1 Einleitung

Die Forderung nach Flexibilität in der Arbeitswelt werden immer lauter (Ahlers 2018; Becker et al. 2022). Besonders seit der COVID19-Pandemie ist flexibles Arbeiten – wie zum Beispiel im Home Office – in Unternehmen Alltag geworden (Bachmayer und Klotz 2021; Deutsche Bundesregierung 2022). Aufgrund der Entwicklungen in den letzten Jahren hinsichtlich Flexibilisierung der Arbeit stellt sich die Frage, wie sich diese Änderungen auf die Einarbeitung von neuen Mitarbeitenden auswirken (sollen). Ist dieser Drang nach Flexibilität auch im Onboarding relevant, oder fordert flexibles Arbeiten doch mehr Struktur und institutionalisierte Unterstützung in den ersten Monaten im Unternehmen?

Der Eintritt in eine neue Organisation ist für Arbeitnehmende eine bedeutende Phase im Berufsleben (Kammeyer-Mueller und Wanberg 2003; Klein und Heuser 2008). Mitarbeitende lernen das Unternehmen kennen, passen sich an die neue Umgebung an und treffen eine Entscheidung darüber, ob sie dem Unternehmen langfristig angehören möchten. Dieser Prozess der Findung und des Lernens wird als organisationale Sozialisation bezeichnet (Kammeyer-Mueller und Wanberg 2003). Es handelt sich um einen gesamtheitlichen und andauernden Prozess, der sowohl Handlungen der Organisation als auch neuer Arbeitnehmender berücksichtigt. Ein wesentlicher Teil dieses Prozesses sind die Bemühungen einer Organisation, neue Mitarbeitende einzuarbeiten (Onboarding). Einzelne Sozialisationstaktiken erleichtern im Zuge des Onboardings die Integration neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jener Prozess nimmt einen kürzeren Zeitraum direkt nach dem Organisationseintritt, der Einarbeitungs- oder Eintrittsphase, ein (Chao 2012; Chen 2010; Klein und Heuser 2008; Klein und Polin 2012). Gelingt es einer Organisation, effektives Onboarding und dadurch eine positive organisationale Sozialisation anzustoßen, kann sie potenziell nicht nur Fluktuation, sondern eine Reihe negativer organisationalen Entwicklungen vorbeugen. Die vorliegende Arbeit greift die Problemstellungen der immer wichtiger werdenden organisationalen Sozialisation auf und identifiziert mögliche Sozialisationstaktiken, die von Unternehmen im Zuge der organisationalen Sozialisation eingesetzt werden (können), um neue Mitarbeitende bestmöglich zu integrieren. Fokussiert wird dabei auf die Ergebnisse des Sozialisationsprozesses.

2 Theoretischer Hintergrund

Van Maanen und Schein (1979) identifizieren in ihrer Theorie der organisationalen Sozialisation verschiedene Dimensionen an Sozialisationstaktiken, die von Unternehmen zur Strukturierung des Sozialisationsprozesses neuer Arbeitnehmender herangezogen werden können, also als Personalentwicklungsmethoden für Personen, die sich im Zuge eines Organisationseintritts in eine neue Rolle einfinden müssen (Chao 2012). Diese Dimensionen bilden je ein Kontinuum zwischen zwei Polen, welche einen hohen beziehungsweise niedrigen Institutionalisierungsgrad organisationaler Sozialisation darstellen. Jede Sozialisationstaktik ist demnach zusammen mit einem Gegenstück konzipiert (z. B. kollektiv vs. individuell). Zwischen den beiden Polen kann jedoch eine große Bandbreite an unterschiedlichen Ausprägungen bestehen. Van Maanen und Schein (1979) merken an, dass kein logisches Ende für eine Liste solcher Sozialisationstaktiken existiert (S. 37). Als Rahmenwerk nennen sie jedoch folgende sechs Dimensionen: Kollektive versus individuelle Taktiken stellen den Grad der Gruppierung von Personen in ihrer Einarbeitungsphase dar. So zeichnen sich kollektive Sozialisationstaktiken dadurch aus, dass Mitarbeitende gemeinsam eingearbeitet werden. Individuelle Taktiken hingegen unterstützen eine voneinander unabhängige Einarbeitung. Formelle versus informelle Taktiken zeigen das Ausmaß auf, in dem Neulinge von bereits bestehenden Organisationsmitgliedern unterschieden werden. So wird bei formellen Sozialisationstaktiken neuen Mitarbeitenden explizit ein Neulingsstatus zugeschrieben. Informelle Taktiken hingegen weisen neuen Organisationsmitgliedern keinen Sonderstatus zu. Sequenzielle versus zufällige Taktiken symbolisieren das Ausmaß, in dem eine bestimmte Abfolge von Einarbeitungsschritten durchlaufen werden muss. Im Rahmen sequenzieller Taktiken werden neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in festgelegten Schritten an ihre Rollen herangeführt, zufällige Taktiken hingegen geben keine konkreten Lernschritte vor. Fixe versus variable Taktiken betreffen die zeitliche Strukturierung einer solchen Einarbeitungsphase. Fixe Sozialisationstaktiken umfassen einen festen Einarbeitungszeitplan, wo hingegen variable Taktiken auf fixe Zeitpläne verzichten. Serielle versus disjunktive Taktiken betreffen die Hilfestellungen durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen. Serielle Sozialisationstaktiken sind dadurch gekennzeichnet, dass erfahrene Organisationsmitglieder neue Mitarbeitende begleiten. Im Zuge disjunktiver Taktiken hingegen sind Neulinge eher auf sich allein gestellt. Schließlich sind investiture versus divestiture Taktiken das Ausmaß, in dem die persönlichen Eigenschaften eines Neuankömmlings von der Organisation akzeptiert werden. Investiture Taktiken signalisieren Neueinsteigenden, dass individuelle Persönlichkeitsmerkmale, Einstellungen und Anschauungen willkommen sind und respektiert werden. Im Gegensatz dazu ist das vorrangige Ziel einer divestituren Sozialisation, die Einstellungen und Werte von Neulingen in Einklang mit organisationalen Anschauungen, Werten und Zielen zu bringen (Chao 2012; Van Maanen und Schein 1979; Zdravkovic 2011).

Anhand dieser sechs Dimensionen kann die Art der Sozialisation in Unternehmen beschrieben werden. Sie legen fest, in welcher Form Informationen während des Sozialisationsprozesses an neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergegeben werden (Stumpp 2006). Laut Jones (1986) können alle sechs Dimensionen auch zu einem einzigen Faktor zusammengefasst werden, welcher eine übergreifende Sozialisationsstrategie (institutionalisiert vs. individualisiert) beschreibt. So nutzen Organisationen mit einer stark institutionalisierten Sozialisationsstrategie eher kollektive, formelle, sequenzielle, fixe, serielle und investiture Taktiken, während Organisationen mit einer individualisierten Strategie eher auf individuelle, informelle, zufällige, variable, disjunktive und divestiture Taktiken setzen. Institutionalisierte Taktiken schaffen einen stärker strukturierten Sozialisationsprozess als individualisierte Taktiken und versorgen Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger eher mit Informationen, die Unsicherheiten reduzieren (Saks et al. 2007).

Sozialisationstaktiken werden nicht von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gleich erlebt und sind nicht immer mit konkreten Verhaltensweisen oder bestimmten Ergebnissen verbunden. Dennoch konnten Saks und Ashforth (1997) auf Basis theoretischer und empirischer Forschungsergebnisse ein allgemeines Modell aufstellen, in welchem neben zentralen Entstehungsfaktoren auch übliche Ergebnisse der organisationalen Sozialisation identifiziert werden. Konkret besagt ihr Modell, dass gelungene, strukturierte Sozialisation zu mehr Lernen, besserer Informiertheit und weniger Unsicherheit der Mitarbeitenden führt. Dies soll unmittelbare (proximale) positive Konsequenzen haben, die sich wiederum indirekt (distal) auf weitere Sozialisationsergebnisse auswirken. Saks und Ashforth (1997) nennen hier mehr als 20 proximale und distale Ergebnisse einer gelungenen Sozialisation. Spätere Arbeiten haben diese Ergebnisliste adaptiert und ergänzt (Bauer et al. 2007; Bauer und Erdogan 2011; Saks et al. 2007). All diesen Modellen gemeinsam ist die Erwartung, dass gelungene Sozialisation die wahrgenommene Rollenklarheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stärkt und sich in weiterer Folge in höherer Arbeitszufriedenheit niederschlagen kann, zu entnehmen.

Zwei Meta-Analysen zeigten 2007 einen positiven Zusammenhang zwischen institutionalisierten Sozialisationstaktiken, Rollenklarheit und Arbeitszufriedenheit auf. So standen Rollenklarheit und Arbeitszufriedenheit in einem positiven (Bauer et al. 2007) und Rollenambiguität in einem negativen Zusammenhang (Saks et al. 2007) mit einer institutionalisierten Sozialisationsstrategie. In Bezug auf einzelne Sozialisationstaktiken stellten sich soziale Taktiken sowohl für Rollenklarheit als auch für Arbeitszufriedenheit als die stärksten Prädiktoren heraus. Aus solchen Zusammenhängen wird oft geschlossen, dass institutionalisierte Sozialisationstaktiken Rollenklarheit erhöhen und dadurch die Unsicherheit von Neuankömmlinge verringern (Bauer et al. 2007; Chao 2012; Jones 1986; Saks et al. 2007).

Diese Daten beruhen auf Ergebnissen, die vor mehr als zehn Jahren erfasst wurden. Seither hat sich die Arbeitslandschaft aufgrund Digitalisierung auf gesellschaftlicher, individueller und organisationaler Ebene geändert, zum Beispiel durch Arbeitsintensivierung und -flexibilisierung sowie in Form erhöhter Arbeitsunsicherheit (Korunka und Kubicek 2017; Kubicek et al. 2014). Die steigende Forderung nach Flexibilität in der Arbeit werfen den Verdacht auf, dass ein Zusammenhang zwischen institutionalisierten Sozialisationstaktiken und Arbeitszufriedenheit abgeschwächt wurde, insbesondere in innovativen, schnelllebigen Arbeitsbereichen wie dem IT-Sektor. Gleichzeitig hat die COVID-19-Pandemie 2020 weitere Unsicherheit in die Arbeitswelt gebracht und Muster aufgebrochen (Fessler et al. o.J.). Somit könnten „klassische“ Strukturen in Unternehmen vergleichsweise als einengend und veraltet wahrgenommen werden. Umgekehrt ist es möglich, dass das Bedürfnis nach institutionalisierten Strukturen durch die gesteigerte Unsicherheit zugenommen hat. Daraus ergibt sich allgemein die Frage, inwiefern institutionalisierte Sozialisation weiterhin als effektiver Treiber von Arbeitszufriedenheit fungiert. Auch wenn sie weiterhin als Quelle für Rollenklarheit in der Arbeit dient, ist dieser Aspekt möglicherweise nicht mehr so relevant für Arbeitszufriedenheit wie früher. Die vorliegende Arbeit greift dieses Thema auf und untersucht den Zusammenhang zwischen Sozialisationstaktiken und den Sozialisationsergebnissen Rollenklarheit und Arbeitszufriedenheit in der DACH-Region im vermutlich am stärksten „digitalisierten“ Sektor der Arbeitswelt, dem IT-Bereich.

Diese breitere Forschungsfrage wurde um eine explorative Analyse der konkreten Ausgestaltung der Unternehmenssozialisation ergänzt. Um dabei auch für unerwartete Ergebnisse offen zu bleiben, wurde neben einer geschlossenen Frage auch eine offene, qualitative Abfrage eingesetzter Onboarding-Maßnahmen vorgenommen. Diese Fragen dienten dazu, besser zu verstehen, welche konkreten Maßnahmen Unternehmen als Teil ihrer Sozialisationsstrategie im ersten Folgejahr nach Ausbruch der COVID-19 Pandemie ergriffen.

3 Methode

Die Datenerhebung erfolgte schriftlich mittels einmaliger Online-Befragung im Zeitraum März–April 2021. Als Zielgruppe wurden neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im gesetzlichen Arbeitsalter (15 bis 65 Jahre, Bundesministerium für Arbeit 2022; Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 2022) mit maximal 13 Monate Betriebszugehörigkeit im aktuellen Unternehmen (in Anlehnung an Bauer et al. 2007) und IT-Bezug (d. h. in einem IT-Unternehmen oder in einem IT-bezogenen Tätigkeitsfeld) definiert. Teilnehmende konnten zwischen einer deutschen und einer englischen Version des Fragebogens wählen. Den potenziellen Teilnehmenden wurde ein nicht-monetärer Anreiz zur Teilnahme in Form einer € 0,20 Spende an eine wohltätige Organisation angeboten. Zu Beginn der anonymen Online-Umfrage wurden sie über Zweck und Dauer der Studie informiert und fanden Kontaktdaten einer Ansprechperson für Rückfragen vor. Daraufhin stimmten sie explizit der Teilnahme zu, um die Umfrage zu starten.

3.1 Stichprobe

Aufgerufen wurde die Umfrage von 572 Personen, 394 davon nahmen an der Befragung teil. Die Rekrutierung erfolgte über diverse Plattformen (z. B. Facebook, SurveyCircle) und persönliche Kontakte. Nur 1) unselbstständig Erwerbstätige 2) zwischen 15 und 65 Jahren, welche die 3) Kontrollfrage zur Überprüfung der Aufmerksamkeit richtig beantworteten und 4) Angaben zu Sozialisationstaktiken, Rollenklarheit und Arbeitszufriedenheit machten, wurden in die Analyse aufgenommen (n = 240). Des weiteren durften Teilnehmende 5) maximal 13 Monate in einem 6) Erwerbsfeld mit IT-Bezug im aktuellen Betrieb tätig sein. Somit erfolgte die Auswertung auf Basis von 166 Teilnehmenden (84 weiblich, 82 männlich und 0 divers), die im Schnitt circa 27 Jahre alt waren (SD = 5,4 Jahre). Die Stichprobe setzte sich zu 78 % (n = 130) aus Personen mit Hochschulabschluss zusammen. Die meisten Personen der Stichprobe hatten einen Bachelorabschluss (47 %, n = 78) gefolgt von Personen mit Master‑, Magister- oder Diplomabschluss (31 %, n = 51). Die Mehrheit der Befragten war Vollzeit berufstätig (65 %, n = 108), gefolgt von rund 30 % Teilzeitbeschäftigten (Wochenarbeitsstunden ≤ 30; n = 50). Der Großteil der Befragten (85 %, n = 141) bearbeitete die Umfrage auf Deutsch.

3.2 Datenerfassung

Neben Angaben zu Sozialisationstaktiken und -ergebnissen wurden Teilnehmende zu ihrer Berufssituation und allgemeinen soziodemografischen Merkmalen befragt.

3.2.1 Organisationale Sozialisation

Organisationale Sozialisationstaktiken. Um kollektive, sequentielle, serielle, fixe und divestiture Taktiken zu messen, wurde die englischsprachige Skala von Jones (1986) herangezogen. Jede dieser Subskalen enthielt 5 Items. Formale Taktiken wurden durch die adaptierte Subskala von Ashforth et al. (2007) erfasst, welche insgesamt 4 Items enthält, jedoch eine höhere Reliabilität (α = 0,69) im Vergleich zur Originalssubskala (α = 0,63) vorweist. Dabei wurden geringfügige grammatikalische Änderungen sowie Adaptionen des zeitlichen Bezugsrahmens vorgenommen. Die deutsche Übersetzung der englischen Items wurde von Zdravkovic (2011) übernommen und durchwegs um eine geschlechterneutrale Sprache erweitert. Allein die Subskala zu divestiture Taktiken wurde von einer Autorin ins Deutsche übersetzt und mittels Rückübersetzungen durch zwei Personen mit englischer Muttersprache sowie Pretests mit insgesamt sechs Testpersonen geprüft. Antworten wurden auf einer 7‑stufigen endpunktbenannten Likert-Skala von 1 (Trifft überhaupt nicht zu/Strongly disagree) bis 7 (Trifft vollständig zu/Strongly agree) festgehalten.

Onboarding-Maßnahmen in der Praxis

Neun selbstentwickelte Fragen zu konkreten Onboarding-Maßnahmen wurden gestellt (z. B. „Mir wurden schriftliche Einführungsunterlagen zur Verfügung gestellt.“). Diese Maßnahmen wurden aus diversen Quellen zusammengetragen (Ashford und Cummings 1985; Chatman 1991; Haueter et al. 2003; Klein und Heuser 2008; Klein et al. 2015; Klein und Weaver 2000; Kramer et al. 1995; Morrison 1993; Ostroff und Kozlowski 1993; Van Maanen und Schein 1979; Waung 1995; Wesson und Gogus 2005). Teilnehmende berichteten für jede Maßnahme das Ausmaß der Anwendung im eigenen Unternehmen auf einer 7‑stufigen Skala von 1 (Trifft überhaupt nicht zu/Strongly disagree) bis 7 (Trifft vollständig zu/Strongly agree).

Offene Angaben

Anschließend wurden die Befragten gebeten, ihre Erfahrungen bezüglich angebotener und hilfreicher Onboarding-Maßnahmen in ihrem Unternehmen zu notieren. Zur Auswertung der offenen Fragen wurde eine Inhaltsanalyse nach Mayring (2016) durchgeführt. Das gesammelte Material wurde in einzelne Aussagen unterteilt und insgesamt zehn Kategorien zugewiesen. Tab. 2 zeigt alle induktiv gebildeten Kategorien inklusive Häufigkeiten der Nennungen. Die Zuordnung von Aussagen zu den Kategorien wurde durch eine unabhängige Beurteilerin wiederholt (𝜅 = 0,694, was laut Landis und Koch 1977, eine substanzielle Übereinstimmung darstellt). Darüber hinaus wurde offen erfragt, ob irgendwelche Onboarding-Maßnahmen aufgrund der COVID19-Pandemie nicht stattfinden konnten.

3.2.2 Proximale und distale Ergebnisse

Zur Erhebung von Rollenklarheit und Arbeitszufriedenheit wurde der mehrsprachige Fragebogen zur Erfassung psychischer Belastungen und Beanspruchungen bei der Arbeit COPSOQ (Copenhagen Psychosocial Questionnaire) der Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften (FFAW) herangezogen (Burr et al. 2019; Nübling et al. 2005).

Rollenklarheit wurde mithilfe von drei Fragen erhoben (COPSOQ B6: 3–5; FFAW 17,18,a, b), zum Beispiel „Gibt es klare Ziele für Ihre Arbeit?“. Als Antwortskala fungierte eine 5‑stufige Likert-Skala, die entsprechend der COPSOQ-Auswertungsrichtlinien auf einen Wertebereich von 0 bis 100 skaliert wurde: in sehr hohem Maß/to a very large extent (100), in hohem Maß/to a large extent (75), zum Teil/somewhat (50), in geringem Maß/to a small extent (25) und in sehr geringem Maß/to a very small extent (0).

Arbeitszufriedenheit wurde mittels einer 7‑Item Skala erhoben (COPSOQ B11: 1–7; FFAW 17,18,a, b). Eingeleitet wurde der Frageblock mit den Worten „Wenn Sie Ihre Arbeitssituation insgesamt betrachten, wie zufrieden sind Sie mit …“, gefolgt von einer Reihe unterschiedlicher Komponenten (z. B. „… den Leuten, mit denen Sie arbeiten?“). Die Antwortskala war: sehr zufrieden/very satisfied (100), zufrieden/satisfied (75), teils-teils/neither/nor (50), unzufrieden/unsatisfied (25) und sehr unzufrieden/very unsatisfied (0).

4 Ergebnisse

Tab. 1 zeigt deskriptive Statistiken der einzelnen Sozialisationstaktiken und -ergebnissen sowie Korrelationskoeffizienten zur Beschreibung des Zusammenhangs zwischen Sozialisationstaktiken, Sozialisationsfaktoren und Kontextfaktoren. Deskriptiv zeigten Teilnehmende hohe Rollenklarheit: etwa 65 % (n = 108) der 166 Befragten gaben an, „in hohem Maße“ oder „in sehr hohem Maße“ klare Ziele in der Arbeit zu haben. Ebenso berichteten 76 % (n = 128), dass sie wüssten, was von ihnen in der Arbeit erwartet wird und welche Aufgaben in ihren Verantwortungsbereich fallen. Zwischen Rollenklarheit und Ausmaß der allgemeinen institutionalisierten Sozialisationsstrategie des Arbeitgebers bestand ein starker Zusammenhang nach Cohen (1988). Auf Ebene der einzelnen Sozialisationstaktiken nach Jones (1986) bestanden ebenfalls signifikante positive Zusammenhänge, diese waren allerdings nur für sequenzielle, fixe und serielle Sozialisationstaktiken ähnlich stark wie für den Gesamtwert. Kollektive und investiture Sozialisationstaktiken zeigten einen mittleren positiven Zusammenhang mit Rollenklarheit, während formelle Sozialisationstaktiken nur schwach positiv korrelierten.

Tab. 1 Table 1 Korrelationstabelle zwischen Sozialisationsfaktoren, Sozialisationsergebnissen und KontextfaktorenCorrelation table between socialization factors, socialization outcomes, and contextual factors

Auch hinsichtlich Arbeitszufriedenheit zeigte die Stichprobe deskriptiv hohe Werte. Dies galt insbesondere im Bereich körperliche Arbeitsbedingungen (83 %, n = 137 „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“) sowie Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen (95 %, n = 150 „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“). Zwischen der allgemeinen institutionalisierten Sozialisationsstrategie und Arbeitszufriedenheit zeichnete sich ein starker positiver Zusammenhang ab. Ebenso korrelierten die einzelnen Dimensionen der Sozialisationstaktiken positiv mit Arbeitszufriedenheit, wobei sich wieder formelle Sozialisationstaktiken als der deskriptiv schwächste Prädiktor erwiesen.

4.1 Onboarding-Maßnahmen in der Praxis

4.1.1 Angebotene Onboarding-Maßnahmen

Im Rahmen ihrer Einarbeitungsphase erlebten neue Mitarbeitende eine Reihe konkreter Onboarding-Maßnahmen. Abb. 1 zeigt das Ausmaß zu dem neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jede der neun vorgegebenen Maßnahmen im eigenen Unternehmen wahrnahmen. Besonders häufig wurde die Bereitstellung von Ansprechpersonen im Unternehmen berichtet. Auch die persönliche Begrüßung durch eine Führungskraft sowie eine Führung durch die Organisationseinrichtung schienen häufig angewandte Maßnahmen zu sein. Weniger häufig wurden fachliche Weiterbildungen zur Erleichterung der Einarbeitungsphase angeboten.

Abb. 1 Fig. 1
figure 1

Erlebte Onboarding-Maßnahmen der Befragten in ihrem aktuellen Unternehmen (165 < n < 166)

Respondents’ experienced onboarding measures in their current company (165 < n < 166)

Darüber hinaus nannten die Befragten sonstige angebotene sowie hilfreiche Onboarding-Maßnahmen als offene Angaben. Tab. 2 zeigt die daraus induktiv gebildeten Kategorien sowie die Definitionen und Häufigkeiten der Nennungen. Die allgemeine Einführung schien eine zentrale Maßnahme gewesen zu sein, um Neulinge direkt zu Beginn mit der Organisation vertraut zu machen. Unter jene Kategorie fielen Organisatorisches und Administratives sowie die Vermittlung von Inhalten, welche dazu beitrugen, das Unternehmen kennenzulernen. Auch Veranstaltungen direkt zu Beginn des Eintritts in die Organisation wurden hier hinzugezählt. Onboarding-Maßnahmen zur allgemeinen Einführung wurden, sofern berichtet, von Human Ressource Abteilungen in den Unternehmen durchgeführt.

Tab. 2 Table 2 Selbstberichtete Onboarding-MaßnahmenSelf-reported onboarding measures

Eine weitere häufig angebotene Maßnahme waren schriftliche Unterlagen. Unternehmen stellten neuen Mitarbeitenden relevante Literatur, Manuals und Skripten sowie Übergabeprotokolle der Vorgängerinnen und Vorgänger zur Verfügung. Oftmals wurden diese Unterlagen auch via Online-Wissensplattformen und E‑Learning-Kursen angeboten. Zudem nutzten Organisationen Schulungen, um Neulinge in ihrer Eintrittsphase zu unterstützen. Diese dauerten laut Angaben der Befragten zwei bis drei Wochen und wurden dazu verwendet, Neueingestiegene zum Beispiel in notwendige Software einzuschulen.

Auch Team-Events wurden von Unternehmen als Onboarding-Maßnahme eingesetzt. In der vorliegenden Arbeit werden diese als Veranstaltungen, welche abseits des Arbeitsplatzes sowie unabhängig von der eigenen Rolle im Unternehmen stattfinden, definiert. Team-Events wurden sowohl während als auch außerhalb der Arbeitszeit organisiert. Besonders gemeinsame Pausen wurden von den Befragten häufig genannt. Darüber hinaus wurden auch Formate wie Willkommens-Lunches oder ein gemeinsames Frühstück mit Kolleginnen und Kollegen eingesetzt. Team-Events außerhalb der Arbeitszeit, wie zum Beispiel After-Work-Beer und Networkinggruppen für Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger, wurden auch berichtet.

Soziales Onboarding umfasste den Aufbau von Kontakten zu Vorgesetzten sowie Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen. Dies konnte etwa durch Kennenlerngespräche mit anderen Mitarbeitenden, durch Austausch unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder im Allgemeinen durch die Möglichkeit, Fragen zu stellen, umgesetzt werden. Eine weitere Maßnahme war das Mentoring von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dabei wurde Neulingen eine erfahrene Kollegin oder ein erfahrener Kollege zur Seite gestellt, um Anleitung und fortlaufende Unterstützung zu bieten. Durch die Onboarding-Maßnahme Training on the job wurden neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach und nach an ihre neue Tätigkeit herangeführt. Weitere Kategorien, welche weniger oft genannt wurden, waren Goodies, Kennenlernen des Produkts beziehungsweise Projekts und Trainee-Programme.

Alle genannten Onboarding-Maßnahmen – mit der Ausnahme von Goodies – wurden zumindest von manchen Teilnehmenden als hilfreich wahrgenommen. Als besonders hilfreich stellten sich jedoch jene Onboarding-Maßnahmen heraus, welche den Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen förderten. Soziales Onboarding sowie Mentoring wurden hier am häufigsten genannt (insgesamt 53 % der offenen Nennungen; siehe Tab. 2).

4.1.2 Sozialisationstaktiken in der COVID-19-Pandemie

Die genannten Onboarding-Maßnahmen, welche aufgrund der COVID-19-Pandemie NICHT stattfanden, konnten nur teilweise den induktiv gebildeten Kategorien zugeordnet werden. Dennoch zeigte sich, dass besonders das soziale Onboarding durch die Pandemie eingeschränkt wurde. Die Befragten gaben an, dass der persönliche Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen unter der Pandemie litt. Die Arbeit im Home Office und die dadurch vermehrte Kommunikation über Online-Tools erschwerte das Kennenlernen von Kolleginnen und Kollegen sowie den Aufbau von Beziehungen untereinander.

Darüber hinaus fielen aufgrund der Pandemie auch präsente Team-Events aus und konnten nur eingeschränkt in Form von Online-Treffen als Onboarding-Maßnahme genutzt werden. Auch gemeinsame Mittagspausen fanden aufgrund der Pandemie nicht statt. Ebenso konnten allgemeine Einführungen in das Unternehmen nur teilweise (online) abgehalten werden. Besonders Begrüßungen vor Ort, Einführungsveranstaltungen und Führungen durch das Unternehmen fanden laut den Befragten aufgrund der Pandemie nicht statt. Ebenso vermerkten sie, dass Schulungen ausfielen.

5 Diskussion

Die Untersuchung zeigte, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in IT-nahen Berufsfeldern durchaus eine Bandbreite an organisationalen Sozialisationsmaßnahmen erlebten. Dabei korrelierte vor allem das Ausmaß formeller Sozialisationstaktiken positiv mit der Unternehmensgröße. So könnte der Einsatz von gewissen institutionalisierten Sozialisationstaktiken eine Frage der zur Verfügung stehenden Ressourcen oder bereits vorhandener Bürokratien der arbeitgebenden Organisationen sein. Die Anwendung von Sozialisationstaktiken erfordert sowohl Personal als auch Budget, welches vermutlich von größeren Unternehmen leichter aufgebracht werden kann als von kleineren. Dennoch war der beobachtete Zusammenhang weder besonders stark, noch konnte er für jede spezifische Sozialisationstaktik festgestellt werden. Dies deutet darauf hin, dass nicht nur strukturelle Rahmenbedingungen wie Organisationsgröße den Grad der Institutionalisierung von Sozialisationsprozessen bestimmen, sondern dass Sozialisationstaktiken auch innerhalb strukturell ähnlicher Organisationen sehr unterschiedlich ausgelebt werden können. Interessant ist ebenfalls, dass Erwerbsintensität (Arbeitsstunden pro Woche) in keinem signifikanten Zusammenhang mit Sozialisationstaktiken stand. Auch wenn der Anteil an Teilzeitangestellten in der aktuellen Stichprobe verhältnismäßig gering war, spricht dieses Ergebnis dafür, dass neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unabhängig von ihren zu leistenden Stunden in den verschiedenen Unternehmen ein vergleichbares Angebot an Sozialisationstaktiken erfuhren. Dies ist ein erfreuliches Ergebnis, insbesondere da unsere Studienergebnisse für einen positiven Zusammenhang zwischen institutionalisierter Sozialisation und positiven Arbeitsergebnissen sprechen.

5.1 Sozialisationstaktiken und Rollenklarheit

In Übereinstimmung mit den Meta-Analysen von Bauer et al. (2007) und Saks et al. (2007) wurde festgestellt, dass institutionalisierte Sozialisationstaktiken positiv mit Rollenklarheit zusammenhingen. Je formeller, kollektiver und insgesamt strukturierter ein Unternehmen bei der Einarbeitung seiner neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorging, umso eher berichteten diese, dass sie klare Ziele hätten und genau wüssten, welche Dinge in ihren Verantwortungsbereich fielen und was von ihnen bei der Arbeit erwartet würde. Eine Gegenüberstellung dieser Ergebnisse mit jenen der Meta-Analysen zeigt inhaltlich ähnliche aber unterschiedlich starke Zusammenhänge. So berichteten Bauer et al. (2007) in ihrer Analyse basierend auf 7 vergleichbaren Studien einen Zusammenhang von \(\overline{r}\) = 0,27 zwischen institutionalisierten Sozialisationstaktiken und Rollenklarheit. Analog dazu verzeichneten Saks et al. (2007) in ihrer Analyse einen negativen Zusammenhang zwischen Rollenambiguität und institutionalisierten Sozialisationstaktiken von \(\overline{r}\) = −0,17. Die Zusammenhänge in der aktuellen Studie fielen deutlich stärker als diese meta-analytischen Befunde aus: Keine einzelne Dimension einer institutionalisierten Sozialisationsstrategie erreichte einen Zusammenhang unter r = 0,20 mit Rollenklarheit, und der allgemeine Zusammenhang zwischen Rollenklarheit und dem Gesamtwert institutionalisierter Sozialisationsstrategie lag bei r = 0,60.

Da beide Meta-Analysen auf einer Mischung aus quer- und längsschnittlichen Studien beruhten und sie diesen zeitlichen Aspekt auch als wesentlichen Moderator identifizierten, ist ein vergleichsweise höherer Zusammenhang in unserer Querschnittserhebung zu erwarten. Der aktuelle Effekt ist allerdings noch immer deskriptiv stärker als der meta-analytisch geschätzte Zusammenhang zwischen Rollenklarheit/-ambiguität und Sozialisationstaktiken nur für Querschnittstudien in den vorgehenden Studien (\(\overline{r}=\) 0,48 nach Bauer et al. 2007; \(\overline{r}=\) −0,18 nach Saks et al. 2007). Ebenfalls sprechen die Rekrutierungswege und der relativ junge Altersschnitt unserer Befragten dafür, dass die aktuelle Stichprobe einen verhältnismäßig hohen Anteil an Berufseinsteigerinnen und -einsteiger beinhaltet. Beide vorgehenden Meta-Analysen vermerkten unterschiedliche Effektstärken in Abhängigkeit davon, ob Befragte direkt nach ihrer Ausbildung zur ersten Arbeitsstelle befragt wurden, oder ob sie bereits Berufserfahrung vor der aktuellen Tätigkeit gesammelt hatten. Ein Zahlenvergleich zeigt jedoch auch hier, dass die aktuelle Effektstärke deskriptiv höher als die bislang festgestellten Zusammenhänge zwischen Rollenklarheit/-ambiguität und institutionalisierter Sozialisation unter erstmaligen Berufseinsteigerinnen und -einsteigern war (\(\overline{r}=\) 0,42 nach Bauer et al. 2007; \(\overline{r}=\) −0,36 nach Saks et al. 2007).

Möglicherweise ist dies ein Hinweis, dass gerade in IT-nahen Berufsfeldern eine explizit organisational verankerte – also institutionalisierte – Unterstützung von Neueingestiegenen besonders wichtig für die Entwicklung klarer Vorstellung der eigenen Arbeitsrolle ist. Forschung zur sogenannten „Subjektivierung der Arbeit“ bietet für einen solchen Unterschied auch eine plausible Erklärung. Mit voranschreitender Digitalisierung wurde insbesondere im Bereich der Wissensarbeit neben einer allgemeinen Arbeitsintensivierung auch eine zunehmende Entgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben beobachtet. In Kombination mit hoher Aufgabenkomplexität können diese gesteigerten, mitunter auch privatpersönlichen Arbeitsanforderungen in stark „subjektiver“ Arbeit münden (Korunka und Kubicek 2017). Solche Arbeit gibt Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen große persönliche Freiheit in der konkreten Ausgestaltung, fordert aber gleichzeitig ein sehr hohes Maß an Kreativität, Problemlösekompetenz und persönlichem Engagement. Insbesondere in Situationen der Überarbeitung beziehungsweise beim Druck zur selbstständigen Lösung vieler komplexer und herausfordernder Probleme – also unter typischen Bedingungen der digitalisierten Wissensarbeit – kann ein so hohes Maß an Autonomie überfordernd sein (e.g., Warr 2017). Somit könnten es gerade IT-nahe Bereiche sein, bei denen Organisationen durch systematisch gesteuerte, gemeinsame Einarbeitungsprozesse ihren neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern notwendigen Halt geben.

5.2 Zusammenhang Sozialisationstaktiken und Arbeitszufriedenheit

Die Vermutung, dass institutionalisierte Sozialisation in der aktuellen Stichprobe trotz – oder vielleicht gerade aufgrund – zunehmender Flexibilisierung eine wichtige Rolle spielen könnte, wird gestützt durch die analogen Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen institutionalisierter Sozialisationsstrategie und Arbeitszufriedenheit. Genau wie bei Rollenklarheit wurde zwischen Arbeitszufriedenheit und institutionalisierter Sozialisation ein verhältnismäßig starker Zusammenhang von r = 0,58 festgestellt. Dieser Zusammenhang war ebenfalls deskriptiv deutlich stärker als beide meta-analytischen Gesamteffekte (\(\overline{r}=\) 0,43 nach Bauer et al. 2007; \(\overline{r}=\) 0,26 nach Saks et al. 2007) sowie im Vergleich zu analogen Effekten nur für Querschnittsdaten (\(\overline{r}=\) 0,32) beziehungsweise nur für Berufseinsteigende (\(\overline{r}=\) 0,24 nach Saks et al. 2007; leider wurden keine analogen Werte in Bauer et al. 2007, berichtet). Dieser stärkere Zusammenhang mit Arbeitszufriedenheit lässt sich potenziell als Folge des stärkeren Zusammenhangs mit Rollenklarheit erklären: Wenn (proximale) Rollenklarheit auch höhere (distale) Arbeitszufriedenheit mit sich bringt, dann vermittelt jeglicher Zusammenhang zwischen Sozialisation und Rollenklarheit einen analogen Zusammenhang mit Arbeitszufriedenheit. Da Querschnittsdaten nur sehr bedingt auf einen solchen Kausalmechanismus schließen lassen (e.g., O’Laughlin et al. 2018) wurde in der vorliegenden Studie auf eine explizite Mediationsanalyse zur Schätzung dieses Vermittlungseffekts verzichtet. Allerdings lassen sowohl das Erklärungsmodell von Saks und Ashforth (1997) als auch Analysen der bereits zitierten Meta-Analysen vermuten, dass Rollenklarheit eine Mediationsrolle eingenommen haben könnte. Gleichzeitig legen ebendiese Quellen nahe, dass der Zusammenhang zwischen Sozialisationsstrategie und Arbeitszufriedenheit nur teilweise durch Rollenklarheit vermittelt werden kann. Wie stark ein Unternehmen in die Einarbeitung seiner neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investiert, kann – unter anderem – als Ausdruck von organisationaler Effektivität, von wirtschaftlichem Erfolg des Unternehmens und letztendlich auch von Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden gesehen werden. All diese positiven Aspekte könnten über Rollenklarheit hinaus die Arbeitszufriedenheit erhöhen, abgesehen von weiteren unberücksichtigten Drittvariablen (interindividuelle Unterschiede, zusätzliche Kontextfaktoren, konkrete Arbeitsbedingungen, usw.). Somit scheint es unwahrscheinlich, dass der hohe Zusammenhang zwischen institutionalisierter Sozialisationstaktiken und Arbeitszufriedenheit ausschließlich durch Rollenklarheit vermittelt wurde. Festhalten lässt sich jedenfalls, dass institutionalisierte Sozialisationstaktiken auch in Bezug auf Arbeitszufriedenheit eine wesentliche Rolle in IT-nahen Berufen zu spielen scheinen. Der gesellschaftliche Wandel der letzten Jahrzehnte scheint zumindest in dieser Berufsgruppe maximal verstärkende Auswirkungen auf die meta-analytischen Befunde von Bauer et al. (2007) und Saks et al. (2007) gehabt zu haben.

Dieses auf theoretischer Ebene interessante empirische Ergebnis lässt allerdings die Frage offen, welche Maßnahmen zur praktischen Umsetzung einer solchen Sozialisationsstrategie eingesetzt werden (könnten) und spiegelt somit bestehende Kritik, dass sich Sozialisationsforschung zu wenig auf konkrete Onboarding-Praktiken konzentriere (Klein und Heuser 2008). Eine weiterführende Analyse spezifischer Onboarding-Praktiken trägt dieser Kritik Rechnung, indem sie aufzeigt, welche konkreten Sozialisationstaktiken eingesetzt wurden, um die befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich in ihre jeweiligen Unternehmen zu integrieren.

5.3 Konkrete Onboarding-Maßnahmen

Sozialisationstaktiken können neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern helfen, Unsicherheiten zu reduzieren, indem sie Verhaltensweisen aufzeigen, die im Unternehmen üblich sind. Dazu dienen sinnvollerweise auch einfache Informationsmaßnahmen. So nahm die Mehrheit der Befragten an Firmenführungen teil, und viele besuchten Orientierungsveranstaltungen oder erhielten schriftliche Einführungsunterlagen. Durch ihre offenen Angaben zeigten sie, dass ihnen solche allgemeinen Einführungen (Standortbesichtigungen, Welcome-Days, …) und schriftliche Unterlagen (Übergabeprotokolle, Dokumentationen, Best-Practice Beispiele, …) nicht nur gut in Erinnerung blieben, sondern auch rückblickend als „besonders hilfreich“ erschienen. Dabei wurde allerdings angemerkt, dass nicht nur die Inhalte der Unterlagen zentral waren, sondern dass es auch sehr wichtig sei, den Neulingen zu vermitteln, wo relevante Informationen gefunden werden können.

Auch wenn unsere Ergebnisse den Nutzen solcher Informationsmaßnahmen klar belegten, zeigten sie ebenfalls, dass vor allem die sozialen Aspekte von Onboarding für Befragte die größte subjektive Rolle spielten. So baten die zwei am häufigsten berichteten Onboarding-Praktiken Möglichkeiten zur sozialen Interaktion (Verfügbarkeit einer Ansprechperson im Unternehmen und persönliche Begrüßung durch die Führungskraft) und wurden jeweils von fast drei Viertel der Befragten angeführt. Mehr als der Hälfte der Befragten wurde im Rahmen ihrer Einarbeitungsphase in irgendeiner Form eine Mentorin oder ein Mentor zur Seite gestellt. Die besondere Rolle von solchen persönlichen Kontakten und Hilfestellungen durch Kolleginnen und Kollegen zeigte sich deutlich in den offenen Angaben: Trotz bereits vorgegebener Antwortmöglichkeiten zu Mentoring- und sozialen Onboarding-Maßnahmen, wurden solche Aspekte überdies hinaus noch spontan von Teilnehmenden bei der Frage nach sonstigen Onboarding-Maßnahmen ihrer Organisationen genannt, und sie wurden mit Abstand am häufigsten als „besonders hilfreiche“ Maßnahme identifiziert. Entsprechend haben die Befragten auch in der Zeit der COVID-19-Pandemie vor allem den persönlichen Austausch und Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen vermisst. Die besondere Rolle von Maßnahmen zur Förderung sozialer Aspekte der Sozialisation wurde bereits in früheren Studien belegt (Jones 1986; Saks et al. 2007). Sie zeigt sich auch im Befund, dass regelmäßiges Leistungsfeedback zwischen Mentorin oder Mentor und Mentee die Unsicherheit von Neulingen reduziert (Chao 2012) und diese bei der Einfindung in das Unternehmen hilft. Auch wenn klassische IT-Stereotype (e.g., García-Crespo et al. 2008) eine untergeordnete Rolle von zwischenmenschlichen Beziehungen nahelegen, zeigt die aktuelle Studie, dass die Relevanz sozialer Prozesse beim Onboarding von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht zu unterschätzen ist – weder allgemein noch in IT-Berufen.

6 Limitationen

Organisationale Sozialisation ist ein grundlegender Prozess, welcher ab Eintritt neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in das Unternehmen in jedem Fall beginnt. Trotz der flexiblen und digitalisierten Welt zeigte sich, dass Struktur, besonders in den ersten Monaten in einem Unternehmen, wichtig ist. Durch Onboarding und konkrete Sozialisationstaktiken können Unternehmen diesen Prozess strukturieren. Dadurch ist es Unternehmen möglich, neue Mitarbeitende darin zu unterstützen, das notwendige Wissen und die Fähigkeiten zu erlangen, um ihre Rolle erfolgreich ausführen zu können.

Der empirisch belegte Zusammenhang zwischen institutionalisierter Sozialisationsstrategie und Rollenklarheit sowie Arbeitszufriedenheit ist ein Indiz dafür, wie wichtig systematisches Onboarding für die langfristige Produktivität und Zufriedenheit von Organisationsmitgliedern sein könnte. Unternehmen, die sich mit organisationaler Sozialisation auseinandersetzen und denen es gelingt, strukturierte, kollektive Onboarding-Maßnahmen als Teil einer kohärenten Gesamtstrategie institutionell zu verankern, scheinen einen Vorteil gegenüber denjenigen Organisationen zu haben, bei denen organisationale Sozialisation alleine durch Eigeninitiative der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt.

Damit ist nicht gesagt, dass Einarbeitungsprozesse nur nach einem bestimmten standardisierten Schema abzulaufen haben. Die Sinnhaftigkeit konkreter Maßnahmen muss tätigkeits- und kontextspezifisch abgeleitet werden. So ist es nicht nur notwendig zu bestimmen, in welchem Ausmaß welche Maßnahmen in einer bestimmten Organisation überhaupt angeboten werden können, sondern auch welches Wissen Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger zu Beginn erlernen müssen und welche konkreten Hilfestellungen angesichts ihrer neuen Aufgaben sinnvoll erscheinen. Für die effektive Planung und Evaluierung solcher Maßnahmen spielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst eine entscheidende Rolle. Durch Berücksichtigung der Erfahrungen und Wünsche sowie der speziellen Fachkompetenzen dieser Gruppe können Unternehmen sichern, dass sie ihre Sozialisationsstrategie zielgruppenadäquat einsetzen. Durch Einbindung dieser Stakeholder in den Gestaltungs- und Entscheidungsprozess erhöhen sie zudem die Chancen auf Akzeptanz der so entwickelten Maßnahmen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass in guten, laufend evaluierten Onboarding-Prozessen großes Potenzial gefunden werden kann, um Neueingestiegene in das Unternehmen bestmöglich zu integrieren.