Pflegemanagement stellt Handlungsfähigkeit unter Beweis In der Coronapandemie übernahm das Pflegemanagement Verantwortung. Es initiierte und steuerte notwendige Veränderungsprozesse und leistete so einen bedeutenden Beitrag zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung und zur Bewältigung bestehender und künftiger Herausforderungen und Entwicklungen. Eine Umfrage macht die Erfahrungen des Pflegemanagements sichtbar.

Zum 31.12.2020 berichtete das Robert Koch-Institut in seinem täglichen Lagebericht zur Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) über insgesamt 1.719.737 bestätigte COVID-19 Fälle (RKI 2020). Das DIVI-Intensivregister beziffert am selben Tag die COVID-19 Fälle in intensivmedizinischer und -pflegerischer Behandlung auf 5.639 (ebd.). Allein diese Zahlen verdeutlichen, dass die Coronapandemie die Gesellschaft, das Gesundheitssystem und hier insbesondere auch die Berufsgruppe der professionell Pflegenden vor bisher nie dagewesene Herausforderungen stellt.

Als größte Herausforderung ist dabei neben der Gewährleistung einer sicheren und bedarfsgerechten Versorgung von Patient*innen auch der Schutz von Angehörigen, Mitarbeitenden und sonstigen Personengruppen zu sehen. Auch die pandemiebedingten Begleiterscheinungen, wie erhöhte Krankheitslasten, Burn-out, psychosoziale Belastungen oder Trauerfälle, sind von großer Bedeutung und erfordern höchste Anstrengung von Beschäftigten und dem Management. Innerhalb kürzester Zeit mussten neue Wege der Entscheidungsfindung, Kommunikation und Führung gefunden und praktiziert werden. Auch die tagesaktuelle Umsetzung einer Vielzahl, fluide wirkender normativer/regulatorischer Anforderungen machten ständige Anpassungen von Abläufen und Strukturen erforderlich. Als größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen war die Pflege von den raschen und herausfordernden Anpassungen einerseits betroffen und andererseits als ein eigenständiger und gestaltender Teil des Transformationsprozesses gefordert.

Zum einen sind Pflegefachpersonen für die Behandlung und Betreuung von Hilfsbedürftigen unverzichtbar und zum anderen fungieren sie als zentrale*r Ansprechpartner*in für interne und externe Berufs- und Personengruppen. Dem Pflegedienst kommt demnach eine zentrale Rolle bei der Gestaltung und Durchführung von Prozessen zu. Dies ist nicht zuletzt auf den, seit ca. zwanzig Jahren intensivierten und forcierten, Professionalisierungsprozess (Cassier-Woidasky 2011) und der damit assoziierten Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Tätigkeitsfelder innerhalb der Pflege zurückzuführen. Insbesondere das Pflegemanagement, als ein Hauptbestandteil dieses Professionalisierungsprozesses, setzt sich mit spezifischen Fragestellungen aus dem Bereich der Personalführung, -akquise, -planung und -entwicklung auf allen Hierarchieebenen auseinander. Durch die pandemiebedingt verschärften Herausforderungen war das Pflegemanagement gefordert, seine Handlungsfähigkeit mannigfaltig unter Beweis zu stellen und seinen Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten.

Wie sehen Pflegemanager*innen ihre Rolle in der Pandemie?

Ausgangspunkt der Befragung waren die folgenden Fragestellungen:

  1. 1.

    Welche Rolle und Bedeutung sowie welche Wichtigkeit hatte das Pflegemanagement bei der Gestaltung der pandemiebedingten Veränderungsprozesse?

  2. 2.

    Welche Herausforderungen und Veränderungen ergaben sich für das Pflegemanagement aus der Pandemie und wie wurde mit diesen umgegangen?

  3. 3.

    Welche Aufgaben, Kernkompetenzen und Fähigkeiten waren zu Bewältigung der pandemiebedingten Herausforderungen notwendig?

Mit einer Onlinebefragung des Netzwerks Pflegewissenschaft und Praxisentwicklung im Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands e.V. (VPU) in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Pflegemanagement e.V. wurden die Leistungen des Pflegemanagements, welche im Rahmen der Coronapandemie erbracht wurden, sichtbar und evident gemacht. Die Daten geben einen Überblick über die Erfahrungen des Pflegemanagements und ermöglichen es, richtungsweisende Empfehlungen für den Fall zukünftiger Pandemien abzuleiten.

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Neue Rolle: Während der Pandemie wurde das Pflegemanagement aktiv in Steuerungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen.

Studiendesign, Datenerhebung und Analyse

Unter den rund 1.400 Mitgliedern der erwähnten Organisationen wurde eine standardisierte Onlinebefragung durchgeführt. Das Erhebungsinstrument wurde auf Basis einer internationalen Literaturrecherche durch die Mitglieder des Netzwerkes Pflegewissenschaft und Praxisentwicklung im VPU entwickelt. Die Befragung richtete sich an Pflegemanager*innen in leitender Funktion. Mit den Fragen wurden die Folgen und Auswirkungen der Coronapandemie auf die Tätigkeit der Zielgruppe, zu den strukturellen und personellen Anpassungen der jeweiligen Einrichtung sowie zu den getroffenen Maßnahmen im Bereich des Gesundheits- bzw. Infektionsschutzes im Zeitraum 01.03.2020 bis 30.06.2020 adressiert. Der Fragebogen enthielt insgesamt 33 Fragen. Es wurde ein kurzer Pretest mit drei Pflegedirektor*innen von Unikliniken durchgeführt.

Die potenziellen Teilnehmenden wurden erstmalig im Oktober 2020 per E-Mail über die Teilnahmemöglichkeit, die Freiwilligkeit, die Inhalte, Ziele und den Ablauf der Befragung informiert. Die Online-Umfrage wurde am 27.11.2020 geschlossen. Der erhobene Datensatz wurde mittels SPSS validiert. Die qualitative Analyse der Freitextangaben erfolgte in Anlehnung an Kuckartz (2018).

Ergebnisse

Die Onlinebefragung wurde in n=146 Fällen vollumfänglich durchlaufen. In die Auswertung wurden n=128 Fälle eingeschlossen. Mit n=72 (56,3%) Rückmeldungen ordnet sich der größte Teil der rückmeldenden Personen dem Arbeits- bzw. Tätigkeitsfeld der Pflegedirektion zu. Es gibt Rückmeldungen aus 15 Bundesländern. Die meisten Befragten (n=72; 56,3%) gaben an, für eine/n öffentlich-rechtliche Träger*in tätig zu sein. Beinahe alle Befragten (n=123; 96,1%) sind in einer Organisation tätig, welche als Krankenhaus bzw. Klinik zu bezeichnen ist (Tab. 1).

Tab. 1 : Position der Pflegemanager*innen, Einrichtungsart und Betten

Auswirkungen und Sorgen: Die Annahme, dass sich die Coronapandemie auf das Arbeits- und Tätigkeitsfeld der Pflegemanager*innen auswirkt, bestätigten insgesamt n=125 (97,7%) der befragten Personen für den Zeitraum 01.03.2020-30.06.2020. Eine direkte Auswirkung auf das Arbeits- und Tätigkeitsfeld über den 30.06.2020 hinaus bestätigten nur noch n=120 (93,8%) der Befragten.

Auf die Frage nach den drei wichtigsten Auswirkungen auf das Arbeits- bzw. Tätigkeitsfeld beschrieben die befragten Pflegemanager*innen eine Verlagerung der Tätigkeitschwerpunkte und der Arbeitsinhalte. Im Fokus stand die Schaffung neuer Kapazitäten bzw. eine Reorganisation vorhandener personeller und infrastruktureller Ressourcen in kürzester Zeit für eine sichere Arbeitsumgebung und Gesundheitsversorgung. Damit einhergehend sowie mit den häufigen und umfangreichen Änderungen der gesetzlichen Anforderungen wurde von Notwendigkeit und herausfordernden Anpassungen in der Aufbau- und Ablauforganisation berichtet. Die strukturellen Änderungen machten eine Begleitung des Transformationsprozesses durch Pflegemanager*innen notwendig und führten zu einem gestiegenen Bedarf an Kommunikation auf allen Ebenen, insbesondere der Kommunikation mit und die psychosoziale Betreuung von Mitarbeitenden.

Auch die vermehrten Ausfälle durch Quarantäne, Freistellung oder Krankheit waren den Angaben nach mit einem erhöhten Aufwand in der Personaldisposition verbunden und machten in Teilen eine Akquise von Personal aus anderen Berufszweigen notwendig. Als eine weitere Herausforderung wurde die Notwendigkeit beschrieben, ad hoc Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, teilweise ohne entsprechende Vorerfahrung und bei sich häufig ändernden Rahmenbedingungen. Die Rückmeldungen lassen darauf schließen, dass die Verschiebung der Themenschwerpunkte und die notwendige Mehrarbeit auch unter den Führungskräften zu einer vermehrten Belastung führten, beispielsweise durch die Notwendigkeit einer ständigen Erreichbarkeit, die Ausweitung der Dienstzeiten und die Häufung von Besprechungen.

Es wird deutlich, dass dem Pflegemanagement eine neue Rolle zuteil wurde. Es wurde aktiv in die Steuerungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen und die Perspektive der professionellen Pflege wurde in den interprofessionellen Gremien vertreten. In insgesamt n=116 (90,6%) Fällen wurden Pflegemanager*innen in Corona-bedingte, temporäre Organisationsstrukturen, beispielsweise Krisenstab, Klinikeinsatzleitung oder Task Force, eingebunden. Von den n=116 Mitgliedern, gaben n=101 (86,2%) an, als stimmberechtigtes Mitglied, n=38 (32,7%) als beratendes Mitglied und n=9 (7,7%) als Zuhörende eingebunden zu sein (Mehrfachauswahl möglich).

Auch die primären Sorgen der Pflegemanager*innen wurden erfasst. Alle Befragten (n=128) machten Angaben zur Frage nach den bestehenden Hauptsorgen. Im Fokus standen dabei die psychische und physische Belastung der Mitarbeitenden, eine mögliche Infektion von Mitarbeitenden sowie die Befürchtung, nicht genügend Schutzmaterial zu haben (Tab. 2).

Tab. 2 : Belastungen der Pflegemanager*innen während der Coronapandemie

Personaleinsatz und Gesundheitsschutz: Von einer personellen Aufstockung des Pflegedienstes, aufgrund der Coronapandemie vom 01.03. bis 30.06.2020 berichteten n=56 (43,8%) Befragte. Im Durchschnitt konnten je Einrichtung 19 Pflegefachpersonen und 30 Hilfskräfte zusätzlich akquiriert werden. Im Schnitt wurden je Organisation 19 Intensivbetten zusätzlich geschaffen. Mit 25 Betten wurden im Bereich der Normalstation die durchschnittlich meisten Bettenkapazitäten neu errichtet.

Bei den ergriffenen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden wurde in n=121 (94,5%) Fällen zusätzlich Hygieneschulungen durchgeführt. Zur Reduktion von Kontakten wurden vor allem Maßnahmen wie die Absage bzw. das Verbot von Fortbildungen n=113 (88,3%) und das Besuchsverbot n=112 (87,5%) eingeleitet. Zum Schutz vor psychosozialen Risiken wurde in n=71 (55,5%) Fällen psychosoziale Unterstützungen für Mitarbeitende angeboten, in n=32 (25%) Fällen wurde auf Fallbesprechung/Supervision zurückgegriffen und in lediglich n=18 (14,1%) Fällen wurde Gesundheitscoaching angeboten. Ausreichendes und sicheres Schutzmaterial war in n=73 (57%) Fällen zu jeder Zeit vorhanden, in n=39 (30,5%) Fällen wurde angegeben, dass eine Versorgung nicht zu jedem Zeitpunkt möglich war.

Diskussion und Empfehlungen

Die vorliegende Studie hat sich zum Ziel gesetzt, die Leistungen des Pflegemanagements, die im Rahmen der Coronapandemie erbracht wurden, sichtbar und evident zu machen sowie einen Überblick über die gewonnenen Erfahrungen zu schaffen, um auf deren Basis Handlungsempfehlungen für zukünftige Pandemien abzuleiten. Wie in den Ergebnissen beschrieben, stand zum Befragungszeitraum die Sorge um Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Mitarbeitenden bei den befragten Pflegemanager*innen im Vordergrund. In Anbetracht der ohnehin schon vorherrschenden Arbeitsbelastung und der hinzukommenden Corona-bedingten Verdichtung scheint diese Beschreibung nachvollziehbar. Weitere Studien berichten weiterhin, wie aus den Corona-bedingten Herausforderungen zusätzliche psychische und physische Belastungen für das Pflegepersonal resultieren (Begerow & Gaidys 2020; Fernandez et al. 2020), die wiederum Auswirkungen auf die Gesundheit und Arbeitsleistung von Pflegefachpersonen haben können (Wildgruber et al. 2020). Folgerichtig wurden durch das Pflegemanagement Maßnahmen zur Bewältigung bzw. Beseitigung von möglichen Stressoren eingeleitet und durchgeführt.

Im Vordergrund der eingeleiteten Maßnahmen stand zum einen die Sensibilisierung und Qualifizierung der Mitarbeitenden durch Hygieneschulungen sowie eine Vermeidung von Kontakten durch Absage oder Verbote von Fort- und Weiterbildungen. Maßnahmen, welche auf eine Reduktion der psychischen Arbeitsbelastung bzw. eine Steigerung der Resilienz unter den Mitarbeitenden abzielen, wurden in weitaus weniger Fällen angeboten. Als mögliche Gründe explizieren Pollock und Kollegen in ihrer Übersichtsarbeit einen Mangel an finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcen für eine Intervention. Weiter verweisen sie darauf, dass Organisationen wie auch Mitarbeitende nicht klar definieren konnten, was diese zur Stärkung der Resilienz benötigten. Auch wenn die Evidenz zur Wirksamkeit von Maßnahmen psychosozialer Unterstützung von Pollock und Kollegen noch als unzureichend angesehen wird, können Pflegemanager*innen durch eine effektive Kommunikation, auf formeller und sozialer Ebene, sowie der Gestaltung eines positiven und sicheren Umfelds, zum Gelingen von Interventionen beitragen (Pollock et al. 2020). Darüber hinaus kann eine wohlüberlegte und kanalisierte Information der Mitarbeitenden, zu organisatorischen und strukturellen Themen, zu einer Verringerung des Stressempfindens beitragen (Fernandez et al. 2020). Zudem fassen Pflegefachpersonen eine transparente und klare Kommunikation zu COVID-19 spezifischen Themen als wichtige Voraussetzung einer qualitativen Pflege auf (Halcomb et al. 2020).

Vor dem Hintergrund der dargestellten Ergebnisse ist das Pflegemanagement gefordert, die Balance zwischen reiner Information und Aufmerksamkeit zu wahren sowie durch adäquate Aufbereitung der Informationen Klarheit zu schaffen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Bewältigung der pandemiebedingten Herausforderungen unweigerlich auch zu Auswirkungen auf das Arbeitsfeld und die Tätigkeiten der Pflegemanager*innen geführt hat. Inwieweit sich die daraus ergebende Belastung auf die Gesundheit des oberen Managements auswirkt, gilt es noch zu erforschen.

In mehr als 90% der Fälle haben Pflegemanager*innen als Führungs- und Leitungsorgane in der Pflege eine stimmberechtigte Einbindung in pandemiebedingte Notfallorganisationsstrukturen erfahren. Hier wird deutlich, dass die Profession der Pflege eine wichtige Rolle in der Beherrschung der entsprechenden Herausforderungen einnimmt und als gewichtiger Teil der Gesundheitsversorgung wahrgenommen wird. Das Pflegemanagement übernimmt damit als Bindeglied eine elementare Aufgabe in jeder Form von Gesundheitsorganisation. Ersichtlich wird dies im umgehenden Entscheiden und Handeln der Pflegemanager*innen, mit dem Ziel, die notwendigen Rahmenbedingungen zur Sicherung der Gesundheitsversorgung und Arbeitsumgebung zu schaffen.