1 Ausgangslage und Ziel

Für die Ausgangslage wird auf das MTO Modell (Ulich 1997) zurückgegriffen, um die Gesamtheit der für die Arbeit relevanten Dimensionen zu betrachten. Nach der Beschreibung der Zielgruppe der Weiterbildung (Mensch) für das Beispiel der manuellen Montage, werden technische (Technik) und arbeitsorganisatorische (Organisation) Herausforderungen beschrieben sowie anschließend das Ziel des Beitrags abgeleitet.

1.1 Zielgruppe der Weiterbildung

Die Zielgruppe der Weiterbildung umfasst Menschen, welche in der manuellen Montage in der Industrie tätig sind oder in Zukunft arbeiten wollen. Unter manueller Montage werden alle Tätigkeiten verstanden, die von einem Menschen unter Beteiligung der Hände durchgeführt werden und dem Zusammenbau von Produkten dienen (Lotter und Wiendahl 2006; Lien 2019).

Dieser Bereich ist geprägt von einer heterogenen Belegschaft, welche oftmals keine formale Qualifikation für die dort verübten Tätigkeiten vorweisen kann (vgl. Gerschner et al. 2017), weshalb die Zielgruppe unter der Bezeichnung formal Nichtqualifizierte zusammengefasst wird. Die normativ gesetzte Ausgangslage des Vorhabens betont dieses Problem, weil eine Kompetenz ohne Qualifikationsnachweis nur schwer plausibilisiert werden kann.

Es bieten sich dieser Zielgruppe bisher keine spezifischen Weiterbildungsangebote an (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2015, 2017; Orr und López 2016). Dies hängt auch mit einem geringeren Nachfrageverhalten nach Weiterbildung der Zielgruppe zusammen (Kondrup 2015). Dadurch verkümmern in Unternehmen die Potentiale dieser oft auch als „stille Reserve“ angesehenen Gruppe. Vor dem Hintergrund gegenwärtiger Tendenzen des gesellschaftlichen und organisatorischen Strukturwandels sowie daraus ableitbaren Szenarien (Hirsch-Kreinsen und Ittermann 2019) sind hier Möglichkeiten der Entwicklung wünschenswert, welche den Menschen neben der Beschäftigungsfähigkeit weitere persönliche Vorteile bieten. Insbesondere der im Abschn. 1.2 beschriebene Wandel in der Erwerbsarbeit könnte zu einem Anstieg der Automatisierung in der Fertigung führen und zu einer steigenden Komplexität menschlicher Aufgaben in der manuellen Montage (Frenz et al. 2015; Ahrens und Spöttl 2015).

1.2 Technik in der manuellen Montage

Aufgrund der digitalen Transformation (vgl. Kagermann et al. 2013) werden neue Arbeitsaufgaben die manuelle Montage teilweise verändern oder auch ersetzen. Daneben sind auch die verwendeten Montage- und Hilfstechnologien einem technologischen Wandel und der Digitalisierung ausgesetzt (z. B. Petruck und Mertens 2018; VDI 2016). Neben den Chancen durch die digitale Transformation der industriellen Produktion bestehen auch Risiken. Die Aus- und Weiterbildungswelt hat diesem Wandel offen zu begegnen und verschiedene Szenarien zu berücksichtigen (Frenz et al. 2015; Spöttl et al. 2016). Besonders die Produktionstechnik ist vom Einsatz neuer Assistenzsysteme, Kollaboration, digitalisierter Prozesssteuerung und digitalisierten Arbeitsplätzen betroffen (z. B. Czerniak et al. 2017; Faber et al. 2017). Dieses große Forschungsfeld ist auch für kleine und mittlere Unternehmen relevant (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2017).

Aus Sicht der Zielgruppe ist eine Anpassungsfortbildung (vgl. Dehnbostel 2008) sowohl in der manuellen Montage als auch zu Kompetenzen des gesamten Arbeitsprozesses (vgl. Fischer 2006) der Produktion anzustreben. Außerdem sind zusätzliche Kompetenzen der Digitalisierung im tätigkeitsbezogenen Bereich (vgl. Initiative D21 2016) anzustreben und die Förderung der Selbstkompetenz durch digitale Grundkompetenzen. Damit lässt sich die zukünftige Beschäftigungsfähigkeit sichern und Teilhabe auch an hochtechnologisierten Produktionsprozessen ermöglichen.

1.3 Arbeitsorganisation in der manuellen Montage

Trotz jahrzehntelanger Erfahrung in der manuellen Montage sind Optimierungspotentiale in der Industrie, besonders in KMU, noch immer nicht erschöpft. Um diese Potentiale zu nutzen und die jeweiligen Bedürfnisse zu berücksichtigen, ist eine stärkere Zusammenarbeit aller Stakeholder notwendig (vgl. Latos et al. 2018).

Die normativ und durch die Digitalisierung der Fertigungsketten (z. B. Lins et al. 2018; Dombrowski und Richter 2016) geforderte Flexibilität (vgl. Brehm 2003) auf dem Shopfloor in der manuellen Montage erfordert eine Erweiterung der Mitarbeiterkompetenzen hin zu einem besseren Systemverständnis der Produktion im Sinne einer Prozessorientierung (vgl. Frenz et al. 2016). Damit können Beschäftigte unter anderem horizontal mobiler (vgl. Berger 2013) in einer Fertigungsorganisation (vgl. Petersen 2005) arbeiten. Gleichzeitig besteht in der Industrie akuter Bedarf an einer organisationalen Verankerung des persönlichen Wissens im Sinne von Erfahrungswissen der Mitarbeitenden, da deren Wissen eines der essenziellen Erfolgskriterien ist und zukünftig sein wird (vgl. Voigt et al. 2016). Die Möglichkeiten der Digitalisierung bieten viele Chancen für eine einfache Umsetzung dieses Wissenstransfers in der Industrie (vgl. North und Maier 2018). Vielen Unternehmen als Auftraggeber für die Teilnahme an solchen Weiterbildungen mangelt es an schnellen Amortisierungspotentialen der Investitionen in Humankapital. Das stellt eine wichtige Zusatzvoraussetzung dar, welche ebenfalls befriedigt werden muss, trotz propagiertem Fachkräftemangel (vgl. z. B. Anger et al. 2018).

1.4 Ziel des Beitrags

Ziel des Beitrags ist die Entwicklung, Erprobung und Evaluation eines arbeitsintegrierten Weiterbildungskonzepts zur Förderung der Zielgruppe von formal Nichtqualifizierten in der manuellen Montage. Dieses wird in der industriellen manuellen Montage als Gegenstandsbereich der beruflichen Bildung umgesetzt und beschrieben.

Im Beitrag wird die Umsetzung der Kompetenzbilanzierung fokussiert. Dazu wird die Frage beantwortet, wie sowohl digitale Grundkompetenzen im Arbeitsprozessverlauf als auch im Besonderen die Endergebnisse in Form von Videotutorials der Lernenden erhoben und ausgewertet werden können. Zusätzlich besteht die Fragestellung, inwieweit sich damit die Heterogenität der Zielgruppe untersuchen lässt.

2 Weiterbildungskonzept

2.1 Didaktische Leitidee

Für die Arbeit in der manuellen Montage benötigen Mitarbeitende nicht nur Kompetenzen zur Ausführung der Arbeitshandlungen, sondern sie sind auch Teil eines soziotechnischen Systems, mit welchem sie interagieren. Ziel dieser Produktionssysteme ist die kontinuierliche Optimierung, an welcher den beteiligten Menschen die Hauptrolle zukommt. Aus diesem Grund müssen alle Stakeholder eines Fertigungsprozesses befähigt werden, an diesem Optimierungsprozess teilzuhaben und verschiedene Positionen als Randbedingungen der Optimierungsprobleme abzubilden.

Zur erweiterten Teilhabe will das Konzept die reflexive Handlungsfähigkeit fördern, indem die primären beruflichen Handlungen (der Montagetätigkeit) mit einer zweiten Handlung überlagert werden. Dadurch soll die kontinuierliche kritische Reflexion angeregt werden. Die daraus entstehenden Erkenntnisse können zur Optimierung der eigenen Handlungen und einem Lernprozess beitragen. Erweiternd kann nicht nur die eigene Arbeitshandlung, sondern auch der gesamte Fertigungsprozess aufgrund äußerer Zielsetzung optimiert werden, wie es in der realen industriellen Arbeitspraxis vorgelebt wird.

Die didaktische Leitidee ist aus diesem Grund die Förderung reflexiver Handlungsfähigkeit für Tätigkeiten in der manuellen Montage. „Reflexive Handlungsfähigkeit findet ihren Ausdruck im selbständigen, kritischen Handeln und individueller und gesellschaftlicher Mündigkeit [und …] bedeutet, durch Lern- und Reflexionsprozesse vorgegebene Situationen und überkommene Sichtweisen zu hinterfragen, zu deuten und zu bewerten“ (Dehnbostel 1993, S. 6).

Dies bedeutet in der manuellen Montage, dass nicht nur Mitarbeitende der Planung, sondern auch die Ausführenden auf dem Shopfloor sich regelmäßig kritisch mit dem eigenen Handeln auseinandersetzen. Sie können dadurch selbstständig an den kontinuierlichen Verbesserungsprozessen teilnehmen.

Die didaktische Leitidee geht jedoch über das Einbringen von Problemen hinaus und möchte die Zielgruppe außerdem zur Lösungsfindung befähigen. Die dabei auftretenden Zielkonflikte gehen über die Perspektive der eigenen Person und Arbeitsumgebung auf dem Shopfloor hinaus.

Die Einnahme einer von der Tätigkeit etwas entfernteren Perspektive ermöglicht im Arbeitszusammenhang das Hinterfragen der Tätigkeit, Arbeitsorganisation und möglicher Alternativen vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrung und Kompetenzen (Dehnbostel 2005).

Daher werden sich alle Teilnehmenden mit weiteren Betroffenenperspektiven (vgl. Heidegger und Rauner 1990) beschäftigen, um den Arbeitsprozess aus den jeweiligen Sichtweisen zu optimieren. Darunter werden Positionen bezogen auf betriebliche Zielgrößen (z. B. Atkinson 1999), arbeitswissenschaftliche Kriterien (Luczak et al. 1989) sowie globale Kriterien wie Sozialverträglichkeit oder Nachhaltigkeit verstanden. Um die entstehenden Spannungsfelder, Antinomien und Dilemmata aus der Kombination der verschiedenen Perspektiven zu erleben, gestalten Lernende in der Weiterbildung ihre Arbeitsprozesse in hohem Maße eigenverantwortlich nach dem gestaltungsorientierten Technikdidaktikansatz (vgl. z. B. Rauner 1996).

Teilnehmende entwickeln in der Weiterbildung mentale Modelle und Schemata zur Bewältigung beruflicher Problemsituationen. Dadurch wird der Anforderung genügt, dass reflexiv handlungsfähige Mitarbeitende ihre Kompetenzen individuell und selbstgesteuert auf neue berufliche Aufgaben transferieren und bei der Lösung neuartiger Herausforderungen einsetzen können (vgl. Dehnbostel 2005).

2.2 Ansatz zur Umsetzung

Vor dem Hintergrund der Ausgangssituation und unter Einbezug der didaktischen Leitidee bietet sich eine situierte Umsetzung für den Lernprozess an. Von besonders hoher Güte ist das Lernen in Arbeitsprozessen der Erwerbsarbeit, sowohl für die Lernenden als auch für weitere Stakeholder wie den Arbeitgeber (vgl. z. B. Lave und Wenger 2011; Billett 2004).

Eine dafür geeignete und a priori ausgewählte Methode ist die Autorensystemmethode. Sie besitzt eine Historie in der Informationstechnik, ist aber für die berufliche Bildung adaptiert worden und wird in einer abgewandelten Form nach Wiemer (2015) und Schröder (2014) verwendet. Das Ziel der Autorensystemmethode ist die Verknüpfung von Lern- und Arbeitsprozess durch das Erstellen von Lernmedien. Dabei bilden die Lernenden ihr erworbenes Prozesswissen als Handlungsergebnis der beruflichen Problemlösung und Gestaltung eines Arbeitsprozesses selbstständig in einem Videotutorial ab. Im Erstellungsprozess durchlaufen sie dabei parallel den Arbeits- sowie den Lern- und Reflexionsprozess, welchen sie zur Optimierung ihrer gewählten Lösungsalternative mit unterschiedlichen Prioritäten in Zielkonfliktsituationen nutzen. Wichtig ist, dass die entstehenden Videotutorials nur zum individuellen Lernen genutzt werden. Eine entsprechende Aufbereitung für eine spätere Verwendung als Lehrmedium für Dritte findet nicht statt, da hierfür diverse zusätzliche Kriterien erfüllt sein sollten. Natürlich lassen sich die Handlungsergebnisse auch als Grundlage für Lehrtutorials nutzen.

Die vorhandenen Ansätze, wie z. B. Locatis und Hana (1999) zeichnen sich dadurch aus, dass ein Autorensystem aus einem geschlossenen Softwaresystem mit einer vollständigen Funktionalität besteht. Die genutzte Variation verwendet dagegen mehrere Softwareanwendungen zur individuellen Anpassbarkeit mit jeweils einer Teilfunktion innerhalb der Autorensystemmethode.

Die Autorensystemmethode ist gut für Arbeitsprozesse der manuellen Montage geeignet, da die Struktur des Arbeitsprozesses mit der der Planung, Umsetzung und Optimierung von videobasierten Tutorials vergleichbar ist (vgl. Begleiter 2011; Arndt 2017; vgl. Schuh et al. 2012). Hierfür werden von den Lernenden Kompetenzen und Prozessverständnis benötigt, die ihnen eine Vereinfachung in einzelne lineare oder nichtlineare Aufgabensequenzen ermöglichen, wie es in der Produktionsindustrie Stand der Technik ist (vgl. DIN e. V. 2015; Deming 2018). Molitor et al. (2019) weisen sowohl Effektivität als auch Effizienz für die Dokumentation von Prozesswissen und einen verbundenen Anlernprozess der manuellen Montage mit einer angepassten Autorensystemmethode nach. Sie zeigen, dass die Nutzensteigerung durch geringere Fehleranzahl den Mehrbedarf an Anlernzeit im Vergleich zur Vier-Stufen-Methode deutlich kompensiert.

Der Lernprozess wird durch permanente Selbstevaluation und Optimierung der eigenen Lösungen im Arbeitsprozess beim Erstellen der Tutorials mithilfe eines iPads angeregt. Auf dieser Grundlage wird im Folgenden auf die didaktische Planung einer viertägigen Weiterbildung eingegangen.

2.3 Kompetenzbeschreibung

Die Kompetenzbeschreibung ist entsprechend der detaillierten Ausführungen von Goppold et al. (2019) entstanden. Sie ist das Resultat aus der Verknüpfung der didaktischen Leitidee mit den Ergebnissen einer Arbeitsanalyse von Gerschner et al. (2017) zu Arbeitsprozessen in der manuellen Montage auf dem Shopfloor. Aus der Arbeitsanalyse ergibt sich eine Bandbreite an Kompetenzniveaus und Arbeitshandlungen, welche die Weiterbildung adressieren muss. Unter Nutzung des DQR Kompetenzmodells (Bund-Länder-Koordinierungsstelle für den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen 2013) als Basis zur Beschreibung beruflicher Outcomes ist eine Niveaudifferenzierung auf den DQR Niveaus 1–3 für die Kompetenzbereiche Materialbereitstellung und Rüsten, Montage bzw. Demontage, Funktionsprüfung zur Qualitätskontrolle sowie Tutorialerstellung durchgeführt worden. Neben den arbeitsprozessorientierten Kompetenzen werden digitale Grundkompetenzen gefördert, insbesondere bei der Tutorialerstellung. Die Kompetenzen entstammen zum Großteil dem DigComp 2.1 (Carretero et al. 2017) und sind an die Rahmenbedingungen von industriellen Arbeitsprozessen sowie das verwendete Endgerät iPad adaptiert worden.

Ein Beispielausschnitt aus der Kompetenzbeschreibung für das DQR Niveau 2 im Kompetenzbereich der manuellen Montage lautet:

Die Mitarbeitenden können, auch in Gruppen, digitale und analoge Stücklisten sowie Explosions- und Baugruppenzeichnungen lesen und die notwendigen Arbeitsschritte schriftlich festhalten und gegebenenfalls Beratung nachfragen. […] Sie können sich bei mehrdeutigen Informationen oder (technischen) Problemen an entsprechende Ansprechpartner/-innen wenden. […] Sie können, unter Berücksichtigung der Aspekte der Arbeitssicherheit und Ökonomie, unter Anleitung die Montage bzw. Demontage mit Werkzeugen und Hilfsmitteln durchführen, und den Montage- bzw. Demontageprozess kontrollieren.

Die Beschreibung kann den Kompetenzkategorien Wissen, Fertigkeiten und Sozialkompetenz zugeordnet werden, sowie im Falle des zweiten Satzes der Selbständigkeit. Außerdem bieten sie Ansätze zur Betrachtung einzelner Betroffenenperspektiven an.

2.4 Handlungssituation

Zur Umsetzung der Weiterbildung werden die Kompetenzen in einer Handlungssituation eingebettet. Sie dient als Basis für den Lernprozess. Aufgrund des arbeitsprozessintegrierten Konzepts soll der Lernprozess an einem realen industriellen Arbeitsplatz durchgeführt werden. Da dies im Rahmen der Weiterbildung innerhalb von Unternehmen nur spezifisch für deren eigene Arbeitsprozesse möglich ist und dies zu Konflikten bei Nutzung mit unternehmensexternen Teilnehmenden führen kann, ist ein offenerer Lernort notwendig. Diese Lernorte sind beispielsweise in Lernfabriken (vgl. Abele et al. 2015) anzutreffen. Daher wird die Umsetzung in der Demonstrationsfabrik Aachen umgesetzt. Zur Auswahl eines Arbeitsprozesses ist vor dem Hintergrund des Begründungszusammenhangs (Klafki 1975) nach Bader und Schäfer (1998) eine Überprüfung erfolgt. Dabei hat sich die Montage des e.go Karts, siehe Abb. 1 im Rahmen eines Auftragsfertigungsvertrages der Demonstrationsfabrik als sehr gut geeignet erwiesen.

Abb. 1 Fig. 1
figure 1

Lernort Kartmontage in der Demonstrationsfabrik Aachen

Learning place cart assembly in the demonstration plant Aachen

Durch das modulare Fertigungslayout ist es möglich, einen parallelen Arbeitsplatz zur Montage der Kartvorderachse einzurichten. Das bedeutet, dass die reguläre Fertigung direkt neben den Lernplätzen stattfindet. Zur Schulung ist ein älterer Prototyp des e.go Karts eingesetzt worden, der didaktisch präpariert worden ist. So ist eine verschleißmindernde mehrfache Nutzung der Bauteile möglich. Die Montage der Vorderachse hat sich in Pre-Tests als ausreichend komplex bezogen auf die Anforderungen des DQR 3 Niveaus erwiesen. Aufgrund der heterogenen Zielgruppe wird zusätzlich noch die Montage der Reifen an der Vorderachse als individuelle Prozesserweiterung für die Weiterbildung miteinbezogen. Im ausgewählten Beispiel werden typische Fertigungsverfahren der manuellen Montage wie z. B. Schraub- oder Klemmverbindungen mit unterschiedlichen Werkzeugen angewendet.

Zur Vergleichbarkeit des Montageprozesses an der Vorderachse ist eine Auslegung der regulären Fertigungszeit nach MTM-UAS für das ausgewählte Beispiel bereitgestellt worden, welche gerundet 9 min beträgt.

Neben der didaktischen, niveauspezifischen Aufbereitung der technischen Dokumentation für alle DQR Niveaus sind außerdem die korrespondierenden Arbeitsplanungs- und -vorbereitungsmaßnahmen sowie die Qualitätssicherungsmechanismen der Serienfertigung auf Kausalzusammenhänge mit dem betrachteten Teilprozess überprüft worden. Somit sind aus dieser Lernsituation alle notwendigen Informationen vorhanden, damit einzelne Lerneinheiten für die Gesamtaufgabe der Auslegung, Durchführung und Qualitätskontrolle des manuellen Montageprozesses der e.go Kart Vorderachse erstellt werden können. Diese werden prozessorientiert mit offenem Lösungsraum ausgestaltet.

2.5 Lerneinheiten

Die Weiterbildung ist modular aufgebaut und beinhaltet ein Modul zur Tutorialerstellung sowie vorgelagert mindestens eines zu einem Kompetenzbereich der manuellen Montage, siehe Abb. 2.

Abb. 2 Fig. 2
figure 2

Artikulation der Weiterbildung und Erhebungen

Sequence of the further education workshop and evaluation

Das Modul zum Rüsten und der Arbeitsvorbereitung des Arbeitsplatzes beginnt mit der offenen Aufgabenstellung:

Ihr Vorgesetzter stellt Ihnen die Aufgabe für den Montageprozess einer Kartvorderachse die entsprechenden Materialien und Werkzeuge funktionsfähig bereit zu stellen […] Planen Sie Ihr Vorgehen und stellen Sie alle notwendigen Bauteile und Werkzeuge an von Ihnen geplanten Stellen zur Verfügung […].

Im Anschluss erstellen die Teilnehmenden eine erste Lösung mit auf dem iPad bereitgestellten gängigen betrieblichen Unterlagen. Die Lernbegleitenden können bei Bedarf eingreifen und weitere didaktisch aufbereite Unterlagen als Hilfestellung zu den regulären DQR 3 Niveau Unterlagen zur Verfügung stellen. Mit Hilfe eines Perspektivenwechsels wird die kritische Reflexion der eigenen Lösung auf Basis des eigenen Vorwissens eingeleitet, sodass die Vor- und Nachteile der eigenen Lösung bewertet werden. Hier bringen die Lernbegleitenden bereits bei Bedarf erste Optimierungszielstellungen ein, welche die Bewertung erleichtern. Im Anschluss wird eine revidierte eigene Lösung im Rahmen der Tutorialerstellung erfasst. Hierbei soll das bei der Lösungsfindung angeeignete Arbeitsprozesswissen dokumentiert werden. Nach der Planung des Tutorials mit einem Storyboard und Drehbuch, wird das iPad zur Videotutorialerstellung genutzt. Im Prozess der Erstellung begegnen den Teilnehmenden Fragestellungen, wie ihr vorhandenes Arbeitsprozesswissen optimal im Tutorial erfasst werden kann. Zeitgleich zeigen sich Verständnisprobleme während des Tutorialdrehens auf. Auf Basis der einzelnen Szenen werden von den Lernbegleitenden, wie in Abb. 3, erneut verschiedene Betroffenenperspektiven auf den Rüstprozess und Optimierungsziele eingebracht.

Abb. 3 Fig. 3
figure 3

Lernbegleiter diskutiert Optimierungsziel beim Rüstprozess anhand einer Tutorialszene

Discussion of optimization objectives with supervisor in the workplace equipment phase based on a tutorial scene

Dies ermöglicht es, die selbst aufgeworfenen Fragestellungen beim Tutorialdrehen zu strukturieren und verschiedenen Sichtweisen zuzuordnen. So werden beispielsweise im Rüst- und Montageprozess typische Fragen der Humanisierung und Rationalisierung eingebracht. Insbesondere die Verknüpfung von vor- und nachgelagerten Teilprozessen mit dem im Tutorial abgebildeten Teilprozess wird durch die kontinuierliche Optimierung aufgrund der Reflexionen vergegenwärtigt. Teilnehmende, die den wertschöpfenden manuellen Montageprozess für das Tutorial auswählen, werden dabei häufig auch mit Fragestellungen der Materialbereitstellung konfrontiert, z. B. wenn die Montagetätigkeit im Tutorial durch viele Kameraeinstellungen abgebildet werden muss, weil im Rüstprozess keine Anordnungsregeln oder Heuristiken mit fragwürdigen Zielstellungen genutzt worden sind.

3 Evaluation der Weiterbildung

3.1 Erhebung von Daten zur Kompetenzbewertung und -beurteilung

Durch die didaktische Aufbereitung kann entsprechend des Grundgedankens der Constructive Allignment Theory (Biggs 1996) aufbauend auf den Kompetenzbeschreibungen und der geplanten Handlungssituation ein Kompetenzraster abgeleitet werden, das zur Bewertung und Beurteilung der Teilnehmenden genutzt wird. Hierbei werden für jeden Kompetenzbereich und für jedes DQR Niveau zentrale spezifische Kompetenzen ausgewählt und beobachtungsgerecht entsprechend der Handlungssituation in der Weiterbildung beschrieben.

Der Zertifizierungsprozess orientiert sich dabei an Vorgaben, welche formalisiert in der DIN EN ISO/IEC 17024 (DIN e. V. 2012) sowie DIN 33430 (DIN e. V. 2016) zu finden sind. Gleiches lässt sich über die Standards für Evaluation (DeGEval 2016) berichten, die ebenfalls herangezogen worden sind.

Entsprechend der Abb. 2 wird die Bewertung und Beurteilung vorgenommen. Der Lernprozess wird mit einem Kompetenzraster begleitet und der Kompetenzstand bilanziert. Erweiternd werden die Tutorials anhand von aus der Literatur abgeleiteten Qualitätskriterien bewertet. Diese werden anhand des Curriculums interpretiert und ausgestaltet.

Im Zusammenhang mit der Zielgruppe und des starken Situationsbezugs ist es wichtig zu bemerken, dass eine rein objektive Kompetenzerfassung per Definition begrenzt ist. So tragen zu erwartende unterschiedliche kulturelle Prägungen zu einer heterogenen Auffassung der Situation bei, was eine Vergleichbarkeit durch die eingesetzte Kompetenzmessung negiert (Gillen 2005). Es wird daher durch Schulung der Beobachtenden eine moderate Zieloffenheit bei der Beurteilung und Bewertung entsprechend des gestaltungsorientierten Ansatzes vermittelt.

3.2 Kompetenzbilanzierung mit Beobachtungsleitfaden im Arbeitsprozess

Das Ziel der Kompetenzbilanzierung ist eine praxisorientierte Übersicht von Teilkompetenzen für manuelle Montageprozesse anzubieten. Diese werden in Form von Beobachtungen durch die Lernprozessbegleitung im Rahmen der individuell eingesetzten Lehrgriffe in einem strukturierten Leitfaden vermerkt, um auch in Hinblick auf die nicht durch Large-Scale Assessment messbare berufliche Handlungskompetenz oder soziale Kompetenz zu erheben (vgl. Rauner 2017). Dies ist in der Weiterbildung möglich und kann mit Bezug auf das DQR Kompetenzmodell für die ausgewählten Kompetenzniveaus unter Einhaltung der Standards gewährleistet werden. Die Auswahl der Beobachtung als empirisches Erhebungsverfahren ermöglicht den Einbezug von Kompetenzen, wie z. B. handwerkliches Geschick oder implizites berufliches Wissen (vgl. Rauner 2010). Sie ist jedoch unter empirischen Gesichtspunkten von rein wissenschaftlich motivierten Erhebungen umstritten (vgl. z. B. Beck 1987). Die Reliabilität wird durch den Einsatz von Beobachterschulungen für alle Lernbegleitende sichergestellt. Hierbei wird mit Fallbeispielen aus den Pre-Tests und allgemeinen Unterscheidungskriterien der DQR Niveaus ein einheitliches Verständnis der Kompetenzraster als Erhebungsinstrument sichergestellt.

Die Kompetenzraster werden durch mindestens zwei Lernbegleitende anhand von Lehrgriffen, Beobachtungen und Zwischenergebnissen des Arbeitsprozesses ausgefüllt. So wird auch die Güte eines konkreten Handlungsergebnisses im Kompetenzraster erfasst.

Zusätzlich zu vier Kompetenzrastern der entsprechenden Kompetenzbereiche der Weiterbildung, wird ein weiteres, übergreifendes Kompetenzraster erstellt. Dieses enthält alle wiederkehrenden, in mehreren Tätigkeitsfeldern relevante Kompetenzen. Hierunter fallen die soziale und Selbstkompetenz sowie der generelle Umgang mit dem iPad.

Im Anschluss wird dieses bei der Gesamtbewertung der einzelnen Kompetenzbereiche gewichtet mit eingerechnet. Insgesamt kann somit ein abschließendes Zertifikat über die Teilnahme mit einer detaillierten Auflistung von maximal 36 Teilkompetenzen mit jeweils erreichtem DQR Niveau ausgestellt werden.

Ein Beispielauszug aus dem Kompetenzraster bewertet die benötigte Art der technischen Zeichnung, die bei Bedarf im Arbeitsprozess in didaktischen Versionen bereitgestellt wird. Auf DQR 3 Niveau wird eine technische Baugruppenzeichnung nach DIN genutzt, auf DQR 2 Niveau Teilenummerierungen hinzugefügt und auf DQR 1 Niveau eine beschriftete Explosionszeichnung bereitgestellt. Sobald die Lernbegleitung eingreift und eine leichtere Version bereitstellt, wird es im personalisierten Beobachtungsleitfaden vermerkt.

3.3 Beurteilung Videotutorials

Die Videotutorials sind vergleichbar zu den einzelnen Rüst- oder Montageresultaten das Handlungsergebnis aus der Förderung der digitalen Grundkompetenzen bzw. des Kompetenzbereichs Tutorialerstellung. Sie werden daher gesondert evaluiert, da dies eine Besonderheit der Autorensystemmethode darstellt und sie gleichzeitig das Outcome der digitalen Grundkompetenzen sind.

Zur Ableitung der Bewertungskriterien für die Tutorials ist neben der Nutzung der Kompetenzbeschreibung eine literaturgestützte Identifikation von Bewertungsdimensionen erfolgt. Hierzu ist in Anlehnung an die Vorgehensweise zur systematischen Literaturrecherche (vgl. z. B. Moher et al. 2009) eine Auswahl von 65 untersuchten Quellen durch Filterung von Titeln und Abstracts zusammengestellt worden. Diese enthalten neben den Ergebnissen aus dem Jahr 2017 außerdem im Material enthaltene, passende Primärquellen.

Das Ausgangsmaterial ist einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) unterzogen worden. Diese nutzt die Aussage über den Gegenstand als Analyserichtung, um die inhaltliche Fragestellung zu beantworten: „Was sind Qualitätskriterien zur Beurteilung eines Videotutorials?“ Hierfür wird die Analysetechnik der Zusammenfassung zur Reduktion der Textstellen auf das Selektionskriterium der enthaltenen Qualitätskriterien angewendet. Zur weiteren Bearbeitung wird auf eine induktive Kategorienbildung zurückgegriffen. Die Analyseeinheit besteht aus einem Wort bis zu einem Satz. Der abhängig von der Textstelle unter Umständen mehrstufige Abstraktionsprozess soll die Qualitätskriterien als Kategorien herausbilden. Die Iterationsschleifen zur Zusammenfassung und Revision der inhaltsanalytischen Erkenntnisse im gesamten Kategoriensystem sind nach der Hälfte und nach dem gesamten Materialdurchlauf vorgenommen worden.

Aus den 65 zur Verfügung stehenden Ausgangsmaterialquellen finden sich in 30 genutzten Materialien insgesamt 155 Codings, welche schlussendlich zur Kategorienbildung in Tab. 1 zusammengefasst worden sind:

Tab. 1 Table 1 Literaturbasierte QualitätskriterienLiterature-based quality criteria

Die Weiterbildung nutzt Tutorials für die Erstellenden als Lerngegenstand und nicht, um Videotutorials für Lernprozesse Dritter zu erstellen. Außerdem existieren Vorgaben an die Videotutorials, welche bereits einige Qualitätskriterien, wie z. B. Tutoriallänge sicherstellen, sodass die finalen Bewertungskategorien in Abgleich mit dem Schwerpunkt des Weiterbildungscurriculums aus den Kompetenzbeschreibungen in Tab. 2 zusammengeführt worden sind:

Tab. 2 Table 2 Beurteilungskriterien für die Videotutorials der WeiterbildungAssessment criteria for video tutorials in the workshop

Für alle Kategorien ist eine aufsteigende 5‑stufige Likertskala zur Bewertung genutzt worden. Jeder Abstufung wird mithilfe einer Beschreibung zur einfacheren Unterscheidung eine Beschreibung zugeordnet, z. B. für den Weißabgleich: Global guter Weißton und keine Unterschiede zwischen den Szenen; Global guter Weißton und leichte Unterschiede zwischen den Szenen bzw. Global erkennbar abweichender Weißton und keine Unterschiede zwischen den Szenen; Deutliche Unterschiede des Weißabgleichs zwischen den Szenen bzw. auffallende Varianz im Buntton; In weniger als der Hälfte der Szenen ein durchgeführter Weißabgleich erkennbar; Kein durchgeführter Weißabgleich erkennbar.

4 Ergebnisse der Evaluation

4.1 Ergebnisse Kompetenzbilanzierung im Arbeitsprozess

Bei den Durchführungen sind zielgruppenspezifische Datensätze von 13 schulischen Teilnehmenden (Gruppe 1) mit Durchschnittsalter dem 18,5 Jahre entstanden und von 31 Teilnehmenden des Arbeitsmarkts (Gruppe 2) mit Durchschnittsalter 37,2 Jahre liegen die in Tab. 3 aufbereiteten auswertbaren Datensätze vor. Die Skalierung ist entsprechend der zu erhebenden DQR Niveaus von 1 bis 3 in ganzzahligen Schritten ausgeführt. Es werden nur selbstständig induzierte und nicht durch methodische Weiterbildungselemente angeregte Optimierungen erfasst. Ein Teil der Ergebnisse ist bereits auf der Frühjahrskonferenz der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft vorveröffentlicht worden (vgl. Goppold und Frenz 2019). Alle Mittelwertunterschiede sind mittels Mann-Whitney‑U Test aufgrund der Ordinalskalierung im DQR berechnet worden und werden mit entsprechenden p-Werten in der Textbeschreibung angegeben. Im Diskussionsteil sind die Korrelationskoeffizienten aus dem gleichen Grund nach Spearman als Rangkorrelationskoeffizient Rho berechnet worden.

Tab. 3 Table 3 Ergebnisse der KompetenzbilanzierungResults of the balance of skills

Die Ergebnisse der Kompetenzbilanzierung zeigen eine insgesamt gute nicht-formale Kompetenz der Teilnehmenden auf, welche in den meisten Items im Mittel mindestens auf DQR 2 Niveau vorliegt. Auffällig ist die Tatsache, dass nur sehr wenige Teilnehmende eine eigenständige Optimierung im Rahmen der Bildungsmaßnahme durchgeführt haben und der Großteil diese erst aufgrund der didaktischen Interventionen ausführt. Bezogen auf die Heterogenität beider Gruppen fallen Unterschiede bei der Erstellung von Bauteil- und Werkzeuglisten (p < 0,01) und bei der Bewertung (p < 0,05) im Kompetenzbereich der Materialbereitstellung und des Rüstprozesses auf. Auch bei der Art der technischen Zeichnung hat sich die Arbeitsmarktgruppe besser mit den realen technischen Zeichnungen arrangiert als die Schulgruppe. Beim Kompetenzfeld Montage sind nur geringe Differenzen zwischen den Gruppen zu erkennen, wobei die Arbeitsmarktgruppe zumeist leicht besser als die Schulgruppe eingeschätzt worden ist. Gleiches lässt sich für den Kompetenzbereich Funktionskontrolle zusammenfassen. Die Einordnung der eigenen Tätigkeit in den Gesamtprozess ist bei beiden Gruppen fast ausschließlich auf DQR 3 Niveau einzuordnen, wohingegen große Unterschiede bei der Nutzung des eingesetzten Betriebssystems iOS bestehen (p < 0,05). War bei letzterem Unterschied die Schulgruppe überlegen, lassen sich umgekehrte Ergebnisse für die Arbeitsmarktgruppe hinsichtlich Identifikation des eigenen Informationsbedarfs (p < 0,05), Rückfragen an die korrekten Ansprechpartner im Produktionsprozess (p < 0,01), mündliche Ergebnispräsentation (p < 0,001) sowie Verhaltens- und Umgangsformen feststellen. Bei der Tutorialerstellung fallen Unterschiede im Nutzungsverhalten der informationstechnischen Werkzeuge wie Videoapp (p < 0,001) und Schnittapp (p < 0,05) auf, die von der Schulgruppe deutlich kompetenter genutzt worden sind. Reziprok ist die Situation dagegen bei der Mediengestaltung (p < 0,05), Kontrolle (p < 0,001) und Bewertung (p < 0,001) des Tutorials sowie dessen Präsentation (p < 0,05), bei der die Arbeitsmarktstichprobe deutlich bessere Kompetenzen besitzt.

4.2 Ergebnisse Tutorialbewertung

Für die Teilstichprobe Schule (Gruppe 1) liegen 12 komplett bewertete Tutorials vor, wohingegen in der Teilstichprobe Arbeitsmarkt lediglich 17 unabhängige, vollständig auswertbare Videos entstanden sind. Die durchschnittliche Bewertungsdauer eines Videotutorials (Maximallänge 3 min) hat 25 min betragen und zu den Ergebnissen in Tab. 4 geführt.

Tab. 4 Table 4 Ergebnisse der TutorialbewertungResults of the tutorial assessment

Beide Teilstichproben haben in ihren Tutorials grundlegende Regeln der Bildgestaltung gleich gut beachtet. Divergenzen innerhalb dieser Items sind nur bei der Drittelregel/goldener Schnitt zu erkennen, die deutlich schlechter bewertet worden sind als die restlichen Kriterien. Deutliche Unterschiede zwischen den Tutorials aus beiden Gruppen treten dagegen bei der neutralen Kameraposition (p < 0,05) und der natürlichen Bewegungsausführung in den Tutorials (p < 0,001) auf, die von der Arbeitsmarktstichprobe erheblich besser ausgeführt worden sind. Gleiches gilt für Vor- und Nachlaufzeiten (p < 0,05) und den sicheren Stativstand (p < 0,001) sowie die Dokumentation von erkennbaren Missachtungen geltender Sicherheitsrichtlinien in der Produktion. Beiden Gruppen ist es nicht gelungen einen flüssigen Schnitt in Bewegungsabläufe zu integrieren, wobei im Vergleich in der Arbeitsmarktgruppe einige Ansätze zu erkennen sind (p < 0,001). Ein großer Unterschied besteht ebenfalls in erkennbaren Anschlussfehlern beim Zusammenschneiden mehrerer Szenen (p < 0,001), die besonders ausgeprägt bei der Schulstichprobe zu beobachten gewesen sind. Tendenziell macht die Arbeitsmarktgruppe weniger Bildsprünge in ihren Tutorials und verdeutlicht besser die wichtigen Informationen des Arbeitsprozesses. Die Schulgruppe nutzt hingegen Schriftbanderolen für Untertitel deutlich besser sowie sinnvoller und hat auch wichtige Geräusche des Arbeitsprozesses besser abgebildet (p < 0,05). Insgesamt ist jedoch erkennbar, dass alle tonbezogenen Gütekriterien der Tutorials im Vergleich zu den bildbezogenen schwach ausgeprägt sind.

5 Diskussion der Evaluationsergebnisse

Die Einschätzung der Kompetenz aus nicht formalen Bildungsmaßnahmen zeigt bei den meisten Items einen Mittelwert des DQR 2 Niveaus auf, was sich gut im Rahmen von allgemeinbildenden Voraussetzungen oder Transfermöglichkeiten aus anderen beruflichen Fachrichtungen und Domänen außerhalb der industriellen manuellen Montage qualitativ begründen lässt.

Aus der geringen Anzahl an eigenständigen Optimierungsmaßnahmen durch die Teilnehmenden, lässt sich die Durchführung der Weiterbildung und deren didaktische Zielstellung sehr gut rechtfertigen. Interessant wäre eine erneute Teilnahme der bisherigen Teilnehmer, um einen Lerneffekt hinsichtlich eigeninitiierter Optimierungen bei der Gestaltung eines manuellen Montageprozesses zu erheben. Qualitative Beobachtungsdaten geben weiterhin Aufschluss darüber, dass hinsichtlich der selbst durchgeführten Optimierungen auch eine sehr große Heterogenität hinsichtlich der Zielfrage der Optimierung und der Anwendungstiefe der Optimierungen vorliegt. So haben einige Teilnehmende sogar konstruktionsrelevante Änderungen zur Verbesserung der Produktqualität vorgeschlagen, während andere lediglich auf der individuellen Ebene Änderungen am Arbeitsplatzlayout vorgenommen haben.

Im Zuge der Arbeitsplatzvorbereitung haben die Teilnehmenden der Schulstichprobe im Mittel eine didaktisch aufbereitete Zeichnung benötigt und erst im Verlauf der Weiterbildung gelernt, auch mit nicht aufbereiteten Zeichnung zu arbeiten. Die Arbeitsmarktgruppe hat diese Schwierigkeiten in geringerem Maß gehabt, was anhand der qualitativen Zusatzinformation zu häufig vorhandener technischer Vorbildung oder Erwerbsbiographie erklärt werden kann.

Mögliche Differenzen lassen sich anhand von Schwierigkeiten bei der Sprachverständlichkeit begründen, da 8 von 13 Teilnehmenden der Schulstichprobe Deutsch nicht als Muttersprache sprechen und erst seit weniger als 2 Jahren in Deutschland leben, während in der Arbeitsmarktstichprobe nur 12 von 27 Teilnehmenden eine andere Muttersprache als Deutsch besitzen. Gleiches kann analog auf kulturelle Differenzen gefolgert werden (vgl. Helms 2010). Dies gilt insbesondere für die erhobenen Unterschiede bei der Ergebnispräsentation und die persönlichen sowie gruppenorientierten Verhaltensformen, welche auch Rückfragen an Ansprechpartner miteinschließt. Die Unterschiede bei letztgenannter Teilkompetenz sowie Identifikation von eigenem Informationsbedarf können auch mit der Lebenserfahrung und entsprechenden Vorkenntnissen in Verbindung gebracht werden, die bei der Arbeitsmarktstichprobe deutlich größer sein sollte. Gerade vor dem Hintergrund der Zielunternehmen der Weiterbildung sind alle diskutierten Aspekte besonders wichtig, da in KMU viele Informationen nur informell vorliegen und durch Kommunikation mit dem Kollegium erschlossen werden können.

Die Weiterbildung hat das Ziel erreicht, das Verständnis für industrielle Fertigung zu fördern und den Teilnehmenden eine fachliche und soziale Einordnung des manuellen Montageprozesses in den produzierenden Teil des Aufgabenabwicklungsprozesses vorzunehmen.

Die zunächst festgestellten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bei der Materialbereitstellung im Rüstprozess des Arbeitsplatzes haben sich in den weiteren Kompetenzbereichen nicht mehr so deutlich repliziert, was die Lernwirksamkeit der didaktischen Interventionen zu Beginn der Weiterbildung annehmen lässt. Zugleich ist auch feststellbar, dass keine erheblichen Steigerungen ab einem Kompetenzniveau von DQR 2 bzw. 3 eintreten, was zum einen mit der großen Definitionsdifferenz zwischen den beiden Niveaus zusammenhängt als auch mit der didaktischen Konzeption, welche maximal bis DQR 3 Niveau ausgelegt ist und daher keine Förderung darüber hinaus anstrebt.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse zu den Kompetenzbereichen Montage und Funktionsprüfung, dass alle Teilnehmenden in der Lage gewesen sind, eine eigene Lösung der Aufgabe entsprechend des gestaltungsorientierten Ansatzes zu erarbeiten. Die meisten Lösungen sind recht einheitlich ausgefallen, wobei in ca. 10 % der Fälle kreative abweichende Lösungen erarbeitet worden sind. Insbesondere hier haben sich die Optimierungsziele stark unterschieden und deshalb sind hier die intensivsten Diskussionen anhand eines Lösungsvergleichs erfolgt.

Alle Unterschiede bezüglich der Tabletnutzung mit Betriebssystem und genutzter Programme erwecken zwar den Eindruck eines Unterschieds zwischen den Gruppen, lassen in einer Analyse aber z. B. eine Korrelation mit dem Alter für die Videoapp (r = −0,4; p < 0,05) und die Schnittapp (r = −0,5; p < 0,01) erkennen. Hier besteht jedoch die Vermutung, dass ein kausaler Zusammenhang eher mit der Nutzungsgewohnheit oder Medienkompetenz als mit dem Alter vorliegt, was mit den erhobenen Daten jedoch nicht nachgewiesen werden kann.

Die Unterschiede in der Mediengestaltung, der Tutorialkontrolle und -bewertung inklusive der Präsentation lassen sich mit allgemeiner Sorgfalt sowie vorhandener Arbeitserfahrung in Verbindung setzen, wobei die im Arbeitsprozess beobachteten Handlungen aufgrund der durchgeführten Interventionen nicht mehr zu einer Unterscheidbarkeit beider Gruppen bei den entstanden Tutorials führen. Eine Verbesserung der Weiterbildung bei der Mediengestaltung bietet sich insbesondere bei der Positionierung der Arbeitsobjekte im Bild anhand der Drittelregel bzw. des goldenen Schnitts an, da hier bei der Tutorialbewertung viel Bedarf festgestellt worden ist.

Allgemein muss eine Eignung als Lehrtutorials auch aus weiteren Gründen, wie der Kamerapositionierung oder der natürlichen Bewegungsausführung in den entstandenen Tutorials verneint werden. Es gibt hingegen sehr gute Einzelbeispiele, welche sich hierfür eignen.

Die allgemeine Sorgfalt der Teilnehmenden ist ebenfalls in den Tutorials und deren Ausgangsmaterial in Form von Szenen sowie dem anschließenden Schnitt der Szenen erkennbar, bei denen einfache Regeln von der Schulgruppe im Vergleich zur Arbeitsmarktstichprobe weniger beachtet worden sind. Dies ist bei der Verbesserung der Weiterbildung zu beachten, sodass geeignete methodische Elemente schon in der Vorbereitung eine entsprechende Sensibilisierung der Teilnehmenden bewirken kann, beispielsweise bezüglich Anschlussfehlern.

Der flüssige Schnitt in Bewegungsabläufen ist hingegen kein didaktisches Ziel der Weiterbildung, da dies nur durch viel Übung erreicht werden kann. Die Nutzung der Schriftbanderolen korreliert mit der beobachteten Schnittappkompetenz (r = 0,6; p < 0,001), welche besonders bei der Schulstichprobe ausgeprägt gewesen ist. Insofern müssen für solche Bearbeitungen des Tutorialmaterials in der Weiterbildung, entsprechend der heterogenen Zielgruppe, teilweise mehr Hilfestellungen angeboten werden.

In der Gesamtheit ist in der Weiterbildung die Tonbearbeitung des Tutorialmaterials entsprechend der Ergebnisse nicht ausreichend fokussiert worden, was in Zukunft verbessert werden sollte, wenn akustische Signale im Arbeitsprozess ein wichtige zu nutzende Sinnesmodalität darstellen.

Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass verallgemeinert die Erkenntnis ableitbar ist, dass die stille Reserve des Arbeitsmarkts sowie Schülerinnen und Schüler ähnliche produktionsrelevante Voraussetzungen besitzen, sich aber in einigen wichtigen Teilkompetenzen unterscheiden. So hat insgesamt eine deutlich höhere Sorgfalt im Arbeitsprozess und bei der Erstellung der Tutorials in der Arbeitsmarktstichprobe vorgelegen, wohingegen die Schulstichprobe aus Berufskollegs eine deutlich höhere Digitalkompetenz im Umgang mit den Programmen auf dem iPad besitzt.

Jedoch sind folgende Einschränkungen aus der Studie zu beachten, welche diese Argumentation als hypothetisch erscheinen lassen. Zunächst sind die Teilnehmenden eine Positivauswahl der jeweiligen Gruppe, weil die Lehrkräfte der Partnerschule nur motivierte Schülerinnen und Schüler an der Weiterbildung teilnehmen gelassen haben und das regionale Jobcenter ebenfalls nur passende Teilnehmende empfohlen hat. Die Stichprobe des Arbeitsmarkts ist weiter verzerrt, da einige Teilnehmende die Weiterbildung abgebrochen haben und nicht die gesamte Weiterbildung durchlaufen haben. Einige Teilnehmende sind nicht zur Nutzung eines Tablets für die Tutorialerstellung motivierbar gewesen, sodass sie sich nur an den Arbeitsprozessen und den Dreharbeiten beteiligt haben und kein eigenes Tutorial entstanden ist.

Das Studiendesign hat entsprechend der Forschungsfrage die Anwendung der Kompetenzbilanzierung auf eine heterogene Zielgruppe untersucht als auch die differenzierte Darstellung von Arbeitsprozess- und digitalen Grundkompetenzen aufgezeigt. Daher werden nur Aussagen bezüglich der Lernqualität, aber nicht zur Effektivität des Lernprozesses getroffen, welche im Sinne der Förderung der reflexiven Handlungsfähigkeit im Rahmen einer konstruktivistischen Lerntheorie etwa über die Lernprozessintensität operationalisiert werden müsste.

Der Einsatz der Evaluationsmethodik hat gezeigt, dass einige Teilkompetenzen deutlich einfacher, objektiver und reliabler als andere zu bestimmen gewesen sind. So ist beispielsweise die Bewertung der Kenntnisse und Fähigkeiten, bezogen auf technische Zeichnungen, durch den Ansatz einer schrittweise durchgeführten Niveaureduktion der Zeichnung deutlich besser hinsichtlich der gewählten Gütekriterien möglich gewesen, als beispielsweise die Bewertung der handwerklichen Geschicklichkeit bei der Werkzeughandhabung im Rahmen der manuellen Montage.

Weiter ist zu bemerken, dass die Ergebnisgüte nur bei den gewählten Kompetenzniveaus in der ausgewählten Handlungssituation gewährleistet werden kann und Probleme bei der Unterscheidung von höheren DQR Niveaus absehbar sind. Darüber hinaus zeigt die Evaluation, dass mit der umgesetzten Evaluationsmethodik und den subjektbezogen genutzten didaktisch-methodischen Interventionen die Zielstellung der didaktischen Leitidee zu Optimierungszielen und Betroffenenperspektiven nur unzulänglich vergleichbar abgebildet werden kann. Die Evaluationsmethodik kann als typische Vorgehensweise in der beruflichen Bildung angesehen werden, welche in vergleichbarer Form auch in Prüfungen angewendet wird. Aus Sicht von psychologischen Erhebungsverfahren besitzt die eingesetzte Evaluationsmethodik nur sehr geringe Güte, was aber mit dem Fokus auf die Gütekriterien Ökonomie, Durchführbarkeit sowie den situierten Kontext der Studie und einer breiten Auslegung des Kompetenzbegriffs begründbar ist. Die Autorensystemmethode als auch die Evaluationsmethodik sind außerdem nicht auf Arbeitsprozesse mit kognitiven Schwerpunkten ohne starke Anpassungen anwendbar.

6 Fazit

Der Beitrag zeigt die Umsetzung eines Weiterbildungskonzepts für formal Nichtqualifizierte in der industriellen manuellen Montage auf. Die durchgeführte Studie zur Evaluation des Weiterbildungskonzepts, hat die didaktische Idee der Weiterbildungskonzeption mithilfe der Autorensystemmethode bestätigen können und deren Umsetzbarkeit nachgewiesen.

Die Ergebnisse zeigen Bereiche für Verbesserungen des Weiterbildungskonzepts auf, die insbesondere auf der didaktisch-methodischen Ebene zu verorten sind bzw. auch Konkretisierungen auf der Ebene der Zielformulierung induzieren können.

Die Ergebnisse zeigen die Möglichkeiten von arbeitsprozessintegrierten Lernkonzepten in der Erwerbsarbeit auf, um gegenwärtigen Herausforderungen zu begegnen. Die sich wandelnde reale Erwerbsarbeit wird hierfür zuerst mithilfe arbeitswissenschaftlicher Methoden erschlossen, um anschließend mit didaktischen Methoden der Berufspädagogik zu einer Interventionsmaßnahme ausgearbeitet zu werden, was anhand des Beitrags demonstriert worden ist.

Die Autorensystemmethode ist dazu geeignet, Personen niederschwellig in Planungsprozessen zu unterstützen, wenn diese im Arbeitsprozess damit Probleme haben. Darauf aufbauend lässt sich eine Reflexion einer vollständigen Handlung inklusive der Planungsphase durchführen.

Die Ergebnisse offenbaren, dass für die Zielgruppe bis DQR Niveau 3 die Zielstellung der Auseinandersetzung mit Optimierungsfragen sehr ambitioniert ist und viele Teilnehmende in einer vergleichbar kurzen Weiterbildungszeit das anvisierte Ziel nicht erreicht haben.

Deshalb lässt sich die Eignung des gewählten arbeitsintegrierten Ansatzes für die Zielstellung der Optimierung gut für Fachkräfte auf mittleren DQR Niveaus folgern, welche gleichartig zu passenden Kompetenzen weitergebildet werden könnten. Daneben ergibt sich weiterer Forschungsbedarf für die Anwendung der Autorensystemmethode in indirekten Bereichen der industriellen Produktion und für kognitive Arbeitsprozesse sowie der empirischen Überprüfung der Lerneffektivität im Vergleich mit anderen Lehrmethoden.