1 Einleitung

Angebote aktiven Lernens haben einige Vorteile gegenüber alternativen Methoden zum Wissenserwerb. Den zahlreichen verschiedenen Ansätzen – wie problemzentriertes, forschungs- und prozessorientiertes, kooperatives, kollaboratives oder dialogisches Lernen – ist gemein, dass die soziale Handlungsorientierung nachhaltigere Lerneffekte ermöglicht. Das Potenzial kooperativen Lernens liegt etwa darin, dass Lernende authentische Aufgaben in sozialen Kontexten erbringen müssen (Konrad und Traub 2005). Die Planspielmethode als ein konkretes Beispiel für problemorientiertes Lernen (Eberle und Kriz 2017, S. 158) kann in der Hochschullehre dazu beitragen, die häufig monierte „Kluft zwischen Theorie und Praxis“ zu überbrücken (Meßner et al. 2018, S. 12). Diese Form hochkomplexer Lehr-Lernarrangements umfasst realitäts- und alltagsnahe Probehandlungen, Perspektiv- und Rollenwechsel sowie immanente Adressaten- und Problemorientierungen, die den Lernenden permanente Aktivität abverlangen (Engartner et al. 2015, S. 189).

Zur Vermittlung von Handlungswissen sind Planspiele ein fester Bestandteil in Curricula betrieblicher Ausbildung und Fortbildungsakademien der öffentlichen Verwaltung (von Ameln und Kramer 2007). Auch gibt es eine Reihe universitärer Fachdisziplinen, in denen mit Planspielen gearbeitet wird (u. a. in der Politikwissenschaft, den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie, Psychologie und Mathematik). Besonders hier „(…) besteht noch immer ein dringender Bedarf an grundlegender, systematischer und interdisziplinärer Forschung über die Planspielmethode und deren Einsatz“ (Schwägele 2015, S. 13). Denn neben vereinzelten Studien über kurzfristige Lerneffekte fehlt es vor allem an systematischen Auswertungen langfristiger Lerneffekte (Lohmann und Kranenpohl 2018, S. 85; Meßner et al. 2018, S. 15).

Der Nutzen der Planspielmethode wird in diesem Beitrag in Hinblick auf konkrete Vorteile für aktives Lernen in Universitäten hinterfragt. Exemplarisch sollen dazu Angebote der Politikwissenschaft untersucht werden. Es wird erstens evaluiert, welche Planspielangebote für die (deutsche) Politikwissenschaft am Markt angeboten werden. Es ist zweitens auszuwerten, unter welchen Umständen solche Angebote die politikwissenschaftliche Ausbildung sinnvoll ergänzen können. Auf Basis des quantitativen Überblicks und qualitativer Einblicke in zwei konkrete Planspiel-Beispiele lässt sich der Wissensstand in zwei Richtungen erweitern: Einesteils wird das aktuelle Spieleangebot strukturiert und neuere Trends aufgezeigt, andernteils legt eine vergleichende Fallanalyse wichtige ex-ante zu bedenkende Kriterien frei, um Planspiele sinnvoll(er) in die akademische Lehre zu integrieren.

Nach einer Klärung der Planspielmethode (Abschn. 2: Historie und Konzept, Einsatzformen und Grenzen), wird der Markt an Planspielen in Deutschland gesichtet (Abschn. 3: Strukturierung und Auswertung vorhandener Angebote) und anschließend zwei Fallbeispiele beschrieben und gegenübergestellt (Abschn. 4: Illustration und Vergleich). Abschließend werden die Ergebnisse zusammengeführt und resümiert (Abschn. 5: Diskussion und Fazit).

2 Historie, Konzept, Einsatzformen und Grenzen von Planspielen

Die historische Entwicklung von Planspielen reicht weit zurück: Das in Indien ca. 1000 Jahre v. Chr. entstandene Kampfspiel Chaturanga und das ca. 800 v. Chr. in Persien entwickelte Schachspiel gelten als Planspiele-Vorläufer im Altertum (Nissen 2006, S. 469). Schließlich entwickelte sich aus einer Variante des Schachspiels Ende des 18. Jahrhunderts in Preußen das sogenannte Kriegs-Schachspiel, aus dem die heutige Form des Planspiels entstanden ist. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts verblieb das Planspiel noch weitgehend in der Militärausbildung, bevor es sich in andere Disziplinen ausdehnte: Zunächst waren neue Einsatzgebiete die betriebliche Weiterbildung, bevor in den 1960er- und 70er-Jahren von den USA ausgehend, auch in Großbritannien und Deutschland Planspiele zum Einsatz kamen (Eberle und Kriz 2017, S. 156; Herz und Blätte 2000, S. 1 f.). Der Anwendungsbereich vergrößerte sich weiter von der schulischen über die außerschulische Bildung, bis hin zu den Hochschulen (Meßner et al. 2018, S. 11; von Ameln und Kramer 2007).

Der Begriff des Planspiels unterliegt keiner festen Definition und wird im deutschsprachigen Raum oftmals synonym verwendet mit den Begriffen Simulation oder Rollenspiel. Diese Methoden streben ebenfalls einen starken Praxisbezug etwa durch Nachahmung an, um Handlungskompetenzen der Lernenden zu adressieren. Simulationen, Rollenspiele und Planspiele sind jedoch nicht identisch (vgl. dazu Macke et al. 2012) und dieser Beitrag befasst sich einzig mit Letzterem. Dafür erscheint folgende Beschreibung besonders brauchbar:

Das Planspiel kann als eine methodisch organisierte Tätigkeit charakterisiert werden, wobei zahlreiche Spielteilnehmer, die sich zu mehreren Gruppen zusammenschließen, in vorgegebenen Rollen, wechselnden Szenen und Situationen handelnd interagieren. Handlungsträger sind in der Regel die einzelnen Spielgruppen, nur in Ausnahmefällen mehrere Einzelspieler. Durch die Teilnahme mehrerer Gruppen entsteht in ständigem Vergleich ein Spannungsmoment von Wettbewerb. (Geuting 2000, S. 16)

In der Praxis wird unter Planspiel eine Vielzahl von Verfahren sowohl analoger als auch digitaler Art subsumiert (Rappenglück 2017, S. 17 f.). In den Sozialwissenschaft schlägt Muno (2020, S. 11) für die bessere Abgrenzung ein Kontinuum vor, an dessen einem Ende einfache Rollenspiele stehen, die viele Freiheitsgrade lassen und am anderen Ende komplexe Politiksimulationen verortet sind, die stark regelbasiert sind.

Idealtypisch gliedert sich ein Planspiel in drei Teile: Vorbereitung (1), Durchführung (2), Reflexion (auch als De-Briefing bezeichnet) (3) (Muno 2020, S. 8).

  1. 1.

    Die Vorbereitungsphase ist insbesondere durch die Bereitstellung von Infrastruktur und organisatorischen Aufwand zur Beschaffung der benötigten Materialien gekennzeichnet. Je umfangreicher und komplexer das Planspiel angelegt ist, desto aufwendiger gestaltet sich auch die Vorbereitungsphase. Neben den administrativen Aspekten bedarf es in dieser Phase jedoch auch einer inhaltlichen Einführung in das Planspielthema. Der Umfang der Einführung korrespondiert dabei mit der Komplexität des Planspiels. Neben der Erläuterung organisatorischer Aspekte für den Planspiel-Termin sollten zu diesem Zeitpunkt die Methode und Zielsetzung, das Szenario, die einzelnen Akteursgruppen sowie der gesamte Verhandlungsprozess vorgestellt werden (Rappenglück 2017, S. 22; Kriz 2018, S. 51).

  2. 2.

    Die Durchführung und damit die eigentliche Spielphase ist vom Handeln der Teilnehmenden geprägt. Die Planspielleitung übernimmt in dieser Phase in aller Regel nur einen passiven Part. Die zeitliche Dauer der Durchführung und ihr Ablauf ergeben sich aus der Anzahl der Teilnehmenden, dem Politikgegenstand und der Art des nachgestellten Verfahrens (Rappenglück 2017, S. 22 f.).

  3. 3.

    Schließlich gilt es das Planspiel entsprechend nachzubereiten, um so einen möglichst großen Lerneffekt anzustoßen (Herz und Blätte 2000, S. 6; Kriz 2018, S. 53 f.). Je nach Einbindung des Planspiels in den akademischen Kontext findet das De-Briefing entweder nach Beendigung der Durchführung im direkten Nachgang oder aber zeitlich versetzt in einer der nächsten Seminarsitzung statt. Nach Eberle und Kriz (2017, S. 166) ist die Reflexionsphase ein zentraler Baustein für den Erfolg des Planspiels. Das De-Briefing dient den Teilnehmenden als Selbstreflexion und legt so den Lernprozess offen.

Vor dem Einsatz in der akademischen Lehre ist in Abhängigkeit des Seminarziels zu entscheiden, ob ein vorhandenes Planspiel genutzt wird, ein Spiel für die konkrete Lehre modifiziert wird, dies ggf. unter Beteiligung der Studierenden erfolgen kann oder kooperativ ein neues Planspiel entwickelt werden soll (Eberle und Kriz 2017, S. 161).

Beim Einsatz der Planspielmethode sind zwei Einschränkungen zu beachten: Als zentrale Limitierung der Planspielmethode wird in aller Regel die Verkürzung der Realität angeführt. Dies stimmt insofern, als das ein Planspiel ohne Komplexitätsreduktion schlicht nicht durchführbar wäre, was aber kein Nachteil für die Lernenden ist (Engartner et al. 2015, S. 210; Meßner et al. 2018, S. 16). Auch ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Planspielmethode nicht um einen Ersatz gängiger Formen der Informationsaufnahme im Wissenserwerb handeln kann, sondern vielmehr zusätzlich eine Wissensanwendung und -vertiefung erfolgen soll (Muno 2020, S. 20 f.).

Der Einsatz von Planspielen ist also nicht per se ein Gewinn, sondern muss unter Berücksichtigung des didaktischen Gesamtkonzepts und Lehr‑/Lernziels abgewogen werdenFootnote 1.

3 Quantitativer Überblick: Planspiele in der Politikwissenschaft

Das Angebot an Planspielen ist umfangreich und lässt sich nur schätzen. In Deutschland werden über alle Anwendungsbereiche hinweg mehr als 2000 Planspiele vermutet (Kriz 2009, S. 558). Für genauere Aussagen über die Politikwissenschaft, wird die Planspieldatenbank der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) herangezogen und die darin enthaltenen Angebote für Erwachsene ausgewertet. Von insgesamt 328 in der Datenbank gelisteten Planspielen (Stand: Juli 2020) verbleiben nach Engführung auf die Politikwissenschaft und Erwachsenenbildung noch 208 Spiele, die zur Evaluation herangezogen werden können (eine codierte Tabelle aller betrachteten Planspiele findet sich im Anhang)Footnote 2. In einem ersten Schritt werden die Spiele inhaltlich bestimmt und verschiedenen Arbeitsgebieten zugeordnet. Da eine Passung in die klassischen vier Teilgebiete der deutschen Politikwissenschaft (Politische Theorie, Vergleichende Politikwissenschaft, Politisches System der BRD, Internationale Beziehungen) nur teilweise gegeben ist, werden alternativ die folgenden Arbeitsgebiete unterschieden: Politische Theorie, Politisches System, Politikfelder, Politische Ökonomie, Europäische Union und Internationale Beziehungen. Hierbei zeigte sich eine deutliche Diskrepanz (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Verteilung der Planspiele nach politikwissenschaftlichen Arbeitsgebieten (n = 192). (Quelle: Eigene Darstellung)

Die meisten Spiele gibt es in den Arbeitsgebieten der Europäischen Union (26 %), zum Politischen System (24 %) und der Internationalen Beziehungen (22 %) und die wenigsten Spiele existieren für die Politische Theorie (2 %).

Für die praktische Umsetzung der Planspielmethode sind vorab Anforderungen und Aufwand zu berücksichtigen. Aufgrund dessen wird weiterhin bestimmt, wie voraussetzungsvoll die betrachteten Planspiele sind. Dazu wird erstens codiert, ob Technik zur Durchführung notwendig ist oder nicht.Footnote 3 Es wird zweitens unterschieden, ob Spiele kostenlos zugänglich sind oder nicht.

Es ist augenfällig, dass fast zwei Drittel (64 %) aller Spiele technikgestützt konzipiert und damit voraussetzungsvoller sind als Spiele, die ohne Technik auskommen (Abb. 2). Noch deutlicher ist der Befund in Bezug auf die Kosten (Abb. 3): nur etwa ein Zehntel (11 %) aller Spiele sind kostenlos verfügbar, wohingegen die weit überwiegende Zahl (89 %) finanzielle Ressourcen erfordert. Die Höhe der Kosten variiert dabei stark, je nachdem, ob es sich um kommerzielle Angebote von Unternehmen, die darauf spezialisiert sind handelt oder aber anderweitige Anbieter wie etwa politische Stiftungen, die einen Kostenbeitrag für ihren Aufwand erheben. Insgesamt sind damit also bestimmte Voraussetzungen (Technik und Kosten) als mögliche Hürden bei der Entscheidung, Planspiele einzusetzen, nicht zu vernachlässigen.

Abb. 2
figure 2

Spielvoraussetzungen (n = 164). (Quelle: Eigene Darstellung)

Abb. 3
figure 3

Anfallende Kosten für den Erwerb der Planspiele (n = 202). (Quelle: Eigene Darstellung)

Als letzter Aspekt wird der Zeitaufwand, der zur Durchführung der Planspiele benötigt wird, angeführt. Dazu werden einzig die von den Herstellern angegebene mindestens aufzuwendende Spielzeit betrachtet, weil der zeitliche Einsatz für die Vor- und Nachbereitung aus den Informationen der Datenbank nicht zu bestimmen ist. Ohnehin wird in aller Regel nur mit dem Lehrdeputat, zahlenmäßig nachzuweisen in Semesterwochenstunden und Vorlesungswochen, kalkuliert. Die Lehrplanung und -nachbereitung gilt demgegenüber als ein Aufwand, der nicht explizit ausgewiesen wird. Ferner wird die Selbstlernzeit der Studierenden im Folgenden ausgeklammert. Geht man nun also davon aus, dass eine Lehrveranstaltung mit zwei Semesterwochenstunden (in aller Regel entsprechen diese 90 min) über einen Zeitraum von 14 Wochen durchzuführen ist, so ergibt sich ein Zeitbudget von 21 Zeitstunden (28 SWS).

Abb. 4 zeigt, dass gut die Hälfte aller Planspiele so konzipiert ist, dass sie hinsichtlich des Mindestaufwandes weniger (oder genau) 10 Semesterwochenstunden beanspruchen. Die andere Hälfte teilt sich fast gleichmäßig auf längere Planspiele und solche auf, die ungefähr dem Zeitbudget von mindestens einer Lehrveranstaltung entsprechen. Damit sind mindestens dreiviertel aller betrachteten Spiele für die akademische Lehre zeitlich gut brauchbar.

Abb. 4
figure 4

Zeitbedarf der Planspiele in Semesterwochenstunden (n = 208). (Quelle: Eigene Darstellung. Um alle Planspiele in die hier dargestellten Intervalle einzuteilen wurden die minimalen Zeitangaben, die zur Durchführung des jeweiligen Planspiels in Zeitstunden ausgewiesen werden in Semesterwochenstunden umgerechnet. Dabei entspricht eine SWS 45 min)

4 Qualitative Einblicke: Zwei Planspiele im Vergleich

Die im Folgenden untersuchten Planspiele sind dem politikwissenschaftlichen Arbeitsgebiet des Politischen Systems zugeordnet und wurden bereits in der akademischen Lehre eingesetzt. Sie lassen sich aufgrund der thematischen Nähe (Gesetzgebungsprozesse in der BRD) gut vergleichen. Auch bieten sie genügend strukturelle Varianz, um aus Unterschieden zu lernen: Ein Spiel wurde modifiziert, das andere wird nach Vorlage gespielt. Die Schauplätze sind Landtag und Bundestag. In den Abschn. 4.1 und 4.2 orientieren sich die Beschreibungen an den drei Planspielphasen Vorbereitung/Organisation, Durchführung und Reflexion, wie sie zuvor in Abschn. 2 unterschieden wurden. In Abschn. 4.3 werden die Spiele miteinander verglichen.

4.1 Einführung eines Landesgymnasiums für Hochbegabte

Seit mehreren Jahren veranstalten die NRW School of Governance und der Landtag Nordrhein-Westfalen eine Summer School mit Master-Studierenden am Ende des zweiten Fachsemesters. Herzstück der Kooperation bildet ein anderthalbtägiges Planspiel. Anwendungsorientierte Lehreinheiten bereiten im Laufe des Semesters auf das Planspiel vor.

4.1.1 Thema, Vorbereitung und Organisation

Das an der NRW School of Governance entwickelte Planspiel thematisiert den Gesetzgebungsprozess auf Landesebene in Nordrhein-Westfalen am Beispiel des Politikfeldes Bildung. Die Teilnehmenden nehmen hierbei die Rollen der Landtagsabgeordneten ein, die sich mit Schulpolitik befassen müssen. Nachdem eine Elterninitiative ein erfolgreiches Bürgerbegehren initiiert hatte, sind die Abgeordneten nun verpflichtet, sich dem Thema anzunehmen: Konkret wird die Errichtung einer Spezialschule gefordert, die sich dezidiert an hochbegabte Schülerinnen und Schüler aus NRW richtet. Das Szenario des Planspiels setzt am Ende der ersten Lesung im Landtag an und verläuft über den gesamten weiteren Abstimmungsprozess bis zur zweiten und letzten Lesung; es endet mit der Abstimmung über das Gesetzesvorhaben. Das Kernstück des Planspiels bildet die parlamentarische Gremienarbeit in Form von Fraktions- und Ausschusssitzungen. Die politischen Machtverhältnisse in NRW sind dabei als eine Jamaika-Koalition festgelegt. Die Opposition besteht aus sozialdemokratischen und rechtspopulistischen Fraktionen. Das Planspielszenario umfasst somit fünf Fraktionen innerhalb des Landtages, deren Profile an die Realität angelehnt sind; Namen und Programmatiken weichen jedoch teilweise ab. Außerdem gibt es im Spiel zwei Ausschüsse: den federführenden Ausschuss Schule und Weiterbildung und den beratenden Ausschuss Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Alle Landtagsabgeordneten gehören einem dieser beiden Ausschüsse an. Neben den Abgeordneten gibt es zudem einige wenige Journalistinnen und Journalisten. Zeitlich ist das Szenario gegen Ende der Legislaturperiode angelegt, sodass die regulär anstehende nächste Landtagswahl bereits ihre Schatten vorauswirft.

Das Planspiel ist ausgelegt für eine Gruppengröße von 23–34 Teilnehmenden. Eine Besonderheit des Planspiels ist die Einbindung von Twitter. Sowohl die Fraktionen als auch die Vertreterinnen und Vertreter der Presse verfügen über einen von der Planspielleitung vorinstallierten Twitterkanal. Während des Verlaufs wird durch die Nutzung von Twitter-Walls sichergestellt, dass alle Teilnehmenden die Twitter-Debatte verfolgen können. Konkrete Anweisungen, ob und wie Twitter jeweils genutzt werden soll, gibt es nicht. Nach Ende des Spiels werden zwei Preise an die besten Spieler und Spielerinnen vergeben. Ein Preis wird dazu von der Planspielleitung vergeben und richtet sich an den vorgegebenen individuellen Zielen der Rollenprofile aus. Ein zweiter Preis wird als Spielpreis mittels geheimer Wahl von den Teilnehmenden bestimmt.

Die Vorbereitung für die Teilnehmenden des Planspiels beginnt eine Woche vor der Durchführung, wenn erste Informationen zum Planspiel ausgegeben werden. Neben den organisatorischen Eckpunkten, die bereits im Semester besprochen wurden, erhalten sie Informationen zum Gesetzgebungsprozess in NRW, zur parlamentarischen Arbeit und zum Thema Hochbegabung. Das konkrete Planspielszenario sowie ihre individuelle Rollenbeschreibung erhalten die Studierenden erst am Vorabend des Planspiels. Die Vorbereitung für die Planspielleitung beginnt deutlich früher, was u. a. dadurch bedingt ist, dass die Rollen des Planspiels zugewiesen werden müssen. Die Auswahl der zentralen Rollen des Planspiels (Fraktionsvorsitzende, Abweichler innerhalb der Fraktionen) erfolgt gezielt. Zudem müssen weit im Vorfeld terminliche und organisatorische Absprachen mit dem Kooperationspartner (Landtag) getätigt werden. Zeitnah vor Beginn der Summer School wird das Szenario schließlich an die tatsächliche Zahl der Teilnehmenden angepasst.

4.1.2 Durchführung

Das Planspiel beginnt mit einer Plenarsitzung, deren Zweck die Überweisung des Gesetzes in die beiden zuständigen Ausschüsse ist. In der nächsten Phase finden weniger formalisierte Fraktionssitzungen und anschließend Sitzungen der Arbeitskreise statt, bevor erneut die Fraktionen zusammenkommen. Schließlich tagen die beiden Ausschüsse für insgesamt zwei Stunden, bevor eine weitere Fraktionssitzung den ersten Tag des Planspiels abschließt. Die letzte Fraktionssitzung wird am nächsten Morgen fortgeführt. Zwischendurch gibt es immer wieder Raum für individuelle Verhandlungen und Austausch zwischen den Spielerinnen und Spielern. Am Vormittag des zweiten Tages endet die Frist für mögliche Änderungsanträge, die allen Teilnehmenden anschließend zur Verfügung gestellt werden, bevor die zweite Lesung zum Gesetzentwurf und schließlich die finale Abstimmung stattfinden.

Die Journalistinnen und Journalisten treffen sich unterdessen in einem eigenen Raum, den sie für ihre Arbeit nutzen können. Die individuellen Verhandlungszeiten der Abgeordneten sind für Interviews und Hintergrundgespräche mit der Presse vorgesehen. Nach Beendigung des Planspiels findet eine ausführliche Feedback-Runde statt.

Zu Beginn als auch am Ende übernimmt die Planspielleitung die Rolle des Landtagspräsidiums und leitet die Plenarsitzung. Besonders das Zeitmanagement der Redebeiträge in der abschließenden Sitzung wird von ihr kontrolliert. Während des laufenden Planspiels übernimmt sie hingegen eine passive Rolle, die nur dann in das Spielgeschehen eingreift, wenn der weitere Verlauf des Planspiels gefährdet ist oder zeitlich aus dem Ruder zu laufen droht. Zudem übernimmt die Planspielleitung organisatorische Aufgaben, wie die dauerhafte Sicherstellung des Twitter-Zugangs und die Entgegennahme und Bereitstellung der Dokumente für alle.

4.1.3 Reflexion

Das hier vorgestellte Planspiel ist vergleichsweise aufwendig in der Vorbereitung (Organisation und Durchführung im Landtag). Weniger aufwendig ist die Vorbereitung der Teilnehmenden, die durch ein schriftliches Briefing erfolgt. Bei der Durchführung sollte die Planspielleitung von einer weiteren Person unterstützt werden, die den technischen Zugang zu den Twitter-Kanälen betreut.

Die Tatsache, dass sich das Planspielszenario an den tatsächlich im nordrhein-westfälischen Landtag vertretenen Parteien orientiert, bietet einerseits die Chance der Abbildung politischer Aktualität und ermöglicht es auch, politische Änderungen angemessen im fiktiven Szenario zu berücksichtigen. Andererseits hat sich die Dynamik des Planspiels durch die Einführung einer rechtspopulistischen Partei im Zeitverlauf (vorher-nachher) spürbar verändert. So konnte im ersten Durchlauf beobachtet werden, dass die Spieler der Fraktion in Selbst- und Fremdwahrnehmung als Fundamentalopposition erschienen. Dies führte dazu, dass sie kaum in die Arbeit mit den anderen Fraktionen einbezogen wurden. Nach einer Überarbeitung des Planspiels, bei der die Rollenprofile stärker mit denen der anderen Fraktionen verschränkt wurden, verbesserte sich dies. Insgesamt birgt diese Fraktion aber nach wie vor die größte Gefahr für ein Abschweifen in schauspielerische Darbietungen, die nicht immer konstruktiv im Sinne eines reibungslosen Spielablaufs sind.

Die flexible Anpassung der Gruppengröße ist ein Vorteil des Spiels. Allerdings ist hier dennoch ein Mindestmaß an Verbindlichkeit seitens der Studierenden nötig, um das Spiel vorbereiten zu können. Eine spontane Reduzierung der Gruppengröße kann nur bedingt aufgefangen werden und verschlechtert die Dynamik des Spiels.

In seinem zeitlichen Umfang liegt dieses Planspiel am oberen Rand (siehe dazu Abschn. 3). Für eine Identifikation mit der Rolle wirken die eineinhalb Tage positiv: Rückmeldungen der Studierenden belegen, dass Zeit ein entscheidender Punkt für die Umsetzung einer eigenen Strategie war. So war die Identifikation mit der Rolle deutlich höher als bei anderen Planspielen. Demgegenüber fällt die Bewertung, ob das Planspiel für das vorliegende Szenario gut konzipiert ist, ambivalent aus. Während die Rollen der Regierungsfraktionen eher dazu tendieren, die zur Verfügung stehende Zeit ausdehnen zu wollen, kommen die Oppositionsparteien häufiger an einen Punkt der Resignation („Wir können nichts mehr machen“). Über das Presse-Team sowie Twitter ist es der Spielleitung möglich, neue Akzente und Impulse zu setzen, sollte sich abzeichnen, dass das Planspiel an Tempo verliert. Hier wird allerdings ein Eingreifen ins Geschehen nötig.

Die Motivation der Studierenden war und ist in diesem Planspiel stets hoch. Hierzu tragen die ungewohnte Umgebung und besondere Arbeitsatmosphäre unter der Kulisse des Landtags sowie die formelle Kleidung aller Beteiligten bei.

Als zentrales Aha-Erlebnis führen die Studierenden regelmäßig die Komplexität parlamentarischer Abstimmungsprozesse an. Sie erlernen nach eigenen Angaben Verhandlungsführung, wobei die Oppositionsrolle als besonders herausfordernd wahrgenommen wird. Im Vergleich zu früheren Spielen, in denen eine Fraktion ähnlich der Piratenpartei Teil des Planspiels war, wirkt die derzeitige rechtspopulistische Fraktion verhältnismäßig destruktiv.

Seine Grenzen findet dieses Spiel, wie alle Planspiele, in der Vereinfachung der komplexen Realität. So beruht das gesamte Szenario des Planspiels zwar auf einem erfolgreichen Bürgerbegehren, im weiteren Verlauf aber nehmen externe Akteure keinen Einfluss mehr. Das Spiel fokussiert nur auf den Kosmos innerparlamentarischer Aushandlungsprozesse. Außerdem gibt es kein ausgeglichenes Rollenverhältnis, d. h. es sind nicht alle Rollen gleich fordernd. Bei einer maximalen Spielbesetzung von 34 Teilnehmenden sind damit einige Studierende sehr aktiv und andere weniger.

4.2 Parlamentarische Demokratie spielerisch erfahren

Das Planspiel wurde von der Planspiele-Abteilung des Bundestags entwickelt. Es lehnt sich stark an die Realität an und wird entsprechend im Reichstagsgebäude in Berlin vom Besucherdienst mit Schulklassen verschiedener Schulformen der Mittel- und Oberstufe durchgeführt. Realitätsnähe betrifft nicht nur den Schauplatz, sondern auch die Regeln: auf die Verhandlungs- und Entscheidungsprozesse werden die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Bundestages angewendet.

Das Spiel ist kostenlos, aber nicht frei verfügbar. Es kann auf Anfrage beim Bundestag per Email bereitgestellt werden. Alle erforderlichen Materialien sind in Form von pdf-Dokumenten vorhanden. Mit den erforderlichen Unterlagen lässt sich das Planspiel auch an Universitäten sinnvoll durchführen. Um es dennoch möglichst realitätsgetreu umzusetzen, empfiehlt sich vorab eine teilnehmende Beobachtung an einer der in Berlin stattfindenden Simulationen.Footnote 4

4.2.1 Thema, Vorbereitung und Organisation

Im durchgeführten Planspiel geht es um den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz und Kontrolle persönlicher Daten in digitalen Medien (kurz: Digitaler Datenschutz). Das Spielelevel wird vom Bundestag als schwierig eingestuft und eignet sich damit gut für Studierende der Politikwissenschaft im Bachelorstudium. Die Spielzeit wird vom Bundestag mit einer Dauer von zweieinhalb Zeitstunden angegeben; die Gruppengröße kann mit einer möglichen Teilnehmerzahl von mindestens 12 bis höchstens 60 stark variieren. Es wird für eine Teilnahme kein fachspezifisches Vorwissen benötigt, jedoch erleichtern Kenntnisse über die Arbeitsweise des politischen Systems und den deutschen Gesetzgeber den Einstieg in das Spiel und können den Lernerfolg steigern.

Die Teilnehmenden sind im Spiel fiktive Bundestagsabgeordnete und arbeiten in ihren Fraktionen, Ausschüssen und im Plenum zusammen. Die namentlichen Bezeichnungen der Parteien wurden verändert, entsprechen aber den aus dem realen Politikbetrieb bekannten ideologischen Gruppierungen.

Das Szenario, die Parteipositionen und auch Lebensläufe der Abgeordneten sind vorgegeben. Der Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens und damit das Ende des Spiels sind jedoch offen. Ob das Gesetz verabschiedet wird oder nicht und ob es in den Ausschüssen verändert wird, hängt damit nur von der Performanz und den Strategien der Spielerinnen und Spieler ab. Die Spielleitung agiert in diesem Planspiel weitgehend unsichtbar.

Im konkreten Szenario soll der Gesetzentwurf der Bundesregierung den digitalen Datenschutz in Deutschland insbesondere mit Blick auf die Nutzung sozialer Netzwerke und den Online-Handel verbessern. Der Bundestag hat zu entscheiden, ob die betroffenen Nutzerinnen und Nutzer ein Auskunfts- und Löschungsrecht erhalten und muss dazu das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und wirtschaftliche Betätigung im Gesetz gegeneinander abwägen.

Im Parlament sind – angelehnt an die 18. Wahlperiode – vier Fraktionen vertreten: Abgeordnete der Christlichen Volkspartei (CVP), Abgeordnete der Arbeitnehmerpartei Deutschlands (APD), Abgeordnete der Partei der sozialen Gerechtigkeit (PSG) und Abgeordnete der Ökologisch-sozialen Partei (ÖSP). Eine Große Koalition aus CVP und APD bildet die Parlamentsmehrheit. Es werden je nach Gruppengröße zwei oder drei Ausschüsse mit der Gesetzesarbeit betraut: Die Federführung übernimmt der Rechtsausschuss, der Ausschuss Digitale Agenda wird beratend tätig und ggf. auch der Innenausschuss.

Für die reibungslose Durchführung des Planspiels wird ein großer Raum benötigt, der als Plenarsaal dient und zwischendurch als Sitzungssaal für eine Fraktion sowie für die Sitzung eines Ausschusses zu nutzen ist. Es werden außerdem drei weitere Räume für die anderen Fraktionen und den zweiten (und ggf. dritten) Ausschuss benötigt.Footnote 5 Die Sitzordnung im Plenum sollte der Anordnung der Fraktionen im Bundestag entsprechen und analog zum Plenarsaal im Reichstag einen Halbkreis bilden, mit einem Rednerstehpult vor Kopf. Eine besondere technische Ausstattung erfordert dieses Planspiel nicht.Footnote 6

Die Verteilung der Rollen (Zuordnung zu einer Fraktion) erfolgt im Spiel entweder gezielt oder zufällig. Zwar lassen sich Schlüsselrollen (Parlamentspräsident, Fraktions- und Ausschussvorsitzende) identifizieren, die Übernahme dieser Funktionen wird allerdings im Spielverlauf in den Fraktionen per Wahl ausgemacht und damit nicht vorab von der Spielleitung bestimmt. Schlüsselakteure erhalten im Planspiel Sprechzettel, in denen bereits Formulierungen für Grußformeln u. ä. vorgegeben sind. So kann ohne Weiteres jede Studierende jede Rolle übernehmen.

4.2.2 Durchführung

Zu Beginn übernehmen die Studierenden ihr Abgeordnetenmandat. Anschließend erhält jede Spielerin und jeder Spieler ein vor Spielbeginn sorgfältig vorbereitetes Set von Unterlagen: Basisinformationen Szenario, Ablaufplan, Gesetzentwurf, ein Arbeitsblatt für die erste Fraktionssitzung und die eigene Fraktionsposition. Anschließend begeben sich alle Abgeordneten in ihre erste Fraktionssitzung, wo sie den Vorsitz wählen und sich in die Ausschüsse aufteilen und die Vorsitzenden der Ausschüsse bestimmen. Schon beginnt die inhaltliche Arbeit in den vier Fraktionen. Am Ende dieser Phase informieren sich die Koalitionspartner gegenseitig über ihre Zielrichtungen. Der neue fiktive Bundestag tritt zu seiner konstituierenden Sitzung im Plenum zusammen. Die Alterspräsidentin eröffnet die Sitzung, ein Parlamentspräsident wird von den Mitgliedern des Bundestags gewählt und die Ausschüsse eingesetzt. Im Zuge der ersten Gesetzesberatung über das Thema des Digitalen Datenschutzes erfolgt die Überweisung an die zuständigen Ausschüsse. Die Ausschussphase beginnt damit, dass die beiden Ausschüsse zusammentreten und den Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten. Am Ende der inhaltlichen Arbeit steht eine Beschlussempfehlung für das Plenum. Vor der weiteren Beratung und Schlussabstimmung treten die Fraktionen erneut zusammen, erarbeiten Änderungsanträge und bereiten kurze Redemanuskripte für die Plenardebatte vor. Im abschließenden Plenum wird debattiert, Änderungsanträge abgestimmt und eine Schlussabstimmung des Gesetzes durchgeführt, die schließlich vom Parlamentspräsidenten verkündet wird.

Das Planspiel endet mit einer Evaluation und Feedback, um Inhalte zu reflektieren und Gelerntes sowie mögliche Konfliktsituationen zu diskutieren.

4.2.3 Reflexion

Das Bundestagsplanspiel hat den Vorteil, dass es ohne finanzielle Ressourcen, in überschaubarer Zeit fast überall zu spielen ist.

Mit weniger als 12 Teilnehmenden ist das Spiel allerdings nicht durchführbar. Sofern es keine Anwesenheitspflicht für Studierende im Seminar gibt, ist also zu bedenken, dass studentische Selbstverpflichtung wichtig ist. Die Lerneffekte steigen mit zunehmender Gruppengröße, weil das Spiel dann lebendiger, interessanter und auch herausfordernder wird.

Die Motivation der Studierenden, am Planspiel teilzunehmen, war bislang stets hoch. Manches Mal füllen Studierende ihre Rolle allerdings so intensiv aus, dass Diskussionen nicht enden wollen oder ein Gremium in einen unauflösbaren Konflikt steuert. In solchen Ausnahmefällen kann sich die Spielleitung einschalten und schlichten.

Eine Grenze findet das Spiel in seiner starken Komplexitätsreduktion und Parlamentsfokussierung: Weder tritt die Regierung in Erscheinung, noch finden Anhörungen mit Externen in den Ausschüssen statt; auch die Bindung der Abgeordneten an ihre Wahlkreise wird nicht deutlich. Die Kritik der Studierenden betrifft vor allem den vorgegebenen Zeitrahmen. Immer wieder wird bemängelt, man hätte Inhalte sorgfältiger recherchieren und ausführlicher diskutieren wollen. Der Anspruch, gute Entscheidungen treffen zu wollen, trifft hier auf das in der Realität ebenso knappe Zeitbudget von echten Abgeordneten. Die Erkenntnis, dass in Berlin arbeitsteilig und meistens unter Zeitdruck gearbeitet wird, lässt sich allerdings theoretisch kaum vermitteln und zählt somit zu einem der wichtigsten Lerneffekte dieses Planspiels.

4.3 Vergleichende Betrachtung

Im Folgenden werden die beiden Spiele bezüglich organisatorischer (I.), konzeptioneller (II.) und didaktischer (III.) Kriterien verglichen.

Für den ersten Vergleich sind Kennzahlen aus den Abschn. 2 und 3 (Arbeitsgebiet, Technikeinsatz, Kosten und Zeitaufwand) induktiv mithilfe der Beschreibungen in Abschn. 4.1 und 4.2 ergänzt worden. Es werden damit zusätzlich Schauplatz, Vorbereitungszeit, Anzahl der Spielerinnen, Spielleitung, Raumaufwand und die Entwicklung der Planspiele gegenübergestellt (Tab. 1). Die betrachteten Planspiele zeigen dabei kaum Gemeinsamkeiten (Arbeitsgebiet, Kosten), sondern zentrale Unterschiede.

Tab. 1 Planspiel-Kriterien im Vergleich. (Quelle: eigene Darstellung basierend auf vorherigen Ausführungen)

Zweitens soll die konzeptionelle Gestaltung der Spiele verglichen werden. Dazu schlägt Muno (2020) eine Typologie mit fünf Dimensionen vor: (1) Komplexität, (2) Fachwissen, (3) Kompetenzen, (4) Realitätsbezug und (5) Handlungsorientierung.

  1. 1.

    Unter Komplexität wird erfasst, wie aufwendig und umfangreich das Planspielszenario angelegt ist. Je größer die Zahl der Akteure und Handlungskontexte, in denen sie sich begegnen, desto komplexer ist ein Planspiel.Footnote 7

  2. 2.

    Mit Fachwissen ist gemeint, wie viel konkretes Wissen die Teilnehmenden über das Politikfeld bzw. den politischen Sachverhalt sowie die politischen Prozesse benötigen, um am Planspiel teilzunehmen.

  3. 3.

    Die Dimension der Kompetenzen berücksichtigt, welche Anforderungen jenseits von Fachwissen an die Planspielerinnen und Planspieler gestellt werden (Verhandlungskompetenzen, das Verfassen und Vortragen von Reden, Einsatz von Social Media).

  4. 4.

    Die Dimension Realitätsbezug reflektiert, wie die im Planspiel angelegten Akteure und Strukturen im tatsächlichen politischen Prozess vorzufinden sind.

  5. 5.

    Handlungsorientierung stellt schließlich auf die Offenheit des Planspiel-Ausgangs ab und berücksichtigt die Freiheitsgrade der Spielerinnen und Spieler.

Um transparent zu machen, wie die Planspiele verortet worden sind (Abb. 5), wurden die Dimensionen numerisch codiert. Die Informationen entstammen den Beschreibungen in Abschn. 4.1 und 4.2. Vergeben wurden Werte zwischen 0 und 3, wobei der höchste Wert (3) vergeben wurde, wenn die Aussage auf die entsprechende Ausprägung voll und ganz zutraf („Die Komplexität des Spiels ist sehr hoch“) und der kleinste Wert (0) vergeben wurde, wenn die Aussage gar nicht zutraf („Das Spiel ist unterkomplex“). Die beiden weiteren Werte (1 und 2) drücken Abstufungen der qualitativen Aussagen aus (trifft teilweise zu bzw. trifft zu). Auf Basis der Codierungen ergeben sich die Netzdiagramme in Abb. 5.

Abb. 5
figure 5

Planspielkonzeptionen. (Quelle: Eigene Darstellung basierend auf der Typologie von Muno 2020)

Je größer die Fläche des Diagramms, desto anspruchsvoller ist das Spiel in Bezug auf die fünf codierten Dimensionen. Es zeigt sich, dass das Spiel Einführung eines Landesgymnasiums für Hochbegabte allgemein höhere Werte erzielt als das Spiel Parlamentarische Demokratie spielerisch erfahren. In der Dimension Realitätsbezug wurden die Spiele gleichwertig eingeschätzt. Volle Punktzahl hat das Landtagsspiel in der Dimension Kompetenzen bekommen, weil neben der Verhandlungsführung im Parlament und dem Umgang mit der Presse, Social Media genutzt werden und auch noch freie, selbstgeschriebene Redebeiträge einzubringen sind. Bei beiden Planspielen wurde die Handlungsorientierung besonders hoch bewertet: Volle Punktzahl bedeutet hier, dass der Ausgang der Planspiele nicht vorhersagbar ist und somit stark von der Handlung der Spielerinnen und Spieler abhängt.

Abschließend sollen drittens noch didaktische Kriterien (Transparenz der Lernziele, Reflexion durch Studierende, Überprüfung des Gelernten) gegenübergestellt werden (Tab. 2).

Tab. 2 Didaktische Kriterien im Vergleich. (Quelle: Eigene Darstellung)

Im vorstehenden Vergleich sind lediglich objektive Kriterien herangezogen worden. Weitere, teils subjektive Aspekte, wie die Gruppenzusammensetzung oder das Engagement der Lehrenden wurden hingegen vernachlässigt. Zwar beeinflussen diese ebenso den Erfolg von Lehre und Lernen, lassen sich aber nicht verallgemeinern oder übertragen.

5 Diskussion und Fazit

Wie kann die Planspielmethode einen sinnvollen Beitrag für die universitäre Lehre in der Politikwissenschaft leisten? Dies herauszuarbeiten, war das Anliegen und die Inspiration des Beitrags. Es hat sich gezeigt, dass ex-ante und somit schon früh im Zuge der Lehrplanung eine Reihe von Aspekten zu bedenken sind, damit der Einsatz von Planspielen gelingen kann.

Es beginnt mit dem Arbeitsgebiet, in dem die Lehrveranstaltung angesiedelt ist. Die Auswertung des deutschen Planspielemarktes hat ergeben, dass es Arbeitsgebiete mit einer großen Auswahl an Planspielen gibt und andere, in denen nur wenige Spiele angeboten werden. Dies liegt daran, dass sich vor allem praxisrelevante Themenkomplexe mit der Planspielmethode besser als primär theoretische vermitteln lassen. Unabdingbar sind also Vorüberlegungen, was das Ziel der eigenen Lehre ist, welches Thema behandelt werden muss, was gelernt werden soll und welche Kompetenzen zusätzlich zu fördern sind.

Neben der Bedeutung des Arbeitsgebietes und Themas haben sich empirisch weitere Kriterien als wichtig im Zuge der Planung herausgestellt: diese sind Zeit, Technik und Kosten. Es sollte frühzeitig überlegt werden, ob mit dem Planspiel das gesamte Seminar bestritten werden soll oder es ergänzend, also am Anfang, in der Mitte oder am Ende des Seminars eingebaut werden soll. In diesem Fall ließe sich theoretisches Wissen noch im Seminarkontext mit praktischen Erfahrungen abgleichen. Die beiden genauer betrachteten Planspiele haben gezeigt, wie weit Zeitvorgaben auseinanderliegen können (hier zwischen 2,5 h und 1,5 Tagen). Allerdings zeigt die Auswertung des Marktes auch, dass die meisten Spiele auf weniger als eine durchschnittliche Seminarlänge angelegt sind und somit viele Spiele gut in die Hochschullehre zu integrieren sind.

Technik wird mittlerweile bei der Mehrheit der Spiele benötigt oder vorausgesetzt, wie die quantitative Auswertung zeigt. Auch dies ist vorab zu bedenken: Verfügt die Universität über eine entsprechende Infrastruktur? Hat die Seminarleitung die erforderlichen Kenntnisse, um das Spiel eigenständig umsetzen zu können? Ein Vergleich beider Planspiele hat ergeben, dass technikgestützte Spiele insgesamt herausfordernder sind, was etwa die Komplexität und den Kompetenzerwerb betrifft. Kaum wirkt sich dies hingegen auf die Handlungsorientierung und den Realitätsbezug aus. Beides kann auch bei nicht-technikgestützten Spielen hoch bewertet werden.

Ein a priori-Ausschlusskriterium für den Einsatz von Planspielen können entstehende Kosten sein. So hat sich gezeigt, dass mit fast 90 % der gesichteten Spiele am Markt, die weit überwiegende Zahl kostenpflichtig ist. Die beiden näher untersuchten Planspiele bilden hier die circa zehnprozentige Minderheit der kostenlosen Spiele ab.

Zusätzlich zu den Kriterien Zeit, Technik und Kosten haben sich noch weitere (nachgelagerte) Aspekte aus den qualitativen Einblicken ergeben. So sollten auch Gruppengröße und Verbindlichkeit sowie Personalaufwand und Raumkapazitäten rechtzeitig reflektiert werden. Es ist demnach wichtig, welche Gruppengröße zu erwarten ist und ob eine verbindliche Teilnahme am Planspiel gewährleistet ist. Die Erfahrungsberichte (in Abschn. 4.1 und 4.2) haben ergeben, dass ein Spiel bei zu geringer Teilnehmerzahl nicht oder nur mit deutlichen Abstrichen an Anspruch und Spannung zu spielen ist. Eine kurzfristige Rollenumverteilung hat sich im Falle des Landtagsspiels als sehr aufwendig dargestellt. Gibt es demnach keine Anwesenheitspflicht, so sollte im Vorfeld kommuniziert werden, dass eine Lerneinheit, die auf der Planspielmethode basiert, nur dann erfolgreich stattfinden kann, wenn alle Beteiligten verbindlich mitarbeiten. Auch ist zu bedenken, dass für einige Spiele neben der Seminar- bzw. Spielleitung zusätzliche Personen zur Umsetzung gebraucht werden. Dies kann deputatsrelevant sein. Die beiden Planspiele veranschaulichen außerdem, welche vergleichsweise höheren Raumkapazitäten bei Simulationen erforderlich sein können. Dabei herrscht im universitären Alltag in aller Regel Raumknappheit. Die aufgezeigten möglichen Fallstricke haben deutlich gemacht, wie voraussetzungsvoll der Einsatz von Planspielen ist. Eine sorgfältige Planung ist somit wichtig.

Am Ende steht die Frage, welche Versprechen für die Hochschullehre mit dem Einsatz von Planspielen einzulösen sind. Erstens ermöglichen Planspiele gute Lehre und aktives, nachhaltiges Lernen. Ob dies am Lernerfolg, Lernergebnis oder Lehrkonzept, der Motivation der Lehrperson oder gar der Zufriedenheit der Studierenden festzumachen ist, soll an dieser Stelle der Didaktik überlassen bleiben, die als Wissenschaft vom Lehren und Lernen bzw. der Theorie optimalen Lehrens und Lernens (Klafki 1971) exakte Antworten hierauf geben kann.

Zweitens ist zu überlegen, welche Ziele eine Universität verfolgt bzw. was und wie gelehrt und gelernt werden soll. Lautet das Credo Universitäten bilden, aber sie bilden nicht aus, so bereitet das Studium einzig auf Wissenschaft als Beruf vor. Die Vermittlung praktischer Kompetenzen gerät damit in den Hintergrund. Geht es stattdessen um den Dreiklang aus Wissenserwerb, Wissensanwendung und Wissensvertiefung, so steuert die soziale Handlungsorientierung der Planspielmethode einen wertvollen Beitrag zur Ausbildung junger Erwachsener bei. Besonders eingängig wird dies angesichts des im universitären Kontext zu beobachtenden „Shift from Teaching to Learning“ (Wildt 2012). Die Planspielmethode unterstützt durch Aktivierung und Kollaboration genau diese Ausrichtung der Lehre auf das Lernen.