1 Einleitung

In den letzten Jahrzehnten hat der Dienstleistungssektor kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2022 waren im Dienstleistungssektor mit 75,2 % aller Erwerbstätigen mehr Arbeitskräfte beschäftigt als in der Land- und Forstwirtschaft (1,2 %) und der produzierenden Industrie (23,6 %) zusammen (Statistisches Bundesamt 2023). Die Ausdehnung des Dienstleistungssektors ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Zum einen wird sie durch neue Bedürfnisse angetrieben, die unter anderem durch neu entstehende Dienstleistungen erfüllt werden sollen. Zum anderen spielt die Tertiärisierung der Produktion eine wichtige Rolle, wobei Produktionsgüter zunehmend durch Dienstleistungen und Serviceangebote ergänzt werden (Minssen 2019).

Ein Kennzeichen des Dienstleistungssektors ist die Heterogenität der Tätigkeiten und Anforderungen (Kulke 2023). Diese reicht von Tätigkeiten im Gesundheitswesen sowie der Gebäudereinigung über Beratungs‑, Lehr- und Verkaufstätigkeiten bis hin zu Tätigkeiten in der Unterhaltungsbranche (Kaboth et al. 2021). Ein wichtiges Merkmal der Tätigkeiten ist allerdings die „Arbeit mit und an Menschen“ (Böhle et al. 2015, S. 13; Kulke 2023). So haben ca. 70 % der Beschäftigten im Dienstleistungssektor Kontakt zu Kundinnen und Kunden, Klientinnen und Klienten oder Patientinnen und Patienten (DGB-Index Gute Arbeit 2018). Studien weisen im diesem Zusammenhang darauf hin, dass Beschäftigte im Dienstleistungssektor häufig mit psychischen Arbeitsanforderungen wie hoher Arbeitsintensität konfrontiert sind (Stab und Schulz-Dadaczynski 2017; Wagner et al. 2022), die insbesondere das Risiko von psychosomatischen Gesundheitsbeschwerden erhöhen können (Franke 2015).

Tätigkeiten, die keine berufliche Qualifikation erfordern bzw. schnell erlernbar sind, werden derzeit ebenfalls anteilig überwiegend im Dienstleistungssektor ausgeübt (Kaboth et al. 2021, 2022). Spezifische Untersuchungen zu Basisarbeit im Dienstleistungssektor sind bislang rar (Bosch und Weinkopf 2011; Kaboth et al. 2021; Widmer und Geisen 2022). Die bestehenden Untersuchungen konzentrieren sich oft auf den Arbeitsmarkt und befassen sich mit der Frage, ob Basisarbeit dazu dienen kann, ungelernte oder gering qualifizierte Arbeitslose in den Arbeitsmarkt zu integrieren (Abel et al. 2009b). Dabei bieten sie jedoch nur begrenzte Einblicke in die konkreten Arbeitsbedingungen von Basisarbeitenden in diesem Sektor. Studien zu den Arbeitsbedingungen von Basisarbeitenden im Allgemeinen (z. B. Hall und Sevindik 2020; Lyly-Yrjänäinen 2008) oder im industriellen Sektor (z. B. Abel et al. 2009a, 2014) deuten darauf hin, dass Basisarbeit vermehrt mit physischen und umweltbezogenen Arbeitsbedingungen verbunden ist. Ebenso zeichnet sich Basisarbeit durch einen hohen Anteil an Routineaufgaben aus und bietet nur wenig Autonomie und soziale Unterstützung. Zudem ist die Verbreitung von unsicheren Beschäftigungsverhältnissen in der Basisarbeit weit verbreitet. Erste Untersuchungen anhand der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 zeigen, dass Basisarbeit im Dienstleistungssektor wie im industriellen Sektor mit höheren körperlichen Arbeitsbedingungen und geringerem Handlungsspielraum verbunden ist. Allerdings sind Basisarbeitende im Dienstleistungssektor auch von hohen psychischen Anforderungen betroffen, wie dem gleichzeitigen Betreuen verschiedener Arbeiten oder auch dem sehr schnellen Arbeiten (Kaboth et al. 2021). Ferner ist Basisarbeit im Dienstleistungssektor teilweise mit hohen Anforderungen an die Interaktionsarbeit mit Kundinnen und Kunden verbunden (Geisen und Widmer 2023). Insgesamt ist Basisarbeit im Dienstleistungssektor unter anderem durch vielfältige und komplexe wie interaktive Tätigkeitsstrukturen geprägt. Diese Anforderungen widersprechen dem klassischen Bild der Basisarbeit – einfachen Tätigkeiten, die lediglich zivilisatorische Mindestanforderungen erfordern (Pöser et al. 2023; Sengenberger 1978).

Der stetige Wandel der Arbeitswelt führt zu „neuer Basisarbeit“ im Dienstleistungssektor, die unter anderem durch eine Veränderung der Arbeitsmittel sowie durch neue Anforderungen an Beschäftigte charakterisiert ist (Hassler et al. 2019; Widmer und Geisen 2022). Allerdings fehlen bislang weitestgehend quantitative Einblicke mit Befragungsdaten, mit denen die Arbeitsanforderungen und Ressourcen von Basisarbeitenden im Dienstleistungssektor differenzierter untersucht werden. Vor allem mangelt es an Studien, die die Auswirkungen der im Dienstleistungssektor vorherrschenden Anforderungen in Basisarbeit auf die Gesundheit der Beschäftigten untersuchen. Analysen der gesundheitlichen Situation von Basisarbeitenden insgesamt im Vergleich zu Facharbeiter/-innen und hochqualifizierten Beschäftigten deuten darauf hin, dass Basisarbeitende die eigene Gesundheit häufig schlechter oder weniger gut einschätzen und vor allem häufiger von Muskel-Skelett-Beschwerden berichten (Lück und Kopatz 2021). Ob sich dies auch so im Dienstleistungssektor zeigt, bleibt offen. In Anbetracht des weiteren Wachstums des Dienstleistungssektors und der Zunahme von Basisarbeit in diesem Bereich, stellen die differenzierte Betrachtung der Arbeits- und Gesundheitssituation eine relevante zu füllende Forschungslücke dar.

Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Studie die Arbeits- und Gesundheitssituation von Basisarbeitenden in drei ausgewählten Dienstleistungssektoren. Dabei wird zunächst allgemein überprüft, ob es Unterschiede in den Gesundheitsrisiken von Erwerbstätigen in den Dienstleistungssektoren Handel, Finanzwesen, öffentliche Dienstleistungen gibt und ob sich gesundheitliche Unterschiede aus dem Zusammenspiel der jeweiligen Sektoren und Basisarbeit bzw. Nicht-Basisarbeit ergeben. Anschließend werden die Arbeitsbedingungen von Basisarbeitenden in den drei Dienstleistungssektoren in den Fokus gerückt. Hierfür wird der Zusammenhang von Arbeitsbedingungen und Gesundheit der im jeweiligen Sektor tätigen Basisarbeitenden beleuchtet. In Anlehnung an den explorativen Charakter der Untersuchung wird zwei grundlegenden Fragestellungen nachgegangen:

  1. 1.

    Berichten Basisarbeitende über ein unterschiedliches Maß an Arbeitsanforderungen und Ressourcen sowie psychosomatischen und muskuloskelettalen Gesundheitsbeschwerden in Abhängigkeit vom jeweiligen Dienstleistungssektor?

  2. 2.

    Welche Prädiktoren sind innerhalb der Dienstleistungssektoren für psychosomatische und muskuloskelettale Beschwerden von Basisarbeitenden die wichtigsten?

Die Analysen basieren auf der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018, einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Erwerbstätigen. Bestehende Erkenntnisse zu Basisarbeit im Dienstleistungssektor werden durch die vorliegende Studie zum einen durch die Berücksichtigung der Heterogenität der Tätigkeiten erweitert. Zum anderen ist das Wissen zum Zusammenhang von Arbeitsbedingungen und Gesundheit eine entscheidende Voraussetzung für die angemessene Gestaltung der Basisarbeit.

2 Daten und Methoden

2.1 Studienpopulation

Die BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 ist eine repräsentative Querschnittsbefragung von Erwerbstätigen ab 15 Jahren, die mindestens 10 h pro Woche einer bezahlten Tätigkeit nachgehen (Rohrbach-Schmidt und Hall 2020). Die Befragung stellt eine der umfangreichsten Erhebungen von Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastung in Deutschland dar. Sie verfolgt das Ziel, differenzierte und repräsentative Aussagen über Erwerbstätige und ihre Arbeitsplätze treffen zu können.

Für die nachfolgenden Analysen wurde die ungewichtete Stichprobe verwendet und auf abhängig Beschäftigte (d. h. Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte, Beamtinnen und Beamte) im Dienstleistungssektor beschränkt (n = 12.386). In Anlehnung an die Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ 2008 (Eurostat 2008) wurden die Dienstleistungssektoren in drei Bereiche unterteilt: a) den Handelssektor (d. h. Abschnitte G bis J, n = 3276), zu dem z. B. der Groß- und Einzelhandel etc. gehören; b) den Finanzsektor (d. h. Abschnitte K bis N, n = 2099), zu dem z. B. das Versicherungsgewerbe und das Grundstücks- und Wohnungswesen etc. gehören; und c) den öffentliche Dienstleistungen (d. h. die Abschnitte O bis U, n = 7011), zu dem z. B. die öffentliche Verwaltung, das Gesundheitswesen und das Bildungswesen gehören. Diese Differenzierung basiert auf Untersuchungen von Beermann (2014) und Pundt und Lück (2021), in denen Arbeitsbedingungen von Beschäftigten und Führungskräften in Dienstleistungssektoren anhand der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen 2012 und 2018 untersucht wurden.

Für die Operationalisierung von Basisarbeit gibt es in der bisherigen Forschung unterschiedlichste Konzepte (Kaboth et al. 2022). In den nachfolgenden Analysen wurde Basisarbeit in Anlehnung an Hall und Sevindik (2020) mithilfe der folgenden Frage operationalisiert: „Welche Art von Ausbildung ist für die Ausübung Ihrer Tätigkeit als <Tätigkeit einblenden> in der Regel erforderlich? Eine abgeschlossene Berufsausbildung, ein Fachhochschul- oder Universitätsabschluss, ein Fortbildungsabschluss, z.B. zum Meister- oder Techniker, oder ist kein beruflicher Ausbildungsabschluss erforderlich?“. Wenn kein beruflicher Ausbildungsabschluss für die Ausübung erforderlich ist, wird angenommen, dass es sich bei der derzeitigen Tätigkeit um Basisarbeit handelt. Bei allen anderen Tätigkeiten wird von Nicht-Basisarbeit ausgegangen. Da in dieser Untersuchung Basisarbeitende betrachtet werden, sind, mit Ausnahme von Tab. 2, Nicht-Basisarbeitende (n = 10.697) aus den Analysen ausgeschlossen. Aufgrund fehlender Werte konnten weitere n = 234 nicht in den Analysen berücksichtigt werden, sodass insgesamt n = 1455 Basisarbeitende Grundlage der Auswertungen sind, darunter n = 715 im Handelssektor, n = 245 im Finanzsektor und n = 495 in öffentlichen Dienstleistungen.

Die Sektoren der WZ 2008 können für einen genaueren Einblick in die Zusammensetzung der Gruppen noch weiter ausdifferenziert werden (siehe Tab. 1). Im Handelssektor sind die größten Anteile von Basisarbeiten demnach im Einzelhandel (32 %), der Gastronomie (14 %) und in Post‑, Kurier- und Expressdiensten sowie im Bereich Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen (jeweils 13 %) zu finden. Im Finanzsektor sind die meisten Basisarbeitenden der Gebäudebetreuung; dem Garten- und Landschaftsbau (39 %), den Wach- und Sicherheitsdiensten (12 %) und dem Wirtschaftszweig „Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen für Unternehmen und Privatpersonen“ (11 %) zuzuordnen. Im Wirtschaftszweig „Öffentliche Dienstleistungen“ sind Basisarbeitende vorwiegend im Gesundheitswesen (24 %), in der Öffentlichen Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung (19 %) und im Sozialwesen (16 %) tätig.

Tab. 1 Table 1 Basisarbeitende im Dienstleistungsbereich nach den jeweils fünf häufigsten Wirtschaftszweigen in %Low-skilled service jobs by the five most common sectors in each case in %

Insgesamt besteht die ungewichtete Stichprobe von Basisarbeitenden im Dienstleistungssektor zu 56 % aus Frauen und zu 44 % aus Männern mit einem Durchschnittsalter von 46,3 Jahren (Standardabweichung: 12,7). Rund 25 % haben keinen Berufsabschluss, 58 % haben eine betriebliche, schulische Berufsausbildung oder sind Beamte im einfachen und mittleren Dienst, 4 % haben eine weiterführende Berufsausbildung (z. B. Meister, Techniker, Fachwirt u. ä.), und 13 % haben einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss bzw. sind Beamte im höheren Dienst.

2.2 Untersuchungsvariablen

Nachfolgend werden die in der Studie verwendeten Untersuchungsvariablen zur Operationalisierung der Bereiche gesundheitliche Beschwerden, Ressourcen, psychische Anforderungen sowie physische und umgebungsbezogene Anforderungen beschrieben. Für die verschiedenen Bereiche wurden, mit Ausnahme der Ressource „soziale Unterstützung“ und der psychischen Anforderung „emotionale Belastung“, Summenindizes oder Mittelwertskalen gebildet. Die angegebenen internen Konsistenzen (Cronbachs α bzw. Spearman-Brown r) beziehen sich dabei auf die Stichprobe aller abhängig beschäftigten Basisarbeitenden im Dienstleistungssektor (n = 1455). Mittelwerte, Standardabweichungen, Stichprobengröße und Post-hoc Tests der Untersuchungsvariablen für Basisarbeitende im Dienstleistungssektor sind der Tab. 3 zu entnehmen. Für den genauen Wortlaut der Items sei hier auf den Daten- und Methodenbericht verwiesen (siehe Rohrbach-Schmidt und Hall 2020).

Die gesundheitlichen Beschwerden wurden durch acht Items zu psychosomatischen Beschwerden (unter anderem Kopfschmerzen, Niedergeschlagenheit) und acht Items zu muskuloskelettalen Beschwerden (unter anderem Rücken- oder Nackenschmerzen) berücksichtigt. Dabei wurde die Anzahl der Beschwerden jeweils gezählt und über einen Summenindex abgebildet, sodass die Werte der Skalen von 0 (keine Beschwerden) bis 8 (alle Beschwerden) reichen (Franke 2015; Pundt und Lück 2021).

Im Rahmen der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 wurden Erwerbstätige jeweils auf einer Skala von 1 (häufig) bis 4 (nie) gefragt, wie häufig sie bei ihrer Arbeit unterschiedliche Ressourcen aufweisen und verschiedenen psychischen und körperlichen sowie umgebungsbezogenen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind. Um die Interpretation der Ergebnisse zu erleichtern, wurden die Antwortkategorien der Items vor der Analyse in 1 (nie) bis 4 (häufig) umcodiert.

Für die Ressourcen wurden im Sinne von sozialer Unterstützung drei Einzelitems zur Häufigkeit von Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen, Unterstützung vom bzw. von der direkten Vorgesetzten sowie Lob und Anerkennung vom bzw. von der direkten Vorgesetzten in die Analysen integriert. Der arbeitsbezogene Handlungsspielraum wurde durch eine Mittelwertskala abgebildet, dessen einbezogene Items sich auf den Einfluss auf die Arbeitsmenge, Pausengestaltung und das Planen und Einteilen der eigenen Arbeit beziehen (α = 0,60). In Bezug auf die Kontrollmöglichkeiten der Beschäftigten wurden zwei Items zu fehlender Kontrolle als Mittelwertskala in die Analysen integriert, darunter die Abfragen dazu, wie oft Befragte nicht rechtzeitig über wichtige Änderungen informiert werden und wie häufig sie nicht alle notwendigen Informationen erhalten, um ihre Arbeit ordnungsgemäß auszuführen (demnach gehen höhere Werte mit geringeren Kontrollmöglichkeiten einher, Spearman-Brown r = 0,71).

Für die psychischen Arbeitsanforderungen wurden Mittelwertskalen zu Arbeitsintensität, Monotonie und kognitiven Anforderungen gebildet. In Anlehnung an Franke (2015) wurden zur Messung von Arbeitsintensität fünf Items in einer Mittelwertskala berücksichtigt, darunter Abfragen zur Häufigkeit von starkem Termin- oder Leistungsdruck, sehr schnellem Arbeiten, gleichzeitiger Betreuung verschiedener Arbeiten, Störungen oder Unterbrechungen und Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit (α = 0,74). Die Skala zu Monotonie beinhaltet zwei Items zur Häufigkeit von Vorgaben in der Arbeitsdurchführung und ständig wiederkehrenden Arbeitsvorgängen (Spearman-Brown r = 0,49). Für die Messung von kognitiven Anforderungen wurden in Anlehnung an Meyer und Hünefeld (2018) drei Items zur Auseinandersetzung mit neuen bzw. ungelernten Aufgaben und Verfahren in einer Skala berücksichtigt (α = 0,63). Die Messung von emotionaler Belastung erfolgte durch die Frage „Wie häufig kommt es bei Ihrer Arbeit vor, dass Ihre Tätigkeit Sie in Situationen bringt, die Sie gefühlsmäßig belasten?“ und wurde als Einzelitem in die Analysen integriert.

Physische Arbeitsbedingungen und Arbeitsumgebungsbedingungen wurden in Anlehnung an Pundt und Lück (2021) jeweils über einen Summenindex abgebildet. Bei physischen Arbeitsbedingungen umfasst der Summenindex vier Items, darunter Arbeiten im Stehen, Heben bzw. Tragen schwerer Lasten, Arbeiten mit Händen und Arbeiten in Zwangshaltungen. Der Summenindex zu Arbeitsumgebungsbedingungen umfasst insgesamt sechs Items zu Arbeiten bei Rauch, Staub oder unter Gasen, Dämpfen, Arbeiten unter Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit oder Zugluft, Arbeiten mit Öl, Fett, Schmutz oder Dreck, Arbeiten bei grellem Licht oder schlechter bzw. zu schwacher Beleuchtung und unter Lärm sowie Arbeiten unter störenden Geräuschen. Die Werte der Skalen für körperliche und umgebungsbezogene Anforderungen reichen von 4 (nie) bis 16 (häufig) bzw. von 6 (nie) bis 24 (häufig).

Weiterhin wurde ein Indikator zu der Anzahl von Restrukturierungsmaßnahmen als Summenskala in die Analysen integriert. In Anlehnung an Pundt und Lück (2021) enthält diese Skala acht Items zu verschiedenen Veränderungen in den letzten zwei Jahren, darunter die Einführung von neuen Computerprogrammen, die Erbringung von neuen oder deutlich veränderten Dienstleistungen, eine Umsetzung wesentlicher Umstrukturierungen oder Umorganisationen, die das unmittelbare Arbeitsumfeld betrafen, Stellenabbau oder Entlassungen, der vermehrte Einsatz von freien Mitarbeitern, Aushilfen, Praktikant/-innen oder Leiharbeitnehmenden, der Einsatz eines/einer neuen Vorgesetzten und die Zunahme von Stress und Arbeitsdruck sowie fachlichen Anforderungen. Die Skala reicht von 0 (keine Veränderungen) bis 8 (alle Veränderungen).

Verschiedene Kontrollvariablen wurden in die Regressionsanalysen integriert, um Verzerrungen der Schätzer durch unbeobachtete Heterogenität auszuschließen. Die tatsächlich geleistete durchschnittliche Wochenarbeitszeit (einschließlich Nebentätigkeiten) wurde als metrische Variable in die Analysen integriert. Zudem wurden die Analysen für Alter und Geschlecht adjustiert. Für den Bildungsgrad wurden die Analysen über die „International Standard Classification of Education 97“ (ISCED-97, siehe UNESCO 1997) kontrolliert, die aus den Abfragen des höchsten allgemeinbildenden Schulabschlusses und des höchsten Ausbildungsabschlusses konstruiert wurde. In Anlehnung an Hippach-Schneider et al. (2007) und Van der Velden und Wolbers (2003) wurde die zusammengefasste ISCED-Klassifikation mit den Stufen (1) „Primär- und Sekundarbereich“ (ISCED 0–2), (2) „Sekundarbereich II“ (ISCED 3–4) und (3) „Tertiärbereich“ (ISCED 5–6) verwendet.

2.3 Statistische Auswertungen

Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden Varianz- und Regressionsanalysen herangezogen. Dabei sind in den Berechnungen, mit Ausnahme von Tab. 2, ausschließlich Basisarbeitende des Dienstleistungssektors integriert. Zunächst wurde überprüft, ob es allgemeine Unterschiede in den Gesundheitsrisiken von Erwerbstätigen in den ausgewählten Dienstleistungssektoren gibt und ob sich gesundheitliche Unterschiede durch die Interaktion aus Dienstleistungssektoren und Basisarbeit ergeben. Dazu wurde mittels zweifaktorieller Varianzanalyse geprüft, ob sich die Mittelwerte der gesundheitlichen Beschwerden zwischen Dienstleistungssektoren und Basisarbeit vs. Nicht-Basisarbeit sowie einem Interaktionsterm, bestehend aus diesen beiden genannten Dimensionen, voneinander unterscheiden. Zur Untersuchung der Forschungsfrage 1 (Unterschiede in Arbeitsanforderungen und Ressourcen sowie gesundheitlichen Beschwerden von Basisarbeitenden) wurden für jede der Untersuchungsvariablen weitere zweifaktorielle Varianzanalysen durchgeführt. Zur Kontrolle des Fehlers vom Typ I wurden die p-Werte der Post-hoc-Tests mit der konservativen Bonferroni-Korrektur adjustiert. Zur Beantwortung von Frage 2 (Anforderungen und Ressourcen als Prädiktoren für gesundheitliche Beschwerden von Basisarbeitenden) wurden für jeden der drei Sektoren Ordinary Least Squares-Regressionsanalysen (OLS) mit standardisierten Koeffizienten und robusten Standardfehlern für psychosomatische und muskuloskelettale Gesundheitsbeschwerden durchgeführt.

Tab. 2 Table 2 Effektstärken der Unterschiede von psychosomatischen und muskuloskelettalen Beschwerden für alle Beschäftigten im Dienstleistungsbereich unter Berücksichtigung von Dienstleistungssektoren, Basisarbeit und Nicht-Basisarbeit sowie einem InteraktionstermEffect sizes of differences in psychosomatic and musculoskeletal complaints for all service workers, considering service sectors, low-skilled and non-low-skilled jobs, and an interaction term

3 Ergebnisse

In diesem Kapitel berichten wir zunächst von Ergebnissen zur gesundheitlichen Situation von Erwerbstätigen in und außerhalb der Basisarbeit, in Dienstleistungssektoren sowie in der Kombination aus Tätigkeit und Sektor. Anschließend berichten wir die Ergebnisse in der Reihenfolge unserer zwei Forschungsfragen.

Tab. 2 zeigt, dass die Effektstärken für muskuloskelettale Beschwerden bei einer Differenzierung von Basisarbeit vs. Nicht-Basisarbeit nach Cohen (1988) eine „kleine“ Ausprägung aufweisen. Dabei wird durch diese Differenzierung geringfügig mehr Varianz erklärt als durch die Differenzierung der Dienstleistungssektoren. Auch für die psychosomatischen Beschwerden zeigen sich im Bereich der Dienstleistungssektoren kleine Effektstärken. Der Interaktionseffekt zwischen Dienstleistungssektoren und Basisarbeit vs. Nicht-Basisarbeit ist hingegen nicht signifikant. Die Ergebnisse der Varianzanalysen zeigen somit, dass sich Basisarbeitende und Nicht-Basisarbeitende sowie Beschäftigte in unterschiedlichen Dienstleistungsbereichen in Bezug auf die Anzahl gesundheitlicher Beschwerden geringfügig voneinander unterscheiden.

3.1 Forschungsfrage 1: Unterschiede in Arbeitsanforderungen und Ressourcen sowie gesundheitlichen Beschwerden von Basisarbeitenden

Nachfolgend gehen wir auf die signifikanten Unterschiede zwischen den Sektoren hinsichtlich der Arbeitsanforderungen und Ressourcen sowie gesundheitlichen Beschwerden von Basisarbeitenden ein (Tab. 3 und 4). In Bezug auf die Tab. 3 sei erwähnt, dass die hier aufgezeigten Effektstärken laut Interpretationshilfe von Cohen (1988) durchweg als „klein“ zu werten sind. Die signifikanten Faktoren erklären jeweils ca. 1–2 % der ohne die jeweiligen Faktoren ungeklärten Fehlervariation. Tab. 3 gibt einen genauen Einblick in die Mittelwertdifferenzen.

Tab. 3 Table 3 Effektstärken der sektoralen Unterschiede von Basisarbeitenden im Dienstleistungsbereich unter Berücksichtigung aller UntersuchungsvariablenEffect sizes of the sector differences of workers in low-skilled service jobs considering all study variables
Tab. 4 Table 4 Mittelwerte, Standardabweichungen, Stichprobengrößen und Post-hoc-Tests (Bonferroni-Korrektur) aller Untersuchungsvariablen für Basisarbeitende in den drei SektorenMeans, standard deviations, sample sizes, and post-hoc tests (Bonferroni correction) of all variables for workers in low-skilled service jobs

Die Ergebnisse zeigen insgesamt eine Variation der Arbeitsbedingungen und gesundheitlichen Beschwerden zwischen den drei Dienstleistungssektoren. Tiefergehend betrachtet wird deutlich, dass Basisarbeitende im Handelssektor im Vergleich zu den anderen Sektoren signifikant häufiger von hoher Arbeitsintensität und Restrukturierungen betroffen sind. Darüber hinaus berichten Basisarbeitende im Handelssektor häufiger von körperlichen Anforderungen als im Finanzsektor sowie über eine höhere Prävalenz von monotonen Arbeitsbedingungen als in öffentlichen Dienstleistungen. Im Finanzsektor sind ebenfalls monotone Arbeitsbedingungen deutlicher ausgeprägt als in öffentlichen Dienstleistungen. Ferner ist der arbeitsbezogene Handlungsspielraum von Basisarbeitenden in diesem Sektor stärker ausgeprägt als im Handelssektor. Basisarbeitende in öffentlichen Dienstleistungen sind im direkten Vergleich mit allen anderen Sektoren häufiger von hoher emotionaler Belastung betroffen. Im Vergleich zum Handelssektor zeigen sich für Basisarbeitende dieses Sektors signifikant höhere Mittelwerte für kognitive Anforderungen und für arbeitsbezogenen Handlungsspielraum. Im Vergleich zum Finanzsektor berichten Basisarbeitende in öffentlichen Dienstleistungen signifikant häufiger von physischen Arbeitsbedingungen.

In Bezug auf die Gesundheit berichten Basisarbeitende im Handelssektor signifikant häufiger als im Finanzsektor von muskuloskelettalen Beschwerden. Psychosomatische Beschwerden werden von Basisarbeitenden in öffentlichen Dienstleistungen signifikant häufiger berichtet als im Finanzsektor.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass es spezifische Muster von Arbeitsbedingungen und Gesundheitsbeschwerden in den drei Dienstleistungssektoren gibt. Daher wurden die nachfolgenden Analysen zum Zusammenhang von Arbeitsanforderungen, Ressourcen und gesundheitlichen Beschwerden getrennt für die drei Dienstleistungsbereiche durchgeführt.

3.2 Forschungsfrage 2: Anforderungen und Ressourcen als Prädiktoren für gesundheitliche Beschwerden von Basisarbeitenden

Hinsichtlich Forschungsfrage 2 zeigen die Ergebnisse der Regressionsanalysen insgesamt, dass sich zum einen Arbeitsbedingungen identifizieren lassen, die nur in spezifischen Sektoren im Zusammenhang mit gesundheitlichen Beschwerden stehen. Zum anderen lassen sich aber auch sektorenübergreifende Determinanten für die Gesundheit der Basisarbeitenden identifizieren.

Im Folgenden gehen wir tiefergehend auf die Ergebnisse ein und erläutern zuerst die Ergebnisse der Regressionsanalysen zum Zusammenhang von Arbeitsbedingungen und psychosomatischen Beschwerden (Tab. 5). Danach gehen wir auf die Ergebnisse zum Zusammenhang von Arbeitsbedingungen und muskuloskelettalen Beschwerden ein (Tab. 6). Jede Spalte der Tabellen zeigt die Schätzungen eines separaten Regressionsmodells. In Anlehnung an die Interpretationshilfe von Gignac und Szodorai (2016), nach der Effektgrößen von r = 0,10 als relativ klein, r = 0,20 als moderat und r = 0,30 als relativ groß zu interpretieren sind, werden nachfolgend nur statistisch signifikante Regressionskoeffizienten mit βs ≤ 0,10 berichtet. Dabei bezeichnen wir Koeffizienten von 0,10 ≤ βs < 0,20 als klein, 0,20 ≤ βs ≤ 0,29 als moderat und βs ≥ 0,30 als groß.

Tab. 5 Table 5 Ergebnisse der Regressionsanalysen für psychosomatische Beschwerden von Basisarbeitenden in den drei Sektoren unter Berücksichtigung aller UntersuchungsvariablenResults of the regression analyses for psychosomatic complaints of workers in low-skilled service jobs concerning all variables
Tab. 6 Table 6 Ergebnisse der Regressionsanalysen für muskuloskelettale Beschwerden von Basisarbeitenden in den drei Sektoren unter Berücksichtigung aller UntersuchungsvariablenResults of the regression analyses for musculoskeletal complaints of workers in low-skilled service jobs concerning all variables

In allen drei Sektoren zeigt emotionale Belastung einen moderaten bis großen und signifikanten Zusammenhang zu psychosomatischen Beschwerden. Basisarbeitende im Dienstleistungsbereich, die durch ihre Tätigkeit häufiger in Situationen gebracht werden, die sie gefühlsmäßig belasten, berichten demnach von mehr psychosomatischen Beschwerden.

Die weiteren untersuchten Faktoren Restrukturierungen und Arbeitsumgebungsbedingungen stehen in zwei von drei Sektoren in einem kleinen bis moderaten und signifikanten Zusammenhang mit psychosomatischen Beschwerden. Für Basisarbeitende, die viele organisationale Restrukturierungsmaßnahmen erleben, zeigt sich im Handels- und Finanzsektor eine signifikant höhere Anzahl psychosomatischer Beschwerden (βs = 0,14 und βs = 0,22). Basisarbeitende, die im Finanzsektor und in öffentlichen Dienstleistungen häufig von Arbeitsumgebungsbedingungen berichten, weisen eine höhere Anzahl psychosomatischer Beschwerden auf (βs = 0,19 und βs = 0,14).

Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen, physische Arbeitsbedingungen, kognitive Anforderungen, Arbeitsintensität und fehlende Kontrolle sind nur in einem der drei betrachteten Sektoren von kleiner und signifikanter Relevanz. In Bezug auf die öffentlichen Dienstleistungen kann festgestellt werden, dass Basisarbeitende signifikant weniger psychosomatische Beschwerden berichten, wenn sie mehr Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen (βs = −0,19) erhalten. Auffällig ist, dass Basisarbeitende im Finanzsektor bei häufigeren physischen Arbeitsbedingungen (βs = −0,19) und kognitiven Anforderungen (βs = −0,17) weniger psychosomatische Beschwerden aufweisen. Basisarbeitende im Handelssektor berichten bei einer höheren Arbeitsintensität von signifikant mehr psychosomatischen Beschwerden (βs = 0,14). Bei fehlenden Kontrollmöglichkeiten sind Basisarbeitende in öffentlichen Dienstleistungen stärker von psychosomatischen Beschwerden betroffen (βs = 0,13).

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen zum Zusammenhang von Arbeitsbedingungen und muskuloskelettalen Beschwerden zeigen, dass in jedem der Sektoren Arbeitsumgebungsbedingungen in einem kleinen bis großen und signifikanten Zusammenhang zu muskuloskelettalen Beschwerden stehen (Tab. 5). Wenn Basisarbeitende im Dienstleistungsbereich durch ihre Tätigkeit häufiger mit Arbeitsumgebungsbedingungen konfrontiert sind, berichten sie demnach von einer höheren Anzahl muskuloskelettaler Beschwerden.

Weitere untersuchte Aspekte zeigen sich in zwei oder nur einem der untersuchten Sektoren als signifikant. Im Handelssektor und in öffentlichen Dienstleistungen stehen physische Arbeitsbedingungen in einem moderaten bzw. kleinen und signifikanten Zusammenhang mit muskuloskelettalen Beschwerden (βs = 0,27 und βs = 0,18). Basisarbeitende im Handels- und Finanzsektor berichten von einer höheren Anzahl muskuloskelettaler Beschwerden, wenn sie ihre Arbeit als emotional fordernd erleben (jeweils βs = 0,16). Im Finanzsektor stehen häufige monotone Arbeitsanforderungen in einem signifikant positiven Zusammenhang mit der Anzahl an Muskel-Skelett-Beschwerden (βs = 0,13).

4 Diskussion

Diese Studie verfolgt das Ziel, die Arbeits- und Gesundheitssituation von Basisarbeitenden im Dienstleistungssektor näher zu beleuchten. Hierfür haben wir zunächst die Unterschiede in den gesundheitlichen Beschwerden von Beschäftigten in Basisarbeit vs. Nicht-Basisarbeit, in verschiedenen Dienstleistungssektoren und in der Interaktion zwischen Dienstleistungssektoren und Basisarbeit vs. Nicht-Basisarbeit betrachtet und anschließend verschiedene Anforderungen, Ressourcen sowie psychosomatische und muskuloskelettale Gesundheitsbeschwerden von Basisarbeitenden in den Wirtschaftszweigen Handel, Finanzwesen und öffentliche Dienstleistungen untersucht. Unseren Forschungsfragen folgend haben wir geprüft, inwiefern sich Arbeitsanforderungen und -Ressourcen sowie gesundheitliche Beschwerden bei Beschäftigten in der Basisarbeit in drei Wirtschaftszweigen des Dienstleistungssektors unterscheiden (Forschungsfrage 1) und welche Anforderungen und Ressourcen wichtige Prädiktoren für die gesundheitlichen Beschwerden von Basisarbeitenden sind (Forschungsfrage 2).

Der in Teilen signifikante Haupteffekt von Basisarbeit vs. Nicht-Basisarbeit (Tab. 2) deutet daraufhin, dass sich Basisarbeitende und Nicht-Basisarbeitende in der Häufigkeit der subjektiv berichteten Gesundheitsbeschwerden nicht stark voneinander unterscheiden. Die Tatsache, dass dieses Ergebnis eher für muskuloskelettale Beschwerden als Indikator für körperliche Gesundheit gilt, steht in Einklang mit den Ergebnissen bisheriger Forschung, die Basisarbeit als körperlich fordernd beschreiben (z. B. Abel et al. 2014; Hall und Sevindik 2020). Allerdings zeigen die weiterführenden Ergebnisse zu den Forschungsfragen, dass Basisarbeit im Dienstleistungssektor auch Tätigkeiten umfasst, die sowohl physisch als auch psychisch fordernd sind.

4.1 Forschungsfrage 1: Unterschiede in Arbeitsanforderungen und Ressourcen sowie gesundheitlichen Beschwerden von Basisarbeitenden

Hinsichtlich der Forschungsfrage 1 zeigen die Analysen, dass sich Basisarbeitende innerhalb des Dienstleistungssektors in Bezug auf Arbeitsanforderungen, Ressourcen und Gesundheitsbeschwerden voneinander unterscheiden.

Häufigere statistisch signifikante Unterschiede zu den anderen beiden Sektoren zeigen sich im Handelssektor. In diesem Sektor berichten Basisarbeitende von vergleichsweise hoher Arbeitsintensität, von vielen physischen Arbeitsbedingungen und organisationalen Restrukturierungsmaßnahmen sowie von einem geringen Handlungsspielraum und einer hohen Anzahl muskuloskelettaler Beschwerden. Die Ergebnisse stehen in Einklang mit anderen Untersuchungen, die zeigen, dass Beschäftigte im Einzelhandel und insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel hohen physischen, aber auch psychischen Anforderungen ausgesetzt sind, was auch im Zusammenhang mit einem schlechteren Gesundheitszustand steht (Lück und Hünefeld 2020; Menz und Nies 2021; Pfister 2021). Dies trifft auch auf Beschäftigte der Gastronomie (Krüger und Guhlemann 2018) und der Logistik (Siefer und Meyer 2020) zu, denen ebenfalls größere Teile der Basisarbeitenden innerhalb des Handelssektors zuzuordnen sind.

Basisarbeitende in öffentlichen Dienstleistungen berichten demgegenüber vor allem von vergleichsweise hohen kognitiven Anforderungen, hoher emotionaler Belastung und einer hohen Anzahl psychosomatischer Beschwerden. Viele Basisarbeitende dieses Sektors sind im Gesundheitswesen beschäftigt – eine Branche, in der unter anderem hohe psychische Anforderungen und hohe Anteile von Interaktionsarbeit vorzufinden sind. Letzteres ist wiederum auch mit Emotions- und Gefühlsarbeit verbunden (Angerer et al. 2019). Geisen und Widmer (2023) haben gezeigt, dass dieser Bereich für Basisarbeitende mit den beschriebenen Anforderungen und insbesondere auch mit der Konfrontation mit dem Tod oder verbale und körperliche Belästigungen verbunden ist, was sich negativ auf den Gesundheitszustand auswirken kann.

Bei Basisarbeitenden im Finanzsektor zeigen sich im Vergleich zu den anderen Sektoren am seltensten belastendende Arbeitsbedingungen wie hohe Arbeitsintensität, emotionale Belastung und physische Anforderungen sowie weniger gesundheitliche Beschwerden. Gleichermaßen konnten hier größere Handlungsspielräume beobachtet werden. Allerdings haben Basisarbeitende auch mehr monotone Arbeitsbedingungen. Das Ergebnis einer insgesamt weniger belastenden Arbeits- und Gesundheitssituation im Finanzsektor im Vergleich zu anderen Dienstleistungssektoren hat sich bereits in anderen Studien gezeigt (Beermann 2014; Pundt und Lück 2021). Nach Franke (2015) haben Beschäftigte dieses Sektors vergleichsweise häufiger ein höheres Einkommen und erhalten mehr Lernmöglichkeiten, was sich positiv auf den Gesundheitszustand auswirken kann. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Finanzsektor auch „klassische“ Bereiche der Basisarbeit wie „Reinigung von Gebäuden, Straßen und Verkehrsmitteln“ (als Gruppe 81.2 in Abteilung 81 „Gebäudebetreuung; Garten- und Landschaftsbau“ der WZ 2008) oder „Wach- und Sicherheitsdienste sowie Detekteien“ umfasst, die im Kontext von niedrigen Löhnen, einem hohen Anteil an Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigung, hohem Zeitdruck und monotonen Anforderungen sowie einem Mangel an Wertschätzung und Anerkennung (Grimm et al. 2021; Höfer 2021; Sardadvar 2019; Schröder und Weinkopf 2017) diskutiert werden. Insbesondere Reinigungstätigkeiten zeichnen sich durch einen hohen Anteil an monotonen Arbeiten aus. Sie werden größtenteils in den Randzeiten des Tages oder in der Nacht, außerhalb des Blickfelds von Kundinnen und Kunden sowie anderen Beschäftigten, verrichtet und sind dadurch weniger mit Interaktionsarbeit verbunden (Grimm et al. 2021; Sardadvar 2019).

Kaboth et al. (2021) haben die Besonderheiten der Arbeitssituation von Basisarbeitenden im Dienstleistungssektor insgesamt im Vergleich zur Industrie aufgezeigt. Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, dass es innerhalb der Dienstleistungssektoren weitere Differenzen im Hinblick auf Anforderungen, Ressourcen und Gesundheit gibt. Um diese zu verorten, sind die konkreten Tätigkeiten innerhalb der Sektoren zukünftig stärker in den Blick zu nehmen.

4.2 Forschungsfrage 2: Anforderungen und Ressourcen als Prädiktoren für gesundheitliche Beschwerden von Basisarbeitenden

In Bezug auf Forschungsfrage 2 zeigen die Regressionsanalysen für psychosomatische Gesundheitsbeschwerden von Basisarbeitenden, dass emotionale Belastung in allen drei Sektoren ein signifikanter Prädiktor ist. Ebenso sind Restrukturierungsmaßnahmen in zwei von drei Sektoren signifikante Prädiktoren. Bei den Regressionsanalysen für muskuloskelettale Gesundheitsbeschwerden von Basisarbeitenden ist vor allem der Indikator für die Arbeitsumgebungsbedingungen ein signifikanter Prädiktor. Daneben sind emotionale Belastung und physische Arbeitsbedingungen in zwei von drei Sektoren von Bedeutung.

Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl psychische als auch physische Anforderungen im Zusammenhang mit dem Gesundheitsgeschehen von Basisarbeitenden im Dienstleistungssektor stehen. Bestehende Studien haben bereits zahlreich darauf verwiesen, dass Basisarbeit unabhängig vom betrachteten Sektor mit physischen Anforderungen wie z. B. Arbeiten im Stehen, Heben und Tragen schwerer Lasten, Arbeiten in Zwangshaltungen sowie verschiedenen Arbeitsumgebungsbedingungen verbunden ist (Abel et al. 2014; Kaboth et al. 2021, 2022). So ist es nicht überraschend, dass auch hier diese Arbeitsbedingungen einen relevanten Faktor gerade für muskuloskelettale Beschwerden in allen betrachteten Bereichen darstellen. Hinzu kommt aber, dass gerade emotionale Belastung für die Gesundheit von Basisarbeitenden im Dienstleistungssektor relevant ist. Bereits Geisen und Widmer (2023), Pöser et al. (2023) und Menz und Nies (2021) haben mit ihren qualitativen Studien aufgezeigt, dass auch Basisarbeit in unterschiedlichen Bereichen des Dienstleistungssektors mit hohen Anforderungen an die Interaktionsarbeit mit Kundinnen und Kunden verbunden ist, was mit verschiedenen psychischen Belastungen einhergehen kann. Grandey et al. (2004) konnten zeigen, dass Beschäftigte im Call Center im Umgang mit Kundinnen und Kunden durchschnittlich zehn Mal am Tag verbale Aggressionen erleben. Basisarbeitende müssen gleichermaßen Beziehungsarbeit mit Kundinnen und Kunden, Klientinnen und Klienten oder vergleichbaren betriebsexternen Personengruppen leisten und dabei mit ihren eigenen Gefühlen umgehen (Böhle und Weihrich 2020).

Neben den übergreifenden Ergebnissen zeigen sich des Weiteren sektorspezifische Zusammenhänge zwischen Arbeitsanforderungen und gesundheitlichen Beschwerden. Eine hohe Arbeitsintensität geht insbesondere im Handelssektor mit einer höheren Anzahl psychosomatische Beschwerden einher – ein Effekt, der in früheren Studien bereits für alle Beschäftigten insgesamt gezeigt werden konnte (Franke 2015). Eine hohe Anzahl an Restrukturierungsmaßnahmen steht insbesondere im Handels- und Finanzsektor in einem Zusammenhang zu psychosomatischer Gesundheit. Dies steht in Einklang mit bisherigen Untersuchungen zum Themenfeld insgesamt, die zeigen, dass Beschäftigte in Unternehmen mit Restrukturierung über psychische Belastungsfaktoren und gesundheitlichen Folgen berichten (Beermann 2014; Köper et al. 2012; Rigotti et al. 2014). Daneben sind eine hohe Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen und mehr Kontrollmöglichkeiten für die Förderung der psychosomatischen Gesundheit in öffentlichen Dienstleistungen wichtig. Die Relevanz sozialer Ressourcen für die psychische Gesundheit der Beschäftigten insgesamt wurde bereits in früheren Untersuchungen aufgezeigt (siehe Drössler et al. 2016). Im Finanzsektor geht Monotonie mit einer höheren Anzahl von Muskel-Skelett-Beschwerden einher. Frühere Untersuchungen zu Basisarbeit insgesamt haben bereits auf hohe monotone Arbeitsanforderungen und Muskel-Skelett-Beschwerden verwiesen (Abel et al. 2014; Lück und Kopatz 2021). Zwei Ergebnisse der Regressionsanalysen sind hervorzuheben und sollen im Folgenden noch kurz diskutiert werden: 1. Der negative Zusammenhang zwischen kognitiven Anforderungen und psychosomatischen Beschwerden bei den Beschäftigten des Finanzsektors, obwohl ein positiver Zusammenhang erwartet wurde. Im Sinne eines herausfordernden Stressors („challenge stressors“) können solche Anforderungen allerdings nicht nur negative (d. h. gesundheitsmindernde), sondern auch positive Effekte haben (Cavanaugh et al. 2000; LePine et al. 2005; Meyer und Hünefeld 2018). Eine mögliche Erklärung wäre daher, dass Basisarbeitende dieses Sektors kognitive Anforderungen im Zusammenspiel mit anderen Arbeitsbedingungen vermehrt eher als positive, herausfordernde Anforderungen betrachten und dadurch weniger Beschwerden berichten. 2. Im Finanzsektor geht eine hohe Anzahl physischer Arbeitsbedingungen mit signifikant weniger psychosomatischen Beschwerden einher, auch wenn hier nach der Logik gängiger Stressmodelle (Demerouti et al. 2001; Hobfoll 2001) ein positiver Zusammenhang zu erwarten gewesen wäre. Eine Erklärung könnte sein, dass viele Basisarbeitende dieses Sektors, die noch in der Lage sind, unter einer hohen Anzahl physischer Arbeitsbedingungen zu arbeiten, im Sinne des s.g. „healthy worker survivor effects“ (Arrighi und Hertz-Picciotto 1994) nur wenige oder keine psychosomatischen Beschwerden berichten.

Unserer Studie sind Limitationen gesetzt, die bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen sind. Die Daten enthalten keine objektiven Messungen, sondern lediglich subjektive Einschätzungen zur Arbeits- und Gesundheitssituation der Befragten. Das Ergebnis dieser Einschätzungen kann durch Methodenverzerrungen (Podsakoff et al. 2003) sowie durch Erhebungsdetails wie z. B. Abfolge und Antwortvorgaben der jeweiligen Fragen, Erinnerungsfehler und inhaltsunabhängige Zustimmungstendenzen (Schnell 2019) beeinflusst sein. Allerdings hat sich mindestens der subjektiv gemessene Gesundheitszustand schon in mehreren Veröffentlichungen als valides Gesundheitsmaß herausgestellt (z. B. McGee et al. 1999; Miilunpalo et al. 1997). Zudem wurden für die Analysen vielfach Einzelitems oder Skalen mit teils geringer Reliabilität verwendet, wodurch die Gefahr besteht, dass ihr Zusammenhang mit anderen Variablen unterschätzt wird. Schließlich sind unsere Analysen auf Basisarbeitende in drei Dienstleistungssektoren beschränkt. Künftige Forschung könnte in Ergänzung dazu einen Vergleich zu Fach- und/oder hochqualifizierter Arbeit vornehmen und weiterführende Untersuchungen für die tiefgreifenderen Wirtschaftszweige, in denen Basisarbeitende vertreten sind, durchführen. Zudem fehlt es an spezifischen Informationen zu Basisarbeit in einzelnen Betrieben. Zukünftig durchgeführte Betriebsstudien könnten dabei unterstützen, die sektorspezifischen Ergebnisse besser interpretieren zu können. Da den hier durchgeführten Analysen Querschnittsdaten zugrunde liegen, die weder Kausalitäts- noch Selektionsprozesse berücksichtigen können, könnten zukünftige Forschungsarbeiten unsere Untersuchungen durch die Analyse von Panelstudien erweitern.

5 Praktische Implikationen

Aus den Analysen dieses Beitrags zur Arbeits- und Gesundheitssituation von Basisarbeitenden im Dienstleistungssektor lassen sich verschiedene praktische Implikationen zur Gesundheitsförderung ableiten. Zunächst deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass das teilweise vorherrschende Bild von Basisarbeit als körperlich anstrengende Tätigkeit immer noch zutrifft, jedoch in Einklang mit aktueller Forschung (Kaboth et al. 2021, 2022) zusätzlich um psychische Anforderungen erweitert werden sollte. Als wichtiger Faktor zur Prävention von psychosomatischen Beschwerden von Basisarbeitenden kann in allen Bereichen emotionale Belastung identifiziert werden. Unternehmen können hier durch die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung entgegenwirken (siehe § 5, Absatz 3, Nr. 6 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG)). Weitere Maßnahmen zur Reduktion von emotionaler Belastung sind bspw. Beratungs- und Supervisionsangebote, Erholungsphasen für Basisarbeitende oder eine Sensibilisierung von Führungskräften. Sind Organisationen an der Prävention von muskuloskelettalen Beschwerden interessiert, sind Arbeitsumgebungsbedingungen die wichtigsten Faktoren. Auch hier kann die Gefährdungsbeurteilung dabei unterstützen, diese und weitere konkrete Einflussfaktoren zu identifizieren. Um physische Anforderungen zu reduzieren, kann die Leitmerkmalmethode zur Beurteilung und Gestaltung von Belastung bei manuellen Arbeitsprozessen herangezogen werden (siehe Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2019).

Mit Blick auf die einzelnen Bereiche zeigen sich weitere hilfreiche Ansatzpunkte für die Verbesserung der Arbeits- und Gesundheitsbedingungen von Basisarbeitenden: Veränderungs- und Restrukturierungsprozesse sollten unter Berücksichtigung der Mitarbeitendenperspektive und insbesondere mit Blick auf die Auswirkungen der Veränderungen auf Motivation und Gesundheit der Beschäftigten gestaltet sein. Daneben können neue bzw. ungelernte Aufgaben und Verfahren die Gesundheit von Basisarbeitenden fördern. Durch soziale Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen und ein hohes Maß an Kontrollmöglichkeiten können Basisarbeitende die tägliche Arbeit leichter bewältigen. Diese und weitere Ressourcen können auch den negativen Effekten einer hohen Arbeitsintensität und Monotonie entgegenwirken und das Stresspotenzial senken. Eine Unternehmenskultur, in der die gegenseitige Unterstützung gefördert und nicht als lästige Zusatzaufgabe angesehen wird, ist hierfür förderlich.