1 Einführung und theoretischer Hintergrund

In den meisten Studien wird das Geschlecht aus den demogarfischen Daten der Stichprobe entnommen und im Zusammenhang mit den entsprechenden Burnout-Werten ausgewertet. Auf diese Weise geht man also davon aus, dass das angegebene Geschlecht dem psychologischen Geschlecht entspricht.

Zu kritisieren ist an dieser Herangehensweise jedoch, dass so die Unterschiede unter den Frauen und die Heterogenität unter Männern vernachlässigt werden. Man tut also, als würden alle Frauen auf die gleiche Weise ein weibliches gesellschaftliches Rollenbild ausleben (und keine maskulinen Eigenschaften haben), und alle Männer auf die gleiche Art eine bestimmte männliche Rolle einnehmen – und keine femininen Eigenschaften haben (Purvanova und Muros 2010; Redondo-Flórez et al. 2020; Khan et al. 2021).

Eine andere Forschungsrichtung geht davon aus, dass Frauen und Männer feminine und maskuline Charakterdimensionen haben, dass diese stabil und messbar sind. Entsprechend wurden Fragebögen entwickelt, um genauer die subjektive Identifikation mit femininem und maskulinem Stereotypen zu identifizieren (Bem 1977; Spence et al. 1975; Altstötter-Gleich 2004). Die vorliegende Arbeit folgt dieser wissenschaftlichen Argumentation, um die Zusammenhänge mit Burnout genauer zu analysieren. Das Ziel ist zu überprüfen, ob diese Methode Vorteile gegenüber der bloßen Geschlechts-Unterscheidung hat.

Ebenso wird hier die Idee verfolgt, dass eine fehlende Person-Umwelt-Passung in Feminität oder Maskulinität am Arbeitsplatz einen möglichen Zusammenhang mit höheren Burnout-Werten hat.

1.1 Feminität und Maskulinität

Die zwei Dimensionen des Geschlechtsrollen-Selbstkonzepts beziehen sich auf die zwei von Bakan 1966 eingeführten Konstrukte Communion und Agency (Bakan 1966; Sczesny et al. 2019). Communion beschreibt beziehungsorientierte Merkmale wie Bildung emotionaler Verbindungen, Gemeinschaft, Beachtung der Gefühle – traditionell bezogen auf Feminität. Agency bezieht sich stereotypisch auf Maskulinität und beschreibt Eigenschaften wie Selbstbehauptung, positives Selbstbild und Durchsetzungsfähigkeit, Disziplin, Aufgaben- und Zielorientierung.

Weitere häufig verwendete Begriffe sind Expressivität für Feminität und Instrumentalität für Maskulinität (Parsons und Bales 1955). In dieser Arbeit werden jedoch durchgehend die Begriffe Feminität und Maskulinität verwendet.

Gemäß der Kombination der beiden Eigenschaften spricht man von vier Typen: Femininer Typ (hohe Werte der Expressivität, niedrige Werte der Instrumentalität), Maskuliner Typ (niedrige Werte der Expressivität, hohe Werte der Instrumentalität), Undifferenzierter bzw. Indifferenter Typ (niedrige Werte beider Dimensionen) und Androgyner Typ (hohe Werte beider Eigenschaften) (Alfermann 1996; Bierhoff-Alfermann 1989). Diese Einteilung wird in der vorliegenden Studie eine Vorlage für die Gruppeneinteilung liefern – diese erfolgt in dieser Arbeit jedoch dem Person-Environment-Fit (und nicht nur den individuellen Eigenschaften) zufolge.

Zur Messung der beiden Konstrukte wurde in der vorliegenden Studien – aufbauend auf den vorhergehenden Arbeiten (Wacker et al. 33,34,a, b) – der Fragebogen Geschlechtstypizitätsskala (GTS+; Altstötter-Gleich 2004) verwendet (siehe unten).

1.2 Person-Environment Fit

Das Konzept des Person-Environment-Fit ist, die Passung von Person und ihrem Umfeld in bestimmten Merkmalen zu vergleichen (Holland 1997). Meistens sind solche Merkmale Bedürfnisse oder Werte der Beschäftigten, die mit der Arbeitsumgebung (Team, Führungskraft oder Unternehmen) verglichen werden, ebenso können Anforderungen der Arbeitsposition und Fähigkeiten der Mitarbeitenden verglichen werden.

Theory of Work Adjustment nutzt hier den Begriff Korrespondenz (Dawis et al. 1964; Dawis und Lofquist 1984), andere Theorien sprechen von einem Fit (Holland 1997; French et al. 1982).

Den Theorien gemeinsam ist der Gedanke, dass eine bessere Korrespondenz bzw. ein besserer Fit zu höheren Werten psychischer Gesundheit und einer höheren Zufriedenheit zusammenhängt.

Hierbei werden die Teilnehmenden gewöhnlich gebeten, ihre Umwelt mithilfe eines Fragebogens einzuschätzen, und mit dem gleichen Fragebogen eigene Persönlichkeit zu beurteilen. Es wird eine Punktzahl des Person-Environment-Fit berechnet, in dem man den individuellen Wert von dem Wert des Umfeldes abzieht. Diese Punktzahl des Person-Environment-Fit wird anschließend mit verschiedenen anderen Variablen verglichen – beispielsweise Stress, Wohlbefinden, Arbeitszufriedenheit oder Burnout.

Durch das Subtrahieren entstehen negative Werte (wenn individuelle Merkmale stärker ausgeprägt sind als die Merkmale der Arbeitsumgebung) bis positive Werte (wenn individuelle Ausprägung des jeweiligen Merkmals niedriger ist als die im Arbeitsumfeld). Werte um Null stellen den besten Person-Environment-Fit dar. Dieses führt oft zu kurvilinearen Zusammenhängen, was ein Transformieren durch Quadrieren und Logarithmieren nötig macht, um die Variablen durch Pearsons Produkt-Moment-Korrelation oder lineare Regression untersuchen zu können (Camp und Chartrand 1992).

Auch in eigenen vorhergehenden Studien wurde auf diese Weise vorgegangen (Wacker et al. 33,34,a, b). Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass durch das Transformieren nicht mehr erkennbar ist, ob der individuelle Wert höher ist oder die Ausprägung des Merkmals in der Arbeitsumgebung. Es ist nach dem Transformieren nur sichtbar, wie stark der Unterschied bzw. der P‑E Fit ist. Dieses kann jedoch einen starken Unterschied in der Praxis ausmachen, deshalb wurde das Vorgehen bereits von anderen Autoren kritisiert (Camp und Chartrand 1992).

Um sowohl sichtbar zu machen, ob jeweils der individuelle Wert in Feminität und Maskulinität höher ist oder die Ausprägung des Merkmals in der Arbeitsumgebung wie auch die Höhe des Fits, wurden die Werte in der vorliegenden Studie nicht transformiert, sondern in vier Gruppen eingeteilt (siehe Beschreibung unten). Auf diese Weise ist es möglich, die Zusammenhänge des P‑E Fits in Feminität und Maskulinität und die Effekte dieser auf Burnout in den Gruppen spezifischer zu untersuchen.

1.3 Burnout

Als Burnout wird eine Entwicklung beschrieben, die zunehmend zu einer psychischen und physischen Erschöpfung führt, und ebenso von einer wachsenden distanzierten und zynische Einstellung zur eigenen Arbeit begleitet (Depersonalisierung) ist. Das Job Demands-Ressources Modell (JD-R) erklärt, dass steigende Erschöpfung vor allem durch subjektiv hohe Arbeitsanforderungen verursacht wird, steigende Depersonalisierung dagegen durch einen persönlich empfundenen Mangel an erforderlichen Ressourcen. Die Forschung bestätigt dieses zweidimensionale Modell von Burnout (Demerouti et al. 2001; Bakker et al. 2014; Bakker und Demerouti 2017).

Frauen berichten meist höhere Burnoutwerte gegenüber Männern (Membrive-Jiménez et al. 2020; Purvanova und Muros 2010), auch sind Frauen etwa doppelt so lange wegen Burnout krankgeschrieben als Männer (Mayer et al. 2022). Ebenso werden höhere Burnoutwerte häufig bei Personen jüngeren Alters (Gomez-Urquiza et al. 2017) und bei längeren Arbeitszeiten (Jovanovic et al. 2016) festgestellt. Allerdings ist eine Krankschreibung aufgrund von Burnout am wahrscheinlichsten im Alter zwischen 60 und 64 Jahren (Mayer et al. 2022).

In der vorliegenden Arbeit wird Burnout, wie in vorgehenden Studien, mit dem DearEmployee-Survey (Wiedemann et al. im Druck) gemessen (siehe unten).

1.4 Forschungsstand zum Zusammenhang von Feminität, Maskulinität und Burnout

Arbeiten verschiedener Autoren zeigen, dass Männer ggü. Frauen tendenziell höhere Instrumentalitäts- und niedrigere Expressivitätswerte berichten, bei Frauen dagegen im Allgemeinen höhere Expressivitäts- und niedrigere Instrumentalitätswerte verzeichnet werden (Altstötter-Gleich 2004; Evans und Steptoe 2002). Entsprechend wurden in der aktuellen Arbeit Hypothesen H1 und H2 abgeleitet (siehe unten).

Diverse Studien belegen, dass bei Frauen gewöhnlich höhere Burnout-Werte dokumentiert werden (Membrive-Jiménez et al. 2020; Purvanova und Muros 2010). In Bezug auf psychische Gesundheit diskutiert die Forschung in zwei Richtungen. Zum einen zeigen Untersuchungen, dass vor allem höhere individuelle Maskulinitäts-Werte positiv mit psychischer Gesundheit zusammenhängen. Hier spricht man von einem masculine bias oder von einem Maskulinitäts-Modell (Cook 1985).

Ein zweites Modell argumentiert, dass Personen mit sowohl einer gleichzeitig hohen Feminität wie auch einer hohen Maskulinität die besten Werte an Wohlbefinden zeigen, bessere soziale Fähigkeit und bessere Anpassungsfähigkeit berichten (Spence et al. 1975; Eichinger et al. 1991; Hawkins und Hawkins 2016; Bem 1977; Luo et al. 2020; Berzins et al. 1978; Della Selva und Dusek 1984). Dieses bezeichnet man als Androgynitäts-Modell (Alfermann 1996; Bierhoff-Alfermann 1989).

Die vorliegende Arbeit untersucht nicht nur den Effekt individueller Feminität und Maskulinität, sondern die Passung dieser zur Feminität und Maskulinität der Arbeitsumgebung. Hierbei haben eigene vorhergehende Studien gezeigt (Wacker et al. 33,34,a, b), dass nicht nur P‑E Fit in Maskulinität, sondern auch Person-Umwelt-Passung in Feminität einen bedeutenden Effekt auf Burnout hat. Diese Ergebnisse lassen schlussfolgern, dass das Maskulinitäts-Modell die wenig femininen und stark maskulinen Anforderungen des Arbeitsumfeldes möglicherweise zu wenig berücksichtigt – das zeigt auch die eigene Kritik zum Bild der psychischen Gesundheit, die von maskulinen Eigenschaften wie einem positiven Selbstbild, Aktivität und hohem Selbstwertgefühl stärker geprägt ist als von femininen Eigenschaften (masculine bias) (Cook 1985).

Ausgehend von einem wenig femininen und stark maskulinen Arbeitsumfeld, wird zusammengefasst in der vorliegenden Untersuchung angenommen, dass bei Personen mit einer höheren individuellen Feminität (schlechtere Passung mit Arbeitsumfeld) und einer niedrigeren Maskulinität ggü. dem Arbeitsumfeld (auch hier schlechtere Passung) höhere Burnout-Werte gemessen werden. Entsprechend wurde Hypothese H3 abgeleitet (siehe unten).

Auf Basis der Studienergebnisse zum Androgynitäts-Modell wird angenommen, dass Personen mit gleichzeitig höheren Werten der Feminität und Maskulinität gegenüber dem Arbeitsumfeld die niedrigsten Burnout-Werte berichten, so wird die Hypothese H4 abgeleitet (siehe unten).

Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass Teilnehmende mit sowohl einer gleichzeitig hohen individuellen Feminität und Maskulinität ggü. dem Arbeitsumfeld starke Ressourcen in der Prävention von Stress und Burnout haben, so dass hier das Geschlecht keinen Effekt auf Burnout-Werte zeigt. Das würde zeigen, dass das Geschlechtsrollen-Selbstkonzept die Effekte vom psychologischen Geschlecht im Zusammenhang mit Stress und Burnout erklären kann. Demgemäß wurde H05 formuliert (siehe unten).

Da in eigenen vorhergehenden Studien gezeigt werden konnte, dass sowohl P‑E Fit in Feminität wie auch P‑E Fit in Maskulinität Effekte auf Burnout zeigen (Wacker et al. 33,34,a, b), kann davon ausgegangen werden, dass diese Effekte sich bei Personen mit unterschiedlichen Ausprägungen des P‑E Fits in Feminität und Maskulinität feststellen lassen. Aus dieser Annahme wurde die Hypothese H6 abgeleitet (siehe unten).

1.5 Ziele der Studie und Hypothesen

In vorhergehenden eigenen Studien wurden Zusammenhänge des Person-Environment (P-E) Fits in Feminität und Maskulinität mit Burnout und Arbeitsengagement untersucht (Wacker et al. 33,34,a, b). Dabei wurde aus methodischen Gründen nicht spezifiziert, ob der persönliche Wert in Feminität und Maskulinität höher oder niedriger ist als die entsprechenden Werte der Arbeitsumgebung, es wurde lediglich die Höhe des Unterschieds berechnet. Es wurden Wechselbeziehungen sowohl von Geschlecht wie auch von P‑E Fit in Feminität und Maskulinität mit Burnout-Werten nachgewiesen. In der aktuellen Untersuchung sollen Gruppen mit hohen und niedrigen Werten des P‑E Fits in Feminität und Maskulinität voneinander unterschieden werden (je nachdem, ob eigene Feminität und Maskulinität höher oder niedriger ist als jeweils die des Arbeitsumfeldes) und entsprechende Zusammenhänge genauer analysiert werden.

Spezifisch ist die Erwartung, dass in der Gruppe mit höheren Maskulinitäts-Werten ggü. dem Arbeitsumfeld und niedrigeren Feminitäts-Werten anteilig signifikant mehr Männer sind (H1, siehe Abb. 1). Daraus folgend sollte die Gruppe mit höheren individuellen Feminitäts-Werten und niedrigen individuellen Maskulinitätswerten gegenüber dem Arbeitsumfeld den signifikant größten Anteil von Frauen haben (H2, siehe Abb. 1) und ebenso signifikant höhere Burnout-Werte vorweisen (H3, siehe Abb. 1). Das ließe erkennen, dass Männer und Frauen sich tendenziell mit bestimmten Werten von Feminität und Maskulinität ggü. dem Arbeitsumfeld identifizieren, und dass höhere Burnout-Werte mit besonders schlechtem Fit in Feminität ebenso wie in Maskulinität in Bezug zum Arbeitsumfeld zusammenhängen (und nicht etwa direkt mit dem Geschlecht verbunden sind).

Abb. 1 Fig. 1
figure 1

Übersicht der Gruppeneinteilung und Hypothesen

Overview of the grouping and hypotheses

Außerdem sollte theoriegeleitet (siehe Androgynitäts-Modell) die Gruppe mit höheren eigenen Werten in Feminität und Maskulinität gegenüber der Arbeitsumgebung die niedrigsten Burnout-Werte haben, weil sie flexibel sowohl in feminine wie auch in maskuline Bewältigungsstrategien anwenden können (H4, siehe Abb. 1).

Der vorher nachgewiesene Effekt von Geschlecht auf Burnout (Wacker et al. 33,34,a, b) sollte in dieser Gruppe nicht vorhanden sein, weil diese Personen am wenigsten stereotypen Geschlechts-Rollen folgen (H05, siehe Abb. 1). Sollte hier jedoch ein Geschlechts-Effekt auftauchen, würde es zeigen, dass P‑E Fit in Feminität und Maskulinität Geschlechts-Effekte in diesem Zusammenhang nicht vollständig erklären kann.

Als letztes wird basierend auf den Ergebnissen der vorhergehenden Studien (Wacker et al. 33,34,a, b) erwartet, dass sowohl P‑E Fit in Feminität wie auch P‑E Fit in Maskulinität in allen Gruppen Effekte auf Burnout haben. Sollte dieses nicht der Fall sein, könnte dieses der Hinweis auf bestimmte vulnerable Gruppen sein, der tiefer untersucht werden sollte.

Die Gruppen werden entsprechend den Typen des Androgynitäts-Modells gebildet (siehe oben):

Fälle mit positiven Werten des P‑E Fits in Feminität und gleichzeitig negativen Werten des P‑E Fits in Maskulinität werden in Gruppe „Maskulin“ zusammengefasst (siehe Abb. 1). Positive Werte des P‑E Fits in Feminität zeigen somit, dass die eigene Feminität niedriger eingeschätzt wurde, als die des Arbeitsumfeldes (je höher P‑E Fit in Feminität, umso schlechter die Person-Umfeld-Passung in Feminität). Negative Werte des P‑E Fits in Maskulinität zeigen, dass die eigene Maskulinität höher eingeschätzt wurde, als die des Arbeitsumfeldes (siehe Abb. 1; je höher P‑E Fit in Maskulinität, umso besser die Person-Umfeld-Passung in Maskulinität).

Personen mit positiven Werten des P‑E Fits in Feminität und Maskulinität stellen Gruppe „Indifferent“ dar (siehe Abb. 1) – es sind also Personen, die jeweils die eigene Feminität und Maskulinität niedriger einschätzen als die Feminität und Maskulinität der Arbeitsumgebung (je höher P‑E Fit in Feminität und P‑E Fit in Maskulinität, umso schlechter die Person-Umfeld-Passung in Feminität und Maskulinität).

In Gruppe „Feminin“ finden wir Personen mit einem negativen P‑E Fit in Feminität und einem positiven Fit in Maskulinität. Es handelt sich um Teilnehmende, die eigene Feminität höher und eigene Maskulinität niedriger bewertet haben als die der Arbeitsumgebung (je höher P‑E Fit in Feminität, umso besser die Person-Umfeld-Passung in Feminität, je höher P‑E Fit in Maskulinität, umso schlechter die Person-Umfeld-Passung in Maskulinität).

In Gruppe „Androgyn“ sind Personen mit negativen Werten des P‑E Fits in Feminität und Maskulinität (siehe Abb. 1). Diese Gruppe besteht also aus Personen, die sowohl die eigene Feminität wie auch eigene Maskulinität höher eingeschätzt haben also die des Arbeitsumfeldes (je höher P‑E Fit in Feminität und Maskulinität, umso besser die Person-Umfeld-Passung in Feminität und Maskulinität).

Die folgenden Hypothesen werden geprüft:

  • H1: Der größte Anteil der Männer lässt sich Gruppe „Maskulin“ zuordnen.

  • H2: Der größte Anteil der Frauen gehört zu Gruppe „Feminin“.

  • H3: Gruppe „Feminin“ hat höhere Burnout-Werte als alle anderen Gruppen.

  • H4: Gruppe „Androgyn“ hat niedrigere Burnout-Werte als alle anderen Gruppen.

  • H05: Gruppe „Androgyn“ ist die einzige Gruppe, in der kein Effekt von Geschlecht auf Burnout besteht.

  • H6: In allen Gruppen bestehen Effekte von P‑E Fit in Feminität und Maskulinität auf Burnout.

2 Methoden

Zur Überprüfung der Hypothesen wird eine explanative Querschnittsstudie durchgeführt.

Zur Messung der individuellen Feminität und Maskulinität sowie wurde Geschlechtstypizitätsskala (GTS+) eingesetzt, die bereits in früheren Studien verwendet wurde (Wacker et al. 33,34,a, b).

Mit dem gleichen Fragebogen wurde die subjektiv geschätzte Feminität und Maskulinität der Arbeitsumgebung gemessen – hier wurden die Teilnehmenden gebeten, ihr engstes Kollegium und die nächsten Vorgesetzten einzuschätzen.

Der Fragebogen verwendet jeweils acht Adjektive, um Expressivität und Instrumentalität zu messen. Die gemessenen Merkmale zeigen auf, in welchem Maße sich eine Person in der eigenen Wahrnehmung mit den traditionellen femininen oder maskulinen Stereotypen identifiziert. Die Skala wurde mit zwei Stichproben validiert (n = 1317 und n = 409), die zweifaktorielle Struktur wurde dabei bestätigt. Beide Skalen zeigen mit McDonald’s Omega 0,82 für Expressivität und 0,84 für Instrumentalität eine gute Reliabilität. Überprüfung der Konstruktvalidität zeigten u. a. Zusammenhänge von Feminität und dem Konstrukt Liebesfähigkeit (r = 0,58) des Trierer Persönlichkeitsfragebogens (TPF; Becker 1989) sowie Verträglichkeit (r = 0,43) laut NEO-FFI (Borkenau und Ostendorf 1993). Eine gute Validität der Skala Maskulinität bestätigen auch mittlere Korrelationen mit dem Fragebogen zu Autonomie (r = 0,47) sowie Selbstwertgefühl (r = 0,36) aus dem Trierer Persönlichkeitsfragebogen (Becker 1989).

Um den Person-Environment-Fit in Feminität zu berechnen, wurde jeweils der eigene Feminitätswert (α = 0,79) von dem Feminitätswert der Arbeitsumgebung (α = 0,83) subtrahiert. Gleiches Vorgehen erfolgt, um P‑E-Fit in Maskulinität zu berechnet. Werte der individuellen Maskulinität (α = 0,82) werden von der geschätzten Maskulinität der Arbeitsumgebung (α = 0,88) abgezogen. Dieses Vorgehen folgt dem theoretischen Ansatz der Person-EnvironmentTheorien. Eine nähere Beschreibung des Vorgehens sowie Kritik daran wurde im Abschn. 1.2 Person-Environment Fit dargestellt.

Burnout-Werte wurden, wie in vorhergehenden Studien, mit Fragebogen DearEmployee-Survey (6 Items; α = 0,86) erfasst (Wacker et al. 33,34,a, b). Die Skala wurde mit einer Stichprobe (n = 941) validiert und zeigte mit Cronbachs α = 0,84 gute Reliabilität. Analyse der Validität zeigte u. a. mit einem Pearsons r = 0,71 eine hohe Korrelation mit der COPSOQ Burnout Skala (Nübling et al. 2005) sowie einen starken Zusammenhang mit der Anzahl akuter Beschwerden (r = 0,69) (Wiedemann et al. im Druck).

H1 und H2 werden durch einen Chi2-Test geprüft. Die laut Power-Analyse erforderliche Stichprobengröße (w = 0,3; α = 0,05; power = 0,8) von mindestens 122 Personen liegt vor.

H3 und H4 werden geprüft durch Einzelgruppenvergleiche, dafür wurden t-Tests für unabhängige Stichproben eingesetzt, die erforderliche Stichprobengröße beträgt hier n = 64 Personen pro Gruppe und wurde erreicht.

Zur Prüfung der H3 für die paarweise Vergleiche der Mittelwerte durch t‑Tests für unabhängige Stichproben wurde zunächst Varianzhomogenität bei Gruppe „Feminin“ und „Maskulin“ (F (1) < 0,1 p = 0,991), bei Gruppe „Feminin“ und „Indifferent“ (F (1) = 0,13, p = 0,715) sowie bei Gruppe „Feminin“ und „Androgyn“ (F (1) = 2,04, p = 0,15) nachgewiesen. Unabhängigkeit der Messungen sowie Normalverteilung der Stichprobenverteilung der Mittelwerte liegen ebenfalls vor.

Vor der Testung der H4 und Anwendung der t‑Tests wurden ebenso entsprechende Voraussetzungen geprüft – Unabhängigkeit der Messungen sowie Normalverteilung der Stichprobenverteilung der Mittelwerte liegen vor. Varianzhomogenität wurde mittels Levene-Tests zwischen Gruppe „Androgyn“ und Gruppe „Maskulin“ (F (1) = 1,11, p = 0,292), zwischen Gruppe „Androgyn“ und „Indifferent“ (F (1) = 2,19, p = 0,139) nachgewiesen.

Hypothese H05 behauptet, dass in Gruppe „Androgyn“ kein Effekt von Geschlecht auf Burnout besteht (der vorher in der Gesamtstichprobe ohne Gruppen-Unterscheidung nachgewiesen wurde). Da hier die Nullhypothese geprüft werden soll, wird eine kleine Effektgröße für die a priori Power-Analyse verwendet, um zu zeigen, dass selbst mit einer größeren Stichprobe, die das Entdecken kleiner Effekte ermöglicht, keine Effekte entdeckt werden können. Ebenfalls wird β-Fehler auf 5 % gesenkt, um sicher zu stellen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass H1 verworfen und H0 irrtümlich angenommen wird, klein bleibt – damit steigt die Power (1 − β) auf 95 % (R2 = 0,02, α = 0,05, power = 0,95). Die Mindeststichprobengröße von 1029 Personen, um selbst kleine Effekte auszuschließen, wurde jedoch in keiner der Gruppen erreicht (Gruppe „Androgyn“ hat 262 Teilnehmende).

Für die Prüfung H05 wurden in allen Gruppen die Voraussetzungen einer linearen Regression geprüft und festgestellt – es wurden Homoskedastizität, korrekte Modellspezifikation und Normalverteilung der Residuen, Abwesenheit von einflussreichen Ausreißern sowie Multikollinearität bestätigt.

H6 behauptet, dass in allen Gruppen Effekte von P‑E Fit in Feminität und Maskulinität auf Burnout bestehen. Diese wird mit einer hierarchischen linearen Regression in vier Schritten geprüft. Im ersten Schritt werden Kontrollvariablen Geschlecht und Alter ins Modell aufgenommen, im zweiten Schritt die Arbeitsplatzfaktoren Führungsposition und die Gesamtarbeitszeit. Im dritten Schritt werden Effekte des P‑E Fit in Maskulinität und im vierten Schritt Effekte des P‑E Fit in Feminität geprüft.

Für die Prüfung H6 wurden in allen Gruppen zunächst die Voraussetzungen der linearen Regression geprüft.

Weil kein linearer Zusammenhang besteht, wurde in Gruppe „Maskulin“ die Variable Alter aus dem Modell entfernt, da sie in der Gruppe einen kurvilinearen Zusammenhang zeigt – bis zu einem Alter von ca. 31 Jahren steigen die Burnout-Werte, danach sinken sie. Dieses zeigt sich nicht in anderen Gruppen.

In Gruppe „Maskulin“ hat auch P‑E Fit in Maskulinität einen kurvilinearen Zusammenhang mit Burnout und wurde deshalb aus dem Modell entfernt. Mit steigenden Werten des P‑E Fits in Maskulinität (also mit besserer Person-Umwelt-Passung) bis zu einem Wert von ca. −1 sinken die Burnout-Werte, danach steigen sie wieder.

In Gruppe „Indifferent“ zeigt P‑E Fit in Feminität einen kurvilinearen Zusammenhang mit Burnout – zwischen den Werten 0 bis ca. 0,1 (bessere Person-Umwelt-Passung) steigen die Burnout-Werte an, danach sinken sie und ab einem Wert von 0,2 verändern sich die Burnout-Werte kaum. Dieser Verlauf ist in anderen Gruppen nicht zu beobachten. Die Variable P‑E Fit in Feminität wurde in Gruppe „Indifferent“ aus dem Modell entfernt.

In allen Gruppen wurde für das Modell Homoskedastizität, korrekte Modellspezifikation, Normalverteilung der Residuen, Abwesenheit von einflussreicher Ausreißer und Multikollinearität geprüft.

Insgesamt ergibt die a priori Power-Analyse (R2 = 0,13; α = 0,05; power = 0,8) bei sechs Prädiktoren eine Mindeststichprobengröße von 98 Personen. Diese wurde in allen vier Gruppen erreicht.

Die Stichprobe wurde über soziale Netzwerke zur Online-Umfrage eingeladen. Die Auswahl der Teilnehmenden erfolgte also nicht zufällig, sondern durch eine Selbstselektion – dieses kann jedoch dazu führen, dass beispielsweise Personen vermehrt an der Umfrage teilnehmen, die das Thema besonders interessiert. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse ist also eingeschränkt. Das Ausfüllen der Umfrage dauerte ca. 5–7 min, erfolgte freiwillig, ohne Bezahlung und konnte jederzeit abgebrochen werden. Es wurden 889 (von 1156) Datensätze vollständig ausgefüllt, darunter 516 Frauen (58 %) und 373 Männer (42 %), im Alter 19–70 Jahren (M = 29,86; S = 7,67).

3 Ergebnisse

Analyse der deskriptiven Statistiken zeigt zum einen, dass in der Stichprobe kein signifikanter Zusammenhang zwischen Geschlecht und Führungsposition nachgewiesen werden konnte ((χ2 (1) = 1,30, p < 0,255).

Zum anderen wurde der Zusammenhang metrischer Variablen untersucht (siehe Tab. 1). Hierbei fällt auf, dass je größer der P‑E Fit in Feminität (je kleiner also eigene Feminität ggü. dem Arbeitsumfeld geschätzt wurde), umso niedriger die angegebenen Burnout-Werte. Beim P‑E Fit in Maskulinität konnte kein signifikanter Zusammenhang mit Burnout in der Gesamtstichprobe festgestellt werden. Es wird erkennbar, dass Burnout-Werte mit steigender Gesamtarbeitszeit leicht steigen.

Tab. 1 Table 1 Deskriptive StatistikenDescriptive Statistics

Dazu zeigt die Tabelle ebenso, dass mit steigendem Alter P‑E Fit in Maskulinität leicht sinkt, eigene Maskulinität wird ggü. dem Arbeitsumfeld niedriger eingeschätzt (siehe Tab. 1). Mit steigendem P‑E Fit in Maskulinität (also mit einer niedrigerem individuellen Maskulinität) sinkt die Gesamtarbeitszeit leicht.

Es zeigt sich auch, dass je höher P‑E Fit in Feminität – je niedriger also eigene Feminität ggü. dem Arbeitsumfeld eingeschätzt wurde, umso niedriger die Werte des P‑E Fits in Maskulinität – umso höher wurde also die individuelle Maskulinität ggü. dem Arbeitsumfeld eingeschätzt (siehe Tab. 1).

Bei der Prüfung der H1 konnte nicht bestätigt werden, dass die meisten Männer Gruppe „Maskulin“ zugeteilt werden können, da nur 21 % der Männer zu dieser Gruppe zählen (siehe Tab. 2). Der größte Teil der Männer ist in den Gruppen „Feminin“ (30 %) und „Androgyn“ (34 %) – die Hypothese 1 konnte also nicht bestätigt werden.

Tab. 2 Table 2 Anteile von Frauen und Männern in den GruppenProportions of women and men in the groups

Zur Testung der H2 wurde geprüft, ob die Geschlechtsanteile in Gruppe „Feminin“ sich von anderen Gruppen unterscheiden. Es wurden signifikante, kleine Unterschiede der Geschlechteranteile zwischen Gruppe „Maskulin“ und Gruppe „Feminin“ (χ2 (1) = 32,96, p < 0,001, w = 0,26), ebenso kleine signifikante Unterschiede zwischen Gruppe „Feminin“ und Gruppe „Indifferent“ (χ2 (1) = 4,56, p = 0,033, w = 0,10) sowie zwischen Gruppe „Feminin“ und Gruppe „Androgyn“ (χ2 (1) = 19,52, p < 0,001, w = 0,18) nachgewiesen. Zu Gruppe „Feminin“ können die meisten Frauen (48 %) zugeteilt werden, die Hypothese wurde also bestätigt (siehe auch Tab. 2).

Die Prüfung der H3 ergab, dass der Mittelwert der Burnout-Werte bei Gruppe „Feminin“ sich signifikant von dem Mittelwert der Gruppe „Maskulin“ (t (490) = −3,06, p = 0,002, d = 0,31), Gruppe „Indifferent“ (t (493) = −3,38, p < 0,001, d = 0,34) und Gruppe „Androgyn“ (t (620) = −2,71, p = 0,007, d = 0,22) mit jeweils einem kleinen Effekt unterscheidet. Hypothese H3 (Burnout-Werte sind bei Gruppe „Feminin“ am höchsten) konnte also ebenfalls bestätigt werden (siehe Abb. 2).

Abb. 2 Fig. 2
figure 2

Ergebnisse der Hypothesenprüfung der H3 und H4

Results of the hypothesis testing of H3 and H4

Prüfung der H4 ergab, dass ein signifikanter Unterschied des Burnout-Mittelwerts in Gruppe „Androgyn“ nur zu Gruppe „Feminin“ besteht (siehe oben). Burnout-Unterschiede zwischen Gruppe „Androgyn“ und Gruppe „Maskulin“ waren nicht signifikant (t (394) = 0,75 p < 0,455), ebenfalls nicht zwischen Gruppe „Androgyn“ und Gruppe „Indifferent“ (t (397) = −0,02, p = 0,31). Die Hypothese H4 (Burnout-Werte sind bei Gruppe „Androgyn“ am niedrigsten) konnte demnach nicht bestätigt werden (siehe Abb. 2).

Bei der Prüfung der H05 konnte in Gruppe „Androgyn“ als einzige Gruppe erwartungsgemäß kein signifikanter Effekt von Geschlecht auf Burnout entdeckt werden (R2 = 0,01, SE = 0,09, p = 0,05, siehe Tab. 3). In Gruppe „Maskulin“ besteht ein signifikanter Effekt von Geschlecht auf Burnout (R2 = 0,05, SE = 0,12, p = 0,012), ebenso in Gruppe „Indifferent“ (R2 = 0,06, SE = 0,12, p = 0,005) und Gruppe „Feminin“ (R2 = 0,04, SE = 0,07, p = < 0,01). Hypothese H05 wurde also nicht widerlegt, konnte jedoch aufgrund der zu kleinen Stichprobe (und damit zu niedrigen Teststärke) nicht bestätigt werden.

Tab. 3 Table 3 Modell der hierarchischen linearen Regression zur Vorhersage von BurnoutHierarchical linear regression model for predicting burnout

Die Prüfung der H6 erfolgte mithilfe der hierarchischen linearen Regression (siehe Tab. 3). In Gruppe „Maskulin“ konnten keine Effekte von P‑E Fit in Maskulinität (F (1) < 0,1; p = 0,982) oder Feminität (F (1) = 0,14; p = 0,710) nachgewiesen werden. Auch Gruppe „Indifferent“ zeigten sich keine Effekte von P‑E Fit in Maskulinität (F (1) = 3,58; p = 0,061) oder Feminität (F (1) = 0,30; p = 0,587). In Gruppe „Feminin“ war sowohl der Effekt des P‑E Fits in Maskulinität signifikant (β = 0,15; ∆R2 = 0,04; F (1) = 12,83; p < 0,001), wie auch der Effekt des P‑E Fits in Feminität (β = −0,22; ∆R2 = 0,05; F (1) = 15,88; p < 0,001). In Gruppe „Androgyn“ wiederum war der Effekt des P‑E Fits in Maskulinität nicht signifikant (F (1) = 1,01; p = 0,317), der Effekt des P‑E Fits in Feminität dagegen signifikant (β = −0,18; ∆R2 = 0,03; F (1) = 6,47; p = 0,012).

H6 konnte also nicht bestätigt werden – Effekte von P‑E Fit in Feminität und Maskulinität auf Burnout konnten nur in Gruppe „Feminin“ und „Androgyn“ entdeckt werden. Die Varianzerklärung des Gesamtmodells liegt in Gruppe „Feminin“ im mittleren Bereich bei R2 = 0,14 (adjusted R2 = 0,12; SE = 0,62; p < 0,001) und ebenso im mittleren Bereich in Gruppe „Androgyn“ bei R2 = 0,13 (adjusted R2 = 0,10; SE = 0,65; p < 0,001).

4 Diskussion

Die Hypothese H1 „Der größte Anteil der Männer lässt sich Gruppe ‚Maskulin‘ zuordnen“ wurde nicht bestätigt, dafür erfolgte ein Nachweis der H2 „Der größte Anteil der Frauen gehört zu Gruppe ‚Feminin‘“. Ebenso bekräftigte die Prüfung der H3, dass Gruppe „Feminin“ signifikant höhere Burnout-Werte als alle anderen Gruppen hat. Die theoriegeleitete Erwartung, dass Gruppe „Androgyn“ niedrigere Burnout-Werte als alle anderen Gruppen hat (H4), konnte nicht bestätigt werden. Es tauchte jedoch erwartungsgemäß in Gruppe „Androgyn“ kein Effekt von Geschlecht auf Burnout auf (Hypothese H05). H6 konnte nicht bestätigt werden – Effekte von P‑E Fit in Feminität und Maskulinität auf Burnout konnten nicht in allen Gruppen, sondern nur in Gruppe „Feminin“ und „Androgyn“ entdeckt werden.

4.1 Limitationen der Studie

Es handelt sich um eine beobachtende Querschnittsbefragung, die durch Längsschnitts-Befragungen und repräsentative Stichproben ergänzt werden sollte.

Beobachtende Studien haben kein experimentelles Design, bei dem man Störvariablen kontrollieren und die unabhängige Variablen manipulieren würde, um kausale Zusammenhänge nachzuweisen. Deshalb kann man bei beobachtenden Studien eine Kausalität nicht nachweisen, sondern nur bestimmte Zusammenhänge aufzeigen. Dabei ist nicht bekannt, ob diese Zusammenhänge nur zufällig sind, oder welche Variable kausal die Veränderungen der anderen Variable bedingt.

Dazu sind Querschnittsbefragungen einmalige Messungen, die ggü. Längsschnitts-Befragungen nur Informationen zum einem bestimmten Zeitpunkt liefern und Veränderungen über Zeit nicht darstellen können – damit haben sie eine geringere Aussagekraft. Es ist also nicht gesichert, dass man diese Ergebnisse auch auf einen anderen Zeitpunkt und andere Situationen übertragen kann. In Längsschnitts-Studien kann man außerdem kausale Zusammenhänge über einen Zeitverlauf besser aufzeigen, was eine Querschnittsbefragung nicht ermöglicht.

Durch Selbstselektion der Teilnehmenden handelt es sich um keine zufällig ausgewählte Stichprobe, dadurch könnte es zu einer Verzerrung der Ergebnisse aufgrund des Self Selection Bias kommen. Beispielsweise ist die Stichprobe relativ jung – lässt man Ausreißerwerte beiseite, sind die ältesten Teilnehmenden 37 Jahre alt. Es könnte daran liegen, dass sich jüngere Menschen mehr für das Thema interessieren, die Meinung älterer Personen wird dabei jedoch nicht beachtet – obwohl auch diese an Burnout erkranken. Die Ergebnisse der Studie könnten durchaus anders ausfallen, wenn man auch ältere Teilnehmende gewonnen hätte, da zu vermuten ist, dass ältere Kohorten andere Werte in Feminität, Maskulinität und Burnout zeigen könnten, und auch ihre Arbeitsumwelt in Feminität und Maskulinität anders einschätzen würden.

Da es sich um Fragebögen zur Selbsteinschätzung handelt, sind grundsätzlich auch weitere Verzerrungen der Antworten möglich. Beispielsweise könnte sozial erwünschtes Antworten darauf Einfluss nehmen, wie sehr Männer und Frauen sich entsprechend den gesellschaftlichen Stereotypen einschätzen, oder wie stark sie ihre Burnout-Werte angeben.

Außerdem sind bei der Gruppeneinteilung prinzipiell verschiedene Herangehensweisen möglich. In der vorliegenden Arbeit haben wir vier Gruppen eingeteilt – folgend der Theorie des Androgynie Modells. Man könnte jedoch ebenso beispielsweise den jeweils mittleren Abstand zur 0 für den P‑E Fit in Feminität und Maskulinität berechnen, und somit, statt vier Gruppen einzuteilen, neun Gruppen bilden – mit Werten um Null (Gruppe mit dem besten Fit), unterdurchschnittlichen und überdurchschnittlichen P‑E Fit-Werten. Dieses erfordert laut a priori Power-Analyse eine deutlich größere Stichprobe, da nur wenige Personen extreme P‑E Fit-Werte in Feminität und Maskulinität haben. Es könnte jedoch eventuell die Erkenntnisse noch mehr erweitern.

4.2 Interpretation der Ergebnisse

Es konnte nicht bestätigt werden, dass die meisten Männer Gruppe „Maskulin“ angehören (21 % der Männer), der größte Teil der Männer ist in den zwei Gruppen „Feminin“ (30 %, höhere eigene Feminität ggü. der Arbeitsumgebung, niedrigere eigene Maskulinität ggü. der Arbeitsumgebung) und „Androgyn“ (34 %, höhere eigene Feminität und eigene Maskulinität ggü. der Arbeitsumgebung). Die meisten Männer (64 %) schätzten bei der Befragung ihre Feminität also höher als die des Arbeitsumfeldes.

Dieses Ergebnis ist überraschend und widerspricht bisherigen Forschungsergebnissen, dass Männer niedrigere Werte der individuellen Feminität berichten würden (Altstötter-Gleich 2004; Evans und Steptoe 2002). Es könnte ein Hinweis auf einen Wertewandel bei männlichen Teilnehmenden sein. Da die Stichprobe relativ jung ist, scheint dieses möglich zu sein.

Zu Gruppe „Feminin“ werden in der Stichprobe etwa die Hälfte der Frauen gezählt (48 %), der Frauenanteil ist signifikant höher als in jeder anderen Gruppe (Bestätigung der Hypothese H2). Dieses entspricht auch den Ergebnissen anderer Autoren, dass Frauen tendenziell höhere Werte in Feminität und niedrigere Werte der Maskulinität berichten (Altstötter-Gleich 2004; Evans und Steptoe 2002). Auch viele Frauen aus der der jungen Stichprobe scheinen sich mit Feminität mehr zu identifizieren, weniger mit Maskulinität.

Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass Gruppe „Feminin“ die signifikant höchsten Burnout-Werte hat (Bestätigung der Hypothese H3).

Hierzu erscheinen zwei Interpretationen sinnvoll: zum einen führen bei einer schwach femininen und stark maskulinen Arbeitsumgebung hohe individuelle Werte der Feminität und niedrige individuelle Werte der Maskulinität zu einem schlechten Fit in beiden Dimensionen, was die Ursache für die höchsten Burnout-Werte der Gruppe sein könnte. Da in dieser Gruppe auch der Frauen-Anteil am höchsten ist, scheint die tendenziell stereotype Orientierung der Frauen und die schwach feminine sowie stark maskuline Gestaltung der Arbeitsumgebung zum schlechtesten Fit in beiden Eigenschaften des Geschlechtsrollen-Selbstkonzepts zu führen, was wiederum theorienkonform mit schlechteren Werten psychischer Gesundheit zusammenhängt (Dawis et al. 1964; Dawis und Lofquist 1984; Holland 1997; French et al. 1982).

Zum anderen scheint eine höhere eigene Maskulinität ggü. dem Arbeitsumfeld dabei als Ressource gegen Burnout zu wirken (siehe Gruppe „Androgyn“, Prüfung H05). Für Burnout-Prävention in Gruppe „Feminin“ (48 % der Frauen, 30 % der Männer) erscheint es also sinnvoll, sowohl die Person-Umwelt-Passung in Feminität wie auch die Person-Umwelt-Passung in Maskulinität zu verbessern. Dabei kann zum einen eine stärker feminine Unternehmenskultur und Führung gefördert werden – beispielsweise Interesse an Beschäftigten zu zeigen, unabhängig von Aufgaben und Zielen. Da maskuline und feminine Merkmale in einer Unternehmenskultur gleichzeitig existieren können, müssen dafür eine maskuline Unternehmenskultur und Führung nicht aufgegeben werden.

Ebenso können Trainings maskuliner Kompetenzen wie Grenzen setzen, Zeit- und Selbstmanagement, Durchsetzungsfähigkeit und dergleichen in dieser Gruppe gefördert werden, um die Person-Umwelt-Passung in Maskulinität zu verbessern bzw. die individuellen Werte der Maskulinität zu steigern.

Prüfung der H4 ergab, dass in der Gruppe „Androgyn“ nicht die niedrigsten Burnout-Werte vorlagen – diese waren nicht signifikant unterschiedlich von den Gruppen „Maskulin“ oder „Indifferent“. Dieses spricht nicht für wesentlich bessere Stress-Bewältigung der Personen mit hohen Feminitäts- und Maskulinitäts-Werte. Eher zeigen die vorliegenden Ergebnisse, dass eine fehlende Passung in beiden Dimensionen mit der subjektiven Einschätzung der Arbeitsumgebung (wie bei der Gruppe „Feminin“ – hohe eigene Feminitäts-Werte vs. niedrige Feminität der Arbeitsumgebung, niedrige eigene Maskulinität vs. hohe Maskulinität der Arbeitsumgebung) mit höheren Burnout-Werten zusammenhängen.

Um zu prüfen, ob P‑E Fit Werte in Feminität und Maskulinität Geschlechts-Effekte bei Burnout erklären, wurde die H05 getestet. Dabei konnte in Gruppe „Androgyn“ erwartungsgemäß kein signifikanter Effekt von Geschlecht auf Burnout nachgewiesen werden, der in allen anderen Gruppen nachweisbar ist.

Da durch die zu kleine Stichprobengröße eine Teststärke von 95 % nicht erreicht werden konnte, ist jedoch nicht auszuschließen, dass bei einer Stichprobengröße von mindestens 1029 Personen ein solcher Effekt gefunden wird.

Interessant ist, dass in Gruppe „Maskulin“ (niedrigere individuelle Feminität und höhere individuelle Maskulinität als die des Arbeitsumfeldes) ein Effekt von Geschlecht auf Burnout besteht – Frauen haben auch in dieser Gruppe höhere Burnout-Werte als Männer, auch wenn sie eine höhere Maskulinität und eine niedrigere Feminität ggü. dem Arbeitsumfeld entwickelt haben. Allein eine höhere individuelle Maskulinität und gleichzeitig niedrigere Feminität ggü. dem Arbeitsumfeld hat bei Frauen also nicht die beste präventive Wirkung gegen Burnout. Vielmehr erscheint es bei Frauen in dieser Gruppe für eine bessere Burnout-Prävention sinnvoll, ihre Feminitäts-Werte zu steigern. Dieses kann durch Trainings femininer Kompetenzen wie Gefühle bei sich und anderen wahrnehmen sowie Emotionen akzeptieren, unabhängig von Zielen und Aufgaben.

Die hierarchische lineare Regression zur Testung der H6 ergab, dass in Gruppen „Maskulin“ und „Indifferent“ keine Effekte des P‑E Fits in Feminität oder Maskulinität Effekte auf Burnout haben. Beides sind Gruppen mit einer niedrigeren geschätzten eigenen Feminität ggü. dem Arbeitsumfeld. Möglicherweise bedeutet es, dass Personen mit niedrigen individuellen Feminitäts-Werten die Auswirkungen einer schlechten Person-Umwelt-Passung in Feminität oder Maskulinität nicht wahrnehmen und möglicherweise auch die Bedeutung dessen in der Burnout-Prävention für andere Personen nicht erkennen.

Gleichzeitig zeigte die Prüfung der H6, dass in Gruppen „Feminin“ und „Androgyn“ (Gruppen mit einer höheren individuellen Feminität ggü. dem Arbeitsumfeld) auch nach Berücksichtigung der Kontrollvariablen und Arbeitsplatzfaktoren P‑E Fit in Feminität einen bedeutenden Effekt auf Burnout zeigt.

In Gruppe „Feminin“ zeigt P‑E Fit in Maskulinität einen Effekt auf Burnout – je schlechter die Passung in Maskulinität mit der Arbeitsumgebung oder anders gesagt, je niedriger eigene Maskulinität, umso höher Burnout-Werte.

Bei der Passung in Feminität wird ebenso ein signifikanter Effekt sichtbar – je höher der P‑E Fit (je besser die Passung in Feminität bzw. je niedriger individuelle Feminität), umso niedriger Burnout-Werte.

Diese Ergebnisse entsprechen den Aussagen der Theorien der Person-Umwelt-Passung (Dawis et al. 1964; Dawis und Lofquist 1984; Holland 1997; French et al. 1982), dass eine bessere Passung in beiden P‑E Fit Werten zur niedrigeren der Burnout-Werten beitragen könnte.

Ähnlich zeigt sich in Gruppe „Androgyn“ ein Effekt des P‑E Fits in Feminität. Je größer der P‑E Fit in Feminität (je besser die Passung), umso niedriger die Burnout-Werte.

4.3 Fazit und Ausblick

In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass mie meisten Männer (64 %) ihre Feminität höher als die des Arbeitsumfeldes schätzten. Die meisten Frauen schätzten ihre Feminität ebenso höher als die des Arbeitsumfeldes, zusätzlich schätzten sie ihre Maskulinität niedriger als die der Arbeitsumgebung – und sind damit in der Gruppe mit der schlechtesten Person-Umwelt-Passung. Das zeigt sich auch in ihren Burnout-Werten – als einzige Gruppe haben sie signifikant höhere Burnout-Werte, auch wenn der Unterschied klein ist. Damit wäre möglicherweise eine Erklärung gefunden, warum Frauen üblicherweise höhere Burnout-Werte berichten gegenüber Männern.

Diese Ergebnisse müssen jedoch mit anderen Stichproben und in Längsschnitt-Untersuchungen verifiziert werden, ebenso kann mit größeren Stichproben geprüft werden, ob Unterschiede in Burnout zwischen den Geschlechtsgruppen bei Gruppe „Androgyn“ ausbleiben – und ob dieses in der Burnout-Prävention genutzt werden kann.