbung und Beurteilung der Ausstriche vor Ort

Abb. 20
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Infektiöse Komplikation nach Punktion der Schilddrüse

Diskussion

An der vorliegenden Umfrage haben alle österreichischen Institutionen teilgenommen, die FNPs der Schilddrüse in relevanter Zahl durchführen. Die Daten geben daher einen guten Überblick, wie die FNP in Österreich durchgeführt wird. Wie auch in anderen Ländern werden die verschiedensten Techniken angewandt, die den methodischen Empfehlungen der verschiedenen Fachgesellschaften entsprechen [8, 9].

Wie häufig FNPs bei thyreologischen Patienten in Österreich durchgeführt werden, schwankt zwischen den einzelnen Institutionen erheblich. Bei der Diskussion für zukünftige Leitlinien und Empfehlungen sollte dieser Umstand soweit möglich berücksichtigt werden. Die American Thyroid Association bezeichnete in den 2009 herausgegeben Leitlinien die FNP als die genaueste und kosteneffektivste Methode zur Abklärung von Schilddrüsenknoten [10]. In der aktuellen, im Jahre 2016 herausgegebenen Version der Leitlinien der amerikanischen Schilddrüsengesellschaft zur Knotenabklärung wird die FNP nicht mehr generell, sondern nach entsprechendem Sonografiebefund empfohlen [6].

Im Jahr 2016 wurde eine europaweite Umfrage der European Society of Radiology veröffentlicht, die unter ihren Mitgliedern die Infektionsprävention bei Ultraschalluntersuchungen erhob [11]. Auch hier zeigten sich große Unterschiede bei den Rückmeldungen. Bei Ultraschalluntersuchungen auf intakter Haut desinfizieren 29 % der Rückmelder die Sonde erst am Ende des Tages. Bei endokavitärem Ultraschall desinfizieren 11 %, bei ultraschallbasierten Interventionen 6 % der Einsender die Sonde nicht nach jedem Patienten. Ein Überzug des Schallkopfes wird nur bei 89 % der endokavitären und nur bei 77 % der interventionellen Untersuchungen verwendet. Bei diesen abgefragten interventionellen Untersuchungen handelt es sich allerdings nicht um FNPs, sondern um andere interventionelle Ultraschalltechniken wie transvaginale Follikelpunktionen, transbronchiale Punktionen oder transrektale Prostatapunktionen. Bei diesen Techniken wurde im Gegensatz zur FNP der Schilddrüse auch die Transmission von Keimen berichtet 12,13,14,15,16,17,18,19,20].

Größtenteils werden die FNPs ultraschallgezielt durchgeführt, die hygienischen Rahmenbedingungen entsprechen denen einer intramuskulären Injektion und nicht einer Stanzbiopsie eines intraperitoneal gelegenen Organs, was sich ebenfalls mit den Empfehlungen der entsprechenden Fachgesellschaften deckt [8, 9]. Allerdings gibt es unserer Meinung nach tatsächlich einzelne Defizite bezüglich allgemeiner hygienischer Aspekte. Die Leitlinien interventioneller Ultraschall der European Federation of Societies for Ultrasound in Medicine and Biology (EFSUMB) behandeln die FNP der Schilddrüse nicht, stellen aber im Teil I ihrer Leitlinien interventioneller Ultraschall einzelne grundlegende hygienische Forderungen [21]. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) veröffentlichte kürzlich Empfehlungen zur Hygiene in Sonografie und Endosonografie [22]. Diesen beiden und den Forderungen der European Society of Radiology schließen sich die Autoren an:

Adäquate Händehygiene ist essenziell. Es sollten ein steriler Überzug des Schallkopfes und steriles Ultraschallgel verwendet werden. Nach jeder FNP muss der Schallkopf desinfiziert werden.

Schlussfolgerungen

Die Feinnadelpunktion wird in Österreich auf unterschiedliche Art und Weise durchgeführt, und die Methodik entspricht den verschiedenen Empfehlungen der Fachgesellschaften [6, 8, 9]. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass auch in Österreich die FNP der Schilddrüse nicht wie eine Stanzbiopsie eines intraperitoneal gelegenen Organs klassifiziert wird, sondern mit einer intramuskulären Injektion vergleichbar ist. Die grundlegenden hygienischen Anforderungen für interventionelle Ultraschalltechniken müssen allerdings eingehalten werden.

Expertenkommentar

von Prof. Dr. Markus Luster, Universitätsklinikum Marburg, Deutschland

Die Feinnadelpunktion der Schilddrüse ist integraler Bestandteil der Diagnostik von Schilddrüsenläsionen. In der Hand eines erfahrenen Untersuchers stellt sie ein effektives und wenig belastendes Verfahren zur Risikostratifizierung nodulärer Veränderungen des Organs dar. Im deutschsprachigen Raum wird sie tendenziell zu selten eingesetzt, insbesondere im Vergleich zu den sehr viel häufigeren chirurgischen Eingriffen an der Schilddrüse.

Den Autoren der österreichischen Erhebung gebührt Anerkennung für ihr Unternehmen, den Einsatz sowie die Rahmenbedingungen der Untersuchung näher zu beleuchten und Limitationen aufzuzeigen. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass spezifische Empfehlungen zur Feinnadelpunktion der Schilddrüse selten und zum Teil uneinheitlich sind und Handlungsanweisungen oftmals aus dem Kontext anderer Organpunktionen übertragen werden. Dies wird der klinischen Situation einer Schilddrüsenbiopsie nur selten gerecht.

Hinsichtlich der Indikationen zur Schilddrüsenpunktion darf auf eine kürzlich im Deutschen Ärzteblatt erschienene Arbeit von Feldkamp und Kollegen [16] hingewiesen werden: Als generelle Empfehlung kann gesagt werden, dass Schilddrüsenknoten unter 1 cm nur in Ausnahmefällen punktiert werden sollten. Zudem bleibt darauf hinzuweisen, dass in Iodmangelgebieten (z. B. Deutschland) die Schilddrüsenszintigrafie mittels Technetium-99 m-Pertechnetat als weichenstellende Untersuchung im Rahmen der Indikationsstellung gelten kann. Hyperfunktionelle Areale sollten wegen des sehr geringen Malignitätsrisikos und der häufig resultierenden zytologischen Diagnose „follikuläre Proliferation“ bzw. „Neoplasie“ nicht punktiert werden.

Der gezielte Einsatz der diagnostischen Verfahren Ultraschall, Szintigrafie und Feinnadelpunktion sollte langfristig zu einem Rückgang (unnötiger) chirurgischer Eingriffe führen [23], besonders wenn die Feinnadelpunktion unter standardisierten Rahmenbedingungen erfolgt.