1 Ausgangssituation

In der heutigen Arbeitswelt ist es die Regel, die Arbeit über einen längeren Zeitraum im Sitzen oder Stehen oder in Kombination beider Arbeitshaltungen zu verrichten (LASI 2018). Die andauernde Belastung in überwiegend einer Körperhaltung stellt eine Gefahr für die Gesundheit dar, da dadurch Druckverhältnisse im Körper beeinflusst werden, bei denen die jeweiligen Flüssigkeiten gleichmäßig durch den Körper über das Blutkreislaufsystem sowie das Lymphsystem transportiert werden können. Eine Schwächung dieser Systeme (Blank-Koppenleitner 2018; Herpertz 2009) kann dazu führen, dass der Flüssigkeitsaustausch nur noch eingeschränkt funktioniert und somit Flüssigkeit im Gewebe zurückbleibt. Häufige Folgen sind Beinschwellungen (Ödeme), Krampfadern oder in extremen Fällen eine tiefe Venenthrombose.

Zur Vermeidung der mit Sitzen und Stehen korrelierten Gesundheitsgefährdung sind folglich geeignete diagnostische Methoden angezeigt, die Indikationen zu Schwellungen im Knöchel- oder Fußbereich bereits in Vorstadien liefern können und den Betroffenen Hinweise zur Haltungsänderung oder Bewegungsaufforderung geben.

Im Folgenden wird eine neue Messmethode zur Schwellungsmessung mit einem weiterentwickelten, textilen Dehnungssensors vorgestellt. Ziele dieser Arbeit sind

  • die Bestätigung der Einsatztauglichkeit des Sensors unter realen Bedingungen bei länger dauernden Körperhaltungen wie Sitzen oder Stehen,

  • die Dokumentation des Zeitverlaufs der Umfangsänderungen (Schwellung) bei Steh- oder Sitzposition,

  • sowie eine statistisch signifikante Analyse auftretender Schwellungen bei verschiedenen Körperstellungen zu gewährleisten.

Wenn diese Punkte durch diese Arbeit bestätigt werden, sollen in späteren Schritten die Integration des Sensors in ein Kleidungsstück sowie die technische Optimierung im Vordergrund stehen.

2 Stand der Technik zur Plethysmographie

Angewandte Messverfahren zur Bestimmung von Volumenänderungen sind Verdrängungsplethysmographie sowie bildgebende Verfahren, bioelektrische Impedanz und Magnetfeldsensoren. In einer neueren Studie findet sich eine weitere Methode basierend auf Induktivitätsänderung. Entscheidende Eignungskriterien zum Einsatz in der betrieblichen Praxis sind Praktikabilität, Auflösung und weitgehend rückwirkungsfreie Applikation.

Das Standardverfahren zur Schwellungsmessung ist die Plethysmographie gemäß „Überlaufmethode“. Ein Wassertank mit Ausflussventil ist Hauptbestandteil der Messung. Das zu messende Bein verdrängt das Wasser im Behältnis, welches über das Ventil abläuft und in einem weiteren Behältnis aufgefangen und gewogen wird. Die verdrängte Wassermenge entspricht dem aktuellen Beinvolumen und kann durch wiederholte Messungen im Zeitverlauf bestimmt werden (Belczak et al. 2009). Der Aufwand dieser Messmethode hinsichtlich Referenzmarkierungen, Verlassen des Arbeitsplatzes, sowie Freimachen des Beines ist hoch und damit nicht gut geeignet, um Messungen während eines Arbeitstages durchzuführen.

Die optoelektronische Volumetrie (Labs et al. 2000), sowie die bildgebenden Verfahren der Computertomographie (CT) und Magnet Resonanz Tomographie (MRT) finden Anwendung im Bereich der Umfangs- und Volumenbestimmung von Extremitäten (Chromy et al. 2015). CT und MRT ermöglichen eine detaillierte Darstellung der Schwellung bzw. Flüssigkeitseinlagerung, jedoch sind diese Methoden mit hohem finanziellen Invest verbunden. Eine Messung unterbricht zudem den Arbeitsablauf.

Regelmäßige Anwendung findet auch die bioelektrische Impedanzmessung mit der 4‑Elektroden-Methode, die im Bereich der Wade platziert werden. Zwei generieren einen Wechselstrom, während die beiden anderen eine Spannungsdifferenz detektieren. Mit ansteigendem Beinvolumen sinkt die Impedanz, was über die Elektroden erfasst werden kann. Diese Messmethode ist ortsunabhängig und kann während eines Arbeitstages verwendet werden (Seo et al. 1997, 2001). Hierbei muss vor allem auf Störungen durch das elektromyographische Potential geachtet werde, was durch falsche Befestigung der Elektroden im Bereich eines Muskels auftreten kann. Das Zellpotential, sowie die Hautleitfähigkeit beeinflussen das Ergebnis der Messung, können aber über die Höhe des Stroms korrigiert werden.

Das Verfahren der Magnetfeldsensoren basiert auf Integration des Sensors in eine Socke. Zwei magnetische Sensoren und einen Induktor erzeugen durch Anlegen einer Spannung ein Magnetfeld. Dieses orientiert sich in Größe und Intensität am Abstand d zwischen Induktor und magnetischem Sensor. Durch Schwellung im Unterschenkel ändern sich mit der Dehnung der Abstand d und somit die Eigenschaften des Magnetfeldes. Dies wird hauptsächlich im medizinischen Bereich verwendet und getestet (Zhang und Rajamani 2015).

Gehin et al. stellt eine zur beschriebenen Lösung der vorliegenden Arbeit ähnliche Messmethodik vor, die eine Induktivitätsänderung zur Bestimmung des Wadenumfangs nutzt. Ein elastisches Textil mit leitendem Draht kann über Dehnung die Schwellung aufnehmen und über die Induktivität Rückschlüsse auf die Umfangsänderung geben. Versuche wurden bisher nur an Modellen mit unterschiedlichen Umfangswerten durchgeführt (Gehin et al. 2018).

Der Großteil der in diesem Abschnitt beschrieben Messmethoden zur Erfassung des Unterschenkelvolumens oder -umfangs weisen entscheidende Nachteile bei Störungen im Arbeitsablauf (Rückwirkungsfreiheit), hohen Investitionskosten, geringer Auflösung oder großem Aufwand im praktischen Einsatz auf. Um dem entgegen zu wirken, wird nachfolgend eine Messmethode vorgestellt, die eine ausreichende Auflösung für eine grobe Diagnostik gewährleistet, den Arbeitsablauf nicht unterbricht und deren Beschaffungskosten im Rahmen bleiben.

3 Methodik

Der Forschungs- und Entwicklungsansatz zur Schwellungsmessung mit textilem Dehnungssensor basiert auf dem MOTEX-Sensor der AMOHR GmbH und des Fraunhofer-IZM zur Bestimmung von Kniegelenkwinkeln (Fraunhofer IZM 2018). In der Weiterentwicklung zur kontinuierlichen und ortsunabhängigen Schwellungsmessung bei Sitz- und Steharbeit sind Anforderungen hinsichtlich Messbereiches, Auflösung und Reproduzierbarkeit sowie für den Einsatz im realen Arbeitsumfeld, bspw. durch Integration in einen Strumpf, zu erfüllen.

Ausgehend von einem mittleren Beinvolumen, d. h. Unterschenkel mit Fuß bis Höhe Kniegelenk, mit etwa 3–4 l berichtet die wissenschaftliche Fachliteratur Volumenänderungen von 3–5 % unterhalb des Kniegelenks (Herpertz 2009; Rieck 1973) ohne krankheitsbedingte Einflüsse. Unter der Annahme einer gleichverteilten Schwellung bedingt dies eine Umfangsänderung von bis zu 5 mm. Unabhängig von der Messmethode ist eine Auflösung der Schwellung in 8–10 Stufen, entsprechend 0,5 mm Umfangsänderung bzw. 10 ml Volumenänderung, für eine grobe Diagnostik erforderlich.

3.1 Aufbau und Prinzip des StrainTex-Sensors

Der weiterentwickelte Sensor besteht aus drei Komponenten (vgl. Abb. 1). Dehnungs- und Kompensationssensor sind auf einem dehnbaren bzw. dehnungssteifen Textilband (1) aufgebracht und werden über eine Signalverarbeitungseinheit (2) angesteuert. Die davon abgesetzte Energie- und Übertragungseinheit (3) realisiert die Steuerung der Messungen sowie die Datenübermittelung an ein Endgerät via Bluetooth.

Abb. 1 Fig. 1
figure 1

StrainTex Prototyp (1: Textiler Dehnungssensor, 2: Signalverarbeitungseinheit, 3: Übertragungseinheit)

StrainTex prototype (1: textile strain sensor, 2: signal processing unit, 3: transmission unit)

Die eigentliche Messung (vgl. Abb. 2) einer Schwellung wird über die dadurch auftretende Umfangsänderung mit dem dehnungsaktiven Sensor erfasst (1). Der zusätzlich aufgebrachte Kompensationssensor ist aufgrund des starren Materials nicht von der Umfangsänderung beeinflusst, unterliegt aber denselben Störeinflüssen wie der Dehnungssensor und ermöglicht so deren Kompensation im Messsignal. Das Messprinzip ähnelt dem eines Dehnungsmessstreifens (DMS), basiert aber nicht auf Änderung des elektrischen Widerstands, sondern auf einer Induktivitätsänderung. Ein neuartiger Inductance to Digital Converter (LDC) von Texas Instruments (2) ermöglicht die direkte Auswertung der dehnungsproportionalen Induktivitätsänderung aus Schwingkreiskenngrößen (Demtröder 2009). Über eine Mikroprozessor-Einheit (3) werden diese Werte via Bluetooth an ein Endgerät (4) übermittelt. Dies ist zusammengefasst in Abb. 2 dargestellt.

Die Induktivität auf dem flexiblen Material ist durch ein spezielles Drahtgeflecht realisiert und kann stick- oder webtechnisch auch in andere Textilien, wie z. B. Strümpfe integriert werden.

Abb. 2 Fig. 2
figure 2

Prinzip des StrainTex-Sensors

Principle of the StrainTex sensor

3.2 Kalibrier- und Evaluationsmessungen

In umfangreichen Kalibrier- und Evaluationsmessungen konnten Funktionsweise, Auflösung, Reproduzierbarkeit und Störungskompensation des StrainTex-Sensors nachgewiesen werden. Beispielhaft sind in Abb. 3 die ermittelten Rohwerte (ohne Einheit) von Dehnungs- und Kompensationssensor aus einem Zugversuch mit jeweils 5 mm Längenzunahmen dargestellt. Aus den Ergebnissen lassen sich Kompensationsprinzip bspw. für Temperatureinflüsse sowie geforderte Auflösungen von bis zu 0,5 mm bestätigen.

Abb. 3 Fig. 3
figure 3

Zugversuch mit 5 mm-Dehnungssprüngen

Tensile test with 5 mm-strain cracks

3.3 Fallstudie

Zur Prüfung von Einsatztauglichkeit und Praktikabilität des StrainTex-Messsystems sowie zur Festlegung geeigneter Auswertealgorithmen für Kurz- (Muskelanspannungen) oder Langzeiteffekte (Schwellung) dienen zunächst Labormessungen an einzelnen Probanden unter verschiedenen Szenarien.

3.3.1 Durchführung

In einem ersten Vorversuch wird durch den entwickelten Sensor die Muskelanspannung detektiert. Ein Proband in stabiler Sitzposition hebt die Zehen regelmäßig an, wodurch die Wadenmuskulatur angespannt wird. Der Sensor ist am dicksten Bereich der Wade angebracht, um dort die durch Muskelaktivität ausgelöste Umfangsänderung zu detektieren. Über einen Messzeitraum von 5 min werden die Zehen mit dreimaliger Wiederholung abwechselnd für eine kurze Zeit angehoben und gesenkt. Die Erfassung der Umfangswerte erfolgt im Sekundentakt über die Versuchsdauer.

In einem zweiten Versuch wird das Szenario einer Schwellung im Unterschenkel durch künstliche Stauung simuliert. Hierzu wird unterhalb des Kniegelenks einen Stauband angebracht, mit dem für 10 min ein Anschwellen im Unterschenkelbereich erzeugt wird. Sensorplatzierung, Sitzposition des Probanden und Messwerterfassung sind wiederum identisch zum ersten Vorversuch.

3.3.2 Ergebnisse

In Abb. 4 sind für beide Vorversuche die Ergebnisgrafiken dargestellt. Die linke Grafik zeigt den Zeitverlauf der Messergebnisse von Dehnungs- und Kompensationssensor in Form der aufgezeichneten dimensionlosen Rohwerte. Deutlich erkennbar sind die drei Phasen der Muskelanspannungen sowie die zwischenliegenden Ruhephasen mit jeweils vergleichbaren Werten sowie die über die Messzeit konstanten Werte des Kompensationssensors. Nach Umrechnung der Rohwerte auf tatsächliche Längenwerte in mm kann durch die Anspannung der Wadenmuskulatur während des Zehenhebens eine Umfangsänderung von 2–3 mm bestimmt werden.

Abb. 4 Fig. 4
figure 4

Probandenvorversuche mit Muskelanspannungsphasen (a) und Schwellungsaufbau nach induzierter Stauung (b), gemessen am Wadenmuskel mittig

Preliminary tests with muscle tension phases (a) and swelling after induced congestion (b), measured in the middle of the calf muscle

Die rechte Grafik der Abb. 4 zeigt die Schwellungszunahme (in mm kalibrierter Längenwert) des zweiten Vorversuchs, also nach induzierter Stauung im Bereich des Kniegelenks über 10 min. Ausgehend von einem Startwert des flexiblen Sensors mit 132,8 mm nimmt dessen Längenwert mit erkennbaren Auflösungsstufen von etwa 0,2 mm auf 133,7 mm zu. Somit tritt während der 10-minütigen Stauung eine Umfangsänderung von 0,9 mm auf.

Werden die erfassten Längenänderungen (nach Verrechnung mit auftretenden Kompensationswerten) zum anfänglich ermittelten Umfangswert addiert, erhält man die zeitliche Veränderung des durch die Schwellung zunehmenden Wadenumfangs.

Die Ergebnisse der Vorversuche bestätigen die geforderten Merkmale bezüglich Auflösung und Signalqualität sowie letztlich auch die praktische Einsatzeignung des StrainTex-Messsystems.

4 Feldeinsatz

Primäres Ziel des entwickelten Messverfahrens zur Schwellungsdiagnose ist der Einsatz bei Arbeitstätigkeiten unter verschiedenen und wechselnden Körperpositionen, im wesentlichen Sitzen, Stehen und Gehen. Neben nachgewiesener Genauigkeit und Reproduzierbarkeit sind Usability und Rückwirkungsfreiheit in Feldversuchen zu bestätigen. Hierzu werden mit einem ausgewählten Probandenkollektiv wechselnde, längerdauernde Arbeitshaltungen simuliert und geeignete Differenzierungsmerkmale aus den Messungen mit dem StrainTex-System bestimmt.

4.1 Probanden

Für die Laborversuche werden 5 Probandinnen ausgewählt. Zur Reduzierung interindividueller Unterschiede sind Homogenitätsaspekte hinsichtlich Alter, Geschlecht, Gewicht (BMI) und Trainingszustand beachtet:

  • Alle fünf Probandinnen sind Sportlerinnen.

  • Die weiblichen Testpersonen sind zwischen 17 und 26 Jahre alt und wiegen zwischen 56 und 65 kg.

  • Der Referenzwadenumfang liegt zwischen 35 und 38 cm.

Die Tab. 1 weist eine Übersicht über das Probandenkollektiv aus.

Tab. 1 Table 1 Individualdaten der ProbandinnenIndividual data of the test persons

4.2 Versuchsdesign und Durchführung der Messung

Als Grundpositionen werden nach den Ausführungen von Chester et al. (Chester et al. 2002) und Seo et al. (Seo et al. 1996) die beiden Körperhaltungen Sitzen und Stehen festgelegt, die im Verlauf eines Arbeitstages überwiegend eingenommen werden.

Vor Beginn jeder Messung werden der aktuelle Umfang an der dicksten Stelle der Wade mit einem Maßband als Referenzwert ermittelt und anschließend das aus Dehnungs- und Kompensationssensor bestehende Sensorband mit gleichmäßiger Vorspannung des elastischen Sensorbands in der Referenzhöhe angebracht.

Nach einer 5‑minütigen Aktivierungsphase (Gehen, Bewegen im Stehen) sollten die Probandinnen eine Stunde Sitzen und anschließend eine weitere Stunde Stehen. Zwischen dem Positionswechsel war wiederum eine Bewegungsphase von 5 min vorgesehen. Dadurch sollte geprüft werden, ob sich in etwa wieder der Anfangsumfang eingestellt und eine bis dato durch das Sitzen aufgetretene Schwellung durch Muskelbetätigung (Muskelpumpe) rückgebildet werden kann.

Während der Sitz- und Stehphasen sind die Testpersonen angehalten, sich möglichst nicht zu bewegen und Muskelkontraktionen im Wadenbereich zu vermeiden. Zudem war während des gesamten Versuchs jegliche Nahrungsaufnahme durch Essen und Trinken untersagt (Chester et al. 2002).

Über die Versuchsdauer von 130 min werden die Messwerte von Dehnungs- und Kompensationssensor im Sekundenraster aufgezeichnet und nachfolgend aufbereitet, d. h. störungskompensiert und geglättet. Zur Ergebnisdiskussion werden daraus geeignete Kenngrößen, bspw. als Mittelwerte oder spektrale Amplitudenwerte, bestimmt und interpretiert.

4.3 Ergebnisse und Ergebnisauswertung

Die Abb. 5 zeigt repräsentativ für alle Versuche die ermittelten Längenänderungen aus einer ausgewählten Messung für beide Arbeitshaltungen Sitzen und Stehen. Damit werden nachfolgend Auswertemethodik und Ergebnisinterpretation erläutert.

Abb. 5 Fig. 5
figure 5

Mittelwerte des Dehnungssensors für Probandin 3

Average values of the strain sensor for test person 3

Zur Vorverdichtung und Filterung werden die sekündlichen Messrohwerte zunächst auf Millimeter kalibriert und zu 5‑Minuten-Mittelwerte verrechnet. Durch diese Mittelung werden Kurzzeiteffekte aufgrund von Muskelkontraktionen oder Ausreißer durch Übertragungsfehler eliminiert. Übrig bleiben somit nur die einer Schwellung zuzuordnenden Langzeitwirkungen. Da sich die Probandinnen anfangs erst an die jeweilige Haltung anpassen und gewöhnen müssen und auch zum Ende hin Bewegungsartefakte infolge von Ermüdung und Unruhe zunehmen, bleiben die ersten und letzten 5 Versuchsminuten unberücksichtigt. Somit gehen für die jeweils einstündigen Sitz- und Stehphasen nur 50 min aus den Messergebnissen in die Auswertung ein.

Die so bestimmten Längenzunahmen des Dehnungssensors während 50 min für Sitzen und Stehen sind in Abb. 5 mit den Streuungsmaßen der jeweiligen 5‑Minuten-Mittelung dargestellt. Deutlich erkennbar sind die unterschiedlichen Veränderungen in den gemessenen Längen mit bis zu 0,7 mm im Sitzen und 2,0 mm im Stehen. Erwartungsgemäß ist die Zunahme in sitzender Position niedriger als die in Stehposition, da orthostatische Belastung und fehlende Muskelpumpe beim Stehen den venösen Rückfluss negativ beeinträchtigen und so größere Flüssigkeitseinlagerung begünstigen (Guyton 1991; Dupius und Rieck 1980).

Im ausgewählten Versuch treten zudem identische Startwerte für beide Szenarien mit 130,5 mm auf, was durch die Bewegungspause zwischen Sitz- und Stehphase unterstützt werden sollte.

Den genannten Arbeitszielen entsprechend soll die vorliegende Feldstudie neben der praktischen Einsatztauglichkeit insbesondere diagnostische Optionen, d. h. zeitliche Veränderung der Schwellung bei statischen Körperhaltungen oder körperhaltungsspezifische Merkmale evaluieren. Hierzu werden in einem ersten Auswertungsschritt nur die gemittelten Start- und Endwerte der Versuchsphasen Sitzen und Stehen für jede Probandin zugrunde gelegt. Dabei werden die erfassten Längenwerte zum Ausgangsumfang (vgl. Tab. 1) addiert und somit die realen Wadenumfänge bestimmt. Die Streuungsmaße entstammen wiederum den jeweiligen 5‑Minuten-Mittelungen.

In Abb. 6 sind die entsprechenden Ergebnisgrößen dargestellt. Erkennbar sind die unterschiedlichen Umfangswerte der einzelnen Probandinnen sowie die Zunahmen über die Sitz- und Stehdauer mit folglich zunehmenden Schwellungen im Unterschenkel. Zudem sind tendenziell stärkere Umfangszunahmen im Stehen als im Sitzen zu erkennen.

Abb. 6 Fig. 6
figure 6

Übersichtsdiagramm der Start- und Endwerte in Steh- und Sitzposition für jede Probandin

Overview diagram of the start and end values in standing and sitting position for each test person

Allerdings sind mit Ausnahme von Probandin 3 die Anfangswerte der Stehphase nicht identisch mit denen zu Versuchsbeginn, d. h. Start der Sitzphase. Gründe hierfür könnten in der zu kurzen Bewegungspause liegen, die für eine vollständige Rückbildung der bisherigen Flüssigkeitseinlagerung nicht ganz ausreichend ist, oder in Abweichungen bei der Anbringung des Sensors, insbesondere durch unterschiedliche Vorspannung, Positionsabweichung oder Verrutschen während der Bewegungsphasen.

Eine Signifikanzanalyse mit zweiseitigem gepaarten t‑Test bestätigt auf 99 % Signifikanzniveau, dass die Endwerte der Sitz- wie der Stehphasen eine sichere Schwellungsdiagnostik gewährleisten. Dagegen können die stärkeren Umfangszunahmen bei Stehen nur auf 90 % Signifikanzniveau von der Sitzwerten unterschieden werden. Eine Differenzierung nach Körperhaltung Sitzen oder Stehen nur auf Basis der ermittelten Umfangswerte ist dagegen derzeit nicht statistisch absicherbar, sollte aber durch optimierte Reproduzierbarkeit bei der Anbringung des Sensors erreicht werden können.

5 Zusammenfassung

Der StrainTex-Sensor hat sich in den bisherigen Einsatzapplikationen als zuverlässig, unempfindlich gegen Störeinflüsse und praktikabel unter Feldbedingungen sowie mit einer Längenmessgenauigkeit von 0,2 mm ausreichend präzise für eine Schwellungsdiagnostik gezeigt. Damit werden die bisher bekannten plethysmographischen Messverfahren hinsichtlich Genauigkeit und Auflösung zwar nicht übertroffen, aber durch die nahezu rückwirkungsfreie und vor allem zeitkontinuierliche Erfassung von Umfangs‑/Volumenwerten wesentlich erweitert.

Nach derzeitigem Stand ist die Differenzialauswertung von Umfangsstart- und Umfangsendwert mit höchster statistischer Signifikanz gegeben und erlaubt somit die zuverlässige Analyse bereits aus geringen Volumenänderungen. Die Detektion der Körperhaltung selbst kann bereits aus den ermittelten Wertänderungen, jedoch bisher nicht aus den Absolutwerten durchgeführt werden. Dies bleibt weiteren Entwicklungen zur Steigerung der Systemintegration und der Reproduzierbarkeit bzgl. Vorspannung oder Position des Sensors vorbehalten. Hierfür sollen der Sensor in ein Kleidungsstück (Socke/Strumpf) integriert sowie Kontaktierung und Signalprocessing (LDC) weiter miniaturisiert werden. Im Anschluss können Interventionsgrenzen für pathologische Veränderungen bestimmt und dem Nutzer Empfehlungen für Haltungsänderungen oder Bewegungsmaßnahmen bspw. über Ampelfarben via Smartphone-App gegeben werden.

Der wesentliche wissenschaftliche Beitrag liegt aber in der erstmals gegebenen, kontinuierlichen und weitestgehend rückwirkungsfreien Erfassungsmöglichkeit von Umfangs‑/Volumenwerten am Menschen. Damit eröffnen sich weitere Forschungsfelder mit (arbeits-) medizinischen, klinischen oder sportphysiologischen Partnern bspw. für postoperative oder therapeutische Applikationen bis hin zum Einsatz bei Trainingskontrolle oder Ambient Assisted Living.