Durch den Wegfall der physiologischen PTH-Sekretion verliert der Körper vor allem in Situationen mit akut gesteigertem Ca2+-Bedarf die Möglichkeit, einen Abfall des Ca2+-Spiegels unter den Normbereich rasch durch eine PTH-getriggerte Ca2+-Freisetzung aus dem Knochen zu kompensieren, was zur Entwicklung einer akuten Hypokalziämie führt. Durch den zusätzlichen Ausfall der Stimulation der 1‑α-Hydroxylase (verminderte Bildung von Kalzitriol in der Niere und dadurch verminderte intestinale Ca2+-Resorption) und den verstärkten renalen Ca2+-Verlust durch den Ausfall der PTH-Wirkung an der Niere kommt es langfristig zur Ausbildung einer chronischen Hypokalziämie mit den entsprechenden Symptomen. Zuletzt kommt es durch den Ausfall der PTH-Wirkung zu einer gesteigerten renalen Phosphat-Reabsorption. Durch die Verbindung von Phosphat mit ionisiertem Kalzium kommt es zu einem Anstieg des Kalzium-Phosphat-Produkts mit der Ausbildung von ektopen Kalzifizierungen. Typische Symptome und Langzeitkomplikationen werden in Tab. 1 dargestellt.
Tab. 1 Symptome u. Komplikationen des chronischen Hypoparathyreoidismus. (Modifiziert aus [13]) Eine aktuelle Datenanalyse aus dem schwedischen Gesundheitsregister zeigte, dass es nach totalen Thyreoidektomien bei benigner Indikation in 5,2 % der Fälle zum Auftritt eines permanenten Hypoparathyreoidismus kam. Zudem zeigte sich, dass diese Gruppe im Beobachtungszeitraum ein deutlich höheres Mortalitätsrisiko aufweist (Hazard Ratio [HR]: 2,09) [8].
Viele Patienten beklagen unspezifische Symptome wie Muskelschwäche, rezidivierende Muskelkrämpfe oder Parästhesien, was die Diagnosestellung mitunter verzögern kann. Bei einem klinischen Verdacht auf Hypoparathyreoidismus bzw. eine Hypokalziämie empfiehlt sich die Testung auf das Vorliegen eines Chvostek- oder Trousseau-Zeichens. Beim Chvostek-Zeichen kommt es zu einer Kontraktion der ipsilateralen Gesichtsmuskulatur durch Beklopfen des N. facialis 2 cm vor dem Ohrläppchen. Beim Trousseau-Test wird durch Anlegen einer Blutdruckmanschette am Oberarm und dadurch ausgelöster Okklusion der A. brachialis ein karpaler Spasmus ausgelöst („Pfötchenstellung“). Beide Tests sind rasch und einfach durchführbar, wobei der Trousseau-Test in puncto Sensitivität und Spezifität überlegen ist [9]. Bei einer akuten Hypokalziämie empfiehlt sich für ein rasches Ergebnis zudem die Durchführung einer venösen Blutgasanalyse mit ionisiertem Kalzium.
Häufig wird die Einschränkung der Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit unterschätzt. Hypoparathyreoidismus-Patienten haben unter Standardtherapie im Vergleich zur Normalbevölkerung eine deutlich verminderte Lebensqualität (durchschnittlich 24 % geringer). Zudem ist die Arbeitsfähigkeit der Patienten eingeschränkt: Diese beziehen zehnmal öfter Sozialleistungen als die Normalbevölkerung (42 % vs. 4 %) [3]. Häufig besteht ein sogenannter „empathy gap“ – die Bürde der Erkrankung wird unterschätzt. Oft werden die Beschwerden der Patienten auch fehlgedeutet oder nicht als Folge des PTH-Mangels erkannt [10, 11]. Es empfiehlt sich, die jeweilige Symptomatik der Patienten ernst zu nehmen und diese als belastend anzuerkennen, dies kann die individuelle Krankheitsbewältigung verbessern [12].
Eine weitere Schwierigkeit ist diesbezüglich auch, dass der Hypoparathyreoidismus sich schleichend entwickeln kann und der postoperative auch mit einer deutlichen Latenzzeit zwischen Operation und Hypokalziämie bzw. Symptomen einhergehen kann. In einer retrospektiven Analyse von 105 postoperativen Hypoparathyreoidismus-Patienten am LKH Graz lag das Zeitintervall zwischen erster Schilddrüsenoperation und Diagnosestellung im Median bei 5,5 Jahren (eigene Daten, unpubliziert bzw. Diplomarbeit Martin Kern, Medizinische Universität Graz 2015).