1 Problemhintergrund und Forschungsfragen

Zum Fundament liberaler Demokratien gehören unter anderem zwei Einstellungen der Bürger:innen: ihre generelle Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie sowie ihr Vertrauen in zentrale politische Akteure und Institutionen. Zufriedenheit und Vertrauen stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und sie sind notwendig für die langfristige Handlungsfähigkeit des politischen Systems. Unzufriedenheit sowie Misstrauen sind hingegen Warnsignale (siehe auch die Einleitung zu diesem Special Issue). Insofern sind Demokratie-Monitorings ein wichtiges Diagnose-Instrument. Sie geben Auskunft über das Ausmaß von (Un‑)Zufriedenheit und (mangelndem) Vertrauen. Vor diesem Hintergrund gehen wir zunächst folgender Frage nach:

  1. 1.

    Wie zufrieden sind die Bürger:innen Baden-Württembergs mit der Demokratie in ihrem Land und wie stark ist ihr Vertrauen in die beiden zentralen landespolitischen Institutionen – den Landtag und die Landesregierung?

Darüber hinaus informieren Demokratie-Monitorings auch über die Ursachen von (Un‑)Zufriedenheit und (mangelndem) Vertrauen. Klassischerweise wird politische Unterstützung durch politische Kontextfaktoren (Anderson und Guillory 1997) und durch individuelle Merkmale der Bürger:innen erklärt. Zu den individuellen Merkmalen zählen häufig der sozio-ökonomische Status der Befragten, ihre Wertorientierungen, ihre Nähe zur Politik (politisches Interesse und internes Effektivitätsgefühl), ihre Wahrnehmung der Performanz des politischen Systems in Form von Policy-Kongruenzen, der Bewertung der wirtschaftlichen Lage oder generell das Gefühl von politischer Responsivität (Gabriel 2005, 2020; Aarts und Thomassen 2008; Stecker und Tausendpfund 2016; Zmerli 2020, S. 260 ff.; Tausendpfund 2021).

Ferner wird angenommen, dass politische Verfahren die Demokratiezufriedenheit und das Vertrauen in politische Akteure stärken können. Dabei sind zum einen Forderungen nach mehr direkter Demokratie zu vernehmen. Zum anderen werden Verfahren der dialogischen Bürgerbeteiligung genannt. Während bei der direkten Demokratie Bürger:innen selbst verbindliche politische Entscheidungen treffen, dient die dialogische Bürgerbeteiligung der Entscheidungsvorbereitung und der Beratung der politischen Repräsentant:innen (Vetter und Brettschneider 2023). Mit dialogischen Beteiligungsverfahren ist häufig die Hoffnung verbunden, die Bindung der Bürger:innen an das politische System zu stärken (Cain et al. 2003; Bertelsmann Stiftung und Staatsministerium Baden-Württemberg 2014; Glaab 2016). Dialogische Verfahren finden vor allem auf der kommunalen und der Landesebene des politischen Systems statt. Aber auch die bereits auf Bundesebene durchgeführten Bürgerräte verfolgen dieses Ziel.Footnote 1

In Baden-Württemberg reagierte die Politik auf die Proteste gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ in den Jahren 2010 und 2011. Die grün-rote Landesregierung (2011–1016) stärkte direkt-demokratische Verfahren. Der Schwerpunkt der grün-schwarzen Landesregierung liegt seit 2016 hingegen auf der Stärkung dialogischer Beteiligungsformen. Dies führt uns zu unserer zweiten und dritten Forschungsfrage:

  1. 2.

    Welche Rolle spielt – neben klassischen Erklärungsfaktoren – die Teilnahme an dialogischen Beteiligungsverfahren für die politische Unterstützung in Baden-Württemberg?

  2. 3.

    Welche Bedeutung kommt dabei der wahrgenommenen Zufriedenheit mit den Prozessen einerseits und der Zufriedenheit mit den jeweiligen Ergebnissen andererseits zu?

Diese Fragen werden anhand zweier repräsentativer Umfragen aus den Jahren 2021 und 2022 beantwortet. Die Umfragen wurden von forsa im Auftrag der Universität Hohenheim durchgeführt. An ihnen nahmen jeweils gut 2500 Befragte aus Baden-Württemberg teil.

Nach einen kurzen Überblick über bisherige Demokratie-Monitorings in Baden-Württemberg zeigen wir, wie zufrieden die Bürger:innen mit der Demokratie im Land sind und wie stark sie der Politik vertrauen. Es folgen theoretische Überlegungen zur Erklärung politischer Unterstützung, die besonders auf die Rolle (dialogischer) politischer Beteiligung eingehen, Details zur Operationalisierung und Messung der zentralen Konzepte sowie die Analysen selbst. Wir schließen mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Überlegungen zur zukünftigen Rolle von dialogischer Beteiligung, besonders der Qualität dieser Prozesse und der politischen Unterstützung in repräsentativen Demokratien.

2 Frühere „Demokratie-Monitore“ in Baden-Württemberg

2.1 Ursprünge der baden-württembergischen „Demokratie-Monitore“

Bislang gibt es kein regelmäßiges Demokratie-Monitoring in Baden-Württemberg. Die beiden Studien, die in Baden-Württemberg explizit so genannt wurden, haben ihren Ursprung in den Protesten gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21“. Durch die Landtagswahl 2011 wurde die schwarz-gelbe Landesregierung abgelöst. Die neue grün-rote Regierung gab sich das Motto: „Der Wechsel beginnt“.Footnote 2 Damit war auch die Absicht verbunden, Bürger:innen stärker an politischen Entscheidungen und deren Vorbereitung zu beteiligen. Sichtbar wurde dieser Politikwechsel durch die Berufung von Gisela Erler als Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung (Ackermann et al. 2021). Zu ihren Initiativen gehörte auch die Durchführung zweier landesweiter repräsentativer Umfragen durch die Universität Mannheim, gekoppelt mit qualitativen Studien zu den politischen Einstellungen und zum politischen Verhalten der Bürger:innen im Land. Beide Studien wurden unter dem Namen „Demokratie-Monitoring Baden-Württemberg“ veröffentlicht (Baden-Württemberg Stiftung 2015, 2019). 2021 und 2022 folgten zwei repräsentative Umfragen der Universität Hohenheim. Sie stellen keine explizite Replikation der vorherigen Befragungen dar. Verbunden mit den Ursprüngen der baden-württembergischen Demokratie-Monitorings stehen allerdings auch hier Fragen zur politischen Unterstützung und zur Bürgerbeteiligung im Mittelpunkt.Footnote 3

2.2 Variationen der Erhebungsinstrumente über die Zeit hinweg

In den ersten beiden Demokratie-Monitorings 2013/14 und 2016/17 wurden die Befragten mittels einer 11-stufigen Skala nach ihrer Demokratiezufriedenheit gefragt. 2013/14 gaben 76,6 % der 3019 Befragten an, mit dem Funktionieren der Demokratie in Baden-Württemberg zufrieden zu sein (Werte 6 bis 10 auf der 11er-Skala). Nach der Landtagswahl 2016 stieg dieser Anteil leicht auf nahezu 80 % (Perry 2019, S. 65).

Die Messung des politischen Vertrauens bezog sich in beiden Studien lediglich auf den Landtag und die Parteien in Baden-Württemberg. Auch dieser Messung lag eine 11er-Skala zugrunde. 2013/14 gaben 54,9 % der Befragten an, dem Landtag zu vertrauen. Das Vertrauen in die politischen Parteien war mit 53 % geringfügig schwächer (Werte 6 bis 10 auf der 11er-Skala). Ähnlich wie bei der Demokratiezufriedenheit hatte drei Jahre später auch das Vertrauen geringfügig zugenommen (Vertrauen in den Landtag: 56,2 %; Vertrauen in die Parteien: 53,9 %; Perry 2019, S. 65). Insgesamt war die Zufriedenheit mit der Demokratie aber zu beiden Zeitpunkten deutlich größer als das politische Vertrauen.

In den beiden Monitorings 2021 und 2022 wurde ebenfalls nach der Demokratiezufriedenheit und nach dem Vertrauen in politische Institutionen und Akteure gefragt. Dabei wurden aber 5er- bzw. 7er-Skalen verwendet (siehe Tab. 1 im Anhang). Aus diesem Grund stellen wir keine Entwicklung über alle vier Erhebungszeitpunkte dar, sondern konzentrieren uns auf die Daten von 2021 und 2022. An beiden repräsentativen Umfragen nahmen jeweils gut 2500 Befragte teil. Die Datensätze wurden gepoolt, da zwischen 2021 und 2022 im Hinblick auf die hier interessierenden Variablen keine gravierenden Unterschiede bestehen. Die folgenden Analysen beruhen also in der Regel auf den Angaben von 5029 Befragten.Footnote 4

3 Demokratiezufriedenheit und Institutionenvertrauen in Baden-Württemberg 2021/2022

3.1 Demokratiezufriedenheit

Die Demokratiezufriedenheit wird für die kommunale Ebene, die Landes- und die Bundesebene jeweils getrennt erfasst: „Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie mit dem Funktionieren der Demokratie hier in Baden-Württemberg (bzw. in Deutschland) bei Ihnen vor Ort in Ihrer Stadt bzw. in Ihrer Gemeinde?“ Die Antwortmöglichkeiten reichen von (1) „sehr unzufrieden“ bis (5) „sehr zufrieden“. In den Jahren 2021 und 2022 ist die große Mehrheit der Menschen in Baden-Württemberg mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden. Das gilt sowohl für die Bundes-, als auch für die Landes- und die kommunale Ebene (siehe Abb. 1). Dabei ist die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie auf Landesebene am größten (74 bzw. 68 %). Es folgen die kommunale Ebene (70 bzw. 65 %) und die Bundesebene (71 bzw. 64 %). Gleichzeitig hängen die Zufriedenheiten mit dem Funktionieren der Demokratie auf der Bundes- und auf der Landesebene sehr stark miteinander zusammen (adj. R2 = .76). Auch die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie auf kommunaler Ebene hängt mit den beiden anderen Zufriedenheiten zusammen, allerdings deutlich schwächer (Bund und Kommune: adj. R2 = .37; Land und Kommune: adj. R2 = .42). Die Kommune wird von einigen Befragten offenbar eher als eigenständige Politik-Ebene wahrgenommen. Zwischen 2021 und 2022 ist die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie auf allen drei Ebenen leicht gesunken – um fünf bis sieben Prozentpunkte.

Abb.1
figure 1

Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie, 2021 und 2022. Fragewortlaut: „Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie mit dem Funktionieren der Demokratie a) in Deutschland, b) hier in Baden-Württemberg, c) bei Ihnen vor Ort in Ihrer Stadt bzw. in Ihrer Gemeinde?“. Antwortskala: 1 = sehr unzufrieden, 2 = eher unzufrieden, 3 = teils/teils, 4 = ziemlich zufrieden, 5 = sehr zufrieden

Zwischen den vier Regierungsbezirken in Baden-Württemberg bestehen hinsichtlich der Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie keine nennenswerten Unterschiede (siehe Abb. 2).

Abb.2
figure 2

Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie nach Regierungsbezirk, 2021 und 2022. Fragewortlaut: „Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie mit dem Funktionieren der Demokratie a) in Deutschland, b) hier in Baden-Württemberg, c) bei Ihnen vor Ort in Ihrer Stadt bzw. in Ihrer Gemeinde?“. Antwortskala: 1 = sehr unzufrieden, 2 = eher unzufrieden, 3 = teils/teils, 4 = ziemlich zufrieden, 5 = sehr zufrieden. In der Grafik sind die Mittelwerte dargestellt

3.2 Institutionenvertrauen

Das Vertrauen in verschiedene öffentliche Einrichtungen und Institutionen – darunter auch das Vertrauen in den Landtag und die Landesregierung – wurde mit Hilfe einer 7er-Skala abgefragt. Sie reicht von (1) „überhaupt kein Vertrauen“ bis (7) „sehr großes Vertrauen“. Dabei zeigen die Werte zwischen 2021 und 2022 kaum nennenswerte Unterschiede. Das Gleiche gilt für die Regierungsbezirke. Am meisten vertrauen die Menschen in Baden-Württemberg der Wissenschaft (siehe Abb. 3). Es folgen Gerichte und die Polizei. Am wenigsten Vertrauen bringen die Menschen in Baden-Württemberg den politischen Parteien und dem Europäischen Parlament entgegen. Das Vertrauen in den Landtag und in die Landesregierung liegt geringfügig unter dem Vertrauen in den jeweiligen Gemeinderat und den bzw. die (Ober‑)Bürgermeister:in sowie etwas über dem Vertrauen in den Deutschen Bundestag und in die Bundesregierung.

Abb.3
figure 3

Vertrauen in Institutionen, 2021/2022. Fragewortlaut: „Ich nenne Ihnen jetzt eine Reihe von öffentlichen Einrichtungen und Organisationen in Deutschland. Sagen Sie mir bitte jeweils, wie groß das Vertrauen ist, das Sie der Organisation entgegenbringen. Benutzen Sie dazu bitte diese Skala. 1 = überhaupt kein Vertrauen, 7 = sehr großes Vertrauen; mit den Zahlen dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen“

4 Politische Unterstützung und dialogische Beteiligung: Theoretische Überlegungen und Hypothesen

Dialogische Bürgerbeteiligung stellt einen Schwerpunkt der baden-württembergischen Landespolitik dar. Deshalb konzentrieren wir uns in diesem Beitrag auf die Frage, ob dialogische Beteiligung die politische Unterstützung der Bürger:innen beeinflusst – bei Kontrolle der oben genannten klassischen Erklärungsfaktoren. Wir entwickeln drei Argumentationslinien, die wir empirisch überprüfen: Wir blicken a) auf Effekte der Beteiligung selbst, b) auf Effekte bei „Gewinnern“ und „Verlierern“ sowie c) auf Effekte auf Basis der Bewertung der Beteiligungsverfahren und ihrer Ergebnisse.

Partizipationstheoretiker:innen gehen bereits seit den 1970er-Jahren davon aus, dass politische Beteiligung eine wesentliche Sozialisationsfunktion hat, welche die demokratischen Fähigkeiten der Bürger:innen stärken und somit zur Unterstützung der Demokratie beitragen kann (Pateman 1970; Barber 1984). Auch wenn in der wissenschaftlichen Diskussion die Kausalrichtung des Zusammenhangs zwischen politischer Beteiligung und politischer Unterstützung nicht abschließend geklärt ist, haben Panelstudien aus verschiedenen Ländern einen positiven Effekt von Beteiligung auf politische Unterstützung nachgewiesen (Kostelka und Blais 2018, S. 1; Finkel 1985, 1987). Ähnliche Argumente finden sich auch im Zusammenhang mit der Forderung nach mehr direkter Demokratie: Es wird angenommen, dass direkte Demokratie das eigene Wirksamkeitsgefühl stärkt und damit auch andere Formen politischer Unterstützung positiv beeinflusst. Empirische Untersuchungen hierzu liegen vor allem aus der Schweiz und den USA vor. Allerdings sind die Ergebnisse widersprüchlich (Bauer und Fatke 2014; Dyck 2009; Voigt und Blume 2015; Bernauer und Vatter 2012; Leininger 2015; Leemann und Stadelmann-Steffen 2022).

Ein zweiter Argumentationsstrang bezieht sich auf die Gewinner und die Verlierer von Beteiligungsverfahren. Vor allem im Zusammenhang mit Wahlen wird argumentiert, dass diejenigen, die sich nach einer Wahl auf der Seite der „Gewinner“ wiederfinden, mit dem Funktionieren der Demokratie zufriedener sind als die „Verlierer“. Der Grund: Die Interessen der „Gewinner“ haben in der folgenden Legislaturperiode eine größere Chance, in verbindliche politische Entscheidungen umgesetzt zu werden (vgl. auch die Annahmen zu Policy-Kongruenzen bei Stecker und Tausendpfund 2016). Bisherige empirische Studien haben solche Gewinner-Effekte häufig nachgewiesen: „The level of satisfaction is influenced by whether people belong to the political majority or minority. Those who voted for the incumbent government in the most recent election are significantly more satisfied with the way democracy works than are those who did not“ (Anderson und Guillory 1997: S. 77 f.; Anderson und LoTempio 2002; Anderson et al. 2005; Craig et al. 2006; Blais und Gélineau 2007; Singh et al. 2012; Rich und Treece 2018; Campbell 2015). Ähnliche Gewinner-Verlierer-Effekte zeigen sich auch bei direkt-demokratischen Abstimmungen (Leemann und Stadelmann-Steffen 2022). Die Unterschiede zwischen Gewinnern und Verlierern sind jedoch umso geringer, je mehr direkt-demokratische Beteiligungsmöglichkeiten Bürger:innen haben. Das Ausmaß der Beteiligung kann den Gewinner-Verlierer-Effekt also verringern. Marien und Kern (2018) zeigen darüber hinaus, dass der Gewinner-Verlierer-Effekt primär zu einem Anstieg der politischen Unterstützung bei den Gewinnern führt. Entgegen allen Erwartungen sinkt die politische Unterstützung unter den Verlierern aber nicht. Eine Erklärung für den ausbleibenden negativen Verlierer-Effekt bieten die beiden Autorinnen mit Rückgriff auf Theorien der prozeduralen Fairness an (Tyler 2006; Esaiasson 2011): Demnach sollten als fair wahrgenommene Verfahren – auch unabhängig von ihrem Ergebnis – zu Unterstützung führen (Esaiasson et al. 2019). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wesentliche demokratische Prinzipien von allen anerkannt werden, dass das Beteiligungsverfahren selbst als fair wahrgenommen wird und dass die verlierende Minderheit davon ausgehen kann, dass die gewinnende Mehrheit ihre Interessen im Auge behalten wird (Esaiasson 2011, S. 103).

Damit sind wir bei unserem dritten Argumentationsstrang. Hier folgen wir Theorien der prozeduralen Fairness. Bisherige empirische Analysen im Zusammenhang mit direkt-demokratischen Verfahren, die sowohl die Zufriedenheit mit dem Ergebnis als auch die Zufriedenheit mit den jeweiligen Verfahren berücksichtigen, sind allerdings ernüchternd. Denn der Effekt der Ergebniszufriedenheit auf die Akzeptanz einer Entscheidung scheint den Effekt der wahrgenommenen Prozessfairness deutlich zu übertreffen: „Our core claim is that a democratic government in search of citizen acceptance of difficult decisions is little helped by the procedural means at its disposal. …, when following the causal flow from objective procedural arrangements to decision acceptance, and when taking outcome favorability into account, outcome favorability is the dominant determinant of decision acceptance“ (Esaiasson et al. 2019, S. 309).

Wir übertragen im Folgenden diese drei Argumentationslinien auf dialogische Beteiligungsprozesse:

H1

Basierend auf den Überlegungen zur Gewinner-Verlierer-These erwarten wir, dass Bürger:innen, die einer der beiden auf Landesebene regierenden Parteien (Grüne oder CDU: „Gewinner“) nahestehen, zufriedener und vertrauensvoller sind als Anhänger der Oppositionsparteien oder Personen ohne Parteinähe („Verlierer“).

H2

Angelehnt an die Überlegungen der Partizipationstheoretiker:innen nehmen wir an, dass die Teilnahme an dialogischen Beteiligungsverfahren die Demokratiezufriedenheit und das politische Vertrauen der Bürger:innen stärkt.

Abschließend prüfen wir in Anlehnung an Theorien der Prozessfairness mögliche Effekte, die mit der Bewertung der dialogischen Beteiligungsverfahren zusammenhängen:

H3

Wir erwarten, dass die positivsten Effekte dialogischer Beteiligung dann vorliegen, wenn die Beteiligten sowohl mit dem Prozess als auch mit dem Ergebnis zufrieden waren.

H4

Entsprechend sollten die Effekte dialogischer Beteiligung am geringsten sein, wenn die Befragten weder mit dem Ergebnis noch mit dem Prozess zufrieden waren.

Darüber hinaus erwarten wir Interaktionseffekte zwischen dialogischer Beteiligung und der Zugehörigkeit zur Gruppe der Verlierer:

H5

Die Beteiligung an dialogischen Beteiligungsprozessen sollte die Unzufriedenheit von „Verlierern“ (Nicht-Regierungs-Anhänger) mildern.

H6

Außerdem sollte die dialogische Beteiligung bei „Verlierern“ besonders dann zu einer höheren politischen Unterstützung führen, wenn sie mit dem Prozess, dem Ergebnis oder mit beidem zufrieden waren.

5 Zur Operationalisierung und Messung der zentralen Variablen

Die Demokratiezufriedenheit messen wir wie in Abschn. 3.1 beschrieben. Zur Messung des politischen Vertrauens greifen wir auf einen additiven Index zurück. Er wird aus den beiden Vertrauens-Variablen gebildet, die sich auf die Landespolitik beziehen: das Vertrauen in die Landesregierung und in das Landesparlament (siehe Anhang Tab. 1).

Da die Umfragen keine Frage zur Beteiligung an der letzten Wahl enthalten, greifen wir zur Messung der „Gewinner“ und „Verlierer“ auf die Parteiidentifikation der Befragten zurück. Die Gewinner-Verlierer-Variable wird als Dummy-Variable codiert mit 1 = Anhänger der Regierungsparteien Grüne oder CDU.Footnote 5

Die Teilnahme an einem dialogischen Beteiligungsverfahren wird mit der folgenden Frage gemessen: „Unter dialogischer Bürgerbeteiligung versteht man, dass der Bund, das Land oder die Stadt bzw. Gemeinde ihren Bürger:innen die Möglichkeit gibt, sich bei Veranstaltungen oder im Internet an der Planung von Vorhaben und Projekten zu beteiligen.“ Die Aussage wurde dann mit Beispielen versehen. Es wurde gefragt, ob die Person in den letzten zehn Jahren an irgendeiner Form dialogischer Bürgerbeteiligung (online oder offline) teilgenommen hat. In Baden-Württemberg geben 49 % der Befragten an, bereits an einem Beteiligungsverfahren teilgenommen zu haben (siehe Abb. 4). Dabei treten zwischen den Regierungsbezirken keine Unterschiede auf. Am häufigsten erfolgt die Teilnahme auf der kommunalen Ebene: 39 % der Menschen in Baden-Württemberg geben an, dass sie in den letzten zehn Jahren an einem Verfahren auf kommunaler Ebene teilgenommen haben. 13 % geben an, dass sie an einem dialogischen Beteiligungsverfahren auf Landesebene teilgenommen haben (etwa im Zusammenhang mit dem Beteiligungsportal des Landes oder zu „Stuttgart 21“).

Abb.4
figure 4

Teilnahme an Bürgerbeteiligungsverfahren in den letzten zehn Jahren, 2021/2022. Fragewortlaut: „Haben Sie in den letzten zehn Jahren an irgendeiner Form der dialogischen Bürgerbeteiligung (online oder offline) teilgenommen?“ In der Grafik ist der Anteil derjenigen dargestellt, die sich beteiligt haben

Wenn die Befragten angegeben hatten, bereits an einem Verfahren teilgenommen zu haben, wurden sie nach ihrer Zufriedenheit mit dem Verfahren und mit dem Ergebnis gefragt: (a) „Wie zufrieden oder unzufrieden waren Sie mit der Art und Weise, wie die Bürgerbeteiligung durchgeführt wurde – also im Hinblick auf den Umgang mit den Bürgern, die Dauer der Beteiligung, etc.?“, b) „Und wie zufrieden oder unzufrieden waren Sie mit dem inhaltlichen Ergebnis der Bürgerbeteiligung?“. Die Befragten konnten beide Fragen auf einer 5er-Skala von „sehr unzufrieden“ bis „sehr zufrieden“ beantworten. Erwartungsgemäß ist die Zufriedenheit mit dem Ablauf des Verfahrens größer (52 %) als die Zufriedenheit mit dem inhaltlichen Ergebnis der Beteiligung (41 %; siehe Abb. 5). Bei beiden Fragen hatte etwa ein Drittel der Befragten einen gemischten Eindruck („teils/teils“). 17 % der Befragten gaben an, mit dem Verfahren ziemlich oder sehr unzufrieden zu sein. Hinsichtlich des Ergebnisses waren es sogar 28 %.

Abb.5
figure 5

Bewertung des Verfahrens und des Ergebnisses der Bürgerbeteiligung, an der Menschen in den letzten zehn Jahren teilgenommen haben, 2021/2022. Fragewortlaut: „Haben Sie in den letzten zehn Jahren an irgendeiner Form der dialogischen Bürgerbeteiligung (online oder offline) teilgenommen?“ Falls Ja (49 % aller Befragten): „Wie zufrieden oder unzufrieden waren Sie mit der Art und Weise, wie die Bürgerbeteiligung durchgeführt wurde – also im Hinblick auf den Umgang mit den Bürgern, die Dauer der Beteiligung, etc.?“ (Verfahren) „Und wie zufrieden oder unzufrieden waren Sie mit dem inhaltlichen Ergebnis der Bürgerbeteiligung?“ (Ergebnis) Antwortskala: 1 = sehr unzufrieden, 2 = eher unzufrieden, 3 = teils/teils, 4 = ziemlich zufrieden, 5 = sehr zufrieden

Damit wir unsere Hypothesen zur Zufriedenheit mit dem Verfahren und dem Ergebnis testen können, ermitteln wir mit Hilfe einer Cluster-Analyse vier Typen von Befragten, die in den letzten zehn Jahren an einem dialogischen Beteiligungsverfahren teilgenommen haben. Die kleinste Gruppe sind jene, die mit dem Verfahren vergleichsweise unzufrieden sind, aber das Ergebnis der Beteiligung gut finden (9 %; siehe Abb. 6). 20 % der Befragten fanden das Verfahren gut, sind mit dem Ergebnis aber vergleichsweise unzufrieden. Die konsistenten Einstellungen kommen häufiger vor: 32 % derjenigen, die an einem Beteiligungsverfahren teilgenommen haben, sind sowohl mit dem Verfahren als auch mit dem Ergebnis zufrieden. 39 % sind mit dem Verfahren und dem Ergebnis vergleichsweise unzufrieden. Allerdings ist auch diese Gruppe insgesamt nicht massiv unzufrieden. Ihre durchschnittliche Zufriedenheit liegt beim Verfahren nur etwas unter der Skalenmitte und auch beim inhaltlichen Ergebnis nicht weit davon entfernt.

Abb.6
figure 6

Bewertung dialogischer Beteiligungsverfahren (Verfahren und Ergebnis): 4‑Cluster-Lösung der K‑Means Cluster-Analyse. Fragewortlaut: „Haben Sie in den letzten zehn Jahren an irgendeiner Form der dialogischen Bürgerbeteiligung (online oder offline) teilgenommen?“ Falls Ja (49 % aller Befragten): „Wie zufrieden oder unzufrieden waren Sie mit der Art und Weise, wie die Bürgerbeteiligung durchgeführt wurde – also im Hinblick auf den Umgang mit den Bürgern, die Dauer der Beteiligung, etc.?“ (Verfahren) „Und wie zufrieden oder unzufrieden waren Sie mit dem inhaltlichen Ergebnis der Bürgerbeteiligung?“ (Ergebnis) Antwortskala: 1 = sehr unzufrieden, 2 = eher unzufrieden, 3 = teils/teils, 4 = ziemlich zufrieden, 5 = sehr zufrieden

Um die Erklärungskraft der Beteiligungsvariablen besser beurteilen zu können, enthalten unsere Regressionsmodelle zudem klassische Faktoren zur Erklärung politischer Unterstützung. Dazu gehören vor allem die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage in Baden-Württemberg, aber auch Indikatoren zum sozio-ökonomischen Status der Befragten (Bildung, Einkommen), sozialisationstheoretisch relevante Faktoren (Alter, Geschlecht) und einzelne politische Orientierungen wie das politische Selbstwirksamkeitsgefühl (Internal Efficacy), die Responsivitäts-Wahrnehmung (External Efficacy) und das politische Interesse.Footnote 6

6 Erklärungsmodelle für Demokratiezufriedenheit und politisches Vertrauen

Welche Rolle spielt die Teilnahme an dialogischen Beteiligungsverfahren für die politische Unterstützung in Baden-Württemberg? Um diese Frage zu beantworten, werfen wir zunächst einen Blick auf die bivariaten Zusammenhänge (siehe Abb. 7). Mit Abstand die größte Demokratiezufriedenheit und auch das größte Vertrauen weisen die Menschen auf, die an einem dialogischen Beteiligungsverfahren teilgenommen haben und sowohl das Verfahren als auch das Ergebnis positiv bewerten. Menschen, die an einem dialogischen Beteiligungsverfahren teilgenommen haben und sowohl das Verfahren als auch das Ergebnis relativ negativ bewerten, sind hingegen am unzufriedensten mit der Demokratie und weisen am wenigsten Vertrauen auf. Sie sind noch unzufriedener als die Personen, die sich gar nicht an Dialogverfahren beteiligt haben. Hinsichtlich der beiden verbleibenden Gruppen ist bemerkenswert, dass sowohl mit Blick auf die Demokratiezufriedenheit als auch mit Blick auf das Vertrauen die Zufriedenheit mit dem Verfahren wichtiger zu sein scheint als die Zufriedenheit mit dem Ergebnis der Beteiligung. Ob diese Ergebnisse auch bei Kontrolle anderer Faktoren Bestand haben, zeigt abschließend die multivariate Analyse.

Abb.7
figure 7

Demokratiezufriedenheit und Vertrauen in Landesregierung und Landesparlament nach Beteiligungserfahrung in den letzten zehn Jahren, 2021/2022. Fragewortlaut: „Haben Sie in den letzten zehn Jahren an irgendeiner Form der dialogischen Bürgerbeteiligung (online oder offline) teilgenommen?“ Falls Ja: „Wie zufrieden oder unzufrieden waren Sie mit der Art und Weise, wie die Bürgerbeteiligung durchgeführt wurde – also im Hinblick auf den Umgang mit den Bürgern, die Dauer der Beteiligung, etc.?“ (Verfahren) „Und wie zufrieden oder unzufrieden waren Sie mit dem inhaltlichen Ergebnis der Bürgerbeteiligung?“ (Ergebnis). Cluster-Bildung siehe Abb. 6. „Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie mit dem Funktionieren der Demokratie hier in Baden-Württemberg?“ Antwortskala: 1 = sehr unzufrieden, 2 = eher unzufrieden, 3 = teils/teils, 4 = ziemlich zufrieden, 5 = sehr zufrieden. „Ich nenne Ihnen jetzt eine Reihe von öffentlichen Einrichtungen und Organisationen in Deutschland. Sagen Sie mir bitte jeweils, wie groß das Vertrauen ist, das Sie der Organisation entgegenbringen. Benutzen Sie dazu bitte diese Skala. (A) Landesregierung, (B) Landtag. 1 = überhaupt kein Vertrauen, 7 = sehr großes Vertrauen; mit den Zahlen dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen“

Die multivariaten Regressionsanalysen stützen die bivariaten Ergebnisse zum großen Teil. Die Erklärungsmodelle zeigen für beide Unterstützungsdimensionen nahezu identische Ergebnisse (siehe Abb. 8). Footnote 7 Von den klassischen Erklärungsfaktoren beeinflussen die Einschätzung der Wirtschaftslage und das Responsivitätsgefühl (External Efficacy) die Demokratiezufriedenheit und das Institutionenvertrauen am positivsten. Deutlich schwächer ist der positive Effekt des politischen Interesses. Demgegenüber sind die Demokratiezufriedenheit und das Institutionenvertrauen bei Personen mit hohem politischen Selbstwirksamkeitsgefühl (Internal Efficacy) tendenziell geringer als bei Befragten mit geringem Selbstwirksamkeitsgefühl. Die übrigen vorwiegend sozio-demographischen Kontrollvariablen haben nahezu keine Effekte.

Abb.8
figure 8

Erklärungsmodelle politischer Unterstützung in Baden-Württemberg, 2021/2022. In der Abbildung dargestellt sind nur die beiden Regressionsmodelle (4) aus den Tab. 2 und Tab. 3 im Anhang. Die Referenzkategorie der Teilnahmevariablen ist die Nicht-Teilnahme an einem dialogischen Beteiligungsverfahren

Von größerem Interesse für uns sind jedoch jene Erklärungsgrößen, die im Zusammenhang mit dem Status der Befragten als „Gewinner“ und „Verlierer“ und mit dialogischer Bürgerbeteiligung stehen. Zunächst bestätigt sich Hypothese 1 durchweg. Oppositionsanhänger oder Personen ohne Parteiidentifikation („Verlierer“) stehen der Demokratie im Land auf beiden Unterstützungsdimensionen deutlich kritischer gegenüber als Anhänger der beiden Koalitionsfraktionen, der Grünen und der CDU. Hingegen führt alleine die Teilnahme an dialogischen Beteiligungsverfahren– anders als erwartet – nicht per se zu einer stärkeren politischen Unterstützung. Ebenso wenig stärkt die Teilnahme der „Verlierer“ deren politische Unterstützung (Modell 4 in Tab. 2 und Tab. 3). Dies ist aus theoretischer Sicht zunächst erstaunlich. Es erklärt sich aber, wenn die Analysen differenziert werden (Modelle 5 bis 8 in Tab. 2 und Tab. 3 sowie Abb. 8): Werden bei Teilnahme weder das Verfahren noch die Ergebnisse positiv bewertet, sind die Demokratiezufriedenheit und das Institutionenvertrauen der Beteiligten signifikant niedriger als bei Nichtbeteiligten. Umgekehrt finden wir nahezu durchweg signifikante positive Effekte, wenn die Beteiligten beide Aspekte – die Verfahrensqualität und das Ergebnis – positiv bewerten. Allein die Zufriedenheit mit dem Verfahren (bei gleichzeitiger Unzufriedenheit mit dem Ergebnis) oder allein die Zufriedenheit mit dem Ergebnis (bei gleichzeitiger Unzufriedenheit mit dem Verfahren) führen gegenüber den Nicht-Teilnehmenden jedoch zu keiner stärkeren politischen Unterstützung. Hier sind die Gruppen aber auch sehr klein. Bei den darüber hinaus geprüften Interaktionseffekten zeigt sich lediglich, dass die Demokratiezufriedenheit der „Verlierer“ etwas zunimmt, wenn sie sowohl das Dialogverfahren als auch dessen Ergebnis positiv beurteilen (Modell 8 in Tab. 2). Dies gilt allerdings nur, wenn man ein Signifikanzniveau von p < 0,1 anlegt.

Werden abschließend ausschließlich die Teilnehmenden an den Dialogverfahren untersucht (siehe Abb. 9), treten nochmals differenziertere Ergebnisse zutage. Nun sind die Gruppengrößen ausgewogener und wir können die Bewertung der Dialogverfahren und der Ergebnisse als getrennte Variablen kontrollieren. Unabhängig von der Tatsache, dass die „Verlierer“ durchweg weniger Vertrauen und eine geringere Demokratiezufriedenheit haben als die Anhänger der beiden Regierungsparteien, schlägt sich eine höhere Zufriedenheit mit den Beteiligungsverfahren positiv signifikant in einem stärkeren politischen Vertrauen der Beteiligten nieder. Durchweg insignifikant sind die Effekte der Ergebniszufriedenheit. Dies widerspricht dem starken Gewicht der „outcome favorability“, die Esaiasson et al. (2019) festgestellt haben. Es unterstreicht, dass der Qualität der Verfahren durchaus eine wichtige Rolle zukommt, wenn es um die Stärkung der politischen Unterstützung geht. Darüber hinaus zeigen sich hier nun auch die vermuteten Effekte dialogischer Beteiligung in den Reihen der „Verlierer“: Ihre im Vergleich zu den „Gewinnern“ stärkere Unzufriedenheit wird durch die Zufriedenheit mit den Beteiligungsverfahren abgebaut, wenngleich sie weiterhin unzufriedener mit der Demokratie und weniger vertrauensvoll sind als die Anhänger der Regierungsparteien (siehe auch die beiden Modelle 3 in Tab. 4 im Anhang).

Abb.9
figure 9

Erklärungsmodelle politischer Unterstützung unter den Teilnehmenden an Dialogverfahren, 2021/2022. In der Abbildung dargestellt sind nur die beiden Regressionsmodelle (3) aus Tab. 4 im Anhang

Zusammenfassend heißt das, dass allein die Teilnahme an dialogischen Beteiligungsverfahren nicht rundweg zu zufriedeneren und vertrauensvolleren Bürger:innen führt. Vielmehr kommt es bei den Teilnehmenden auf eine positive Bewertung besonders der Prozessqualität an. Diese kann sich dann in einer höheren Demokratiezufriedenheit und einem stärkeren politischen Vertrauen niederschlagen und zudem die politische Unterstützung der tendenziell eher unzufriedenen „Verlierer“ verbessern. Insgesamt muss man jedoch festhalten, dass vor allem die klassischen Erklärungsfaktoren (Einschätzung der Wirtschaftslage und External Efficacy) die politische Unterstützung beeinflussen.

7 Fazit

Die Bürger:innen in Baden-Württemberg sind mit der Demokratie in ihrem Land durchaus zufrieden. Auch bringen sie ihrer Landesregierung und ihrem Landesparlament ein starkes Vertrauen entgegen. Dabei bestehen keine Unterschiede zwischen den vier Regierungsbezirken. Fördernd für eine starke politische Unterstützung sind auch in Baden-Württemberg vor allem klassische Performanzfaktoren – wie die positive Einschätzung der wirtschaftlichen Lage, die Wahrnehmung von politischer Responsivität (externes Effektivitätsgefühl) und die Nähe zu einer der Regierungsparteien im Land.

Darüber hinaus aber – und das war der Fokus in diesem Beitrag – hat auch die Teilnahme an dialogischen Beteiligungsverfahren einen Effekt auf die politische Unterstützung der Bürger:innen. Allerdings führt nicht die Teilnahme per se zu mehr Demokratiezufriedenheit und zu mehr politischem Vertrauen, sondern es kommt auf die Bewertung der Verfahren und ihrer Ergebnisse an. Eine positive Bewertung von Verfahren und Ergebnis geht mit einer signifikant stärkeren Demokratiezufriedenheit und einem höheren politischen Vertrauen einher (im Vergleich zu Nichtbeteiligten). Umgekehrt führen negative Bewertungen zu einer noch geringeren Demokratiezufriedenheit und zu einem noch geringeren Vertrauen, als wir sie bei Nichtbeteiligten finden. Unter den Teilnehmenden selbst sind die Effekte besonders deutlich erkennbar. Bei ihnen ist die Prozessbewertung wichtiger als die Ergebnisbewertung. Dies sollte bei der Durchführung dialogischer Beteiligungsverfahren beachtet werden, da vor allem die Qualität des Verfahrens offenbar einen wichtigen Unterschied macht – sowohl hinsichtlich des generellen Niveaus politischer Unterstützung, besonders aber auf Seiten derjenigen, die ihre Interessen nicht durch die Landesregierung vertreten sehen.

Allerdings müssen wir kritisch konstatieren, dass Voreinstellungen zum jeweiligen Beteiligungsthema bei unseren Analysen nicht berücksichtigt werden konnten. Unter Umständen sind es gerade Menschen mit vorab bereits negativen oder positiven Einstellungen zum Thema, die an den Dialogen teilnehmen und die unabhängig von den Verfahren ihre positiven oder negativen Einstellungen dann rückwirkend auf die Verfahren und die Ergebnisse projizieren (Esaiasson et al. 2019). Die Überprüfung solcher Kausalitäten erfordert spezielle Paneldaten, die uns nicht vorliegen. Darüber hinaus basieren unsere Messungen der Teilnahme an Dialogverfahren auf Rückerinnerungsfragen. Sie können Reliabilitätsprobleme aufweisen, gegebenenfalls auch das in der Wahlforschung bekannte Problem des Overreporting. Dabei geben Menschen auf Grund sozialer Erwünschtheit fälschlicherweise an, sich beteiligt zu haben. Diese Probleme könnten unsere Messungen beeinflussen und sollten ebenso wie das Kausalitätsproblem – beispielsweise fallbegleitend – in zukünftigen Studien noch untersucht werden.

Zudem muss konstatiert werden: Dialogverfahren sind in der Regel keine sofort wirksamen Mittel, um das politische Vertrauen und die Demokratiezufriedenheit in einem Land zu stärken. Von ihnen gehen zwar positive Effekte aus. Ihre Wirkung dürften sie aber vor allem mittel- und längerfristig entfalten. Insofern können sie als Investition in künftige Demokratiezufriedenheit und in künftiges Vertrauen aufgefasst werden. Dabei dürfte nicht ein singuläres dialogisches Beteiligungsverfahren ausschlaggebend sein, sondern eine sich nach und nach entwickelnde Beteiligungskultur. Um eine solche auszubilden, benötigt man zum einen Wissen über den Einsatz der Verfahren – sowohl in der Politik als auch in der Verwaltung und in der Bürgerschaft. Zum anderen kommt es auf eine kontinuierlich hohe Qualität der Planung und Durchführung der Beteiligungsverfahren an, die sich dann in der politischen Unterstützung der Bürger:innen niederschlägt.