1 Motivation und Zielstellung

Beginnend im Bereich der Gaming-Szene, drängen Curved Monitore in den letzten Jahren verstärkt in die Arbeitswelt. Angesichts der immer größer werdenden Bildformate scheint diese Entwicklung logisch nachvollziehbar, insbesondere nachdem derartig gekrümmte Bildschirmflächen technisch realisierbar geworden sind. Seitdem sind Curved Monitore vor allem im Bereich ultrabreiter Formate sehr präsent vorzufinden. Nur selten sind planare Geräte in Breitbildformaten mit mehr als 30 Zoll Bildschirmdiagonale zu finden. Herstellerseitig werden die Vorteile von Curved Monitoren anhand älterer Wahrnehmungskonzepte wie dem visuellen Horopter (Prinz 1992; Shipley et al. 1970) erklärt und eher formal-logisch abgeleitet. Erschöpfende empirische Analysen zu ergonomischen Effekten von Curved Monitoren sind selten und häufig unter Verwendung idealisierter Versuchsdesigns durchgeführt worden. Zudem lassen die publizierten Erkenntnisse auch kein eindeutiges Votum Für oder Wider der Verwendung von Curved Monitoren zu. Nicht zu verschweigen ist zusätzlich, dass Studien teilweise von Monitorherstellern beauftragt und finanziert sind (Choi et al. 2015; Park et al. 2020; Luo et al. 2016), was eine kritische Betrachtung der Unabhängigkeit von Ergebnissen rechtfertigt.

Das Arbeitsgebiet Arbeitswissenschaft/Arbeitspsychologie (Awip) der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg ist seit vielen Jahren im Bereich Leitwarten, Steuerzentralen und Leitstellen in verschiedenen Branchen forschend aktiv. Zudem konnten in diesem Anwendungsfeld viele Praxisprojekte erfolgreich abgeschlossen werden, bei denen die menschengerechte Gestaltung dieser Arbeitssysteme, ablaufender Bedien- und Beobachtungsprozesse und Visualisierungsstrategien im Fokus standen (Hoppe et al. 2008; Kockrow und Hoppe 2016). Die Expertise von Awip konnte bei vielen Um- bzw. Neubauvorhaben von Leitzentralen zielführend eingebracht werden. Dabei zeigte sich auch hier in der jüngeren Vergangenheit verstärkt der Trend, dass Curved Monitore zum Einsatz gebracht werden sollen, häufig motiviert durch Planer und Endnutzer (Kockrow und Ganßauge 2023). Die Erfahrung zeigt, dass eine gute Qualität mit effizienter Kosten-Nutzen-Relation erwartet wird, wenn künftig Curved Monitore als innovative und ergonomisch angepriesene Visualisierungsmittel eigesetzt würden. Zusätzlich basieren Argumente für deren Verwendung häufig auf emotionalen und subjektiven Begründungen.

Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht wird hier die Notwendigkeit einer sachlichen Debatte gesehen, da schnell der Eindruck entstehen kann, dass durch den erwarteten, ergonomischen Mehrwert von Curved Monitoren dargebotene Informationsmengen und dessen beanspruchungswirksame Folgen unterschätzt werden könnten. Vor allem bei Installation mehrerer, ultrabreiter Geräte mit großen Bildschirmdiagonalen ist eine Übervisualisierung wahrscheinlich. Durch die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung in Kombination mit häufig beobachteten, effizienzgetriebenen Zentralisierungsvorhaben ist die Einbindung weiterer Informationen zu erwarten. Dieser Trend ist bereits in den letzten Jahren in Kontrollräumen zu beobachten, wie vorausgegangene wissenschaftliche Arbeiten des Awip-Teams belegen (Hoppe et al. 2022b; Kockrow und Ganßauge 2023; Krüger et al. 2016).

Thematisch relevante Erkenntnisse lieferte dabei vor allem die Analyse des Blickverhaltens an Leitstandarbeitsplätzen in Kraftwerken. Diese sind durch die Kritikalität der Prozesse und hohe Visualisierungsmitteldichten besonderen Anforderungen unterlegen. Für Büroanwendungen sind die beschrieben Erkenntnisse gleichermaßen wertvoll, wenn auch einzelne Faktoren dort geringer priorisiert werden können. Vorausgehend konnten in Leitwarten anhand einer Blickerfassungsstudie unter Realbedingungen die Blickbewegungen und Bedienstrategien von Operatoren untersucht und deren Blickverhalten protokolliert werden. In der Ableitung entstand die Definition der „Visuellen Komfortzone der Operatortätigkeit“ (Kockrow 2014, S. 142), welche an komplex visualisierten Leitständen als handhabbarer Hauptaktionsbereich definiert wurde. Grundlegende Bedingung dafür ist eine Systemarchitektur im Sinne des KVM-Prinzips (Keyboard, Video, Mouse), bei dem die variable Aufschaltung von Informationsinhalten (Prozessbilder, Meldelisten etc.) auf den Visualisierungsmitteln ermöglicht wird. Durch die vermeintlichen ergonomischen Vorteile und Erweiterung der Visualisierungsflächen bei Verwendung ultrabreiter Curved Monitore lässt sich die Motivation zur Bearbeitung dieses aktuellen Themas in besonderer Weise unterstreichen.

2 Stand der Wissenschaft

Als Hinführung und Sensibilisierung für das bearbeitete Thema erfolgt zunächst die Aufarbeitung grundlegend bekannter Erkenntnisse zu Visualisierungserfordernissen und aktuellen Forschungsergebnissen zu Curved Monitoren. Zudem soll hier der Bezug zum Anwendungsfeld kritischer Infrastrukturen hergestellt werden.

2.1 Blickbereiche und resultierende, ergonomische Anforderungen für Bildschirme

Grundlegend ist das visuelle Verhalten beforscht und schlägt sich in ergonomischen Gestaltungsempfehlungen für die Bildschirmarbeit nieder. Aufgrund der Physiologie des Menschen sind die visuellen Wahrnehmungseigenschaften des Menschen beschränkt. Der Foveale Bereich für detailreiches und scharfes Sehen ist mit ca. 1° um die Sehachse sehr begrenzt (Mickasch und Haack 1986). Zur Peripherie hin nimmt das Farb- und Detailsehvermögen schnell ab, sodass in peripheren Blickbereichen vor allem Hell-Dunkel- und Bewegungswahrnehmungen möglich sind (Schandry 2006). Daraus ergeben sich Empfehlungen für die Positionierung von Anzeigegeräten und -inhalten. Die Ableitung des Gebrauchsblickfelds sowie die beispielsweise in DIN 894-2:2009 gegebenen Eignungsstufen für die Informationsvisualisierung tragen dem Rechnung. Hierbei ist das empfohlene Blickfeld für Überwachungsaufgaben etwas weiter geöffnet als das für Erkennungsaufgaben (siehe Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Sehfeldempfehlungen für Überwachungs- und Entdeckungsaufgaben nach DIN 894‑2, S. 8

Ferner ist bekannt, dass sich die zur Ausrichtung der normalen Sehachse beteiligten Muskeln in einer Nullstellung befinden, wenn der Blick gesenkt ist. Die Neigung variiert dabei geringfügig für stehende und sitzende Körperhaltungen (Schlick et al. 2018, Schmauder und Spanner-Ulmer 2014). Bezüglich des Neigungsgrades der Blicklinie variiert die Quellenlage, wobei eine Absenkung um 35° für Bildschirmarbeit als anzustrebendes Optimum gilt (DGUV-I 215-410:2019; DIN 11064-4:2014). Um die Blicklinie am Fixationspunkt möglichst orthogonal auftreffen zu lassen, sollten Bildschirme zudem nach hinten geneigt aufgestellt werden. So werden die durchschnittlichen Blickeinfallwinkel auf der Visualisierungsoberfläche harmonisiert und der Sehkomfort erhöht. Die Monitoroberkante sollte dabei die Augenhöhe in der Arbeitsposition nicht übersteigen (Mohokum und Ellegast 2021, DGUV-I 215-410:2019; Bockelmann et al. 2012). Für die Bewertung ergonomischer Effekte wird diese Anforderung im weiteren Verlauf wieder aufgegriffen.

2.2 Erkenntnisse zu Curved Monitoren

Curved Monitore besitzen eine horizontal gekrümmte Bildschirmfläche, deren Krümmungsintensität durch den Radius beschrieben wird. Ein kleiner Radius kennzeichnet eine starke Krümmung, die mit steigendem Radius abnimmt. Bei Büro- und Industrieanwendungen sind üblicherweise Geräte mit Radien zwischen r = 1000 mm und r = 4200 mm in unterschiedlichen Bildformaten und Auflösungen zu finden. Curved Monitore sind häufig bei sehr breiten Bildschirmformaten anzutreffen. Dabei beeinflusst die Krümmung notwendige Blickwinkel für die Erfassbarkeit der visualisierten Szene (Kyung und Park 2021). Während bei einem planaren Monitor die Bildschirmbreite und Sehentfernung für eine Berechnung des notwendigen Blickwinkels ausreichen, wird durch die Krümmung bei Curved Monitoren eine weitere Überlegung notwendig. Analog einer Kreisbetrachtung kann zwischen den Außenkanten des Monitors eine fiktive Verbindung geschaffen werden, die einer Kreissehne entspricht. Diese wird mit verringertem Radius des Bildschirms verkürzt. Nur für planare Geräte sind Bildflächenbreite und Sehnenlänge identisch. Mit zunehmender Krümmung des Bildschirms bleibt zwar die Breite der Visualisierungsfläche gleich, nähert sich aber an den Monitorseiten auch weiter dem Betrachter. Letztlich führt eine stärker werdende Krümmung der Seitenbereiche dazu, dass sich der zu fixierende Bereich bei stabiler Sitzposition um den Winkelbetrag α′ anwächst, wie Abb. 2 zeigt. Dabei können, abhängig von den Merkmalen des Gerätes, bereits die Grenzbereiche empfohlener Blickbereiche tangiert werden.

Abb. 2
figure 2

Auswirkungen des Krümmungsradius auf das notwendige Blickfeld (Eigene Darstellung)

Damit ist begründbar, dass Nutzende bei Verwendung von Curved Monitoren größere Sehabstände wählen (Burruss et al. 2023). Wesentlich ist die Erkenntnis, dass bessere Leistungsergebnisse erzielt werden, wenn Radius und Sehabstand nahezu identisch sind (z. B. Park et al. 2019; Choi et al. 2015). Dabei variiert der ideale Krümmungsradius abhängig von der Bildschirmgröße und nimmt bei zunehmender Größe der Bildfläche ab (Na et al. 2015). Extrem starke Krümmungen begünstigen dabei wahrgenommene Bildverzerrungen (ebenda). Zannoli und Banks (2017) belegten rechnerisch, dass Curved Monitore anfälliger für Blendungserscheinungen sind, wiesen aber auch nach, dass bei einer zentralen Sitzposition Verzerrungseffekte in Seitenbereichen bei Verwendung großer Bildschirmformate und moderater Krümmungsradien minimiert werden (Zannoli und Banks 2017). Daher eignen sich Curved Monitore gut für Computerspiele, da die Krümmung zu einem immersiveren, intensiven Seherlebnis führt (Urakami et al. 2021; Lim et al. 2019). Ein Review durchgeführter Studien zur Signalentdeckungsleistung zeigt keine eindeutigen Befunde, wobei insgesamt die Tendenz zu positiver Leistungsbeeinflussung durch Verwendung von Curved Monitoren zu konstatieren ist. So belegen Park et al. (2020) klare Effizienzvorteile bei der Ausführung von Formausrichtungs‑, Such‑, Schreib- und Zeichnungsaufgaben. Auch andere Forschungsergebnisse bekräftigen bei Verwendung von Curved Displays eine nachweisbar bessere, kognitive Leistungsfähigkeit (Na et al. 2015; Kyung und Park 2021). Klatt und Smeeton (2020) schlussfolgern eine gesteigerte Aufmerksamkeitsleistung bei Nutzung gekrümmter Anzeigeflächen aus der durchgeführten Studie, obgleich Vorteile in Bezug auf die Wahrnehmungs- und Entscheidungsleistung nicht eindeutig nachweisbar waren. Es gibt jedoch auch Studien, die eine Leistungsverbesserung verneinen (Luo et al. 2016).

Weiterhin wurden für die Curved-Nutzung auch Ermüdungseffekte beforscht, wobei von einer Reduktion der visuellen Ermüdung bei verbesserter visueller Aufgabenleistung ausgegangen wird (Kyung und Park 2021; Park et al. 2017; Lim et al. 2019; Shupp et al. 2001). Für die Symptombeschreibung wird häufig das Computer Vision Syndrome (CVS) herangezogen (Blehm et al. 2005). Dieser Symptomkatalog fasst negative Auswirkungen auf den Sehapparat bei Bildschirmarbeit zusammen (Rosenfeld 2011) und beinhaltet u. a. Symptome von Kopfschmerzen, Augenermüdung, trockene bzw. tränende Augen über Augenirritationen bis hin zu Diplopie oder verschwommenem Sehen. Curved Monitore schnitten bei den Probanden deutlich besser ab, da die wahrgenommenen CVS-Symptome in der subjektiven Wahrnehmung geringer ausgeprägt berichtet wurden (Luo et al. 2016; Lee und Kim 2016). Dem gegenüber stieg die wahrgenommene, allgemeine Ermüdung bei Nutzung von Curved Monitoren an (Luo et al. 2016). Insbesondere für enge Krümmungsradien wuchs nach Park et al. (2019) die Wahrnehmung physischer Beanspruchungen deutlich an. Für diesen Anwendungsfall wiesen Lee und Kim (2016) zudem einen signifikanten Anstieg der subjektiv wahrgenommenen Augenbelastungen nach und stellten eine verringerte Akkommodationsbreite bei der Bildschirmarbeit fest. Diese könne bei längerer Arbeit im Nahbereich die Akkommodationsfähigkeit beeinträchtigen, damit die Anpassung an andere Sehabstände verlangsamen und durch starre Kontraktion des Ziliarmuskels nach Meinung der Autoren zur Augenermüdung beitragen. (Lee und Kim 2016) Dieser Effekt wirkt bei engen Radien und für Bildschirmarbeit typischer Sitzposition besonders intensiv. Zudem wird vermutet, dass eine verringerte Akkommodationsbreite die Augengesundheit negativ beeinflusst und Myopie (Kurzsichtigkeit) befördert (Dutheil et al. 2023).

Mit einer validierten Punkteskala bewerteten Purwanto et al. (2018) die wahrgenommene gesundheitliche Beanspruchung und den subjektiv empfundenen Mehrwert von Curved Monitoren mit Operatoren in einer Prozessleitwarte unter Verwendung eines entsprechenden Versuchsaufbaus. Auf Basis der vergebenen Punktwerte wurde die visuellen Ergonomie bei Verwendung von Curved Monitoren (M = 95,6) im Gegensatz zu planaren Geräten (M = 82,1) nachweisbar besser bewertet. Zudem äußerten sich die Befragten in positiver Weise, da sie einen verbesserten Einblick auf der Detailebene wahrnahmen (Purwanto et al. 2018). Es ist jedoch nicht vollumfänglich zu klären, inwiefern eine Vorprägung der Befragten vorlag, um das Ergebnis im gewünschten Sinn darzustellen, da im Kern das Ziel verfolgt wurde, Argumente für die Verwendung von Curved Monitoren herauszuarbeiten. Zudem gibt die Publikation Hinweise darauf, dass sich die Ableitungen auf bogenförmig angeordnete, planare Monitore beziehen. Derartige Versuchsaufbauten wurden offensichtlich von vielen Studien bemüht, um Vorteile von Curved Monitoren zu beforschen (z. B. Park et al. 2017; Luo et al. 2016; Shupp et al. 2001). Ableitungen werden somit häufig nicht mit real gewölbten Geräten, sondern auf Basis experimentell-idealisierter Versuchsdesigns getroffen, bei denen teils nicht praxistaugliche Extremkonfigurationen verglichen werden. Kyung und Park (2021) beispielsweise verwenden Sehabstände von d < 500 mm bei einer maximalen Darstellungsbreite b = 1220 mm. Damit entsprechen diese Visualisierungsszenarien nicht den ergonomischen Empfehlungen und gefährden eine Übertragbarkeit auf reale Arbeitssysteme. Weiterhin sei angemerkt, dass bei Verwendung mehrerer (planarer) Displays eine bogenförmige Positionierung am Arbeitsplatz seit langem als arbeitswissenschaftliches Optimum empfohlen wird (Kockrow et al. 2012; DIN 11064-4:2014). Der entstehende Visualisierungsbogen trägt bereits maßgeblich zur Harmonisierung der Sehabstände bei und unterstützt damit ergonomische Vorteile, wodurch der zusätzliche Mehrwert gleichförmig gekrümmter Bildschirmflächen kritisch hinterfragt werden darf.

Zusammenfassend scheint es eine Evidenz zu geben, dass gekrümmte Monitore eine Reihe von Vorteilen begünstigen und die erwartete Usability so scheinbar erreicht werden kann. Dabei werden vor allem Nutzer angesprochen, die Wert auf Immersion und Seherlebnis legen. Die Studienlage wirkt jedoch insgesamt unzureichend. Die aus der umfassenden Literaturrecherche generierte Ableitung, weitere unabhängige, arbeitswissenschaftliche Forschung zur ergonomischen Wirksamkeit von Curved Monitoren sei notwendig, führte zum Forschungsvorhaben an der BTU. Das Themenfeld ist spannend, da die gewachsene Beliebtheit der Geräte in den letzten Jahren auch künftig auf eine weitere Durchsetzung moderner Arbeitsplätze hindeutet.

2.3 Der visuelle Horopter – ein Erklärungsversuch

Wie zuvor beschrieben, scheint ein Visualisierungsbogen eine bereits anerkannte und praktikable ergonomische Empfehlung darzustellen. In der Argumentation der Hersteller für die Verwendung von Curved Monitoren wird häufig davon gesprochen, dass das Sehen des Menschen bogenförmig funktioniert. Hier einige Beispiele:

  • „[…] Sichtfeld des menschlichen Auges folgt einem nach vorne gewölbten Bogen […]“ (URL 3 o.J.)

  • „[…] entspricht der Krümmung, mit der wir Menschen die Welt sehen […]“ (URL 1 o.J.)

  • „[…] besser mit dem menschlichen Sehkegel übereinstimmt.“ (URL 2 o.J.).

Detaillierter wird die Erläuterung nicht, wodurch offen bleibt, was genau damit gemeint ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit zielen diese Aussagen auf das Horopterkonzept ab, wonach es einen Punkteraum im visuellen Feld gibt, bezeichnet als Horopter. Die Punkte innerhalb dieses Bereichs werden bei binokularer Fixation auf korrespondierenden Netzhautstellen abgebildet (Walter und Plange 2017). Gemäß DIN sind das „… Netzhautstellen in beiden Augen, die im Binokularsehen gleiche monokulare Richtungswerte haben“ (DIN 5340:2022, 3.4.7.3) und eine distale Reizkurve mit Nulldisparität erzeugen (Turski 2023). Liegen die Fixationspunkte im sog. Panum-Areal, also nahe des Horopters, ist eine Verschmelzung (Fusion) der minimal disparativen Bilder im Verarbeitungsprozess möglich (Noorden 1996), was eine Tiefenwahrnehmung der Szene ermöglicht. Außerhalb des Panum-Raumes steigt die Querdisparation auf der Netzhaut, wodurch die Fusion nicht mehr gelingen kann. Die Folge sind Doppelbilder für fixierte Objekte, welche aber meist durch das Gehirn unterdrückt werden (Walter und Plange 2017; DIN 5340:2022).

Für den Horopter gibt es die theoretische Betrachtungsweise mit einer vereinfachten, bogenförmigen Ausprägung, z. B. der Vieth-Müller-Kreis (VMK) oder der Helmholtz-Horopter (Shipley et al. 1970). Der empirische Horopter weicht davon teils stark ab. Neuere Studien belegen dessen parabelförmige Form. Bis zur abathischen Distanz, welche gemäß Turski (2023) im Durchschnitt einen Meter beträgt, ist die Form wie Curved Monitore konkav zum Nutzer gebogen. Mit Entfernungen darüber hinaus verläuft der empirische Horopter gerade oder krümmt sich gar vom Nutzer weg in den Raum (Turski 2023). Die Literatur zeigt, dass das Horopterkonzept vornehmlich im Bereich der Augenheilkunde für die Diagnostik relevant ist oder für Entwicklung von AR/VR-Technologien verwendet wird (Noorden und Campos 2002; Walter und Plange 2017; Kretzschmar 2008). Daher bleibt fraglich, ob die häufig genutzte Begründung für ergonomische Effekte durch Curved Monitore aus einer groben und unvollständigen Interpretation des Horopterkonzeptes resultiert. Explizit vermuten nur Lim et al. (2019) und Lee und Kim (2016) eine Überlagerung der Visualisierungsfläche mit dem empirischen Horopter und erklären damit Unterschiede in Bildqualität und Leistungsfähigkeit bei Nutzung verschieden stark, gekrümmter Monitorausführungen. Ungeachtet dessen kann bei Bildschirmarbeit von normalsichtigen oder hinreichend korrigierten Nutzern und adäquaten Sehentfernungen ausgegangen werden, wodurch jeder beliebige Punkt des Gebrauchsblickfeldes unter Erzeugung einer Fusion fixierbar sein sollte. Zudem ist unter Berücksichtigung der geringen Ausdehnung des Fovealen Bereichs (Mickasch und Haack 1986) bei einer Fixation ohnehin eine nahezu planare Wahrnehmung des fixierten Bildausschnitts zu erwarten.

2.4 Anwendungsfeld sicherheitskritische Infrastrukturen

Gemäß der Definition des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik werden Kritische Infrastrukturen (KRITIS) als Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen betrachtet. Der Ausfall oder die Beeinträchtigung dieser Infrastrukturen könnte zu nachhaltig wirkenden Versorgungsengpässen, erheblichen Störungen der öffentlichen Sicherheit oder anderen dramatischen Folgen führen (BMI 2023). Unternehmen oder Institutionen, die essentielle Dienstleistungen und Einrichtungen bereitstellen, die für die Aufrechterhaltung wichtiger gesellschaftlicher Funktionen unerlässlich sind, unterliegen damit den KRITIS-Anforderungen.

Die Überwachung und Steuerung technischer Anlagen und Prozesse findet üblicherweise in Leitwarten und Leitständen statt, die im Fokus der Awip-Forschung stehen (siehe Kap. 1). Diese Kontrollräume sind mit verschiedenen Monitoren und Anzeigetafeln ausgestattet (Kockrow und Ganßauge 2023; Kockrow 2023b, 2014; Hoppe et al. 2008). Als typische Anwendungsfelder gelten die Energieerzeugung und -verteilung, Chemie- und Pharmaindustrie sowie die Prozess- und Fertigungsindustrie (Lafrenz und Jeschke 2017). Getroffene Entscheidungen können hier große Tragweiten entwickeln (Bockelmann et al. 2012). Weiterhin sind auch Leitstellen als wesentlicher Knotenpunkt für Kommunikations- und Koordinationsaufgaben in öffentlichen Sicherheits- und Rettungsdiensten oder im Bereich Verkehr und Logistik ein Teil kritischer Infrastruktur (Hackstein und Sudowe 2017). Unabhängig von der Einordnung des Arbeitssystems sei hier hervorgehoben, dass es Parallelen bezüglich der Verfügbarkeitsanforderungen sowie der zu handhabenden Informationseigenschaften und -mengen gibt, welche im Falle von KRITIS-Anwendungen einen besonderen Stellenwert zugewiesen bekommen. Der spezifische Anwendungsfall bestimmt letztlich die Ausprägung, Darstellung und Menge von Informationen. Darüber hinaus sind diese Arbeitsplätze typischerweise im 24/7-Betrieb permanent besetzt, was zusätzliches Beanspruchungspotenzial bedeutet. Auch das kaum planbare und situativ zu handhabende Aufkommen an Steuerungs- oder Koordinierungserfordernissen unterstreicht die Relevanz einer bedarfsgerechten verfügbaren Informationsvisualisierung mit höchsten Verfügbarkeitsanforderungen. Daran gekoppelt entstehen neben ergonomischen Grundanforderungen zusätzliche Kriterien, die für Curved Monitore noch nicht umfassend zu bewerten sind. Der vorliegende Beitrag soll in diesem Kontext weitere Erkenntnisse als Grundlage für eine mögliche Nutzungsentscheidung liefern. Die Argumente zielen weniger auf den Einsatz einzelner 27″ oder 32″ Geräte im Büroumfeld ab, sondern fokussieren stark visualisierte Arbeitsplätze mit mehreren Monitoren und/oder sehr breiten Bildformaten.

3 Anwendungsbezogene Studien

Für die arbeitswissenschaftliche Analyse gekrümmter Visualisierungsflächen, wurden sowohl Probandenstudien als auch Experimentalreihen bei Awip konzipiert und an einem ultrabreiten Curved-Aufbau durchgeführt. Ziel war es, dort peripheres Reiz-Reaktionsverhalten sowie Beeinträchtigen durch Beleuchtungs- und Akustikwechselwirkungen objektiv zu bewerten. Bereits zuvor fand eine Studie mit bogenförmig angeordneten, planaren Monitoren, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (FKZ: HO 3993/5-1), statt. Diese fokussierte auf geeignete Merkmalseigenschaften zur störungsfreien Aufmerksamkeitslenkung bei peripher dargebotenen Stimuli auf grafisch komplexen Hintergründen. In zwei Phasen wurden dabei die Signalqualität und die Altersabhängigkeit analysiert (Hoppe et al. 2022a).

Zur Bewertung der ergonomischen Qualität verwendeter Curved Monitore wurde eine Versuchsreihe mit Studierenden aufgelegt, welche die objektive Erfassung von Reaktionszeiten peripher dargebotener Reize auf Basis der bereits zuvor gewonnen Erkenntnisse ermöglichte. Das Versuchsdesign orientierte sich bestmöglich an dem DFG-Vorhaben, da die hier ermittelten Reiz-Reaktionszeiten für einen direkten Vergleich zwischen bogenförmig angeordneten Monitoren und realen Curved Geräten herangezogen werden sollten. Zusätzlich wurden subjektive Wahrnehmungen der Probanden nach der Arbeit an den Curved Monitoren hinterfragt.

3.1 Methodik und Ergebnisse der Probandenstudie für eine vergleichende Analyse der Arbeitsleistung

3.1.1 Geräteausstattung

Für die DFG-Studie wurde ein Versuchsaufbau mit fünf planaren Monitoren verwendet, die bogenförmig mit einem Radius von r = 766 mm aufgebaut waren. Für die nachgelagerte Studie an den Curved Geräten fanden drei Monitore Verwendung, die mit einem Wölbungsradius von r = 1000 mm den engsten, marktverfügbaren Radius aufwiesen, um dem DFG-Versuchsdesign am besten zu entsprechen und größtmögliche Vergleichbarkeit zu sichern. Dabei wurde mittig ein ultrabreiter 49″ Monitor verwendet, ergänzt durch seitlich jeweils einen 27″ Bildschirm in gleichem Radius. In der Kombination der Geräte entstand in beiden Studien eine nahezu 180° umspannende Visualisierungsfläche (Abb. 3). Dabei saßen die Versuchspersonen frontal zentriert vor der jeweiligen Versuchsanordnung.

Die DFG-Studien wurden im lehrstuhleigenen Ergonomielabor durchgeführt. Durch Vollverdunklung und -klimatisierung, Lichtinstallation und entsprechenden Dämmmaterialien lassen sich in diesem Raum-in-Raum-Konzept sämtliche Umgebungsfaktoren unabhängig von Außen- und Umgebungsbedingungen reproduzierbar kontrollieren. Die Curved Studie fand in einem zweiten Ergonomielabor statt, welches durch seine abgelegene Lage im Gebäude und den Zeitraum der Versuchsdurchführungen in den Wintermonaten eine hinreichend genaue, gleichermaßen normkonforme Justierung von Geräuschkulisse und Raumklima erlaubte. Die Beleuchtung, bestehend aus sechs flexibel installierten LED-Strahlern (iGuzzini Laser Blade, 58°), sicherte eine gleichmäßige, diffuse Arbeitsplatzausleuchtung ohne Blendungseffekte unter Ausschluss von Tageslicht. Gearbeitet wurde in beiden Versuchen mit einer Arbeitsplatzbeleuchtung von Emin = 500 lx und einem Gleichmäßigkeitsfaktor von U0 > 90 %. Am Curved Setting wurde zusätzlich unter einer Dunkelbedingung von Emin = 200 lx gearbeitet. Grund dafür war die Parallelbetrachtung einer, hier irrelevanten, technische Fragestellung. Die Abfolge der Hell- und Dunkelbedingung war zufällig permutiert. Alle Beleuchtungsbedingungen wurden protokolliert und über die jeweiligen Versuche eine geringe Beleuchtungsdichteschwankung mit einer Reproduktionsabweichung von E < 3 % erreicht.

3.1.2 Stichprobe

Für die durchgeführte Probandenstudie an den Curved Monitoren wurden Studierende akquiriert (N = 34, MWAlter,Curved = 25,6 Jahre, SD = 3,069 Jahre). In der DFG Vergleichsstudie nahmen Versuchspersonen unterschiedlichen Alters teil. Für eine Vergleichbarkeit beider Stichproben bezüglich Probandenanzahl und -alter wurde der DFG-Datensatz an der Altersgrenze von 35 Jahren segmentiert und ältere Probanden ausgeschlossen (N = 35; MWAlter,DFG = 24,55; SD = 4,21). Dies macht aus mathematisch-statistischer Sicht sowie auf Basis der Überlegung Sinn, dass ab ca. 40 Jahren zunehmend messbare Verzögerung der Reaktion auf Reizdiskriminierungsaufgaben belegbar sind (Klußmann et al. 2009). Eine ungleiche Altersverteilung könnte daher die Reaktionszeit als relevanten Messindikator verzerren und identifizierte Effekte nicht eindeutig auf die verwendeten Monitorkonzepte zurückzuführen sein.

3.1.3 Versuchsdesign

Die Versuchsdesigns waren jeweils so konzipiert, dass im zentralen Blickfeld eine zentrale Aufgabe zu handhaben war. Dabei wurde die „Tower of London“-Aufgabe der PEBL-Toolbox (Mueller und Piper 2014) im DFG-Setting und aus grafik-technischen Gründen wegen der sehr hohen Bildschirmauflösung der Macworth Clock Test (MCT) als Beobachtungsaufgabe im Curved Setting eingesetzt. Der MCT zielt auf eine induzierte Vigilanzreduktion über die Zeit ab (Schmidtke und Micko 1964). Daher wurden mit 15 min extra kurze Versuchszeiträume gewählt, da anhand der typischen Vigilanzabnahmefunktion (Schlick et al. 2018; Mackworth 1948) für diese Testdauer noch keine Beeinträchtigung der Reaktionszeiten zu erwarten war. Beide Tests dienten primär lediglich der Aufmerksamkeitsbindung im zentralen Blickfeld. Die Ergebnisqualität der Hauptaufgabe war für die verfolgte Zielstellung peripherer Wahrnehmungsanalyse letztlich von sekundärer Bedeutung.

Die verbleibende Visualisierungsfläche wurden mit einem grafisch komplexen Bild gefüllt, welches eine, an typische Anlagenschemata angelehnte, realistische Prozessrepräsentation generierte (DIN 10628-2:2013). In den peripheren Bereichen wurden dann Elemente als Zielreize in zufälliger Abfolge eingeblendet, deren Bemerken trotz Fokussierung auf die zentrale Aufgabe ohne Blickzuwendung per Tastendruck zu protokollieren war. Die Zielreize variierten bezüglich Frequenz, Kontrastierung und Exzentrizität. Ausgewählt wurden geeignete Merkmalskombinationen, welche sich in der DFG-Studie als gut wahrnehmbar erwiesen (Hoppe et al. 2022a). Die Zielreize wurden mit Einblendungsfrequenzen fB = 0,5 Hz und fB = 2,5 Hz präsentiert (nach DIN 842:2009). Dabei erfolgte die Einblendung mit superioren Winkeln von jeweils beidseitig 40°, 65° und 90°. Zudem erfolgte mit schwarzen (100 %) und dunkelgrauen (75 %) eine Kontrastabstufung. Alle verwendeten Merkmalskombinationen im Versuch waren mit vergleichbaren Abständen wahrnehmbar und gut unterscheidbar. Zwei 15-minütige Versuchssequenzen waren unter der Hell- und Dunkelbedingung permutiert mit jeweils zehn Zielreizen zu absolvieren. Das Bemerken zufällig dargebotenen, peripheren Zielreize sollte ohne Blickabwendung von der zentralen Aufgabe durch Tastendrücke auf der Tastatur (Pfeilkreuz) quittiert werden, wobei die Protokollierung der Zeitstempel mittels VBA erfolgte. Die so erhobenen Signalerkennungszeiten und -raten stellten zwischen DFG- und Curved Setting bei nahezu identischen Versuchsanforderungen und -bedingungen den primären Operator dar.

Abb. 3
figure 3

Verglichene Monitorkonstellationen

Während der Versuchsdurchführung wurden alle Probanden mittels Kameratechnik überwacht, um unerwünschte Seitenblicke identifizieren und bei der Datenaufbereitung ausschließen zu können. Dies geschah sowohl in Echtzeit während des Versuchs als auch bei Bedarf im Nachgang durch Sichtung des Videomaterials.

3.1.4 Versuchsablauf

Nach der Information der Teilnehmenden über Ziel und Ablauf der Studie sowie über die Kameraaufzeichnung im Studienverlauf bestätigten die Versuchspersonen eine freiwillige Versuchsteilnahme. Die Probanden wurden mit einem vereinheitlichten und erprobten Fragebogen bezüglich soziodemografischer Daten, Konsum Aufmerksamkeit beeinflussender Substanzen, Schlafverhalten und subjektiver Konzentrationseinschätzung sowie versuchsrelevanter Einschränkungen des Sehsinns oder anderweitiger gesundheitlicher Beschwerden befragt, die einen Ausschluss von der Teilnahme rechtfertigen würden. Danach wurden sie in die Versuchsaufgaben eingewiesen und für die Wichtigkeit der zentralen Hauptsehaufgabe sowie die, vermeintlich sekundären, Quittierungen peripher wahrgenommener Veränderungen sensibilisiert. Zudem wurden die Arbeitsmittel im Rahmen ergonomischer Grundsätze auf die individuellen Bedürfnisse angepasst. Durch eine kurze, individuell gestaltbare Erholungspause getrennt, wurden dann zwei 15-minütige Versuchsdurchläufe unter einer Hell- und einer Dunkelbedingung absolviert.

Durch die Versuchsleitung wurde jeder Versuchsteil mit doppeltem Countdown gestartet, um einen Referenzzeitstempel für weitere Aufbereitungen und Synchronisierungen zu definieren. Während des Versuchs quittierte die Versuchsleitung mittels entwickeltem VBA-Zeiterfassungstool (Visual Basic for Application) etwaige Seitenblicke des Probanden, was durch Überwachung des Kamerastreams und weit zurückgesetzter Position ohne Probandenbeeinflussung möglich war.

Abschließend wurden von den Versuchsteilnehmenden subjektive Eindrücke zur Arbeit im engradialen Bogen der Curved Monitor in einem explorativen Gespräch hinterfragt. Dabei wurde lediglich eine Teilstichprobe einbezogen, da hier die Einbindung in eine Lehrveranstaltung zur ergonomischen Mensch-Maschine-Interaktion den Rahmen eröffnete.

3.1.5 Datenaufbereitung

Die erhobenen Daten mussten zunächst synchronisiert werden, was anhand der protokollierten Zeitstempel auf Tausendstelsekunden möglich wurde. Zwei Datenreihen mussten aufgrund technischer Probleme ausgeschlossen werden, eine Versuchsreihe wurde durch die Versuchsperson abgebrochen. Letztlich verblieben 654 gültige Zielreize für die Auswertung. Davon mussten acht Zielreizquittierungen (1,223 %) wegen bewusster Blickzuwendung zusätzlich ausgeschlossen werden.

Die als gültig bewerteten Daten wurden um die Reaktionszeit der Versuchsleitung beim Countdown zum Versuchsstart bereinigt. Hierbei wurden in Messreihen eine Korrektur um tkorr = 183 ms empirisch ermittelt und verrechnet. Die kurze Reaktionszeit ist durch das Einzählen beim Countdown plausibel. Das galt nicht für extrem kurze Reizreaktionszeiten im Versuchsverlauf, sodass auf Basis von Schmidtke und Micko (1964) Reaktionszeiten treak < 0,240 s ebenfalls ausgeschlossen wurden. Die bereinigten Daten wurden mit MS Excel und implementierten VBA-Routinen weiterverarbeitet und für eine mathematisch-statistische Analyse mittels SPSS kodiert.

Auffällig waren vereinzelt sehr hohe Nichterkennungsraten von Events sowohl im MCT als auch im peripheren Bereich, sodass eine statistische Ausreisserprüfung sinnvoll erschien. Eine Extremwertbetrachtung nach explorativer Datenanalyse und Anwendung des 1,5-fachen Interquartilsabstands in Kombination mit einem Stem-And-Leaf-Diagramm wurden neun weitere Datensätze ausgeschlossen, um Verzerrungen vorzubeugen (Kohn und Öztürk 2022; Döring 2023).

3.1.6 Prüfung potenzieller Abhängigkeiten

Nachfolgend konnte der Einfluss aller erfassten und mitgeführten Umgebungsparameter und Versuchsbedingungen abgeprüft werden. Zunächst galt es abzusichern, dass aus der Bearbeitung des Macworth Clock Test tatsächlich keine negative Beeinflussung der Reaktionszeiten resultierte. Dies gelang über eine ANOVA mit Messwiederholung, wobei homogene Varianzen nachweisbar waren (Mauchly-Test auf Sphärizität mit Mauchly-W(2) = 0,9170, p = 0,094; nicht signifikant). Die Testung der Innersubjekteffekte zeigte ebenfalls keine signifikante Wirkung des Versuchszeitpunktes auf die Reaktionszeiten (F (2;28) = 0,243, p = 0,785, ηp2 = 0,004). Über den Zeitverlauf innerhalb der Probanden sind damit keine Wirkeffekte des MCT nachweisbar. Über den Versuchsverlauf blieben die Reaktionszeiten für die einzelnen, zufällig auftretenden Zielreize vergleichbar, sodass keine signifikante Beeinflussung festzustellen war (r = −0,031, p = 0,476, n = 533). Auch die Tageszeit hatte nach Pearson keinen relevanten Einfluss (r = 0,052, p = 0,230, n = 533). Einzig bezüglich des Alters zeigte sich ein Zusammenhang, der die bekannte Tendenz langsamerer Reaktionszeiten mit zunehmendem Alter belegt. Der Effekt war aufgrund der ausgewählten Stichprobe, zwar signifikant, jedoch zeigte sich nur eine sehr geringe Effektstärke (r = 0,094, p = 0,0033, n = 516). Auch der Zusammenhang zwischen Hell- und Dunkelbedingung, dem einzigen variablen Umgebungsfaktor, und der Reaktionszeit wurde mittels einer ANOVA geprüft. Der Levene-Test zeigte Varianzhomogenität und keine Signifikanz (F(1;531) = 1,943, p = 0,164). Der anschließende Test auf Zwischensubjekteffekte belegte eindeutig, dass die Umgebungsbeleuchtung keinen Einfluss auf die Reaktionszeiten besitzt (F(1;531) = 1,943, p = 0,781, ηp2 = 0,000). Aus diesem Grund konnten die Datensätze von Hell- und Dunkelbedingung für weitere Analyse zusammengefasst werden.

3.1.7 Reaktionsleistung

Zu erwähnen ist zunächst, dass der präsentierte Zwischenstand auf der Frühjahrstagung der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (Kockrow 2023a) aufgrund der Daten eine anders lautende Ableitung erlaubt als der, nun vollständig ausgewertete, Gesamtdatensatz. Es wurde auf Basis eines Mittelwertvergleichs der Reaktionszeiten (t-Test für gepaarte Stichproben) zunächst hergeleitet, dass die Verwendung von Curved Monitoren im Gegensatz zu den bogenförmig angeordneten, planaren Displays keinen eindeutigen Unterschied für die Reizreaktionsleistung erzeugte. Dabei waren vorteilige Tendenzen erkennbar, ein Signifikanzniveau wurde jedoch nicht erreicht. Dem Ausblick nach weiterführender Forschung wurde nachgegangen und die vervollständigte Stichprobe erneut gegen den DFG-Datensatz getestet. Damit erreichten die bereits erkannten Tendenzen für vier Merkmalskombinationen ein signifikantes Niveau und zeigen bei allen Merkmalen für das Curved Setting im Mittel schnellere Reaktionszeiten, wie in Tab. 1 ersichtlich. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass im Randbereich des peripheren Blickfeldes 13,1 % Zielreize mehr erkannt wurden. Insgesamt scheint damit ein leichter Vorteil der Curved Monitore für die periphere Erkennung von Zielreizen abzuzeichnen.

Tab. 1 Mittelwertvergleiche der ermittelten Reaktionszeiten (t-Test für gepaarte Stichproben)

3.2 Methoden und Ergebnisse der Experimentalstudien zur Bewertung potenzieller Wechselwirkungen

3.2.1 Wirkungen durch Umgebungsbeleuchtung

Studien weisen darauf hin, dass es aufgrund der gekrümmten Visualisierungsfläche relevante Blendungseffekte und Reflexionen durch die Arbeitsplatzbeleuchtung geben könnte (Zannoli und Banks 2017). Vermutet wurde weiterhin die störende Wirkung von Umgebungslichtquellen, wenn diese unter ungünstigen Bedingungen in das Arbeitssystem einwirken können. Damit wäre die Reduzierung des Sehkomforts beim Umgang mit diesen Geräten wahrscheinlich.

Die Prüfung der Wechselwirkungen und Reflexionsempfindlichkeit wurde mit idealisierten Bildinhalten (reinweiß, weiß gerastert, Fließbild Positivdarstellung, Fließbild Negativdarstellung) unter Verwendung einer Leuchtdichtekamera Lumetrix Smart 144F realisiert. Diese wurde mit Fischaugenobjektiv auf Höhe der Augenposition einer sitzenden Person (ha = 1235 mm gemäß DIN 33402-2) auf dem Arbeitsstuhl positioniert. Analog zum bekannten Curved Monitor Setting mit den drei R1000-Geräten wurden ebenfalls andere Monitoraufbauten (bogenförmig planar mit r = 1000 mm, Curved Monitore R2300) analysiert. Dabei erfolgte eine stufenweise Anhebung der arbeitsplatzwirksamen Beleuchtungsstärke von Emin = 0 lx bis Emax = 1250 lx. Es zeigte sich, dass die wahrnehmbare Helligkeit der Geräte unabhängig von der gewählten Umgebungsbeleuchtung nahezu unverändert blieb. Das kann durch die senkrechte Ausrichtung der Monitorzeilen erklärt werden, da daraus weniger Anfälligkeit für den Lichteinfall von oben resultiert (Baer et al. 2020). Dieser Effekt wird begünstigt durch die normkonforme Einrichtung des Versuchsplatzes. Wichtig ist daher eine systemische, präventive Arbeitssystemgestaltung (Kockrow et al. 2016), um negativen Effekte bei anderen Raumkonfigurationen oder veränderten Ausrichtungen ebenfalls minimieren zu können.

Für die Versuchsreihe mit Störlichtquelle wurde ein quadratisches LED-Lichtpanel eingesetzt, welches weiß leuchtend hinter der fiktiven Arbeitsperson schrittweise in einem Abstand von 2,50 m zum Zentrum der Monitorzeile bewegt wurde. Die Messungen mit der Leuchtdichtekamera belegen reproduzierbare Blendungserscheinungen auf allen Gerätekonstellationen unter den erzeugten Versuchsbedingungen. Jedoch variierte Position und Intensität der Blendungserscheinungen leicht. Auf planaren Monitoren zeigten sich diese auf mehreren Geräten, waren bei Curved Monitoren jedoch nur einmal, dafür mit größerem, überblendeten Bildbereich sichtbar. Die erzeugten Leuchtdichtebilder wurden mit der Systemsoftware IQCam (Westboro Photonics) hinsichtlich Farbschema nachjustiert und als typische Falschfarbendarstellung mit Photoshop© weiterverarbeitet. Durch Nutzung der Histogrammfunktion gelang farbbasiert eine Segmentierung in helle und dunkle Bereiche anhand des 50. Perzentils. Pixelbasiert konnte das Verhältnis von Hell- (entspricht der Reflexionsfläche) und Dunkelbereichen an den ausgeschalteten Monitorkonstellationen verglichen werden. Zwischen dem planaren Aufbau mit einer Reflexionsfläche von 6,43 % und dem direkt vergleichbaren Curved Setting mit R1000 zeigte sich eine Zunahme der Reflexionsfläche um 1,55 % auf 7,98 %.

Darüber hinaus wurde mit der beschriebenen Leuchtdichtemesstechnik die Helligkeitsdarbietung der Curved Systeme überprüft (Kockrow 2023b). Anreiz gab die üblicherweise senkrechte Aufstellung dieser Monitore, insbesondere bei kombinierter Verwendung mehrerer Geräte. Was sich für die Wechselwirkung mit der Umgebungsbeleuchtung in der Versuchskonstellation vorteilhaft zeigte, scheint nun einen deutlichen Nachteil zu generieren. Aus einer typischen Sitzposition führt die neigungslose Aufstellung zu einem Helligkeitsabfall und damit reduzierter Kontrastierung von Inhalten von oben nach unten, da die Blicklinie im unteren Bereich spitzer auf die Bildfläche trifft. Eine Neigung der Monitore um 12° egalisiert diesen Effekt bereits weitgehend.

3.2.2 Akustische Wechselwirkungen

Mit den bekannten Gerätesettings wurden Messreihen durchgeführt, um akustische Wechselwirkungen zu prüfen. Dabei lag die Hypothese zugrunde, dass durch die ideale Krümmung der Monitorflächen eine Art Paraboleffekt entstehen wird, welcher zu Schallbündelungen im Zentrum des Brennpunktes führen kann, also dort, wo in realen Arbeitssituationen die Arbeitsperson verortet wäre.

Gemessen wurde dabei mit oder ohne Personendummy und Schreibtischstuhl. Insgesamt entstanden 166 Messungen an definierten Messpunkten. Verwendet ein integrierender Schallpegelmesser der Firma Brüel & Kjaer mit Genauigkeitsklasse 1. Als Störquelle wurde weißes Rauschen mit einer aktiven Studiobox wiedergegeben, um über alle Frequenzanteile eine konstante Signalleistung pro Frequenzbandbreite zu enthalten (Weinzierl 2008). Nach Einmessen der Box erfolgte die Wiedergabe des Rauschens mit einem Schalldruckpegel von 80 dB(A) zur Maximierung etwaiger Wirkeffekte. Die Box wurde mit einem Abstand von a = 0,5 m frontal auf die rückwärtige Wand ausgerichtet. Bei allen Messungen trugen die Versuchsdurchführenden geeigneten Hörschutz.

Vor allem an engradialen Aufbauten konnte der vermutete Paraboleffekt nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich beim R1000 Curved Setting eine Anhebung des Schallpegels durch Bündelung des Diffusschalls um 2,54 dB, was gemäß Weinzierl (2008) bereits deutlich hörbar wäre. Allerdings befand sich der ermittelte Hotspot auf halber Monitorhöhe in Zentrum der Tischfläche, sodass dieser Effekt für eine sitzende Person keinen Effekt haben dürfte. Messungen im Ohrbereich zeigten ebenfalls keine relevanten Schallpegelveränderungen. Mit zunehmendem Radius schwächte sich dieser Effekt ohnehin sehr schnell ab. Dennoch ist abzuleiten, dass bei bestimmten Arbeitsplatzkonfigurationen, z. B. engradialen Monitoren auf Ohrenhöhe, oder ungünstig wirkenden Schallereignissen im rückwärtigen Raum hinter den Arbeitsplätzen eine akustische Wechselwirkung nicht ausgeschlossen werden kann. Daher sind auch hier eine sorgfältige Planung nach dem systemischen Ansatz und eine präventive Akustiksimulation angeraten.

3.3 Usability Experience

Eine Teilgruppe (N = 18; MWAlter = 25,4 Jahre; SD = 2,472) der Probandenstichprobe erhielt im Anschluss an den Versuch kurz Zeit, mit dem System zu interagieren, um einen realen Eindruck bezüglich der Bedienung des Systems zu erfahren. Danach wurde eine subjektive Einschätzung wahrgenommener Vor- und Nachteile sowie der Interaktionsqualität abgefragt. Die Versuchspersonen äußerten sich mehrheitlich neutral mit vereinzelten Anmerkungen (Abb. 4). Durch den engen Radius und die Kombination der drei Monitore entstand eine umschließende Visualisierungsfläche. Dies wirkte zunächst befremdlich (27,8 %) und führte zu einer empfundenen Umschlossenheit bei ca. ein Viertel der Befragten (22,2 %). Echtes Unwohlsein berichteten 11,1 % der Probanden. In einem Fall wurde der Versuch daher abgebrochen. Zudem sprachen 38,9 % von Ermüdungserscheinungen, wobei diese primär dem MCT und den durchgeführten Testdurchläufen zugeschrieben wurden.

Zu sehen ist auch, dass häufig von der erschwerten Orientierung und Suche nach dem Mauszeiger gesprochen wurde. Die Position des Mauszeigers sei auf der nicht vollständig überschaubaren und hochauflösenden Visualisierungsfläche schwer zu bestimmen, sodass Suchzeiten und Verwirrungen resultierten. Leichte Abhilfe konnte durch Aktivieren der Hervorhebungsfunktion des Mauszeigers erreicht werden. Bei ungünstigen Blickwinkeln reichte jedoch selbst diese Zusatzfunktion nicht aus, um den Mauszeiger gewohnt schnell zu finden. Das liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit daran, dass aufgrund der sehr hohen Auflösung der Visualisierungsfläche und der geringen Mauszeigergröße im peripheren Bereich weder Position noch Zeigerbewegungen wahrnehmbar sein können. Diese Erfahrung kann als subjektive Wahrnehmung durch die Versuchsleitung bestätigt werden, wobei auch kleinere Elemente wie Bedienfenster, sofern peripher eingeblendet, erst nach bewusstem Suchen durch Blickverlagerung auf alle drei Monitoren bemerkt wurden. So wird Zeit gebunden, welche die Effizienz der Arbeit reduzieren kann und im zeitkritischen Bedarfsfall unnötige Verzögerungen bedeutet hätten. Häufen sich derartige Ereignisse, kann ein Beanspruchungserleben im Sinne des Technikstress, welche zu negativen Einstellungen und Emotionen führen können, nicht ausgeschlossen werden (Hoppe 2009). Aus diesem Grund sollte auch diese Erkenntnis bei der betrieblichen Anwendungen und grafisch komplexen Anzeigeinhalten Berücksichtigung finden.

4 Praxisrelevante Ableitungen

Zusammenfassend lassen sich aus den durchgeführten Studien und Experimenten Erkenntnisse für den Praxiseinsatz ableiten. Diese sind als Entscheidungsgrundlage für die Abwägung des Einsatzes ultrabreiter Curved Monitore nutzbar.

4.1 Wirkung auf Leistungsparameter

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass ein vorsichtig formuliertes, positives Fazit für den Einfluss von Curved Monitoren auf die Signalentdeckung in peripheren Blickbereichen sowie die Reiz-Reaktionsgeschwindigkeit ableitbar ist. Identifizierte Unterschiede zeigen geringe Effektstärken bei nur teilweise nachweisbarer Signifikanz. An den Curved Monitoren waren die Signalerkennung als auch die Quittierung (Reizreaktionszeit) im verwendeten Versuchsdesign minimal besser ausgeprägt. Es ist zwar nicht gänzlich auszuschließen, dass bestimmte Merkmale der Versuchsumgebungen oder flankierende Parameter das abgeleitete Ergebnis geringfügig beeinflusst haben könnten, dennoch stehen dem Einsatz von Curved Monitoren in Bezug auf die untersuchten Leistungsparameter keine einschränkenden Argumente entgegen. Die Studien belegen, dass die Verwendung gekrümmter Monitorsysteme keine leistungsreduzierenden Auswirkungen für Leitwartenanforderungen, zumindest bezüglich dieser beiden analysierten Parameter, nachgewiesen werden konnten. Vermutlich sind die Erkenntnisse auch für ähnliche, komplex visualisierte Arbeitsplätze gültig. Dazu wird jedoch zu einer anwendungsspezifischen Analyse geraten.

4.2 Ergonomische Auswirkungen

Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht verändert sich das positive Bild etwas, da einige flankierende Wirkeffekte nachgewiesen werden konnten. So können aufgrund der beschriebenen Akustikbündelung und Blendanfälligkeit durchaus beeinträchtigende Phänomene auftreten, denen durch gründliche und umfassende, präventive Arbeitssystemgestaltung jedoch weitgehend entgegengewirkt werden kann. Zudem zeigte sich, dass sich die beschriebenen Auswirkungen mit zunehmend öffnendem Radius schnell auf ein vertretbares Maß reduzieren. In Ableitung dessen wird empfohlen, bei ultrabreiten oder kombinierten Visualisierungskonstellationen auf Radien r < 1800 mm zu verzichten. Weiterführend konnte gezeigt werden, dass wegen der Krümmung die Seitenbereiche des Monitors näher an den Betrachtenden rücken, wodurch der nötige, horizontale Blickbereich unter Umständen erweitert werden muss. Im Wahrnehmungsraum über ±35° sind Kopf- und Augenbewegungen für die beanspruchungsadäquate visuelle Abtastung der Szene notwendig, wodurch vor allem bei engen Radien erhöhte physiologische Kosten nicht ausgeschlossen werden können.

Maßgebliche Einschränkungen werden jedoch bei der Neigung von Curved Monitoren deutlich, wobei hier vor allem bei kombinierter Verwendung mehrerer Geräte negative Effekte auftreten (Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Deskriptive Aufarbeitung der Gesprächserkenntnisse zur UX

Abb. 5
figure 5

Neigungseffekte bei ultrabreiten Curved Monitoren

Die Neigung eines gekrümmten Bildschirms führt, je nach Neigungswinkel, zu einer mehr oder minder starken Wannenbildung, welche zu entsprechenden unnatürlichen, mehrdimensionalen Kopfdrehungen und Bildverzerrungen führen kann. Die Arbeit mit einem um 35° geneigten ultrabreiten Curved Monitor ist daher prinzipiell nicht ratsam. Bei Neigung kombiniert betriebener Monitore würde die Bildfläche mit unterschiedlichen Ausrichtungen aufbrechen, was Sinneinheiten trennen und Lesbarkeit bzw. Interpretierbarkeit gefährden könnte. Die anerkannte Forderung nach einer orthogonal auftreffenden Blicklinie ist jedoch ohne Bildschirmneigung nicht realisierbar. Bezüglich dieses Spannungsfeldes stellt sich die Nutzung von Curved Monitoren als Herausforderung dar und kann nur eine Kompromisslösung bieten, die im ungünstigsten Fall mit erhöhtem Beanspruchungserleben einhergeht. Eine bedarfsgerechte Individualisierbarkeit ist somit nur bedingt möglich, was durch die starren Radien der Monitore zusätzlich eingeschränkt wird.

4.3 Technische Anforderungen

Daraus ergeben sich auch technische Anforderungen an die Arbeitsplatzgestaltung, da der Monitorradius keinerlei Flexibilität eröffnet. Ferner ist zu berücksichtigen, dass ultrabreite Monitore, vor allem bei Integration in sicherheitskritischen Anwendungsfeldern, allgemeine Nachteile in Bezug auf die technische Verfügbarkeit bzw. Redundanz mit sich bringen. Da diese häufig gekrümmt ausgeführt sind, wodurch ein indirekter Wirkzusammenhang entsteht. Üblicherweise werden auf diesen Geräten gesplittete Darstellungen verschiedener Inhalte im 4:3- oder 16:9-Format visualisiert. Versagt der Monitor dann, steht der gesamte Bildbereich nicht mehr zur Verfügung. Die Nutzung mehrerer kleinformatiger Geräte fällt nur ein Teil der Visualisierungsfläche aus und das System bleibt weiter benutzbar. In diesem Kontext ist auch erwähnenswert, dass zum aktuellen Zeitpunkt kein Curved Gerät mit echter 24/7-Zertifizierung bekannt ist. Selbst Top-Geräte begrenzen die Garantie auf 30.000 h in fünf Jahren. In Leitzentralen und Leitstellen sind dauerbesetzte Arbeitsplätze jedoch die Regel, wodurch auch dieser Fakt bei einer Investitionsentscheidung berücksichtigt werden sollte. Darüber hinaus sind auch IT-Anforderungen dringend vorab zu prüfen, um die notwendige Grafikleistung zur Verfügung stellen und die Monitore in bestehende IT-Infrastrukturen integrieren zu können. Das ist wichtig, da Bildinhalte und Datenübertragungsraten mit den Gerätespezifikationen kompatibel sein müssen, um einen hohen Sehkomfort und den erwarteten Mehrwert zu gewährleisten.

5 Fazit

Abschließend wird resümiert, dass zwar weitere Erkenntnisse für ergonomische Eigenschaften von Curved Monitoren im beschriebenen Anwendungsfeld erarbeitet wurden, ein Votum für oder gegen den Einsatz von Curved Monitoren jedoch trotzdem nicht generalisierbar und eindeutig hergeleitet werden kann. Es war insgesamt ein vorsichtig positiver Hinweis auf Verbesserungen der Erkennungs- und Reaktionsleistung für periphere Zielreize bei Curved Monitoren ableitbar. Gleichermaßen zeigen sich einschränkende Wechselwirkungen mit der Umgebung und der subjektiven Wahrnehmung. Insbesondere vor dem Hintergrund hoher Verfügbarkeitsanforderungen in sicherheitsrelevanten Anwendungsbereichen, muss der Einsatz dieser Monitore bedarfsgerecht geprüft und kritisch bewertet werden.

Insgesamt stellt die beschriebene Studie eine wichtige Ergänzung im Sinn des Forschungsziels „Smarte Warte“ des Arbeitsgebiets Awip der BTU Cottbus-Senftenberg dar, da bereits publizierte Ergebnisse auf Basis der hier erarbeiteten Ableitungen vervollständigt und aktualisiert werden konnten. Die Ergebnisse liefern vor allem für Arbeitsplätze mit hoher Visualisierungsmitteldichte eine mögliche Entscheidungsgrundlage für die Definition von Systemspezifikationen. Insgesamt zeigt sich, dass Monitore mit geringer Krümmung für alle Anwendungsbereiche aus ergonomischer Sicht grundsätzlich nutzbar sind, wobei zu einer präventiven, systemischen Bewertung der Anforderungen für jeden Anwendungsfall geraten wird.

Darüber hinaus kann vermutet werden, dass durch ultrabreite Curved Monitore auch neue Belastungs- und Beanspruchungseffekte im Sinne der Visuellen Komfortzone für Operatortätigkeit (Kockrow 2014) erwartbar sind. Es wurde sehr deutlich, dass eine Pauschalaussage zur Begrenzung genutzter Visualisierungsmittel für die Einhaltung dieser Zone mit dem aktuellen technischen Stand nicht auf die Geräteanzahl, sondern auf die effektiven Dimensionen der Visualisierungsfläche bezogen formuliert werden muss. Im Ergonomielabor von Awip wird aktuell eine weiterführende Studie geplant.