1 Problemstellung

Medien-Unternehmen sehen sich bei der Bestimmung optimaler Preise zwei zentralen Herausforderungen gegenüber. Zum einen agieren sie in der Regel als Plattform auf einem zweiseitigen Markt. Da die Nachfrage der beiden Marktseiten interdependent ist, sollte die Plattform ihre Preise für beide Kundengruppen simultan setzen. Zum anderen ist die Nachfrage flexibel, das heißt, Preise beeinflussen nicht nur, ob Kunden kaufen, sondern auch wie viel sie kaufen. Medien-Unternehmen können daher von nichtlinearen Tarifen profitieren. Beide Herausforderungen einzeln sind bereits ausführlich in der Literatur diskutiert worden.

Auf einem zweiseitigen Markt ermöglicht eine Plattform Interaktionen zwischen zwei Kundengruppen, deren Nachfrage interdependent ist (z. B. Rochet und Tirole 2006; Evans und Schmalensee 2007). Die Nachfrage einer Kundengruppe hängt somit nicht nur vom Preis ab, den die Plattform auf der entsprechenden Marktseite setzt, sondern auch von der Anzahl an Kunden auf der anderen Marktseite. Z. B. ist eine Messe eine Plattform für Aussteller und Besucher (siehe Abb. 1). Aussteller finden die Messe attraktiver, wenn mehr Besucher erwartet werden, und Besucher bevorzugen eine Messe mit mehr Ausstellern. Analoge Effekte finden sich bei werbefinanzierten Medien. Z. B. steigt bei einer Zeitung die Nachfrage nach Werbeplatz, wenn die Zeitung mehr Leser hat, und Leser finden die Zeitung mehr oder weniger attraktiv, wenn sie mehr Werbung enthält – je nach Art der Werbung. Allgemein ausgedrückt, haben Käufe auf einer Marktseite einen externen Effekt bzw. einen indirekten Netzwerk-Effekt auf die andere Marktseite (Armstrong 2006; Rysman 2009).

Abb. 1
figure 1

Zweiseitiger Markt (Messe)

Die Preissetzung auf zweiseitigen Märkten ist nicht trivial, da die indirekten Netzwerkeffekte einen „Feedback-Loop“ zwischen den beiden Marktseiten schaffen (Blair und Romano 1993). Z. B. führt bei einer Messe ein Preisanstieg bei den Eintrittskarten zu einem Rückgang der Besucherzahl, was wiederum die Messe weniger attraktiv für Aussteller macht und die Zahl der Stände reduziert, was wiederum zu einem Nachfragerückgang bei Besuchern führt, und so weiter. Die Plattform läuft Gefahr, in einen Teufelskreis zu geraten. Um dies zu vermeiden und ihren Gesamt-Gewinn zu maximieren, sollte die Plattform daher die Preise auf beiden Marktseiten gleichzeitig optimieren.

Die Literatur zu zweiseitigen Märkten hat theoretisch untersucht, wie Plattformen Preise setzen sollten (für einen Überblick siehe Rysman 2009; Zingal und Becker 2013). Weiterhin zeigen empirische Studien für verschiedene Branchen, dass indirekte Netzwerk-Effekte substanziell sein können (z. B. Bucklin et al. 1989; Chen und Xie 2007; Wilbur 2008; Yao und Mela 2008; Voigt und Hinz 2015; Hinz et al. 2020). Entscheidungsunterstützungs-Systeme können Managern helfen bei der Allokation von Budgets auf zweiseitigen Märkten (z. B. Mantrala et al. 2007; Sridhar et al. 2010). Einige Forscher ermitteln auch optimale Preise auf zweiseitigen Märkten (z. B. Yao und Mela 2008; Gupta et al. 2009; Dubé et al. 2010; Liu 2010; Kanuri et al. 2017). Allerdings optimieren sie mit Ausnahme von Pattabhiramaiah et al. (2018) nur den Preis auf einer Marktseite, nicht auf beiden Seiten. Zudem setzen sie sich nicht mit mengenmäßiger Preisdifferenzierung durch nichtlineare Tarife auseinander.

Nichtlineare Tarife sind eine Form der Preisdifferenzierung, bei welcher der Preis pro Einheit von der gekauften Menge abhängt (Wilson 1993; Skiera 1999; Simon und Fassnacht 2019, S. 223 ff.). Varianten sind z. B. zweiteilige Tarife (Grundgebühr + Preis pro Einheit) und Flatrates. Bei Produkten, bei denen Kunden nicht nur entscheiden, ob sie kaufen, sondern auch wie viel, können nichtlineare Tarife den Gewinn steigern. Das Unternehmen nutzt dabei aus, dass der Grenznutzen eines Produktes typischerweise mit zunehmender Menge sinkt (1. Gossen’sches Gesetz). Theoretische Forschung hat die Treiber von optimalen Tarifen untersucht (z. B. Essegaier et al. 2002; Sundararajan 2004). Empirische Forschung hat Methoden zur Messung von Zahlungsbereitschaften entwickelt und getestet (z. B. Völckner 2006; Miller et al. 2011) sowie die Tarifwahl und das Nutzungsverhalten von Konsumenten untersucht (z. B. Iyengar et al. 2007; Lambrecht et al. 2007). Auch Entscheidungsunterstützungs-Systeme sind entwickelt worden (z. B. Skiera 1999; Danaher 2002; Khan und Jain 2005; Schulze et al. 2005; Iyengar et al. 2008; Schlereth et al. 2010). Allerdings optimiert keines davon nichtlineare Tarife gleichzeitig auf beiden Seiten eines zweiseitigen Marktes.

Wir entwickeln daher ein Entscheidungsunterstützungs-System für nichtlineare Tarife in zweiseitigen Märkten. Wir demonstrieren den Wert des Systems, indem wir es einsetzen zur Tarifoptimierung bei einer Messe. Es handelt sich um eine in Deutschland stattfindende B2B-Messe, die eine Plattform bietet für Aussteller und Besucher aus verschiedenen Branchen. Messen sind eine bedeutende Medien-Branche: Weltweit gibt es über 1200 Messegelände mit mehr als 5000 m2 Fläche (UFI 2017), und Schätzungen zufolge hängen an der Messewirtschaft direkt und indirekt über 3 Mio. Arbeitsplätze sowie ein Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt von 167 Mrd. € (UFI 2020). Unser Entscheidungsunterstützungs-System kann einfach angepasst und für andere zweitseitige Märkte eingesetzt werden, z. B. für werbefinanzierte Medien.

Messeveranstalter verkaufen Ausstellungsfläche an Aussteller und Eintrittskarten an Besucher. Aussteller entscheiden, ob sie an der Messe teilnehmen und wie viele Quadratmeter Ausstellungsfläche sie ggf. kaufen. Besucher entscheiden, ob sie die Messe besuchen und ggf. mit wie vielen Mitarbeitern für wie viele Tage. Wir nutzen Befragungen von Ausstellern und Besuchern, um ihre Nachfrage zu erheben als Funktion des Preises auf der jeweiligen Marktseite sowie der Anzahl von Kunden auf der jeweils anderen Marktseite. Mit diesen Daten schätzen wir Zahlungsbereitschafts-Funktionen, auf deren Basis wir optimale Preise auf beiden Marktseiten bestimmen. Dabei vergleichen wir lineare und nichtlineare Tarife.

Wir zeigen, dass die Messegesellschaft ihren Deckungsbeitrag erheblich steigern kann, insbesondere durch die Einführung zweiteiliger Tarife für Aussteller – auf dieser Marktseite erzielt die Plattform den Großteil ihrer Erlöse. Ein optionaler Tarif bringt nur wenig zusätzlichen Deckungsbeitrag, welcher die zusätzliche Komplexität nach Ansicht der Messegesellschaft nicht rechtfertigt. Wir berücksichtigen weiterhin, dass öffentlich-rechtliche Messegesellschaften nicht nur an dem direkten Deckungsbeitrag aus einer Messe interessiert sind, sondern auch an einer hohen Zahl von Teilnehmern. Letztere generieren nämlich indirekte Erlöse für die öffentliche Hand, indem sie Hotels, Restaurants und andere Services am Veranstaltungsort nutzen.

Unsere Forschung führt die Literaturströmungen zu zweiseitigen Märkten und zu nichtlinearen Tarifen zusammen und leistet einen Beitrag zu beiden. Wir entwickeln das erste Entscheidungsunterstützungs-System für nichtlineare Tarife auf zweiseitigen Märkten. Damit erweitern wir bisherige Entscheidungsunterstützungs-Systeme für nichtlineare Tarife, indem wir indirekte Netzwerk-Effekte modellieren. Unser System ist das erste, das optimale nichtlineare Tarife für beide Seiten eines zweiseitigen Marktes bestimmt.

Dieser Aufsatz ist folgendermaßen aufgebaut. In Abschn. 2 stellen wir unser Modell vor. Wir beschreiben, wie die Messegesellschaft ihren Deckungsbeitrag maximiert unter Berücksichtigung der Nachfrage von Ausstellern und Besuchern und wie die Kunden ihre Nachfrage bestimmen, indem sie ihre Konsumentenrente maximieren. In Abschn. 3 beschreiben wir unsere Daten, und in Abschn. 4 nutzen wir sie, um Zahlungsbereitschafts-Funktionen zu schätzen. In Abschn. 5 folgt die Bestimmung optimaler Preise für verschiedene Tarife. Der Aufsatz schließt mit einer Zusammenfassung und Implikationen für Manager und Forscher in Abschn. 6.

2 Modell

Um optimale Preise für die Messe zu bestimmen, müssen wir die Entscheidung der Messegesellschaft modellieren sowie die Entscheidungen ihrer (potenziellen) Kunden. Dabei nehmen wir an, dass die Entscheidungen in der folgenden Reihenfolge getroffen werden. Erst wählt die Messegesellschaft auf beiden Marktseiten eine Tarifform (z. B. linear oder zweiteilig) und legt innerhalb der Tarife die Preise fest. Die Messe als Plattform verfolgt dabei das Ziel, ihren gesamten Deckungsbeitrag (Summe aus beiden Marktseiten) zu maximieren. Sie trifft ihre Entscheidung auf der Basis von Annahmen über die Nachfrage von Ausstellern und Besuchern.

Zweitens entscheiden potenzielle Aussteller-Unternehmen, ob sie an der Messe teilnehmen und falls ja, wie viele Quadratmeter Ausstellungsfläche sie kaufen. Das Ziel dieser Unternehmen ist es, ihre Konsumentenrente zu maximieren.Footnote 1 Sie treffen ihre Entscheidung auf Basis des Preises für Ausstellungsfläche und ihrer Erwartung über die Anzahl von Besuchern der Messe.

Drittens entscheiden potenzielle Besucher-Unternehmen, ob sie die Messe besuchen und falls ja, wie viele Eintrittskarten sie erwerben. Auch hier nehmen wir an, dass die Unternehmen ihre Konsumentenrente maximieren, wenn sie auf Basis der Eintritts-Preise und der Anzahl von Ausstellern entscheiden. Sowohl bei Ausstellern als auch bei Besuchern berücksichtigen wir Heterogenität in der Nachfrage, indem wir Zahlungsbereitschafts-Funktionen auf der Ebene von Segmenten schätzen.

Wir unterstellen, dass der Messeveranstalter und die Aussteller rationale Erwartungen haben. Auf Basis ihrer vergangenen Erfahrungen oder von Marktforschung können sie vorhersagen, wie Kunden auf beiden Seiten des Marktes sich verhalten werden. So können wir für gegebene Tarife und Preise die Anzahl von Kunden im Gleichgewicht bestimmen, ebenso wie ihre Nachfragemengen. Weiterhin betrachten wir den Messeveranstalter als Monopolisten und sehen davon ab, Wettbewerb zu modellieren. Dies ist realistisch, da es sich bei unserem Anwendungsfall um eine Weltleitmesse handelt.

2.1 Optimierungs-Problem der Messegesellschaft

Der Messeveranstalter muss einen Tarif auswählen und innerhalb des Tarifes optimale Preise bestimmen. Wir vergleichen daher in unserer Analyse verschiedene lineare und nichtlineare Tarife mit ihren jeweils optimalen Preisen und resultierenden Deckungsbeiträgen. In diesem Abschnitt beschreiben wir das Optimierungsproblem für einen zweiteiligen Tarif, der aus einer fixen Grundgebühr und einem Preis pro Mengeneinheit (d. h. pro Quadratmeter bzw. Eintrittskarte) besteht. Ein linearer Tarif (nur Preis pro Einheit) und eine Flatrate (nur fixe Grundgebühr) sind Spezialformen des zweiteiligen Tarifs, bei denen jeweils eine Preiskomponente 0 ist. Bei der Optimierung werden wir auch einen optionalen Tarif berücksichtigen, bei dem Kunden die Wahl haben zwischen einem linearen und einem zweiteiligen Tarif. Sowohl zweiteilige als auch optionale Tarife werden häufig in der Praxis eingesetzt und wurden von der Messegesellschaft als relevant erachtet.

Beim zweiteiligen Tarif sucht die Plattform die Grundgebühr (F) und den Preis pro Einheit (P), die ihren Gesamt-Deckungsbeitrag (DB) maximieren:

$$\max _{F^{A},P^{A},F^{B},P^{B}}\mathrm{DB}=\mathrm{DB}^{A}+\mathrm{DB}^{B}$$
(1)

mit:

DB =:

Deckungsbeitrag der Messegesellschaft,

DBA =:

Deckungsbeitrag der Messegesellschaft auf der Aussteller-Seite,

DBB =:

Deckungsbeitrag der Messegesellschaft auf der Besucher-Seite,

FA =:

fixe Grundgebühr für Aussteller,

PA =:

Preis pro Quadratmeter für Aussteller,

FB =:

fixe Grundgebühr für Besucher,

PB =:

Preis pro Eintrittskarte für Besucher.

Der Deckungsbeitrag, den die Messegesellschaft auf den beiden Marktseiten erwirtschaftet, hängt davon ab, welche Kunden-Segmente die Messe besuchen und welche Anzahl an Quadratmetern bzw. Eintrittskarten sie kaufen:

$$\mathrm{DB}^{A}=\sum _{\mathrm{i}}\left(\left[F^{A}+P^{A}\cdot Q_{i}^{A}\left(P^{A},N^{B}\right)\right]\cdot z_{i}\cdot w_{i}\right)$$
(2)
$$\mathrm{DB}^{B}=\sum _{\mathrm{j}}\left(\left[F^{B}+P^{B}\cdot Q_{j}^{B}\left(P^{B},N^{A}\right)\right]\cdot z_{j}\cdot w_{j}\right)$$
(3)

mit:

\(Q_{i}^{A}\)=:

Anzahl an Quadratmetern, die ein Aussteller in Segment i kauft,

\(Q_{j}^{B}\)=:

Anzahl an Eintrittskarten, die ein Besucher in Segment j kauft,

NB =:

Anzahl an Besuchern,

NA =:

Anzahl an Ausstellern,

zi =:

1, wenn Aussteller in Segment i an der Messe teilnehmen, 0 sonst,

zj =:

1, wenn Besucher in Segment j an der Messe teilnehmen, 0 sonst,

wi =:

Anzahl an Ausstellern in Segment i,

wj =:

Anzahl an Besuchern in Segment j.

Die Deckungsbeitrags-Funktion enthält keine variablen Kosten, da diese bei der Messegesellschaft gegen 0 gehen. Das Modell könnte jedoch einfach um variable Kosten erweitert werden, sofern diese in einer anderen Anwendung relevant sind.

2.2 Entscheidungen der Kunden

Aussteller-Unternehmen entscheiden, ob sie an der Messe teilnehmen (zi) und falls ja, wie viele Quadratmeter Ausstellungsfläche sie kaufen (QiA). Besucher-Unternehmen entscheiden, ob sie an der Messe teilnehmen (zj) und falls ja, wie viele Mitarbeiter sie für wie viele Tage entsenden, d. h. wie viele Eintrittskarten sie kaufen (QjB). Wir treffen die Annahme, dass beide Kundengruppen ihre Kaufentscheidung treffen, indem sie ihre Konsumentenrente maximieren, d. h. die Differenz zwischen ihrer Zahlungsbereitschaft und dem Rechnungsbetrag (Oi 1971; Leland und Meyer 1976; Sharkey und Sibley 1993; Schlereth et al. 2010).Footnote 2

Im Folgenden beschreiben wir das Entscheidungs-Problem der Aussteller (siehe Abb. 2). Das Problem der Besucher ist analog. Die Zahlungsbereitschafts-Funktion erfasst, wie viel ein Aussteller maximal für QA Quadratmeter Ausstellungsfläche zu zahlen bereit ist. Sie ist konkav, da der Grenznutzen des Ausstellers mit zusätzlicher Fläche abnimmt. Der Rechnungsbetrag ergibt sich beim zweiteiligen Tarif aus der fixen Grundgebühr (FA) und dem Preis pro Quadratmeter (PA). In dem Beispiel in Abb. 2 maximiert der Aussteller seine Konsumentenrente, wenn er die Menge QA* kauft.

Abb. 2
figure 2

Entscheidungsproblem des Ausstellers

Zahlungsbereitschafts-Funktionen wie in Abb. 2 werden oft für die Bestimmung nichtlinearer Tarife verwendet (z. B. Skiera 1999; Schulze et al. 2005; Schlereth et al. 2010). Wir erweitern die Funktion für zweiseitige Märkte dahingehend, dass die Zahlungsbereitschaft der Kunden nicht nur vom Preis abhängt, sondern auch von der Anzahl an Kunden auf der anderen Marktseite. Dabei gehen wir davon aus, dass die Anzahl an Unternehmen relevant ist, die auf der anderen Marktseite an der Messe teilnehmen. Für Aussteller zählt also in erste Linie, wie viele Besucher-Unternehmen (NB) kommen, und nicht, wie viele Eintrittskarten sie kaufen. Ebenso interessieren sich Besucher primär für die Anzahl an ausstellenden Unternehmen (NA), nicht für die Größe ihrer Stände. In diesem Sinne lautet das Entscheidungs-Problem der Aussteller:

$$\max _{Q_{i}^{A}}\mathrm{CS}_{i}^{A}=\mathrm{ZB}_{i}^{A}\left(Q_{i}^{A},N^{B}\right)-\mathrm{RB}_{i}^{A}\left(Q_{i}^{A}\right)$$
(4)

mit:

\(\mathrm{CS}_{i}^{A}\)=:

Konsumentenrente eines Ausstellers in Segment i,

\(\mathrm{ZB}_{i}^{A}\)=:

Zahlungsbereitschaft eines Ausstellers in Segment i,

\(\mathrm{RB}_{i}^{A}\)=:

Rechnungsbetrag eines Ausstellers in Segment i.

Gibt es keine Menge, bei der die Zahlungsbereitschaft den Rechnungsbetrag übersteigt, ist also die Konsumentenrente immer negativ, so besucht der Aussteller die Messe nicht (z = 0). Dies wird sichergestellt durch die folgenden Nebenbedingungen (Wilson 1993):

$$\mathrm{CS}_{i}^{A}\left[Q_{i}^{A}\left(P^{A},N^{B}\right)\right]+\mathrm{G}\cdot \left(1-z_{i}\right)>0,$$
(5)
$$\mathrm{CS}_{i}^{A}\left[Q_{i}^{A}\left(P^{A},N^{B}\right)\right]-\mathrm{G}\cdot z_{i}\leq 0,$$
(6)

mit:

G =:

große Zahl.

Die Zahl der Besucher ergibt sich als:

$$N^{B}=\sum _{\mathrm{j}}\left(z_{j}\cdot w_{j}\right).$$
(7)

Der Rechnungsbetrag für den zweiteiligen Tarif lautet:

$$\mathrm{RB}_{i}^{A}=F^{A}+P^{A}\cdot Q_{i}^{A}$$
(8)

Wir verwenden semi-logarithmische Zahlungsbereitschafts-Funktionen. Diese Funktionsform ist erfolgreich eingesetzt worden in Studien zu nichtlinearen Tarifen (z. B. Park et al. 1983; Kridel 1988; Kling und van der Ploeg 1990; Taylor und Kridel 1990), und Schulze (2005) findet mit Daten einer Online-Zeitung, dass sie der quadratischen und der modifiziert-exponentiellen Funktion überlegen ist. Wir erweitern die Funktion um die Abhängigkeit der Zahlungsbereitschaft der Aussteller von der Anzahl der Messe-Besucher:

$$\mathrm{ZB}_{i}^{A}=\left\{\begin{array}{c} \frac{Q_{i}^{A}}{b_{i}}\cdot \left(1+\ln \left(a_{i}\right)-\ln \left(Q_{i}^{A}\right)-\frac{1}{c_{i\cdot }\cdot N^{B}}\right)\quad \text{falls}\,Q_{i}^{A}\leq \exp \left(\ln \left(a_{i}\right)-\frac{1}{c_{i\cdot }\cdot N^{B}}\right)\\ \frac{\exp \left(\ln \left(a_{i}\right)-\frac{1}{c_{i\cdot }\cdot N^{B}}\right)}{b_{i}}\qquad \text{falls}\,Q_{i}^{A}>\exp \left(\ln \left(a_{i}\right)-\frac{1}{c_{i\cdot }\cdot N^{B}}\right) \end{array}\right.$$
(9)

Die marginale Zahlungsbereitschaft (= Preisbereitschaft) nimmt mit zunehmender Ausstellungsfläche ab, da jeder zusätzliche Quadratmeter weniger zusätzliche Besucher anlockt. Auch mit zunehmender Besucherzahl nimmt die marginale Zahlungsbereitschaft ab, da die zusätzlichen Besucher weniger wertvoll sind für die Aussteller. Die Zahlungsbereitschaft erreicht ein Sättigungsniveau bei \(\exp \left(\ln \left(a_{i}\right)-\frac{1}{c_{i\cdot }\cdot N^{B}}\right)\), und bleibt bei noch größerer Fläche konstant.Footnote 3

Wir schätzen die Zahlungsbereitschafts-Funktionen nicht direkt. Vielmehr schätzen wir Nachfrage-Funktionen, die sich aus einer Transformation der Zahlungsbereitschafts-Funktionen ergeben und dieselben Parameter enthalten (Oren et al. 1983; Srinagesh 1985; Mitchell und Vogelsang 1991; Skiera 1999; Schlereth et al. 2010). Aus unserer semi-logarithmischen Zahlungsbereitschafts-Funktion folgt eine exponentielle Nachfrage-Funktion:

$$Q_{i}^{A}=a_{i}\cdot \exp \left(-b_{i}\cdot P^{A}-\frac{1}{c_{i\cdot }\cdot N^{B}}\right).$$
(10)

Darin erfasst der Parameter bi den Effekt des Preises auf die Nachfrage und ci die indirekten Netzwerk-Effekte. Schließlich gewährleistet eine Nebenbedingung, dass Aussteller mindestens 6 m2 Fläche kaufen:

$$Q_{i}^{A}\geq 6.$$
(11)

In unserem Modell ist die Zahlungsbereitschaft unabhängig vom Tarif, den die Messegesellschaft anbietet. Bei der Datenerhebung erfragen wir die Nachfrage bei einem linearen Tarif und bestimmen damit die Parameter der Zahlungsbereitschafts-Funktion. Wir gehen somit davon aus, dass Messe-Kunden keinen Tarifform-Bias wie z. B. einen Flatrate-Bias (z. B. Kridel et al. 1993; Nunes 2000; Della Vigna und Malmendier 2004) haben. Dies scheint gerechtfertigt, da es sich bei den Kunden um Unternehmen handelt und nicht um Konsumenten, und da das gekaufte Produkt nicht über einen längeren Zeitraum genutzt wird, sodass die typischen Ursachen eines Flatrate-Bias wie z. B. der Taxameter-Effekt (Schulze 2005; Lambrecht und Skiera 2006) nicht relevant sind.

Wir modellieren die Zahlungsbereitschaft auf der Ebene von Segmenten mit Hilfe eines Finite Mixture-Modells (Kamakura und Russell 1989; Wedel und Kamakura 2003).

3 Daten

Wir kalibrieren unser Modell für eine B2B-Messe, die eine deutsche öffentlich-rechtliche Messegesellschaft alle zwei Jahre veranstaltet. Die Messe bietet eine Plattform für mehrere verwandte Branchen und zieht Aussteller und Besucher aus aller Welt an. Im Jahr 2006 hatte sie 2331 Aussteller und verkaufte 48.170 Eintrittskarten an Besucher. Wir haben unsere Befragungen im Jahr 2007 durchgeführt, um die Nachfrage für die nächste Messe im Jahr 2008 zu ermitteln. Bis 2006 hat die Messe auf beiden Marktseiten lineare Tarife verwendet.

Wir haben Nachfragemengen als Funktion des Preises und der Kundenzahl auf der anderen Marktseite direkt abgefragt. Marktdaten weisen nicht ausreichend Varianz auf, und indirekte Befragungen, z. B. mit einer Conjoint-Analyse, wären aufgrund der Komplexität der Fragestellung (nichtlineare Tarife und zweiseitige Märkte) schwierig. Zudem zeigen Schmidt und Bijmolt (2020) in ihrer Meta-Analyse, dass der „Hypothetical Bias“ bei direkten Methoden zur Messung von Zahlungsbereitschaften kleiner ist als bei indirekten. Wie in Abschn. 2.2 bereits erläutert, schätzen wir nicht direkt die Zahlungsbereitschafts-Funktionen, sondern Nachfrage-Funktionen (siehe Gl. 10 für die Aussteller).

Wir erheben unsere Daten mit Online-Befragungen von Aussteller- und Besucher-Unternehmen. Die Aussteller fragen wir, wie viele Quadratmeter sie kaufen würden in Abhängigkeit von Quadratmeter-Preis und Besucher-Anzahl. Z. B. fragen wir für 50.000 Besucher wie folgt:

Wie viele qm Standfläche würde Ihr Unternehmen bei folgenden Standflächenpreisen (netto) und der aktuellen Anzahl von 50.000 Besuchern wohl wählen?

70 €/qm und 50.000 Besucher: _______ qm

120 €/qm und 50.000 Besucher: _______ qm

200 €/qm und 50.000 Besucher: _______ qm

300 €/qm und 50.000 Besucher: _______ qm

450 €/qm und 50.000 Besucher: _______ qm

50.000 entspricht ungefähr der Anzahl verkaufter Eintrittskarten in 2006. Wir wiederholen die Abfrage mit 25.000 und mit 75.000 Besuchern (±50 %).Footnote 4 120 €/qm ist der Preis aus 2006. Expertenschätzungen und ein Pretest deuteten darauf hin, dass einige Aussteller eine deutlich höhere Zahlungsbereitschaft haben, sodass wir in der Befragung Preise bis zu 450 € verwenden. Durch die Kombination von fünf Preis-Leveln mit drei Besucheranzahlen erhalten wir 15 Datenpunkte pro Aussteller.

Analog fragen wir Besucher nach der Anzahl gekaufter Eintrittskarten für Preise von 10, 22, 40, 60 und 100 €/Eintrittskarte und Ausstellerzahlen von 1250, 2500 und 3750. Der Preis von 22 €/Eintrittskarte und die Zahl von 2500 Ausstellern entsprechen wiederum (ungefähr) den Werten aus 2006.

Die Fragebögen enthalten weiterhin jeweils eine Holdout-Frage, mit deren Hilfe wir die optimale Anzahl von Segmenten in den Finite Mixture-Modellen bestimmen. Für Aussteller lautet die entsprechende Frage:

Stellen Sie sich nun bitte vor, der Messeveranstalter bietet Ihnen für die Messerveranstaltung xy im Jahr 2008 die folgenden Tarife für die Standflächenpreise an. Welchen dieser Tarife würden Sie bevorzugen?

___ Preis von 150 €/qm

___ Grundgebühr von 1000 € und 100 €/qm

___ Grundgebühr von 2000 € und 90 €/qm

Analog sollten Besucher wählen zwischen (a) einem Preis von 22 €/Eintrittskarte, (b) einer Grundgebühr von 25 € für das Unternehmen und einem Preis von 15 €/Eintrittskarte und (c) einem Pauschaltarif von 170 € für das Unternehmen.

Die Befragungen wurden im Mai und Juni 2007 durchgeführt. Die Messegesellschaft hat 1652 Aussteller und 3014 Besucher der Messe in 2006 zur Teilnahme eingeladen. 106 Aussteller und 164 Besucher haben die Fragebögen vollständig ausgefüllt (Antwortquoten von 6,4 bzw. 5,4 %). Die Aussteller-Unternehmen stammen zu 42 % aus Deutschland und zu 32 % aus dem Rest von Europa. Die Besucher-Unternehmen stammen zu 45 % aus Deutschland und zu 34 % aus dem Rest von Europa. Wir finden keine Hinweise auf Non-Response-Bias, wenn wir frühe mit späten Antworten vergleichen (Armstrong und Overton 1977): Bei einem Median-Split zeigen sich keine signifikanten Unterschiede (p > 0,10) in Bezug auf Umsatz, Mitarbeiterzahl und gekaufte Mengen in 2006 (Ausstellungsfläche bzw. Eintrittskarten). Ein Vergleich der Aussteller im Sample mit allen Ausstellern aus 2006 zeigt allerdings, dass Aussteller mit großen Standflächen leicht überrepräsentiert sind. Wir berücksichtigen dies bei der Optimierung, indem wir die Segmentgrößen entsprechend anpassen.Footnote 5

4 Zahlungsbereitschafts-Funktionen

Von den Probanden gaben 5 Aussteller und 14 Besucher eine konstante Nachfrage für alle Konstellationen von Preis und Kundenzahl auf der anderen Marktseite an. Sie gehen daher nicht in die Schätzung der Nachfrage-Funktionen ein. Abb. 3 zeigt deskriptive Befunde für die maximalen akzeptierten Preise (Nachfrage >0) der verbleibenden 101 Aussteller und 150 Besucher.

Abb. 3
figure 3

Maximale Zahlungsbereitschaft. Die Werte geben wieder, wie viel % der Kunden zu diesem Preis noch an der Messe teilnehmen würden

Gegeben die Situation aus 2006 (Preis von 120 € pro Quadratmeter und 50.000 Besucher), würden 8 % der Aussteller im Jahr 2008 nicht wieder an der Messe teilnehmen. Dies entspricht der üblichen Fluktuation. Positiv fällt auf, dass 40 % der Aussteller selbst für 450 €/qm noch Fläche kaufen würden – dies wäre immerhin fast eine Vervierfachung des Preises. Auch wenn die Aussteller bei höheren Preisen weniger Fläche kaufen würden, deutet sich hier doch schon ein Potenzial für Preiserhöhungen an. Ähnlich sieht es auf dem Besucher-Markt aus: Mit 2500 Ausstellern (ungefähr Stand 2006) würden 31 % der befragten Unternehmen noch Mitarbeiter entsenden, wenn der Preis pro Eintrittskarte von 22 auf 100 € stiege. Schließlich zeigt Abb. 3, dass die Nachfrage, wie erwartet, mit steigender Kundezahl auf der anderen Marktseite zunimmt.

Wir schätzen die Nachfrage-Funktionen (siehe Gl. 10 für die Aussteller) mit 15 Datenpunkten pro Proband, d. h. mit 1515 Beobachtungen bei den Ausstellern und 2250 bei den Besuchern, sowie mit Maximum Likelihood (Modul MAXLIK mit BFGS-Algorithmus in GAUSS).

Wir schätzen die Funktionen jeweils für unterschiedliche Segmentzahlen und wählen dann jeweils diejenige aus, bei der unser Modell die Antworten auf eine Holdout-Frage am besten vorhersagt. Wir verwenden zur Bestimmung der Segmentzahl die Prognosegüte und kein Fit-Kriterium (z. B. BIC oder AIC, siehe z. B. Andrews und Currim 2003), um ein Overfitting zu vermeiden. In den Holdout-Fragen haben die Probanden einen von drei Tarifen ausgewählt (siehe Abschn. 3). Zur Bestimmung der Hit Rates (Anteil richtig prognostizierter Antworten) berechnen wir für jeden Probanden individuelle Parameter (Kamakura und Russell 1989; Wedel und Kamakura 2003)Footnote 6, bestimmen auf dieser Grundlage, bei welchem der drei Tarife der Proband die größte Konsumentenrente hätte, und gehen davon aus, dass der Kunde diesen Tarif wählt. Die Prognose ist bei den Ausstellern am besten mit 6 Segmenten und bei den Besuchern mit 4 Segmenten (Hit Rate jeweils 64 %). Tab. 1 und Abb. 4 zeigen die Schätzergebnisse und die entsprechenden Zahlungsbereitschafts-Funktionen für Aussteller und Besucher.

Tab. 1 Schätzergebnisse
Abb. 4
figure 4

Zahlungsbereitschafts-Funktionen

Alle Parameter sind signifikant (p < 0,01). Da sie schwer zu interpretieren sind, berechnen wir Elastizitäten. Für Aussteller ergeben sich die Elastizitäten der Nachfrage in Bezug auf den Preis und die Besucherzahl aus folgenden Formeln:

$$\varepsilon _{i}^{P^{A}}=\frac{\partial Q_{i}^{A}\left(P^{A},N^{B}\right)}{\partial P^{A}}\cdot \frac{P^{A}}{Q_{i}^{A}\left(P^{A},N^{B}\right)}=-b_{i}\cdot P^{A},$$
(12)
$$\varepsilon _{i}^{N^{B}}=\frac{\partial Q_{i}^{A}\left(P^{A},N^{B}\right)}{\partial N^{B}}\cdot \frac{N^{B}}{Q_{i}^{A}\left(P^{A},N^{B}\right)}=\frac{1}{c_{i}\cdot N^{B}}.$$
(13)

Für Besucher erfolgt die Berechnung analog. Die Gln. 12 und 13 zeigen Brutto-Elastizitäten, d. h. die prozentuale Veränderung der Nachfrage, wenn der Preis bzw. die Anzahl der Kunden auf der anderen Marktseite um 1 % steigt. Sie erfassen nicht die Nachfrage-Spirale durch indirekte Netzwerk-Effekte. Wir zeigen die entsprechenden Werte in Tab. 2 für die Zahl von Kunden auf der anderen Marktseite von 2006.

Tab. 2 Preis-Elastizitäten und indirekte Netzwerk-Effekte

Die Preiselastizitäten sind auf beiden Marktseiten klein. Dies ist plausibel, da es sich bei der Messe um einen Monopolisten handelt und zudem die Preise nur einen kleinen Teil der Kosten der Kunden bestimmen. So macht z. B. die Standmiete nur ca. 20 % der Messe-Kosten für Aussteller aus (Penzkofer 2004), während der Rest durch Reise‑, Standbau- und weitere Kosten entsteht.

Bei den Ausstellern finden wir ein kleines Segment (6 %), das seine maximale Zahlungsbereitschaft bei 1044 m2 erreicht und bis zu 357.440 € zu zahlen bereit ist (bei 10.500 Besucher-Unternehmen, was 50.000 Eintrittskarten entspricht). Dies ist plausibel – einige Aussteller kaufen tatsächlich so große Flächen. Die anderen fünf Segmente sind größer und haben eine geringere Zahlungsbereitschaft. Wie Abb. 4a zeigt, steigt die Zahlungsbereitschaft der Aussteller mit einer größeren Zahl von Besuchern.

Auch bei den Besuchern finden wir ein kleines Segment (8 %) mit einer hohen Zahlungsbereitschaft. Es erreicht sein Sättigungsniveau bei 25 Eintrittskarten und einer maximalen Zahlungsbereitschaft von 1713 €. Die anderen drei Segmente haben niedrigere Zahlungsbereitschaften, was ebenfalls plausibel ist.

Die indirekten Netzwerk-Effekte sind stark. Dabei ist es für Aussteller noch wichtiger, dass viele Besucher zur Messe kommen, als umgekehrt. Dies spricht dafür, die Preise für Besucher relativ niedrig anzusetzen, damit viele Besucher kommen, was wiederum relativ hohe Preise auf der Aussteller-Seite ermöglicht (z. B. Blair und Romano 1993; Rochet und Tirole 2003; Armstrong 2006). Genauer wird dies die Optimierung im nächsten Abschnitt zeigen.

Wie in Abschn. 3 erwähnt, sind große Aussteller in unserem Sample überrepräsentiert, sodass wir die Segmentgrößen auf dieser Marktseite adjustieren auf Basis der Verteilung von Standgrößen im Jahr 2006.Footnote 7 Die drei Segmente mit den größeren Ausstellern werden dadurch etwas kleiner (siehe letzte Spalte von Tab. 1a).

5 Optimierung

Für die Optimierung gehen wir davon aus, dass das Marktpotenzial durch die Kundenzahl in 2006 gegeben ist, d. h. 2331 Aussteller- und 10.500 Besucher-Unternehmen, und berechnen die Zahl der Kunden in den Segmenten entsprechend. Um das Optimierungs-Problem aus Abschn. 2 zu lösen, nutzen wir den BARON-Solver (Branch-And-Reduce Optimization Navigator) aus GAMS (General Algebraic Modeling System)Footnote 8 und behandeln die Nachfrage-Mengen \(Q_{i}^{A}\) und \(Q_{i}^{B}\) als kontinuierliche Variablen.

Wir bestimmen die optimalen Preise für verschiedene Tarife. Dabei beginnen wir mit einem einfachen linearen Tarif, wie ihn die Messe bis 2006 eingesetzt hat, und zeigen, welche Steigerung des Deckungsbeitrags möglich ist durch bessere Preise innerhalb des Tarifs. Anschließend führen wir nichtlineare Tarife ein in Form von zweiteiligen und optionalen Tarifen. Schließlich berücksichtigen wir indirekte Erlöse aus Messen, welche für öffentlich-rechtliche Messegesellschaften von Bedeutung sind. Tab. 3 gibt einen Überblick über die verschiedenen Optimierungs-Ergebnisse. Tab. 4 zeigt die entsprechenden Nachfrage-Mengen.

Tab. 3 Optimale Preise
Tab. 4 Nachfrage-Mengen

5.1 Aktuelle Preise

Die erste Zeile in Tab. 3 zeigt die aktuelle Situation der Messe mit linearen Tarifen auf beiden Marktseiten und den Preisen aus 2006, d. h. 120 € pro Quadratmeter für Aussteller und 22 € pro Eintrittskarte für Besucher. Der entsprechende Deckungsbeitrag ist 18,87 Mio. € auf dem Austeller-Markt und 1,02 Mio. € auf dem Besucher-Markt, d. h. 19,89 Mio. € insgesamt. Passend zu den asymmetrischen indirekten Netzwerk-Effekten (siehe Abschn. 4) erzielt die Messe den Großteil ihres Deckungsbeitrags bei den Ausstellern. Unser Modell prognostiziert 46.333 verkaufte Eintrittskarten (siehe Tab. 4). Die Abweichung von der Zahl der tatsächlich in 2006 verkauften Karten beträgt nur 3,8 %, was für eine hohe Inhaltsvalidität spricht.

5.2 Optimale Preise für lineare und nichtlineare Tarife

Die zweite Zeile in Tab. 3 zeigt unser Ergebnis für den Fall, dass die Messe an linearen Tarifen auf beiden Marktseiten festhält, aber die Preise innerhalb der Tarife optimiert. Wie nach den deskriptiven Befunden schon zu erwarten war (siehe Abb. 3), sollte die Messe höhere Preise setzen. Mit Preissteigerungen von 38 % auf der Aussteller-Seite und um 22 % auf der Besucher-Seite könnte der Deckungsbeitrag insgesamt um 5 % erhöht werden.

Noch stärker könnte die Messe profitieren, wenn sie auf einer oder beiden Marktseiten zweiteilige Tarife einführt (Zeilen 3–5 in Tab. 3). Dabei ist der Effekt noch relativ gering, wenn nichtlineare Tarife nur für Besucher genutzt werden (Deckungsbeitrags-Steigerung um 6 %), da nur ein geringer Teil des Gesamt-Deckungsbeitrags auf dieser Marktseite realisiert wird. Werden dagegen zweiteilige Tarife auf beiden Marktseiten eingesetzt (Zeile 5 in Tab. 3), lässt unser Modell einen um 49 % höheren Deckungsbeitrag erwarten als in der aktuellen Situation. Die entsprechende Empfehlung lautet, von Ausstellern eine Grundgebühr von 18.307 € und einen Preis pro Quadratmeter von 85,73 € zu verlangen sowie von Besuchern eine Grundgebühr von 21,89 € und einen Preis pro Eintrittskarte von 17,69 €. Die Grundgebühr schiebt den Rechnungsbetrag in Abb. 2 nach oben, sodass noch mehr Konsumentenrente von teilnehmenden Kunden abgeschöpft wird. Allerdings können einige Aussteller bei der hohen Grundgebühr keine positive Konsumentenrente erzielen, sodass zwei Segmente nicht mehr an der Messe teilnehmen, und bei den Besuchern sinkt die Zahl der verkauften Eintrittskarten gegenüber dem Status Quo um 20 % (siehe Tab. 4).

Schließlich kann der Deckungsbeitrag noch weiter gesteigert werden durch den Einsatz von optionalen Tarifen (Coyte und Lindsey 1988; Wilson 1993). Wir untersuchen, wie stark dieser Effekt ist für den Fall, dass Aussteller und Besucher jeweils zwischen einem linearen und einem zweiteiligen Tarif wählen können. In diesem Szenario entscheiden sich Kunden mit geringer Nachfrage für den linearen Tarif und Kunden mit hoher Nachfrage für den zweiteiligen Tarif,Footnote 9 sodass die Plattform insgesamt noch mehr Konsumentenrente abschöpfen kann und ihren Deckungsbeitrag gegenüber der Ausgangssituation um 53 % steigert. Im Vergleich zum Fall mit zwei zweiteiligen Tarifen sind dies jedoch nur 4 Prozentpunkte mehr, sodass sich der Mehraufwand durch die gestiegene Komplexität nach Einschätzung der Messegesellschaft nicht lohnt. Optionale Tarife wären aufwändiger in der Administration und auch schwieriger in der Kommunikation gegenüber Kunden (Simon und Fassnacht 2019, S. 237 f.).

An dieser Stelle sei noch einmal betont, wie wichtig es ist, dass die Plattform Preise auf beiden Marktseiten gleichzeitig optimiert. Angenommen, die Messegesellschaft würde beim Einsatz von zweiteiligen Tarifen die indirekten Netzwerk-Effekte ignorieren. So könnte sie davon ausgehen, dass sich die Zahl der Aussteller von 2006 auf 2008 nicht ändert, und die Preise auf dem Besucher-Markt isoliert optimieren. Sie käme dann auf eine Grundgebühr von 313,41 € und einen Preis pro Eintrittskarte von 15,76 € (im Gegensatz zu 21,89 € und 17,69 €/Karte bei simultaner Optimierung, siehe Tab. 3). Der Deckungsbeitrag wäre 1,72 Mio. € (im Gegensatz zu 0,89 Mio. € bei simultaner Optimierung). Allerdings würde die Anzahl der Aussteller nicht konstant bleiben. Tatsächlich wäre die Grundgebühr für Besucher so hoch, dass nur noch zwei von vier Besucher-Segmenten an der Messe teilnehmen. Dies würde die Messe weniger attraktiv machen für Aussteller, sodass nur noch zwei von sechs Aussteller-Segmenten teilnehmen. Mit nur noch zwei Aussteller-Segmenten wären die Besucher-Preise so hoch, dass gar keine Kunden mehr kommen. Auf dem Zeitungsmarkt ist dieser Teufelskreis bekannt als „Auflagen-Spirale“ (Bucklin et al. 1989; Abbring und van Ours 1994). Unsere Anwendung zeigt, dass er auch auf anderen zweiseitigen Märkten auftreten kann. Plattformen sollten indirekte Netzwerk-Effekte daher unbedingt bei der Optimierung berücksichtigen.

5.3 Optimale Preise bei Berücksichtigung indirekter Erlöse

Schließlich berücksichtigen wir eine weitere Herausforderung unseres Anwendungsfalls. Bislang haben wir nur den Deckungsbeitrag betrachtet, der direkt aus der Messe erwirtschaftet wird. Bundesland und Kommune als Eigentümer der untersuchten öffentlich-rechtlichen Messegesellschaft sind darüber hinaus aber auch an indirekten Erlösen interessiert. Letztere entstehen dadurch, dass Messe-Kunden vor Ort Geld ausgeben, z. B. für Hotels und Restaurants, und so die lokale Wirtschaft fördern, was zu höheren Steuereinnahmen führt. Man spricht bei Messen in diesem Zusammenhang von einer sogenannten „Umwegrendite“. Ähnlich profitieren die Eigentümer des World Trade Centre in Dubai, wenn viele Messe-Kunden mit Emirates Airlines anreisen. Und auch andere zweiseitige Märkte können indirekte Erlöse erzielen. Z. B. möchte eine Zeitung mehr Leser gewinnen nicht nur, um höhere Werbeerlöse zu erzielen, sondern auch um mehr Merchandising-Artikel zu verkaufen oder besser Daten über die Leser zu vermarkten.

Bei der von uns betrachteten Messe führen zweiteilige Tarife mit Deckungsbeitrags-maximalen Preisen (siehe Zeile 5 in Tab. 3) zu einer niedrigen Kundenzahl. Insbesondere würde die Messe im Vergleich zum Status Quo 61 % ihrer Aussteller verlieren, da die hohe Grundgebühr prohibitiv ist für zwei Segmente (siehe Tab. 4). Für die Messegesellschaft wäre dies nicht akzeptabel, da die Eigentümer indirekte Erlöse verlieren würden.

Wir haben daher eine weitere Optimierung durchgeführt mit der zusätzlichen Nebenbedingung, dass alle Kunden an der Messe teilnehmen (z = 1 für alle Segmente). Die Ergebnisse zeigen, dass der Deckungsbeitrag in diesem Fall immer noch 24 % höher ist als in der Ausgangs-Situation (Tab. 3, letzte Zeile). Die geringere Grundgebühr für Aussteller (1819 € im Vergleich zu 18.307 € ohne die Nebenbedingung, siehe Tab. 3) ermöglicht nun allen Aussteller-Unternehmen die Teilnahme (siehe Tab. 4). Die größere Zahl an Ausstellern macht die Messe wiederum attraktiver für Besucher, sodass die Messegesellschaft auf dieser Marktseite einen etwas höheren Preis pro Eintrittskarte verlangen kann (26,81 € statt 17,69 €). Pro Aussteller beträgt der Verlust gegenüber optimalen zweiteiligen Tarifen ohne Nebenbedingung 3533 €. Es ist nicht unrealistisch, dass dies durch höhere indirekte Erlöse wieder ausgeglichen wird. Penzkofer (2004) schätzt die Umwegrendite pro Aussteller für Messen in Deutschland auf 1100–4600 €.

6 Zusammenfassung und Implikationen

Wir haben ein Entscheidungsunterstützungs-System entwickelt für nichtlineare Tarife auf zweiseitigen Märkten. Unser Modell erweitert Zahlungsbereitschafts-Funktionen um indirekte Netzwerk-Effekte. Wir zeigen, wie die Funktionen mit Befragungs-Daten geschätzt werden können, und setzen unser System ein, um optimale Preise für eine Messe zu bestimmen. Unsere Analyse bildet den Status Quo der Messe gut ab, und die Empfehlungen sind plausibel, was für eine hohe Inhaltsvalidität spricht.

Unsere Optimierung zeigt, dass die Messe ihren Deckungsbeitrag um 5 % steigern kann durch Preiserhöhungen innerhalb von linearen Tarifen. Der Deckungsbeitrag kann sogar um 49 % gesteigert werden durch den Einsatz zweiteiliger Tarife auf beiden Marktseiten. Der zusätzliche Deckungsbeitrag durch einen optionalen Tarif ist gering und rechtfertigt nach Ansicht der Messegesellschaft nicht die zusätzliche Komplexität. Will der Messeveranstalter sicherstellen, dass alle potenziellen Kunden-Segmente an der Messe teilnehmen, sodass hohe indirekte Erlöse erzielt werden, kann der Deckungsbeitrag mit zweiteiligen Tarifen um 24 % gesteigert werden. Die von uns errechneten möglichen Deckungsbeitrags-Steigerungen sind natürlich mit Vorsicht zu bewerten. Wir können nicht ausschließen, dass die Probanden in der Befragung aufgrund eines Hypothetical Bias zu hohe Zahlungsbereitschaften angegeben haben. Auch mag die Annahme kontinuierlicher Nachfragefunktionen zu stark vereinfacht sein, wenn z. B. Aussteller mit festen Standgrößen arbeiten oder eine Erweiterung der Standfläche eher in Standard-Blöcken erfolgt. Andererseits könnte das Marktpotenzial aber auch größer sein als die von uns unterstellte Nachfrage aus 2006, sodass unsere Kalkulation möglicherweise zu konservativ ist.

Auch unter Berücksichtigung dieser Unsicherheiten bleibt jedoch insgesamt festzuhalten, dass nichtlineare Tarife den Deckungsbeitrag erheblich steigern können. Wir zeigen, dass dies nicht nur für einseitige, sondern auch für zweiseitige Märkte gilt. Weiterhin unterstreicht unsere Analyse, wie wichtig die Berücksichtigung von indirekten Netzwerk-Effekten ist. Sollte die Messegesellschaft diese Effekte ignorieren, würde sie in einen Teufelskreis geraten und riskieren, alle Kunden zu verlieren. Bei Berücksichtigung von indirekten Netzwerk-Effekten zeigt sich dagegen, dass die Messe niedrige Preise für Eintrittskarten setzen sollte, um viele Besucher auf die Messe zu ziehen. Eine hohe Besucherzahl ist entscheidend für die Gewinnung von Ausstellern. Im Gleichgewicht kann die Messe relativ hohe Preise von Ausstellern verlangen und generiert den Großteil ihres Deckungsbeitrags auf dieser Marktseite.

Natürlich können optimale Tarife und Preise über Branchen und über Länder variieren, sodass jede Plattform die Optimierung speziell für ihre Situation durchführen muss. Unser Entscheidungsunterstützungs-System stellt hierfür eine Methode bereit.

Unser System hat etliche Limitationen, die Anregungen für zukünftige Forschung geben können. Erstens berücksichtigen wir nur positive Zahlungsbereitschaften und dementsprechend auch nur positive Preise. Allerdings kann es in zweiseitigen Märkten sinnvoll sein, einer Marktseite negative Preise anzubieten (Ferrara et al. 2017). Z. B. zahlen einige Job-Messen sehr guten Uni-Absolventen die Reisekosten (d. h. der Preis für die Studierenden ist negativ), da die Teilnahme dieser Besucher die Messe sehr viel attraktiver macht für Aussteller. Die Verwendung von Funktionen, welche auch negative Zahlungsbereitschaften zulassen, könnte daher interessante Erkenntnisse darüber liefern, unter welchen Bedingungen negative Preise optimal für eine Plattform sind.

Zweitens müsste man bei dieser Analyse eine weitere Erweiterung unseres Modells vornehmen. Eine Plattform würde sicher nur ausgewählten Kunden auf einer Marktseite negative Preise anbieten. Generell interessieren sich Kunden auf einer Marktseite nicht nur für die Anzahl der Kunden auf der anderen Marktseite, sondern auch für deren Qualität (Binken und Stremersch 2009). Die Plattform könnte also Preisdifferenzierung nicht nur in Form von nichtlinearen Tarifen einsetzen, sondern auch über Kundensegmente differenzieren.

Drittens könnte man unser Modell so erweitern, dass es nicht nur indirekte Netzwerk-Effekte enthält, sondern auch direkte Netzwerkeffekte innerhalb einer Marktseite (Gupta et al. 2009; Hinz et al. 2020). Solche direkten Netzwerk-Effekte könnten positiv sein, z. B. weil Aussteller durch Word-of-Mouth weitere Aussteller anziehen. Oder sie könnten negativ sein, z. B. wenn zu viele Besucher zu einem Gedränge auf der Messe führen.

Viertens können Crowding-Effekte wiederum indirekte Netzwerk-Effekte beeinflussen. Wenn sehr viele Aussteller auf einer Messe vertreten sind, haben Besucher möglicherweise Schwierigkeiten, die relevanten Aussteller zu finden, sodass die Messe für die Besucher weniger interessant wird. Dieses Phänomen wird von unserer Zahlungsbereitschafts-Funktion nicht abgebildet. Vielmehr erreicht die Zahlungsbereitschaft in der semi-logarithmischen Funktion ein Sättigungsniveau und bleibt anschließend konstant. Weitere Forschung könnte daher untersuchen, wann ein Crowding auftritt, und Funktionen verwenden, bei denen die Zahlungsbereitschaft bei steigender Kundenzahl auf der anderen Marktseite auch wieder sinken kann.

Fünftens beobachten wir auf einigen Plattformen Zahlungen von einer Marktseite an die andere. Z. B. senden einige Aussteller wichtigen Kunden Freikarten für eine Messe. Es wäre interessant, den Effekt dieser Praktik auf optimale Preise zu untersuchen. Eine entsprechende Analyse müsste sowohl den Kosten-Effekt (freier Eintritt für Besucher) als auch den Kommunikations-Effekt (Aufmerksamkeit für die Messe) der Maßnahme berücksichtigen. Weiterhin könnte man modellieren, dass bei manchen Messen Kunden gleichzeitig Aussteller und Besucher sein können.

Sechstens gehen wir, wie erwähnt, davon aus, dass der Flatrate-Bias für unsere Anwendung keine Rolle spielt. In anderen Medien-Branchen wie z. B. Zeitungen kann er dagegen bedeutend sein (Schulze 2005), und es wäre daher interessant, seinen Effekt auf optimale Preise auf zweiseitigen Märkten zu untersuchen.