Über das Besondere in der Pflege alter Menschen (Teil 4) Möglichst lange selbstständig mobil bleiben - das ist ein wichtiges Ziel von alten Menschen. Fachpflegende der Geriatrie können dies durch ein strukturiertes Vorgehen und bedürfnisorientiertes Pflegehandeln unterstützen. So können Komplikationen vermieden, der Pflegeaufwand reduziert und Mobilität erhalten werden.

Der Mensch lernt laufen, damit er sich in der Welt zurechtfindet. Die Fähigkeit, sich aus eigener Kraft von A nach B bewegen zu können - also körperlich mobil zu sein -, ist Ausdruck gelebter Autonomie und ein sehr komplexes Geschehen (DNQP 2020). Im Alter wird die Bedeutung der Mobilität besonders sichtbar, dann nämlich, wenn sie sich deutlich verschlechtert und sich daraus Konsequenzen für den Alltag ergeben, beispielsweise in Form von Sturzereignissen mit unterschiedlichen Folgen. Daher ist die Immobilität ein zentrales Konzept in der geriatrischen Fachpflege und gehört zu den prominenten "geriatrischen Riesen" (Steudter 2022, S. 33).

Das Konzept "Mobilität" setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen und muss aus mehreren Perspektiven betrachtet werden. Alltagspraktisch bedeutet eine uneingeschränkte körperliche Mobilität, sich ohne fremde Hilfe und ohne Hilfsmittel bewegen zu können: die Toilette aufzusuchen, wann man möchte oder an den Kühlschrank zu gehen, wenn man Appetit verspürt. In diesem Sinne ermöglicht Mobilität Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Mobilität hat darüber hinaus einen sozialen Aspekt, da sie gesellschaftliche Teilhabe und Kontakt zu anderen Menschen ermöglicht. Fehlt dies, kann das zur Isolation und Vereinsamung führen - mit den bekannten Konsequenzen für Körper und Psyche. Auch auf die Gesundheitsversorgung hat eine veränderte Mobilität Auswirkungen, denn für mobilitätseingeschränkte Menschen bestehen im wahrsten Sinne des Wortes Hürden - auf dem Weg zu und innerhalb von Arztpraxen, Kliniken oder Therapieeinrichtungen. Somit berührt Mobilität drei verschiedene Ebenen, die es in der geriatrischen Fachpflege zu beachten gilt: die Person, die Umwelt und die Gesundheitsversorgung.

Mobilitätsbeeinflussende Faktoren

Die körperlichen Umbauprozesse des Alters führen dazu, dass sich der Anteil von Muskulatur und Fettgewebe verändert. Diese Veränderungen setzen bereits ab dem 50. Lebensjahr ein und schreiten über Jahre hinweg langsam fort. Ein über das altersnormale Maß hinaus bestehender Muskelabbau wird als Sarkopenie bezeichnet (Dawson-Hudges et al. 2016). Dies kann dazu führen, dass sich im Laufe der Zeit Gebrechlichkeit (Frailty) einstellt, was sich wiederum negativ auf die Mobilität auswirkt und zu einem Teufelskreis führt. Dieser Entwicklung kann mit körperlicher Aktivität und einer angepassten vitaminreichen Ernährung entgegengewirkt werden, wie verschiedene Untersuchungen der letzten Jahre zeigen (Bischoff-Ferrari 2020).

Für ein möglichst gesundes Alter empfiehlt die WHO Menschen zwischen 18-64 Jahren, sich in der Woche mindestens zweieinhalb bis fünf Stunden moderat zu bewegen (Bull et al. 2020). Dies sollte an mindestens zwei Tagen in der Woche durch ein alle Muskelgruppen berücksichtigendes Krafttraining ergänzt werden. Menschen ab 65 Jahren sollten mit gezielten Übungen das Gleichgewicht und die Koordination trainieren. Mattle et al. (2020) konnten in ihrer Übersichtsarbeit beispielsweise die positiven Effekte von tanzbasierten Bewegungsübungen zeigen. Tanzen fördert die Koordination und den Bewegungsapparat gleichermaßen. Das Sturzrisiko und die Sturzhäufigkeit können gesenkt und die Balance verbessert werden.

Neben den aufgeführten altersbedingten, physiologischen Prozessen können Akutereignisse und nachfolgende Komplikationen die Mobilität von alten Menschen negativ beeinflussen. Dazu gehören beispielsweise Stürze, Operationen, Infektionskrankheiten (z.B. Pneumonie, COVID-19), neurologische Erkrankungen oder Mangelernährung. Aber auch psychische Gesundheitsprobleme (z.B. Depressionen oder Angststörungen) haben einen Einfluss auf das Bewegungsverhalten alter Menschen.

Durch Screening und Assessment die Situation einschätzen

Veränderungen in der Mobilität von alten Menschen sollten frühzeitig erkannt werden. Meist handelt es sich dabei um einen langsam verlaufenden Prozess, dessen Konsequenzen zu spät erkannt werden, wie eine Studie zur Bettlägerigkeit zeigen konnte. Demnach entwickelt sich Bettlägerigkeit in fünf Stufen und stellt sich in den meisten Fällen nicht plötzlich oder unvorhersehbar ein. Die Stufen sind: Instabilität, Ereignis, Immobilität, örtliche Fixierung, vollständige Immobilität (Zegelin 2005). Sowohl der Immobilität als auch der Bettlägerigkeit geht also eine Zeit voraus, die durch die Betroffenen - mit Hilfe von Pflegenden - meist positiv beeinflusst und mit geeigneten Maßnahmen kompensiert werden könnte.

Um den Grad der Mobilität und beginnende Einschränkungen einzuschätzen, stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, die für die Erhebung der körperlichen Fitness von alten Menschen eingesetzt werden (Tab. 1). In der Regel wenden Physiotherapeut*innen die Instrumente an. Aber auch Pflegende können sie nutzen. Die Tests sollten jedoch nicht durchgeführt werden, wenn die betroffenen alten Menschen über Schwindel klagen oder bereits stark in der Mobilität eingeschränkt sind, beispielsweise bei einer Halbseitenlähmung (Hemiparese) nach einem Schlaganfall. Ein bestimmtes Instrument wird nicht empfohlen (DNQP 2020). Neben der mobilitätsfokussierten Situationserfassung sollen auch biografische, kognitive und psychische Ressourcen sowie der allgemeine Gesundheitszustand und bestehende Krankheiten eingeschätzt werden, da auch diese Komponenten Einfluss auf das Mobilitätsverhalten haben (ebd.).

Tab. 1 : Ausgewählte Verfahren zur Einschätzung der Mobilität (eigene Darstellung)

Mobilität gezielt ermöglichen und übergeordnet betrachten

Die Bedeutung von Mobilität und ihrer Förderung ist in der Pflege offensichtlich. Pflegende in allen Settings sind daher gefordert, alte Menschen in ihrer körperlichen Beweglichkeit und ihrem Bewegungsverhalten aktiv zu unterstützen. Bewegung sollte in den normalen Alltag soweit wie möglich integriert werden, etwa im Rahmen der Körperpflege oder anderen Aktivitäten des täglichen Lebens. Die von Vorteil interprofessionell umgesetzten Maßnahmen müssen dem Mobilisationsgrad angepasst sein und unterscheiden sich, je nachdem, ob eine weitgehende Immobilität (Bettlägerigkeit) oder eine Teilmobilität außerhalb des Bettes vorliegt (ebd.). Da Bewegung und Mobilität individuelle und subjektive Phänomene sind, wird an dieser Stelle auf die detaillierte Ausarbeitung zu Einzelmaßnahmen verzichtet. Vielmehr sollen hier die Prinzipien der Bewegungsförderung und Prävention von Immobilität ins Zentrum gestellt werden. Bewegung soll in erster Linie Spaß machen und ohne Schmerzen oder andere belastende Symptome, beispielsweise Atemnot, möglich sein. Maßnahmen sollen für die Betroffenen einen erkennbaren Sinn haben und an die bestehenden Interessen und Fähigkeiten anknüpfen. In der Pflege wird die Bewegung von Patient*innen im und außerhalb des Bettes als Mobilisation bezeichnet (Eggert 2018). Diese soll aktiv gestaltet werden, d.h. ein Herausheben aus dem Bett in den Stuhl bewirkt kaum das Erwünschte. Alten Menschen sollen Bewegungserfahrungen ermöglicht werden, um das Gefühl für den Körper und das Körperbild aufrechtzuerhalten und sich in ihrer Körperlichkeit wahrzunehmen. Dabei können auch kleine Bewegungen, wie etwa Schunkeln im Stuhl, hilfreich sein. Hilfsmittel zur Mobilisation sollten sinnvoll und angepasst an die Situation und die Person eingesetzt werden.

Literatur

  • Bischoff-Ferrari H (2020) Hype um die Vitamin-D Substitution: Was bleibt? Der Internist (61) 1196-1203

  • Braun T, Schulz RJ, Hoffmann M et al. (2015) Deutsche Version des De Morton Mobility Index. Erste klinische Ergebnisse aus dem Prozess der interkulturellen Adaptation. Z Gerontol Geriatr (48) 154-163

  • Bull FC et al. (2020) World Health Organization 2020. Guidelines on physical activity and sedentary behavior. Br J Sports Med (54) 1451-1462. doi:10.1136/bjsports-2020-102955

  • Dawson-Hughes B, Bischoff-Ferrari H (2016) Considerations concerning the definition of sarcopenia. Osteoporos Int 27 (11) 3139-3144. doi:10.1007/s00198-016-3674-8.

  • De Morton NA, Davidson M, Keating JL (2008) The de Morton Mobility Index (DEMMI): An essential health index for an ageing world. Health Qual Life Outcomes 6, 63. doi: 10.1186/1477-7525-6-63

  • DNQP (2020) Expertenstandard nach § 113a SGB XI "Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege". https://www.gs-qsa-pflege.de/wp-content/uploads/2020/12/Expertenstandard-%E2%80%9EErhaltung-und-Fo%CC%88rderung-der-Mobilita%CC%88t-in-der-Pflege%E2%80%9C-Aktualisierung-2020.pdf (Letzter Zugriff am 28.4.2022)

  • Eggert F (2018) Mobilisation in der Pflege. Springer. Berlin, Heidelberg. https://www.springerpflege.de/mobilisation/mobilisation/mobilisation-in-der-pflege/15286314 (Letzter Zugriff am 28.4.2022)

  • Mattle M et al. (2020) Association of Dance-Based Mind-Motor Activities With Falls and Physical Function Among Healthy Older Adults. ZORA. https://doi.org/10.5167/uzh-192877

  • Podsiadlo D, Richardson S. (1991) The Timed "Up & Go": a test of basic functional mobility for frail elderly persons. J Am Geriatr Soc (39) 142-148

  • Steudter E (2022) Zukunftsorientiertes Fachgebiet: Geriatriepflege. PflegeZeitschrift 3 (75) 32-34

  • Tinetti ME (1986) Performance-oriented assessment of mobility problems in elderly patients. J Am Geriatr Soc (34) 119-126

  • Zegelin A (2005) "Festgenagelt sein". Der Prozess des Bettlägerigwerdens. Huber, Bern