1 Einleitung

Die Arbeitswelt unterliegt einem Wandel, der in den letzten Jahrzehnten vor allem durch Prozesse, wie den demographischen Wandel und den damit verbundenen Veränderungen der Beschäftigtenstruktur, der Globalisierung der Wirtschaft (Eichhorst und Buhlmann 2015; Trinczek 2011), der Digitalisierung und der Entwicklung zu einer Wissens- und Kommunikationsgesellschaft (Eichhorst und Buhlmann 2015), vorangetrieben wurde. Dieser Strukturwandel wird von Flexibilisierungsprozessen begleitet, die zu Veränderungen der Arbeitszeiten in Bezug auf Dauer, Lage und Verteilung und einer Entgrenzung von Erwerbs- und Familienwelten führen (Jürgens 2003).

Besondere Arbeitszeitbedingungen, wie Schichtarbeit, Wochenendarbeit, Abendarbeit oder Nachtarbeit haben seit 1996 in ihrer Häufigkeit zugenommen. Zahlen des Statistischen Bundesamts zur Folge, sind unter allen abhängig Beschäftigten in Deutschland 2016 gut 16 % (1996: 11 %) in Schichtarbeit tätig, an Samstagen arbeiten fast 24 % (1996: 19 %) der Beschäftigten, an Sonn- und/oder Feiertagen 14 % (1996: 10 %), in Abendarbeit 24 % (1996: 16 %) und in Nachtarbeit 9 % (1996: 7 %) (BMAS und BAuA 2017). In der Europäischen Union sind 2015 18 % der Beschäftigten in Schichtarbeit tätig, fast 40 % der Beschäftigten arbeiten an Samstagen und 23 % an Sonntagen (Eurofound 2017). Im Zusammenhang mit der Ausweitung der Arbeitszeiten wird häufig von der 24-Stunden Gesellschaft gesprochen. Neben unverzichtbaren sozialen Leistungen wie der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung oder der Stromversorgung, gibt es Wirtschaftssektoren, die aus technischen und/oder ökonomischen Gründen rund um die Uhr produzieren. Schichtarbeit ist heute nicht mehr auf diese Wirtschaftsbereiche beschränkt, sondern zunehmend im Dienstleistungsbereich zu finden, in dem Leistungen 24 Stunden am Tag angeboten und in Anspruch genommen werden, darunter Tätigkeiten in Sicherheitsdiensten oder in der Kommunikationsbranche (Angerer und Petru 2010).

Schichtarbeit stellt besondere Anforderungen an die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, da häufig sozial bedeutsame Stunden des Tages durch die Arbeit belegt werden. Während sich die Forschung intensiv mit den gesundheitlichen Auswirkungen von Schichtarbeit auseinandersetzt (Angerer und Petru 2010), ist der Erkenntnisstand zu den sozialen Auswirkungen als begrenzt einzuschätzen. Zu den langfristigen Folgen für das Familienleben von Schichtarbeitern sind bisher wenige Studien veröffentlicht (Arlinghaus et al. 2019; Jansen et al. 2003, 2004; Presser 2000). Dabei wird die Störung des sozialen und familiären Lebens durch die Schichtarbeit als eine mögliche Ursache für gesundheitlich negative Folgen der Schichtarbeit diskutiert (Tucker und Folkard 2012). Dies wird auch als sozialer Erklärungsansatz bezeichnet (Haines et al. 2008). Costa (2003) beschreibt die Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben sogar als Hauptursache für eine Fehlanpassung an die Schichtarbeit und sieht einen Zusammenhang mit der Entwicklung von psychosomatischen Erkrankungen.

2 Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben bei Schichtarbeitern

Die Lebensbereiche Arbeit und Familie haben üblicherweise die höchsten Stellenwerte in dem Leben eines erwachsenen Menschen im mittleren Lebensalter. Der private Lebensbereich bietet Raum für Erholung, soziale Integration und Unterstützung, ist aber auch mit Anforderungen verbunden. Im Idealfall schaffen es Beschäftigte, die Anforderungen der beiden Lebensbereiche auszubalancieren (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung 2012). Wenn Anforderungen aus den Lebensbereichen der Arbeit, dem Privat- und Familienleben schwer vereinbar bzw. unvereinbar sind, wird dies als Interrollenkonflikt verstanden. Konstrukte wie der Work-Family Conflict oder Work-Life-Conflict beschreiben diesen Interrollenkonflikt als einen Zustand, in dem Anforderungen und Erwartungen der Arbeitsrolle nicht mit den Anforderungen und Erwartungen der Rollen im Familien- und Privatleben vereinbar sind und umgekehrt. Dabei beschränken sich die Rollen im Familienbereich nicht nur auf Verpflichtungen in der Versorgung und Betreuung von Kindern. Ein Interrollenkonflikt kann ebenso zwischen den Anforderungen der Erwerbsarbeit und einer ehrenamtlichen Tätigkeit entstehen (Greenhaus und Beutell 1985).

Bei Schichtarbeitern wird das Ausbalancieren der Anforderungen durch eine Verschiebung des sozialen Rhythmus, der sozialen Desynchronisation, erschwert (Angerer und Petru 2010), da sich der Tagesrhythmus eines Schichtarbeiters von dem des sozialen Umfelds, in dem Personen in der Regel einem normalen Tagesrhythmus folgen, unterscheidet (Arlinghaus und Nachreiner 2016). Das kann dazu führen, dass gemeinsame Zeit mit der Familie oder Freunden am Tag fehlt oder Betreuungsverpflichtungen für Kinder nicht erfüllt werden können, denn Angebote der Kinderbetreuung lassen sich kaum mit den Arbeitszeiten im Schichtdienst vereinbaren (Jürgens 2003). Aufgrund der höheren Anforderungen erfordert die Vereinbarkeit einen erhöhten Aufwand an organisatorischen und arbeitsteiligen Absprachen in Partnerschaften, insbesondere wenn Betreuungsverpflichtungen für Kinder vorliegen (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung 2012).

Obwohl Schichtarbeit überwiegend als Herausforderung für die Vereinbarkeit betrachtet wird, gibt es Fälle, in denen Schichtarbeit bewusst aufgenommen wird, um die Vereinbarkeit zu verbessern (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung 2012). Jürgens (2003) sieht darin gesundheitliche Risiken für die Beschäftigten, da Paare häufig in entgegengesetzten „Arbeitsschichten“ arbeiten, um sich bei der Betreuung abzuwechseln und das ginge mit physischen und psychischen Belastungen einher.

Eine Reihe von Studien liefert bereits Hinweise, dass Beschäftigte in versetzten Arbeitszeiten oder in Schichtarbeit häufiger von Problemen der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben betroffen sind (Carlson et al. 2011; Haines et al. 2008; Heponiemi et al. 2010; Jansen et al. 2004). Arlinghaus et al. (2019) haben die Studienerkenntnisse zu Arbeitszeittypen und den Einfluss auf Familien- und Freizeitleben zusammengefasst und kommen zu dem Ergebnis, dass Schichtarbeit und überlange Arbeitszeiten mit größeren Konflikten in der Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Freizeit zusammenhängen. Jansen et al. (2004) untersuchten beispielsweise den Zusammenhang zwischen Arbeitszeitmodellen und dem Work-Family Conflict in der Maastricht Kohortenstudie und fanden stärkere Vereinbarkeitsprobleme für Frauen und Männer in Schichtarbeit im Vergleich zu Beschäftigten mit Normalarbeitszeiten. Bei der Untersuchung von Vereinbarkeitsproblemen sollten Frauen und Männer getrennt betrachtet werden, um geschlechtsspezifische Unterschiede in den arbeitsbezogenen und privaten Anforderungen berücksichtigen zu können. So identifizierte Jurczyk (1998) anhand von qualitativen Interviews unterschiedliche Formen im Umgang mit Zeit, die jeweils zu großen Teilen männlich oder weiblich geprägt sind. Eine besondere Problematik bestehe darin, dass Frauen, angetrieben durch ihre gesellschaftlich stärkere Einbindung in Erwerbs- und Familienleben, mehrere berufliche und private Tätigkeiten synchron bewältigen müssen, während Männer sie aufgrund einer eher selbstbestimmteren Gestaltung häufiger segmentieren können (Jurczyk 1998). In der Forschung lassen sich darüber hinaus Hinweise auf eine unterschiedliche Ausprägung von Vereinbarkeitsproblemen zwischen den Geschlechtern finden (Byron 2005; Haines et al. 2008).

3 Gesundheitliche Auswirkungen von Schichtarbeit

Schichtarbeit ist mit einer Vielzahl von gesundheitlichen Folgen assoziiert, wie eine Zunahme an Arbeitsunfähigkeitstagen (Merkus et al. 2012), Gewichtszunahme (Proper et al. 2016; Van Drongelen et al. 2011), Übergewicht und gestörter Glukosetoleranz (Proper et al. 2016), Erkrankungen wie Diabetes (Knutsson und Kempe 2014), Herzinfarkt und Schlaganfall (Vyas et al. 2012). Die Störung des endogenen zirkadianen Rhythmus des Körpers wird als die Hauptursache gesundheitlicher Beanspruchung durch Schichtarbeit verstanden. Der zirkadiane Rhythmus gibt den Schlaf-Wachrhythmus vor, steuert physiologische Prozesse im Körper, wie Hormonausschüttungen und Blutdruck, und wird vor allem durch den Tag-Nacht bzw. Hell-Dunkel Rhythmus gesteuert. Insbesondere bei Schichtarbeit kommt es zu einer großen Abweichung zwischen dem zirkadianen Rhythmus und dem Aktivitätsrhythmus des Beschäftigten (Angerer und Petru 2010).

Über diesen biomedizinischen Erklärungspfad hinaus werden noch zwei weitere Erklärungsansätze diskutiert. In dem konzeptionellen Modell zum Zusammenhang von Arbeitszeitmodellen und den kurz- und langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen von Tucker und Folkard (2012) sind die Ursachen für negative Gesundheitsfolgen, neben dem gestörten zirkadianen Rhythmus, die Störung und Verkürzung des nächtlichen Schlafs und das gestörte soziale und familiäre Leben. Der soziale Erklärungsansatz für gesundheitliche Folgen ist bisher in der Forschung weitestgehend außer Acht gelassen worden (Haines et al. 2008). Dabei ist der Work-Family Conflict als arbeitsbezogener Stressor anerkannt (Bellavia und Frone 2005; Haines et al. 2008) und kann zu psychologischen, physiologischen und verhaltensbezogenen Belastungen führen. Theoretische Begründungen für diesen Zusammenhang liefert das Effort-Recovery Modell, nach dem hohe arbeitsbezogene Anforderungen zu Beanspruchungen führen, die in der freien Zeit durch Erholung kompensiert werden. Fehlt die Zeit zur Erholung von den arbeitsbezogenen Anforderungen, summieren sich die Beanspruchungsreaktionen auf und können zu gesundheitlichen Beschwerden führen (Meijman und Mulder 1998; Nohe et al. 2015). Der Interrollenkonflikt zwischen der Arbeits- und Familiendomäne verursacht demnach Belastungen, da Möglichkeiten und Zeit zur Erholung nach der Arbeit begrenzt werden (Nohe et al. 2015).

Gesundheitliche Folgen eines Interrollenkonflikts konnten bereits gezeigt werden (Frone et al. 1996; Frone et al. 1992, 1997; Heponiemi et al. 2010). Frone (2000) untersuchte den Zusammenhang zwischen Work-Family Conflict und den psychiatrischen Erkrankungen affektive Störung, Angststörung, Substanzabhängigkeit und Substanzmissbrauch. Der Work-Family- und Family-Work Conflict hängt mit einer Zunahme in der Chance einer affektiven Störung, Angststörung und Substanzabhängigkeit zusammen. Darüber hinaus konnten Zusammenhänge mit Depression, physischem Gesundheitszustand (Frone et al. 1996, 1997), selbstberichtetem Gesundheitszustand (Griep et al. 2016), Nacken- und Rückenschmerzen (Baur et al. 2018), starkem Alkohol- (Frone et al. 1994, 1996, 1997) und Zigarettenkonsum (Frone et al. 1994) sowie reduzierter Lebensqualität gezeigt werden (Rice et al. 1992).

Haines et al. (2008) untersuchten das Zusammenwirken von Work-Family Conflict, Schichtarbeit und Depression. Den Ergebnissen zur Folge ist der Work-Family Conflict ein Mediator in der Beziehung zwischen Schichtarbeit und Depression, gleichermaßen für Frauen und Männer. Fein und Skinner (2015) haben die Mediation des Work-Life Conflicts für überlange Arbeitszeiten und Gesundheit, gemessen mittels Stressempfinden und allgemeinem Gesundheitszustand, zeigen können. Wirtz und Nachreiner (2010) haben diesen Zusammenhang für psychovegetative Einschränkungen betrachtet und bestätigten die Rolle von Work-Life Balance als ein bedeutsamer Mediator in der Beziehung zwischen überlangen Arbeitszeiten, Wochenendarbeit sowie Schichtarbeit und Gesundheit. Weitere Studien zeigen ein Zusammenwirken von Arbeitsintensität, geringer Arbeitszeitkontrolle, einem stärkeren Work-Life Conflict und einer Zunahme von gesundheitlichen Einschränkungen bei Beschäftigten in Schichtarbeit (Bohle et al. 2011; McNamara et al. 2011).

Im Rahmen dieser Studie wird der Zusammenhang zwischen Schichtarbeit, Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben und der Gesundheit Beschäftigter untersucht. Dabei gibt es drei Fragestellungen, denen nachgegangen wird:

  1. 1.

    Gibt es Unterschiede in der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben zwischen Schichtarbeitern und Beschäftigten mit Normalarbeitszeiten zwischen 7 und 19 Uhr?

  2. 2.

    Wirkt sich eine erschwerte Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben auf den Gesundheitszustand Beschäftigter aus?

  3. 3.

    Ist eine erschwerte Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben bei Schichtarbeitern eine potentielle Ursache für negative Gesundheitsfolgen?

Um diese Forschungsfragen beantworten zu können, führen wir eine Mediations-Analyse auf Grundlage der deutschlandweiten repräsentativen BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung aus dem Jahr 2018 durch. Als gesundheitliche Zielgröße betrachten wir einen Index psychosomatischer Beschwerden. Beschäftigte in Normalarbeitszeit dienen als Vergleichsgruppe für Beschäftigte in Schichtarbeit.

4 Daten und Methoden

4.1 Studienpopulation

In dieser Studie werden Daten der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 verwendet, in der deutschlandweit 20.012 Erwerbstätige ab dem Alter von 15 Jahren, die mindestens 10 Stunden pro Woche arbeiten, telefonisch und computerunterstützt, das heißt per Computer Assisted Telephone Interview, befragt wurden. Dabei wurden neben Personen mit Festnetzanschluss auch Personen kontaktiert, die nur über ein Mobiltelefon zu erreichen sind (Dual-Frame-Verfahren). Die Stichprobenziehung der Festnetz- und Mobilfunknummern erfolgte mithilfe des Random-Digit-Dialing-Verfahrens. Die Feldzeit begann am 2. Oktober 2017 und endete am 5. April 2018. Die Interviewdauer betrug durchschnittlich rund 42 min. Aufgrund der Stichprobenlage wurden die Befragungsdaten für die unterschiedlichen Auswahlchancen korrigiert und für demographische Größen mithilfe einer Ausfallgewichtung an die im Mikrozensus 2017 ermittelte Erwerbsbevölkerung angeglichen. Zu den Themen der Befragung zählen neben Arbeitsanforderungen und Arbeitsbedingungen unter anderem auch gesundheitliche Beschwerden und Belastungen von Erwerbstätigen (Gensicke und Tschersich 2019). Für die Mediationsanalyse wurde die ungewichtete Stichprobe auf abhängig Beschäftigte im Alter zwischen 15 und 65 Jahren beschränkt (n = 17.608). Da Schichtarbeiter im Vergleich zu Beschäftigten in Normalarbeitszeit betrachtet werden, wurden Beschäftigte mit versetzten Arbeitszeiten, die nicht angegeben haben, in Schichtarbeit tätig zu sein, ausgeschlossen (n = 1193). Aufgrund fehlender Werte konnten weitere n = 347 Beschäftigte nicht in der Analyse berücksichtigt werden, sodass insgesamt n = 16.068 Beschäftigte Grundlage unserer Auswertungen sind, darunter n = 2100 Schichtarbeiter und Schichtarbeiterinnen und n = 13.968 Beschäftigte in Normalarbeitszeit. Die Analysen werden geschlechtsstratifiziert durchgeführt, da sich sowohl Vereinbarkeitsprobleme, aber auch der Einfluss dieser und der Arbeitszeitlage auf die Gesundheit zwischen den Geschlechtern unterscheiden können.

4.2 Untersuchungsvariablen

Für die Analysen dieser Untersuchung werden Messungen zu Arbeitszeitlage, Gesundheitszustand, Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben und verschiedenen Kontrollvariablen verwendet.

4.2.1 Arbeitszeitlage

Zur Erfassung der Arbeitszeitlage kam ein eigens konturiertes Item zum Einsatz. Gaben die Befragten an, dass ihre Arbeitszeit normalerweise zwischen 7 und 19 Uhr liegt, wird von einer „Normalarbeitszeit“ ausgegangen. Berichteten die Befragten in einer nachfolgenden Frage, dass sie in Schichtarbeit arbeiten, wird hier die Arbeitszeitlage „Schichtarbeit“ angenommen. Hierbei ist zu beachten, dass die Frage „Arbeiten Sie in Schichtarbeit?“ nur denjenigen gestellt wurde, die die Frage „Liegt ihre Arbeitszeit normalerweise zwischen 7 und 19 Uhr?“ verneint oder verweigert hatten.

4.2.2 Psychosomatische Beschwerden

Der Gesundheitszustand wurde über einen Index zu psychosomatischen Beschwerden abgebildet, der 8 verschiedene Items enthält, darunter unter anderem Nervosität/Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit und emotionale Erschöpfung (siehe Tabelle 5 im Anhang). Der Index gibt in den Kategorien 0 (keine Beschwerden) bis 8 (alle Beschwerden) an, wie viele der integrierten Beschwerden mit „ja“ berichtet wurden.

4.2.3 Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben

Die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben wurde mit dem Item „Wie häufig gelingt es Ihnen, bei der Arbeitszeitplanung auf Ihre familiären und beruflichen Interessen Rücksicht zu nehmen?“ in den Kategorien (1) „häufig“ bis (4) „nie“ erfasst. Die Variable wurde als metrische Größe mit in die Analyse gegeben.

4.2.4 Kontrollvariablen

Um Alternativerklärungen auszuschließen, wurden eine Reihe von Kontrollvariablen in die Analysen integriert, die bekanntlich einen Einfluss auf die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben und auf gesundheitliche Beschwerden haben, darunter Alter, Arbeitszeitumfang, Bildungsgrad, Arbeitsbedingungen sowie Betreuung und Pflege von Kindern oder Angehörigen. Mit zunehmendem Alter verschlechtert sich der Gesundheitszustand. Die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben bekommt im mittleren Alter, unter anderem durch die vermehrte Betreuung von Kindern (Keller und Haustein 2013) und der Pflege Angehöriger, einen anderen Stellenwert als in jüngeren oder älteren Jahren. Mit erhöhtem Arbeitszeitumfang wird die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben erschwert und gesundheitliche Beschwerden treten häufiger auf (Wöhrmann et al. 2016). In unteren Bildungsgruppen sind gesundheitliche Belastungen und chronische Erkrankungen erhöht, der berichtete Gesundheitszustand ist schlechter als in mittleren oder oberen Bildungsgruppen (Mielck 2012). Außerdem ist bekannt, dass Schichtarbeit aufgrund der im Vergleich zu Normalarbeitszeit unterschiedlichen Tätigkeit mit einer erhöhten körperlichen, psychischen und arbeitsumgebungsbezogenen Belastung einhergeht, was zu einem hohen Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigung führt (Beermann 2010; Leser et al. 2013).

Das Alter der Befragten wurde mit einer Abfrage im Interview ermittelt und als metrische Variable in die Modelle integriert. Auch die tatsächliche Arbeitszeit wurde im Interview erfragt und, unterteilt nach Teilzeit (10 bis 34 Stunden) und Vollzeit (ab 35 Stunden), in den folgenden Analysen berücksichtigt. Der Bildungsgrad wurde über die „International Standard Classification of Education 97“ (ISCED-97) abgebildet, eine international anerkannte Klassifikation der UNCESCO (UNESCO 1997), die aus den Abfragen des höchsten allgemeinbildenden Schulabschlusses und des höchsten Ausbildungsabschlusses konstruiert wurde. Insgesamt unterscheidet die ISCED-Klassifikation in den Stufen (1) „Primary Education or first Stage of basic education/Grundschule“ bis (6) „Second stage of tertiary education/Promotion“, wobei der Vorschulbereich in der Stufe (0) „Pre-primary education/Kindergarten“ erfasst wird (Schroedter et al. 2006). Die ISCED-97 wurde in ihrem vollen Umfang als metrische Variable in die Mediationsanalyse integriert. Die deskriptive Auswertung enthält zur besseren Übersicht eine in Anlehnung an Hippach-Schneider et al. (2007) und Van der Velden & Wolbers (2003) zusammengefasste ISCED-Klassifikation in den Stufen (1) „Primär- und Sekundarbereich“ (ISCED 0–2), (2) „Sekundarbereich II“ (ISCED 3–4) und (3) „Tertiärbereich“ (ISCED 5–6). Um dem Aspekt der Pflege und Betreuung von Kindern oder Angehörigen gerecht zu werden, wurden die Analysen um die Items „Pflegen Sie jemanden in Ihrem privaten Umfeld?“ und „Leben Kinder unter 18 Jahren in Ihrem Haushalt?“ mit den Antwortmöglichkeiten (0) „Nein“ und (1) „Ja“ adjustiert. Aus einer Reihe von erfragten Arbeitsbedingungen wurden zudem Summenskalen zu physischen Arbeitsbedingungen (α = 0,81), Arbeitsumgebungsbedingungen (α = 0,80) und Monotonie (α = 0,58) sowie eine Mittelwertskala zu Arbeitsintensität (α = 0,71) gebildet, die zur Kontrolle in die Modelle integriert wurden. Die Konstruktion dieser Skalen ist angelehnt an Franke (2015). Eine Übersicht über die in Skalen integrierten Items findet sich in Tab. 5 im Anhang.

4.3 Deskription der Studienpopulation

Die deskriptiven Auswertungen der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 wurden mit Design- und Korrekturgewichtung berechnet (Tab. 1). Demnach arbeiten 20 % der Männer und 14 % der Frauen in Schichtarbeit. Demgegenüber sind 80 % der Männer und 86 % der Frauen in abhängiger Beschäftigung mit Normalarbeitszeiten zwischen 7 und 19 Uhr beschäftigt. Männer und Frauen, die in Schichtarbeit tätig sind, berichten häufiger von psychosomatischen Beschwerden als Männer und Frauen, die in Normalarbeitszeiten tätig sind. Zudem wird deutlich, dass Männer und Frauen in Schichtarbeit häufiger von belastenden monotonen, körperlichen und umgebungsbezogenen Arbeitsbedingungen betroffen sind als Beschäftigte mit Normalarbeitszeiten. Von den Beschäftigten, die in Schichtarbeit arbeiten, gelingt 6 % der Männer und 4 % der Frauen nie die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben. Demgegenüber berichten 3 % der Männer und 2 % der Frauen, die in Normalarbeitszeiten von 7 bis 19 Uhr arbeiten, von einer nie gelingenden Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben. Das durchschnittliche Alter von Schichtarbeitern und Beschäftigten mit Normalarbeitszeiten beträgt 43 Jahre. Männer und Frauen in Schichtarbeit sind, gegenüber Beschäftigten mit Normalarbeitszeiten, mehrheitlich in Vollzeit tätig. Schichtarbeiter und Schichtarbeiterinnen weisen, im Vergleich zu männlichen und weiblichen Beschäftigten mit Normalarbeitszeiten, nach ISCED-97 vermehrt einen mittleren (Sekundarbereich II) und niedrigen (Primär- und Sekundarbereich I) Bildungsgrad auf.

Tab. 1 Table 1 StichprobenbeschreibungSample description

4.4 Statistische Auswertungen

Im Folgenden wird anhand einer Mediationsanalyse untersucht, wie Schichtarbeit ihre Wirkung auf den Gesundheitszustand der Beschäftigten ausübt. Dabei wird überprüft, ob und inwiefern der Zusammenhang von Schichtarbeit und Gesundheit durch die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben vermittelt wird. Eine einfache Mediation mit latenten Variablen gleicht der typischen Anwendung eines Strukturgleichungsmodells, das in der Regel aus einem Messmodell und einem Strukturmodell besteht (Berning 2018). Latente Konstrukte zu Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben ließen sich aus den vorliegenden Daten nicht bilden, daher wurde für die Analysen vorrangig auf manifeste Variablen zurückgegriffen. Aus diesem Grund wird lediglich das Strukturmodell postuliert und mit einer Mediationsanalyse überprüft. Solche gerichteten Modelle mit manifesten Variablen werden als Spezialfall von Strukturgleichungsmodellen angesehen (Backhaus et al. 2016; Reinecke 2014).

Abb. 1 zeigt das konzeptionelle rekursive Pfadmodell der dieser Studie zugrundeliegenden Mediationsanalyse. Neben den Pfaden sind die Namen der Populationsparameter genannt. Um die Koeffizienten dieses Pfadmodells zu schätzen und zu testen, wurden getrennt nach Geschlecht jeweils zwei lineare Regressionen in jeweils zwei Modellen (Modell 1: univariat, Modell 2: adjustiert für Alter, Arbeitszeit, Bildungsgrad, Arbeitsbedingungen sowie Betreuung und Pflege von Kindern oder Angehörigen) durchgeführt. In der Mediationsanalyse wird zwischen einem direkten (γ′), indirekten (αβ) und totalen Effekt (γ=γ′+αβ) von X auf Y unterschieden. Geprüft wird die Mediations-Nullhypothese

$$H_{0}=\alpha \beta =0$$

mittels zweiseitigem Bootstrap-Vertrauensintervall.

Abb. 1 Fig. 1
figure 1

Konzeptionelles Modell der Mediationsanalyse

Conceptual model of the mediation analysis

Die Berechnung der Mediationsanalyse erfolgte auf Grundlage der ungewichteten Daten der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018. Dabei wurde das von Hayes (2018) entwickelte SPSS-Makro PROCESS mit SPSS 25 verwendet. Zur Beurteilung der Varianzhomogenität der Residuen aus der Regression von „Schichtarbeit“ auf „Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben“ und „Gesundheit“ wurde vorab ein modifizierter Breusch-Pagan-Test auf Heteroskedastizität durchgeführt. Im Ergebnis wurde die Nullhypothese varianzhomogener Residuen für das hier verwendete Modell deutlich verworfen (p < 0,001). Aus diesem Grund wurden die Modelle mit Heteroskedastizitäts-konsistenten Standardfehlern berechnet.

5 Ergebnisse

Um den Zusammenhang zwischen Schichtarbeit, Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben und Gesundheit zu prüfen, wurde eine Mediationsanalyse durchgeführt. Dabei werden die Koeffizienten des konzeptionellen Pfadmodells (Abb. 1) geschätzt und getestet. Nachfolgend werden die Ergebnisse der dieser Analyse zugrundeliegenden linearen Regressionen für Männer und Frauen in jeweils zwei Modellen dargestellt. Zudem wird das Ergebnis der Mediations-Nullhypothese präsentiert.

In der linearen Regression von „Schichtarbeit“ auf „Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben“ (Tab. 2) wird der Koeffizient α des zugrundliegenden Pfadmodells geschätzt. Dabei zeigen sich in Modell 1 (univariat) bei Männern und Frauen positive und statistisch signifikante Regressionsgewichte. Auch nach Adjustierung in Modell 2 bleiben die Effekte hochsignifikant. Schichtarbeiter und Schichtarbeiterinnen können folglich auch unter Berücksichtigung des Einflusses von Alter, Arbeitszeitumfang, Bildungsgrad, Arbeitsbedingungen sowie Betreuung und Pflege von Kindern oder Angehörigen seltener bei der Arbeitszeitplanung auf ihre familiären und beruflichen Interessen Rücksicht nehmen als Männer und Frauen, die in Normalarbeitszeiten zwischen 7 und 19 Uhr arbeiten. Der Anteil an Varianzaufklärung der abhängigen Variable durch die unabhängigen Variablen erhöht sich im zweiten Modell sowohl bei Männern als auch bei Frauen, was darauf hindeutet, dass die Messwerte besser zu dem adjustierten als zu dem univariaten Modell passen.

Tab. 2 Table 2 Ergebnisse der linearen Regression zum Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben (Zielgröße)Results of the linear regression on the association between shift work and compatibility of work and private life

Die Tab. 3 und 4 zeigen die Ergebnisse der linearen Regression von „Schichtarbeit“ und „Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben“ auf „Gesundheit“ für Männer und Frauen. Für den Koeffizienten β des Pfadmodells ergeben sich in Modell 1 signifikante Vereinbarkeits-Effekte für Männer und Frauen. Diese Effekte bleiben auch nach Adjustierung in Modell 2 hochsignifikant. Männer und Frauen, die zunehmend Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben haben, weisen auch unter Berücksichtigung des Einflusses der Kovariaten vermehrt psychosomatische Beschwerden auf. Für den direkten Effekt durch den Koeffizienten γ′ zeigen sich in Modell 1 positive und statistisch signifikante Effekte bei Männern und Frauen. Nach Adjustierung in Modell 2 sinken die Regressionsgewichte, bleiben aber nur für Männer signifikant. Männer in Schichtarbeit sind beiden Modellen zufolge stärker von psychosomatischen Beschwerden betroffen als Männer mit Normalarbeitszeiten von 7 bis 19 Uhr. Im zweiten Modell erhöht sich die Varianzaufklärung der abhängigen Variable „Gesundheit“ durch die unabhängigen Variablen „Schichtarbeit“ und „Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben“. Für Männer wie auch für Frauen weist das adjustierte Modell demnach eine bessere Modellanpassung auf als das univariate Modell.

Tab. 3 Table 3 Ergebnisse der Mediationsanalyse bei Männern: Zusammenhang zwischen Schichtarbeit, Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben und psychosomatischen Beschwerden (Zielgröße)Results of the mediation analysis in men: association between shift work, compatibility of work and private life and psychosomatic health complaints
Tab. 4 Table 4 Ergebnisse der Mediationsanalyse bei Frauen: Zusammenhang zwischen Schichtarbeit, Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben und psychosomatischen Beschwerden (Zielgröße)Results of the mediation analysis in women: association between shift work, compatibility of work and private life and psychosomatic health complaints

Der geschätzte totale Effekt von „Schichtarbeit“ auf „Gesundheit“ ergibt bei Männern und Frauen für den Koeffizienten γ positive Regressionsgewichte im ersten und zweiten Modell (Tab. 3 und 4). Die Effekte für Männer sind in beiden Modellen statistisch signifikant, die Effekte für Frauen erreichen nur ohne Berücksichtigung der Kovariaten das Signifikanzniveau. Für den durch „Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben“ vermittelten indirekten Effekt (αβ) von „Schichtarbeit“ auf „Gesundheit“ zeigen sich bei Männern und Frauen positive Schätzungen im univariaten und im adjustierten Modell (Tab. 3 und 4). Da das zweiseitige Bootstrap-Vertrauensintervall in beiden Gruppen den Wert 0 nicht enthält, wird durch den darauf basierenden Signifikanztest die Mediations-Nullhypothese sowohl für das univariate als auch für das adjustierte Modell verworfen. Demnach findet eine partielle Mediation durch die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben in der Beziehung zwischen Schichtarbeit und Gesundheit statt. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass eine erschwerte Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben bei Schichtarbeitern und Schichtarbeiterinnen ein potentiell ursächlicher Faktor für negative Gesundheitsfolgen sein kann.

6 Diskussion

Ziel dieser Studie war es, den Zusammenhang zwischen Schichtarbeit, Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben und Gesundheit in einer deutschlandweiten, repräsentativen Erhebung von Beschäftigten zu untersuchen. Dabei sollte untersucht werden, ob es Unterschiede in der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben zwischen Schichtarbeitern und Beschäftigten mit Normalarbeitszeiten gibt, wie sich eine erschwerte Vereinbarkeit auf den Gesundheitszustand Beschäftigter auswirkt, und ob eine erschwerte Vereinbarkeit bei Schichtarbeitern eine potentielle Ursache für negative Gesundheitsfolgen darstellen kann.

Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben stellen einen möglichen Erklärungsansatz für gesundheitliche Folgen von Schichtarbeit dar (Tucker und Folkard 2012). Unsere Studie ist die erste, die das Zusammenwirken von Schichtarbeit, Work-Family Conflict und psychosomatischer Gesundheit für die deutsche Erwerbsbevölkerung unter umfassender Berücksichtigung psychischer und physischer Arbeitsbedingungen untersucht. Die in dieser Studie durchgeführten Analysen basieren dabei auf aktuellen Daten einer großen repräsentativen, deutschlandweiten Stichprobe von abhängig Beschäftigten aus dem Jahr 2018. Da betriebliche und familiäre Rahmenbedingungen zwischen Ländern variieren, beispielsweise hinsichtlich der Abdeckung von Kinderbetreuungsangeboten oder der regulären Arbeitszeitgestaltung, lassen sich aus unserer Studie zielgerichtet Handlungsmaßnahmen auf nationaler Ebene ableiten.

In der hier vorliegenden Studie haben wir gezeigt, dass Schichtarbeiter häufiger von Herausforderungen in der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben betroffen sind als Beschäftigte, die einer Tätigkeit nachgehen, die zwischen 7 und 19 Uhr ausgeübt wird. Beschäftigte, die über eine erschwerte Vereinbarkeit berichten, haben häufiger psychosomatische Beschwerden. Darüber hinaus wird der Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und psychosomatischen Beschwerden partiell durch die erschwerte Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben erklärt. Das ist sowohl für Frauen als auch für Männer der Fall.

Unsere Ergebnisse bestätigen somit die in der Literatur berichteten Erkenntnisse zur erschwerten Vereinbarkeit zwischen Arbeit und Privatleben bei Beschäftigten in Schichtarbeit und mit versetzten Arbeitszeiten (Carlson et al. 2011; Haines et al. 2008; Heponiemi et al. 2010; Jansen et al. 2004). Die Autoren Heponiemi et al. (2010) untersuchten beispielsweise Vereinbarkeitsprobleme in einer Kohorte von finnischen Krankenschwestern und zeigten, dass, neben Überstunden, organisationaler Gerechtigkeit, Kinderzahl und Partnerschaftsstatus, Schichtarbeit eine wichtige Einflussgröße für Vereinbarkeitsprobleme darstellt. In einer längsschnittlichen Analyse gingen Jansen et al. (2010) der Frage nach, inwiefern ein Work-Family Conflict Einfluss auf die Arbeitszeitgestaltung hat. In Bezug auf Schichtarbeit zeigten die Autoren, dass Beschäftigte mit einem Work-Family Conflict ein höheres Risiko haben, nach dem 32-Monatigen Follow-up in Tagarbeit zu arbeiten. Differenziert nach Schichtmodellen konnte dieser Zusammenhang für 3‑Schichtsysteme gefunden werden, die häufiger durch langsame, rückwärtsverlaufende Rotationen und längere Arbeitszeiten gekennzeichnet waren. Versetzte Arbeitszeiten und Schichtarbeit gehen darüber hinaus mit einer geringeren Qualität der Familienbeziehungen und Kindererziehung einher (Strazdins et al. 2006).

Der Konflikt zwischen den Anforderungen des Arbeits- und Privatlebens stellt einen bedeutenden Stressor dar (Bellavia und Frone 2005) und steht im Zusammenhang mit dem physischen (e.g. Baur et al. 2018; Frone et al. 1996) und psychischen Gesundheitszustand (e.g. Frone 2000; Frone et al. 1997). Unsere Ergebnisse zur höheren Beschwerdehäufigkeit bei Schichtarbeitern und Schichtarbeiterinnen sind somit in einer Linie mit den Erkenntnissen der Forschung. Die Mediation der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben in der Beziehung zwischen Schichtarbeit und Gesundheit wurde bisher in wenigen Studien adressiert (Haines et al. 2008; Wirtz und Nachreiner 2010), die jedoch ebenfalls auf einen Zusammenhang dieser Wirkungskette hinweisen. Weitere Studien liefern Ergebnisse zu ähnlichen Zusammenhängen zwischen Arbeitszeit, Vereinbarkeit und Gesundheit mit dem Blick auf überlange Arbeitszeiten (Fein und Skinner 2015) oder geringer Arbeitszeitkontrolle (Bohle et al. 2011; McNamara et al. 2011). Darüber hinaus gibt es Studien (Falco et al. 2013; Geurts et al. 2003; Lingard und Francis 2005), die den Fokus nicht auf Schichtarbeit legten, sich jedoch andere arbeitsbezogene Bedingungen anschauten. Falco et al. (2013) haben die Rolle des Work-Family Conflicts als Mediator in der Beziehung zwischen Arbeitslast und Einflussmöglichkeiten auf der Seite der Einflussgrößen und Belastung als Zielgröße untersucht und zeigten, dass der Work-Family Conflict ein Mediator in der Beziehung zwischen Arbeitslast und Belastung darstellt, während die Mediation zwischen der arbeitsbezogenen Ressource Einflussmöglichkeiten und Belastung nicht bestätigt werden konnte.

Unsere Untersuchung hat Schwächen, die an dieser Stelle diskutiert werden. Die hier vorliegenden Auswertungen basieren auf Querschnittsdaten, die keinen Rückschluss auf kausale Ursache-Wirkungsbeziehungen zulassen. Diese Daten beruhen auf subjektiven Einschätzungen der Befragten und unterliegen daher, im Gegensatz zu objektiven Messungen, den psychologischen Abläufen eines Frage-Antwort-Prozesses (Tourangeau 1984). Grundsätzlich kann dieser Verarbeitungsprozess in seinem Ergebnis durch Erhebungsdetails wie z. B. Antwortvorgaben und Abfolgen der Fragen, aber auch durch Erinnerungsfehler, inhaltsunabhängige Zustimmungstendenzen oder sozial erwünschte Antworten beeinflusst werden (Schnell 2019). Da Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben nur mit einem Einzelitem gemessen wird, kann möglicherweise das Konstrukt nicht vollständig abgebildet werden und geht mit einer geringeren Reliabilität einher. Bei der Messung der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben berücksichtigen wir nur die Wirkrichtung von Arbeit auf die Familie und das Privatleben. Da arbeitsbezogene Einflussfaktoren jedoch vor allem mit Vereinbarkeitsproblemen dieser Wirkrichtung zusammenhängen (Bellavia und Frone 2005), kann diese als die Bedeutende für die Untersuchung des sozialen Erklärungsansatzes gesundheitlicher Belastungen der Schichtarbeit betrachtet werden. Die zugrundeliegende Definition von Normalarbeitszeit von 7 bis 19 Uhr reicht in den Abend hinein und kann ebenfalls sozial wertvolle Zeit belegen. Angesichts dieser Definition der Vergleichsgruppe kann der Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und Gesundheit in unserer Studie unterschätzt sein.

6.1 Implikationen

Unsere hier vorliegende Studie leistet einen Beitrag zum Forschungsstand über gesundheitliche Auswirkungen von Schichtarbeit. Dabei liegt der Fokus auf der Rolle sozialer Auswirkungen von Schichtarbeit und deren Bedeutung für die Gesundheit Beschäftigter. Dieser Erklärungsansatz hat bisher in der Forschung wenig Berücksichtigung gefunden. Die erschwerte Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben sollte als psychosozialer Stressor im Arbeitsleben Anerkennung finden, insbesondere aufgrund der gesundheitlichen Auswirkungen (e.g. Baur et al. 2018; Frone 2000; Frone et al. 1994; Griep et al. 2016). Um konkrete Ableitungen zu sozial gestalteten Schichtmodellen treffen zu können, sind schichttyp-spezifische Untersuchungen mit geeigneten Vergleichsgruppen erforderlich.

Ein Ansatz, der im Zusammenhang mit der Reduktion der sozialen Auswirkungen versetzter Arbeitszeiten und Schichtarbeit diskutiert wird, ist die Ausweitung der Einflussmöglichkeiten der Beschäftigten auf ihre Arbeitszeiten, um diese besser an die persönlichen Bedürfnisse anpassen zu können (Arlinghaus und Nachreiner 2016; Kelly et al. 2014). Schichtpläne können individuell in Abstimmung mit den Beschäftigten entworfen werden, um neben Arbeitsweg und persönlichen Vorlieben auch soziale und familiäre Bedingungen zu berücksichtigen (Gärtner et al. 2008). Arlinghaus und Nachreiner (2016) führen jedoch an, dass es nur eine begrenzte Zahl Beschäftigter gibt, die ihre Arbeitszeiten selbst bestimmen kann, und das auch selbstbestimmte versetzte Arbeitszeiten oder Schichtarbeit die sozialen Auswirkungen nur eingeschränkt verhindern können. Zu weiteren Ansätzen, die Vereinbarkeitsproblematik zu adressieren, zählen adäquate Kinderbetreuungsangebote, ein schnell vorwärts rotierendes Schichtsystem, das dem Schichtarbeitenden zumindest einige arbeitsfreie Abende pro Woche ermöglicht, aber auch entsprechende Informations- und Schulungsangebote, die beispielsweise Wissen über unterstützende Nachbarschaftsangebote oder gesunde und soziale Arbeitszeiten geben, soweit diese vom Beschäftigten beeinflusst werden können (Arlinghaus et al. 2019).

7 Schlussfolgerungen

Die hier vorliegende Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und psychosomatischen Beschwerden und die Bedeutung erschwerter Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben als Mediator in dieser Beziehung. Schichtarbeiter sind häufiger von Vereinbarkeitsproblemen von Arbeit und Privatleben betroffen als Beschäftigte mit Normalarbeitszeiten und zeigen häufiger psychosomatische Beschwerden. Die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben ist ein partieller Mediator in der Beziehung zwischen Schichtarbeit und psychosomatischen Beschwerden.