Zusammenfassung
Die öffentliche Kritik, die 2010 der Senkung des Umsatzsteuer-Tarifs für Hotelübernachtungen von 19 % auf 7 % folgte, ging von der Annahme aus, dass die Hotelbranche die Tarifsenkung nicht an die Konsumenten weitergegeben hat. Unsere 3131 deutsche Hotelbetriebe umfassende empirische Untersuchung der Tarifsenkung von 2010 mittels eines Difference-in-Difference-Ansatzes weist nach, dass die Tarifsenkung entgegen ihrer ursprünglichen politischen Begründung lediglich in geringem Umfang für Preissenkungen genutzt wurde.
Abstract
The 2010 tax cut on hotel services ex ante caused an outcry of public opinion. Using a unique sample of ex post price changes in 3131 German hotels during the 2009–2010 period we provide evidence that tax cuts were not fully passed on to consumers. Somewhat surprisingly, public opinion was right.
Notes
Vgl. §§ 32d und 43 Abs. 5 S. 1 EStG.
Vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG.
Grundlage hierfür ist Artikel 98 Abs. 2 i. V. m. Anlage III Nr. 12 MwStSystRL. Vgl. auch BT-Drs. 17/147, S. 6.
Vgl. Due (1953, S. 259).
Vgl. Wagner und Dirrigl (1980, S. 26).
Vgl. Wagner und Dirrigl (1980, S. 26).
So bereits allgemein für reduzierte USt-Tarife in Deutschland Boeters et al. (2010).
Vgl. hierzu den 22. Subventionsbericht der Bundesregierung, der die Umsatzsteuerermäßigung auf Beherbergungsleistungen bei den 20 größten Steuervergünstigungen nennt.
Vgl. Homburg (2015, S. 101).
Vgl. Homburg (2015, S. 102).
Vgl. zu den Inzidenzaussagen spezifischer Verbrauchsteuern Homburg (2015, S. 105 ff.).
Vgl. Hansmeyer (1980, S. 714).
Vgl. Haucap (2012, S. 269).
Vgl. U.S. Department of Justice and the Federal Trade Commission (2010, S. 18).
Vgl. U.S. Department of Justice and the Federal Trade Commission (2010, S. 19).
Die Landkreise der Bundesländer Hamburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sind aus Datenschutzgründen nicht enthalten.
Die Klassifikation der Landkreise ist der amtlichen Regionalstatistik des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung entnommen.
Die seit Einführung des Systems der Allphasen-Netto-Umsatzsteuer stattfindenden Tariferhöhungen in den Jahren 1968, 1978, 1979, 1983, 1993 sowie 1998 betrugen jeweils nur 1 Prozentpunkt.
Vgl. Carare und Danninger (2008).
Vgl. Doyle und Samphantharak (2008).
Die Aussetzung der untersuchten Mengensteuer auf Benzin entspricht einer Tarifreduktion auf null Prozent.
In einer älteren Studie untersucht Poterba (1996) auf Grundlage von Verbraucherpreisdaten die Überwälzung einer lokalen Einzelhandelssteuer in den USA. Er stellt dabei je nach Untersuchungszeitraum eine unvollständige bis übermäßige Überwälzung der Einzelhandelssteuer auf die Verbraucherpreise fest.
Vgl. Carbonnier (2008).
Vgl. Carbonnier (2008).
Kosonen (2013) untersucht die Weitergabe einer Tarifreduktion auf Friseurdienstleistungen in Finnland.
Harju und Kosonen (2013) untersuchen die Weitergabe einer Tarifreduktion auf Restaurantmahlzeiten in Finnland.
Vgl. Politi und Mattos (2011).
Vgl. Benedek et al. (2015).
Vgl. eigene Berechnungen auf Grundlage von Statistisches Bundesamt (2014a, S. 5).
Vgl. Scholl (2014, S. 45).
Vgl. hierzu Statistisches Bundesamt (2014b).
Die Identifikation der betreffenden Hotelbetriebe erfolgte anhand der im Klassifikationssystem des GM enthaltenen Hinweise auf eine vorwiegende Ausrichtung auf Geschäftsreisende (Vorhandensein von Konferenzräumen).
Anreizen der Hotelbetriebe, nicht ermäßigt besteuerte Leistungen in den Übernachtungspreis zu integrieren, um auf diese Weise vom ermäßigten USt-Tarif zu profitieren, begegnete das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 5.3.2010 (IV D2-S7210/07/10003) frühzeitig, in dem geregelt ist, dass der Entgeltanteil für Leistungen, die nicht von der Tarifermäßigung erfasst sind und für die kein gesondertes Entgelt berechnet wird, von der Finanzverwaltung im Wege der Schätzung zu ermitteln ist. Schätzmaßstab kann demnach beispielsweise der kalkulatorische Kostenanteil zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags sein.
Da die Verwendung des DiD-Ansatzes grundsätzlich keine Preisbereinigung der Daten erforderlich macht, wurde für die Untersuchungsergebnisse ein Robustness Check durchgeführt, der zeigt, dass die Untersuchungsergebnisse sowohl in Bezug auf die Vorzeichen als auch auf die Signifikanzniveaus bei der Verwendung der originären, nicht inflationsbereinigten Preise ebenfalls gültig sind.
Vgl. Statistisches Bundesamt (2014a, S. 13).
Die resultierenden inflationsbereinigten Übernachtungspreise basieren auf dem Basisjahr 2005.
Vgl. Haushaltsbegleitgesetz 2006 vom 29.6.2006, BGBl. I 2006 S. 1402.
Die Abfrage der Preise für die Ausgabe 2006 erfolgte durch den GM im Sommer des Jahres 2005.
Die Abfrage der Preise für die Ausgabe 2007 erfolgte durch den GM im Sommer des Jahres 2006.
Die Abfrage der Preise für die Ausgabe 2008 erfolgte durch den GM im Sommer des Jahres 2007.
Vgl. Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009, Artikel 5, BGBl. I 2009 S. 3950.
Die Abfrage der Preise für die Ausgabe 2011 erfolgte durch den GM im Sommer des Jahres 2010.
Zur Herleitung der Formel vgl. Brownlee und Perry (1967, S. 235 ff.).
Ein durchgeführter Robustheitstest bestätigt, dass die Ergebnisse mit Ausnahme des Bestimmtheitsmaßes, unabhängig von der Hinzufügung von Kontrollvariablen sind.
Mit Ausnahme des R2 reagieren die Untersuchungsergebnisse nicht sensitiv auf die hotelspezifischen Kontrollvariablen.
Vgl. Wagner (2010, S. 18).
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Acknowledgements
Die Autoren danken Lisa Gegenwarth, M.Sc. für sorgfältige Forschungsassistenz bei der Datenerhebung für Deutschland und der Margarete Müller-Bull Stiftung für die Förderung des Forschungsvorhabens. Außerdem danken die Autoren einem von zwei Referees für wertvolle Hinweise und Anregungen.
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Wagner, F.W., Weber, S. Wird die Umsatzsteuer überwälzt?. Schmalenbachs Z betriebswirtsch Forsch 68, 401–421 (2016). https://doi.org/10.1007/s41471-016-0017-6
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