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1 Einleitung
Regionalorganisationen des Globalen Südens sind heute ein bedeutender Teil der Global Governance-Architektur und leisten einen signifikanten und wachsenden Beitrag zur politischen Koordination im Mehrebenen-System. Dass Regionalismus außerhalb der Europäischen Union (EU) zu einem wichtigen Phänomen geworden ist, zeichnet sich einprägsam in der geographischen Verteilung der Kapitel in einem aktuellen Standardwerk ab, dem Oxford Handbook of Comparative Regionalism (Börzel und Risse 2016). Hier widmet sich lediglich ein Kapitel dezidiert dem Regionalismus in Europa, verglichen mit sechs Kapiteln zum Regionalismus in anderen Weltregionen. Trotz der breiten Akzeptanz des Regionalismus als globales Phänomen besteht allerdings weiterhin Skepsis an der tatsächlichen Bedeutung solcher Organisationen. Auch aktuelle Studien zu nicht-westlichen Regionalorganisationen stimmen häufig kritische Töne in Bezug auf die Effektivität solcher Organisationen an (Beeson 2019; Jetschke und Theiner 2019; Dosenrode 2015; Vinokurov und Libman 2017).
Im Rahmen der Forschungsrichtungen des neuen (Söderbaum und Shaw 2003) und des vergleichenden Regionalismus haben sich Forscher seit den 1990ern mit dem Phänomen Regionalismus im Globalen Süden befasst. Zentrale Blickpunkte waren und sind dabei die institutionellen Merkmale der Regionalorganisationen sowie die Bedeutung und Effekte regionaler Zusammenarbeit. Obwohl seit Jahren Versuche unternommen werden, Regionalorganisationen im Globalen Süden als idiosynkratische Institutionen zu analysieren, ist das Feld der Regionalismusforschung weiterhin von theoretischem Eurozentrismus geprägt. Zahlreiche Studien vergleichen bis heute nicht-westliche Organisationen mit der EU, theoretische Erkläransätze entstammen häufig der EU-Forschung.
Trotzdem ist ein klarer Trend auszumachen, Regionalorganisationen des Globalen Südens als von der EU unabhängige institutionelle Konstrukte wahrzunehmen. Typische Forschungsfragen der heutigen Regionalismusforschung betreffen daher die Entstehung, Entwicklung, und die Effekte der Organisationen. Einzelne Studien befassen sich darüber hinaus mit der Außenpolitik und den externen Wirtschaftsbeziehungen von Regionalorganisationen (Adelmann 2012; Krapohl 2017), oder ihren Rollen in multilateralen Verhandlungen (Nguitragool und Rüland 2015; Panke et al. 2019). Durch die große Menge an Forschung zu Regionalorganisationen bedingt hat im Laufe der Zeit eine Differenzierung der betrachteten Politikfelder und institutionellen Merkmale sowie eine Kontraktion der Analysegegenstände stattgefunden. Konkret bedeutet dies, dass mehr Forschung zu bestimmten institutionellen Merkmalen einzelner regionaler Institutionen in ausgewählten Politikfeldern durchgeführt wird.
Ein Nebeneffekt dieser thematischen Differenzierung ist allerdings eine Stagnation der Forschung zu Policy-Prozessen in Regionalorganisationen im Globalen Süden. Policyforschung wird hier verstanden als die Analyse konkreter politischer Wirkungsprozesse, bestehend aus dem Zusammenspiel verschiedener politischer Akteure innerhalb bestimmter Politikbereiche in Hinblick auf Policies als Ergebnisse regionaler Entscheidungsprozesse (Knill und Jale 2015). Obwohl zahlreichen Regionalorganisationen des Globalen Südens eine Menge an Literatur zu ihren institutionellen Merkmalen, ihrer Entwicklung und der Bedeutung ihrer Handlungen gegenübersteht, fehlt heute häufig eine aktuelle Betrachtung der konkreten Entscheidungs- und Wirkungsprozessen innerhalb dieser Organisationen. Häufig eruieren Studien nicht zweifelsfrei, wer die ausschlaggebenden Akteure innerhalb von Regionalorganisationen sind. In intergouvernementalen Analysen werden beispielsweise häufig Interaktionsebenen vermischt, weshalb politische Entscheidungen oft nicht eindeutig auf die Verhandlungen zwischen Staatsoberhäuptern oder denen untergeordneter Ebenen zurückgeführt werden können. Ein weiteres Problem ist die Unterscheidung zwischen den Handlungen intergouvernementaler Akteure und regionaler Institutionen, wie regionale Administrationen, Gerichtshöfe und Parlamente sowie ausgelagerte Behörden und Agenturen. Während Wissen zur Rolle bestimmter Institutionen existiert, tritt die Interaktion zwischen verschiedenen Institutionen sowie deren Interaktion mit den intergouvernementalen Gremien in wissenschaftlichen Studien oft in den Hintergrund.
Die Myopie der aktuellen Literatur zum Regionalismus im Globalen Süden erfahren Politikwissenschaftlern häufig persönlich im Rahmen ihrer Feldforschungsaufenthalte. Die tatsächlich praktizierten Entscheidungsprozesse und Funktionsweisen von Regionalorganisationen unterscheiden sich in der Regel fundamental von dem im Westen rezipierten Forschungsstand. So weichen Entscheidungsprozesse von den in Vertragswerken verankerten Regeln ab, oder regionalen Akteure kommt eine ihnen nicht offiziell zugeteilte Rolle zu.
In vielen Fällen liegen aktuelle Darstellungen über Politikprozesse und die Rollen spezifischer Institutionen Jahre oder Jahrzehnte zurück. Im Falle der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), der am meisten untersuchten Regionalorganisation außerhalb der Europäischen Union (EU), gibt es kein aktuelles Werk, das die institutionelle Funktionsweise nach Etablierung der ASEAN-Charter kohärent wiedergibt. Einige Werke erklären zwar Teilaspekte, wie Woon (2017), der ausführlich die Inhalte des aktuellen Vertragswerks erläutert, Davies (2018), der Analysen substantieller Zusammenarbeit eine Betrachtung ritueller Praxis gegenüberstellt, oder Nair (2015), der das Zusammenspiel des ASEAN-Sekretariats und der Mitgliedsstaaten thematisiert. Einer Policy-Analyse kommt Dosch (2016) am nächsten, der einen überzeugenden Einblick in die Funktionsweise der regionalen ökonomischen Kooperation liefert, sich damit aber auf nur eines von zahlreichen Politikfeldern begrenzt. Im Falle afrikanischer Regionalorganisationen wie der Economic Community of West African States (ECOWAS), der East African Community (EAC), und der Southern African Development Community (SADC) sowie dem lateinamerikanischen Mercosur liegen die letzten Überblickswerke über die Institutionen und ihre Funktionsweisen über ein Jahrzehnt zurück (Mair 2001; Cernicky 2008; Malamud 2005). Einen bemerkenswert aktuellen Überblick gibt es allerdings im Falle der African Union (AU) (Tieku 2017). Für kleinere Regionalorganisationen wie die Caribbean Community (CARICOM) oder das Pacific Islands Forum (PIF) gibt es hingegen leider gar keine überzeugenden Überblickswerke.
Dennoch sind Studien, die Teilaspekte regionaler Policy-Prozesse beleuchten, vorhanden. Ich unterscheide in diesem Literaturbericht zwischen drei Forschungsrichtungen. Die erste konzentriert sich auf die Rolle bestimmter regionaler Institutionen wie beispielsweise intergouvernementale Gremien, regionale Gerichtshöfe und Parlamente. Die zweite Forschungsrichtung besteht aus Analysen bestimmter Politikfelder. Hier wird häufig das Zusammenspiel diverser regionaler Akteure innerhalb eines Bereichs betrachtet. Die dritte Forschungsrichtung umfasst Studien, die explizit versuchen, neue theoretische Ansätze zur Analyse von Regionalorganisationen im Globalen Süden zu entwickeln und damit einen neuen Blick auf die Funktionsweise der Organisationen ermöglichen. Die drei Forschungsrichtungen sind in Teil zwei dieses Literaturberichts thematisiert.
Der Einfluss externer Akteure auf Regionalorganisationen im Globalen Süden ist ein noch neuer Forschungsbereich. Nach frühen Studien zu externen Einflüssen auf regionale Integration (Zimmerling 1991; Axline 1977; Edwards und Regelsberger 1990) dauerte es bis in die 2000er Jahre hinein, bis sich identifizierbare Forschungsrichtungen etablierten. Ein kohärentes Forschungsprogramm steckt immer noch in den Kinderschuhen (Muntschick 2018), doch dieser Artikel möchte eine vorübergehende Bestandaufnahme der existierenden Ansätze durchführen. Einer Forschungsagenda kommen marktbasierte Ansätze zum Einfluss externer Akteure auf Regionalorganisationen (Krapohl 2017) sowie entwicklungspolitische Ansätze (de Lombaerde und Schulz 2009) am nächsten. Während der marktbasierte Ansatz sich allerdings durch einen relativ engen Fokus auf polit-ökonomische Analysen von Interdependenzen auszeichnet, hat die entwicklungspolitische Forschungsagenda bislang nur wenige Nachahmer gefunden.
In der Zwischenzeit haben sich zwei Forschungsrichtungen etabliert, die Interaktionen zwischen Regionalorganisationen und externen Akteuren aus anderen Perspektiven betrachten. Dabei handelt es sich um den Interregionalismus (Hänggi et al. 2006; Telò 2001), der Beziehungen zwischen Regionalorganisationen in Hinblick auf ihre Funktionen (Rüland 2010) untersucht, sowie die Diffusionsforschung (Jetschke und Lenz 2013; Börzel und Risse 2012), die die Verbreitung ähnlicher institutioneller Merkmale und Normen zwischen Regionalorganisationen zum Thema hat. Beide Forschungsrichtungen thematisieren in der Regeln nicht explizit den Einfluss externer Akteure auf die Policy-Prozesse von Regionalorganisationen des Globalen Südens, sie bieten aber Erklärungsansätze an, die auf eine solche Forschungsagenda übertragbar sind. So werden beispielsweise funktionelle Kooperationen zwischen Organisationen in Frieden und Sicherheit (Plank 2017) und der Einfluss politischer Dialoge (Doidge 2011) oder institutioneller Unterstützung auf Organisationsreformen (Allison 2015; Martin 2016) thematisiert. Besonders die indirekte Einflussnahme der EU durch Prozesse wie Lernen, Sozialisierung, und Überzeugung ist ein populärer Ansatz (Lenz 2012b; Jetschke und Murray 2012; Hwee 2008; Haastrup 2013).
Einzelne Studien der Diffusionsforschung und des Interregionalismus thematisieren die Einflussmöglichkeiten externer Akteure auf Policy-Prozesse im Globalen Süden allerdings mehr oder weniger explizit. Hervorzuheben sind dabei Arbeiten von Duina und Lenz (2016), die eine Betrachtung des Policy-Zyklus zur Analyse des externen Einflusses vorschlagen, Rüland (2010), dessen theoretisierte Funktionen des Interregionalismus zum Teil auf interne Politikprozesse transferierbar sind, sowie Allison (2015) und Doidge (2011), die kausale Verbindungen zwischen Normendiffusion und institutioneller Unterstützung bzw. politischem Dialog zwischen der EU und ASEAN herstellen.
Über die Diffusions- und die Interregionalismus-Forschung hinaus lässt sich die Forschung zum Einfluss externer Akteure auf Politikprozesse von nicht-westlichen Regionalorganisationen in drei Kategorien unterteilen. Die erste Forschungsrichtung befasst sich mit dem Einfluss externer Akteure durch marktbasierte Instrumente und wirtschaftliche Interdependenzen. Die zweite befasst sich mit dem Einfluss politischer und wirtschaftlicher Dialoge. Die dritte Forschungsrichtung thematisiert den Einfluss der Entwicklungszusammenarbeit auf regionale Politikprozesse im Globalen Süden. Die drei Literaturstränge werden in Teil drei dieses Literaturberichts thematisiert.
2 Von der Black Box zur Grey Box – Policy-Prozesse von Regionalorganisationen im Globalen Süden
Akademisches Interesse am Regionalismus außerhalb Europas ist eng mit der steigenden Anzahl der Regionalorganisationen verbunden. Regionalorganisationen außerhalb der Europäischen Union entstanden erstmals als Teil der sogenannten ersten Welle des Regionalismus von 1945 bis 1965 (Fawcett 2008), obwohl zahlreiche in dieser Zeit gegründete Organisationen, wie beispielsweise die League of Arab States oder die Organization of American States später von Nachfolgeorganisationen abgelöst wurden. Von 1956 bis 1985 wurden weitere Regionalorganisationen vor dem Hintergrund des kalten Krieges gegründet. In dieser Zeit entstanden noch heute bedeutende Organisationen wie die ASEAN (1967), die ECOWAS (1975), die Andean Community (1969), die CARICOM (1973), die Vorläuferorganisation der SADC (1980) sowie der Gulf Cooperation Council (1983). Bedeutende, in näherer Vergangenheit gegründete Organisationen beinhalten Mercosur (1991), die EAC (2000), die AU (2002), die Union of South American Nations (2008), und die Community of Latin American and Carribean States (2010).
In den meisten Fällen folgten auf die Gründung dieser Organisationen Publikationen zu ihrer Funktionsweise und ihrer erwarteten Rolle. Diese Studien basierten dabei häufig auf neo-funktionalistischen Vorstellungen zur regionalen Zusammenarbeit, angelehnt an Studien zur Europäischen Union. Eine Darstellung all dieser Publikationen würde den Rahmen dieses Berichts sprengen, doch einige Werke aus dieser Phase sind bemerkenswert und weiterhin relevant (Bach 1983, 1999; Ojo 1980; Kng 1990). Ab den 1990er Jahren entstanden zunehmend vergleichende Analysen zu nicht-westlichen Regionalorganisationen. Unter dem Überbegriff des „neuen Regionalismus“ (Söderbaum und Shaw 2003; Söderbaum und Sbragia 2010; Breslin und Higgott 2000; Farrell et al. 2005) und später unter dem des „vergleichenden Regionalismus“ (Acharya 2012; Sbragia 2008; Börzel und Risse 2016; de Lombaerde 2011) wurden von nun an die institutionellen Merkmale verschiedener Organisationen untersucht. Studien dieser Phase konzentrierten sich in erster Linie auf die zwischenstaatliche Dimension regionaler Zusammenarbeit. Erste Arbeiten zur Rolle spezifischer regionaler Institutionen tauchen erst im Laufe der 2000er Jahre auf.
Über die Jahre wurden Studien zu Regionalorganisationen im Globalen Süden sukzessive theoretisch stringenter sowie zunehmend vergleichend und disziplinär. Damit bewegte sich die Forschungsrichtung in das Terrain der vergleichenden Politikwissenschaft. Kennzeichnend für diesen Prozess ist der Namenswechsel der Forschungsrichtung in den späten 2000ern, vom neuen Regionalismus hin zum vergleichenden Regionalismus (Söderbaum 2016). Auf der Suche nach leichtem theoretischen Zugang zum Analyseobjekt bedienten sich Vertreter des vergleichenden Regionalismus häufig in der Europäisierungs-Literatur (Börzel und Risse 2012), was eine Welle von Studien herbeiführte, die EU-Konzepte auf Regionalorganisationen im Globalen Süden zu übertragen suchten. Dazu gehörten Studien zur Akteursqualität regionaler Organisationen in Verhandlungen (Hulse 2016; Fehrmann 2014), Europäisierung (Kunnamas 2015), Konvergenz (Hartmann 2013) und Integration (Kirschner und Stapel 2012).
Durch die Anforderungen einer vergleichenden Forschungsagenda bedingt begannen Studien dieser Art, Fall-Sensitivität gegen Disziplinarität und deduktives Theoretisieren zu ersetzen. Dies führte zu einer Fokussierung der Forschung auf Vertragswerke und formelle Mandate, während informelle regionale Normen und Praktiken häufig vernachlässigt wurden (Acharya 2016). Diese Forschungsagenda wurde durch das Buch von Hooghe u. a. (2017) gekrönt. Während das Werk alle relevanten Regionalorganisationen betrachtet, bezieht sich die Analyse lediglich auf eine Untersuchung der Vertragswerke und liefert daher keine Einblicke in die tatsächliche Funktionsweise der Institutionen. In Hinblick auf das Erkenntnisinteresse an konkreten Policyprozessen von Regionalorganisationen hat sich durch diese Forschungsagenda die Black Box des globalen Regionalismus zu einer Grey Box gewandelt. Der Fokus auf formelle Mandate erklärt die institutionelle Funktionsweise in Teilen, kaschiert dabei aber die tatsächlichen institutionelle Praktiken (Adler und Pouliot 2011). Die Signifikanz der Unterschiede zwischen institutionellem Mandat und institutioneller Praxis wurde bereits von einer Reihe von Studien herausgestellt (Mair 2001; Tieku 2017; Vinokurov und Libman 2017; Balogun 2020; Nair 2015). Eine moderne Forschungsagenda zur Analyse regionaler Policy-Prozesse sollte diesen Differenzen daher Rechnung tragen.
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a.
Institutions-zentrierte Analysen
Eine Konsequenz der Fokussierung der Regionalismus-Forschung auf bestimmte institutionelle Merkmale von Regionalorganisationen ist die wachsende Anzahl an Studien über bestimmte Institutionen innerhalb von Regionalorganisationen. Solche Studien konzentrieren sich in der Regel auf die Entstehung, Bedeutung und Effekte spezifischer regionaler Institutionen. Häufig korrespondieren diese Studien mit der Gründung oder Reform einer Institution, wie zum Beispiel im Falle des ECOWAS- (Alter et al. 2013) oder des SADC Gerichtshofs (Hulse und Van der Vleuten 2015). Analysierte Institutionen sind regionale Sekretariate und Kommissionen (Nair 2015; Bappah 2018; Gänzle et al. 2018; Reinalda 2012), Parlamente oder parlamentarische Versammlungen (Alumona und Azom 2019; Ogbonnaya und Ogujiuba 2015; Deinla 2013; Rüland und Bechle 2014; Malamud und Dri 2013) oder Gerichtshöfe (Alter et al. 2013; Osiemo 2014; Ebobrah 2010, 2007; Hulse und Van der Vleuten 2015). In einigen Fällen betrachten Studien auch intergouvernementale Institutionen, so wie z. B. die vielbeachtete ASEAN Intergovernmental Commission for Human Rights (Kraft 2012; Munro 2011; Jetschke 2015; Tan 2011) oder das Committee of Permanent Representatives der ASEAN (Murray und Moxon-Browne 2013). Auch die Rolle beratender Organe wird in seltenen Fällen besprochen, wie zum Beispiel der Zivilgesellschaft (Rüland 2014b) oder der Wissenschaft (Acharya 2011).
In wenigen Fällen bilden solche Studien einen Teilbereich der Funktionsweise der betrachteten Regionalorganisation ab, wie zum Beispiel das Zusammenspiel von ASEAN Sekretariat und Mitgliedsstaaten bei Nair (2015) oder dem der Mitgliedsstaaten und der Kommission der Afrikanischen Union bei Tieku (2017). Insgesamt betrachten aber nur wenige Arbeiten die Interaktion verschiedener regionaler Institutionen. Eine institutionszentrierte Forschungsagenda zu Policy-Prozessen in nicht-westlichen Regionalorganisationen sollte daher die Rolle spezifischer Institutionen im Kontext der regionalen Gesamt-Architektur bedenken und konkrete, zu Policies führende Entscheidungspfade nachzeichnen.
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b.
Politikfeld-zentrierte Analysen
Politikfeld-zentrierte Analysen betrachten in der Regel eher das Zusammenspiel verschiedener institutioneller Akteure sowie die Entstehung konkreter Policies. Die Politikfelder, die dabei analysiert werden, sind häufig regionsspezifisch geclustert. Im Falle der ASEAN behandeln solche Studien beispielsweise Politikprozesse im Bereich der nicht-traditionellen Sicherheit (Davies et al. 2014; Caballero-Anthony 2008), Menschenrechte (Collins 2019; Davies 2013; Davies et al. 2014), Rechtsstaatlichkeit (Deinla 2017; Gerard 2018), Umwelt (Aggarwal und Chow 2010; Heilmann 2015; Nguitragool 2014), oder wirtschaftliche Zusammenarbeit (Ravenhill 1995, 2008; Stubbs 2000; Pente 2014). Im Falle afrikanischer Organisationen sind die betrachteten Politikfelder vollkommen unterschiedlich, aber vor allem auf den Bereich Frieden und Sicherheit (Hartmann 2017, 2013; Hartmann und Striebinger 2015; Engel und Porto 2016; Atuobi und Aning 2009; Ewi und Aning 2006), und Menschenrechte (Nwogu 2007) fokussiert. Auch in Lateinamerika werden vollkommen unterschiedliche Politikbereiche untersucht, wie beispielsweise Sozialpolitik im Falle der Union of South American Nations (Riggirozzi 2014) oder Sozialpolitik, Bildung, und Gesundheit im Falle von Mercosur (Bianculli und Ribeiro Hoffmann 2016). Zu vielen Regionalorganisationen wie dem Gulf Cooperation Council, CARICOM, sowie der Andean Community gibt es keine überzeugenden Politikfeldanalysen. Dies mag suggerieren, dass in diesen Bereichen keine nennenswerten Aktivitäten der Regionalorganisationen stattfinden. Tatsächlich kann dies aber nicht ausgeschlossen werden. Analysen wie die von Balogun (2020) zu den Aktivitäten der ECOWAS im Bereich Gesundheit demonstrieren, dass in der Tat noch zahlreiche blinde Flecken in Hinblick auf die Aktivitäten von nicht-westlichen Regionalorganisationen existieren. Eine erfolgreiche, auf Politikfelder zentrierte Forschungsagenda zu den Policy-Prozessen nicht-westlicher Regionalorganisationen sollte daher auch weniger beachtete Politikbereiche betrachten. Darüber hinaus wäre auch eine stringentere Darstellung der Prozesse, die zu bestimmten Policies führen, ein Gewinn für diese Forschungsrichtung. Eine beispielhafte Studie hierfür wurde von Ismail (2015) zur Entstehung des ECOWAS Conflict Prevention Frameworks verfasst.
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c.
Innovative Theoretische Ansätze
Neben institutions-zentrierten und Politikfeld-zentrierten Analysen existieren einige Forschungsarbeiten, die innovative theoretische Ansätze zur Erklärung der Funktionsweise regionaler Organisationen des Globalen Südens entwickeln. Diese Studien unterscheiden sich dadurch, dass die Funktionsweise einer oder mehrere Regionalorganisationen hinterfragt und eine alternative Erklärung angeboten wird. Ich möchte an dieser Stelle die Werke von Söderbaum (2004), Jetschke (2009) sowie Rüland (2014b) als Beispiele heranziehen.
Den Regionalismus in Afrika betrachtend, identifiziert Söderbaum (2004) eine Schlüsselfunktion von Regionalorganisationen im Stützen nationaler Souveränität postkolonialer Staaten. Zusammen mit den zwei weiteren von ihm vorgeschlagenen Formen des afrikanischen Regionalismus, der neoliberalen Governance sowie der Schatten-Netzwerke, fordert sein Konzept das Verständnis afrikanischer Regionalorganisationen als policy-schaffende Akteure heraus. Nicht weniger dezente Kritik am südostasiatischen Kooperationsmodell bietet Jetschke (2009) in ihrer Analyse von ASEANs institutioneller Entwicklung. Sie zieht hierbei das Konzept der Netzwerk-Governance heran, um ASEANs kontinuierliche Nutzung intergouvernementaler Formate und die Ineffektivität seiner regionalen Institutionen zu erklären. Rüland (2014b) letztendlich nutzt das Beispiel demokratischer Interessenrepräsentation, um ASEANs Modell zivilgesellschaftlicher Beteiligungsprozesse zu analysieren. Hier grenzt er westliche Erwartungen eines liberal-demokratischen Prozesses von der de-facto Funktionsweise ASEANs ab, die in der Tat ein korporatistisches Modell widerspiegelt.
Die drei Ansätze stellen mit Sicherheit die vielversprechendsten theoretischen Innovationen in Hinblick auf die Erklärung regionaler Policy-Prozesse dar. In allen drei Fällen ist ein bemerkenswerter akademischer Zuspruch, gemessen an der Anzahl und Qualität der Zitationen, erkennbar. Dies macht die Nachfrage nach solchen theoretisch innovativen und weitreichenden Ansätzen zur Funktionsweise regionaler Organisationen erkennbar. Über die Erklärung einzelner Institutionen oder Politikfelder hinaus schaffen Söderbaum, Jetschke und Rüland es, idiosynkratische und gleichzeitig weitreichende Erklärmuster für regionale Policy-Prozesse aufzuzeigen.
Sowie Jetschkes als auch Rülands Artikel befassen sich über die Policy-Prozesse ASEANs hinaus auch mit dem Einfluss externer Akteure, genauer gesagt mit dem fehlgeleiteten Verständnis dieses Einflusses. Dies weist bereits darauf hin, dass die Diskussion zur Funktionsweise regionaler Organisationen eng mit der Debatte um externen Einfluss verknüpft ist, die im folgenden Abschnitt behandelt wird.
3 Externer Einfluss auf Regionalorganisationen
Praktisches und wissenschaftliches Interesse am Einfluss externer Akteure auf Regionalorganisationen (Zimmerling 1991; Edwards und Regelsberger 1990; Axline 1977) ist eng mit der Rolle der Europäischen Union verknüpft, die das breiteste und älteste Netzwerk zu nicht-westlichen Regionalorganisationen unterhält. Im Falle von ECOWAS existiert eine institutionelle Beziehung seit 1975, im Falle von ASEAN seit 1977, im Falle von Mercosur seit 1992. Man muss allerdings konstatieren, dass viele dieser interregionalen Beziehungen, auch die älteren, für den Großteil ihrer Geschichte oberflächlich verliefen und nur wenige sichtbare Resultate im Sinne von substantiellen Abkommen hervorgebracht haben. Hiermit ging eine gewisse Frustration einher, die sich in wissenschaftlichen Studien des Interregionalismus niedergeschlagen hat (Rüland 2014a). Im vergangenen Jahrzehnt fand allerdings eine deutliche Intensivierung der Beziehung zwischen der EU und anderen Regionalorganisationen statt. Die Unterzeichnung der sogenannten Ökonomischen Partnerschaftsabkommen (EPAs), den interregionalen Freihandelsabkommen zwischen der EU und sieben aus vorherigen Mitzeichnern des Cotonou-Abkommens bestehenden Regionalgruppierungen von 2003 bis heute, hat zu einem erhöhten Interesse am wirtschaftlichen Einfluss der EU auf Regionalorganisationen des Globalen Südens geführt (Krapohl und Muntschick 2008; Hulse 2016). Gleichzeitig wurden auch politische Dialoge mit Regionalorganisationen intensiviert, so beispielsweise zwischen der EU und ASEAN (Müller 2016). Außerdem gab es einen massiven Anstieg der Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EU und nicht-westlichen Regionalorganisationen. Die Regionalprogramme des europäischen Entwicklungsfonds (EDF), die prinzipiell Kooperationen mit anderen Regionalorganisationen ermöglichen, betrugen von 2008 bis 2013 €775 Mio. für Asien, €165 Mio. für die Karibik, €165 Mio. für Zentralafrika, €645 Mio. für Ostafrika, Südafrika und den Indischen Ozean, €556 Mio. für Lateinamerika, €95 Mio. für den Pazifikraum, sowie €597 Mio. für Westafrika. Für den Zeitrahmen von 2014 bis 2020 stiegen die entsprechenden Beträge auf €1,2 Mrd., €466 Mio., €350 Mio., €1,3 Mrd., €925 Mio., €166 Mio., und €1,1 Mrd. an.
Der Fokus des vorangegangenen Paragraphen auf die EU demonstriert bereits, dass Forschung zum externen Einfluss auf Regionalorganisationen im Globalen Süden vor allem ein eurozentrisches Programm verfolgt. Die empirische Bedeutung der EU als Unterstützer des Regionalismus in anderen Weltregionen, gekoppelt mit der im vorherigen Kapitel erläuterten theoretischen Nähe des vergleichenden Regionalismus zu den EU-Studien, hat dazu geführt, dass die größte Zahl an Studien zum externen Einfluss auf Regionalorganisationen die EU als einzige Quelle des Einflusses untersuchen. Eine Reihe von Arbeiten vertreten dabei den Standpunkt, dass der globale Regionalismus von einer strukturellen Konvergenz mit der Europäischen Union geprägt ist (Jetschke und Lenz 2013; Lenz 2012a). Bemerkenswerterweise ist die Einflussnahme anderer Akteure, wie zum Beispiel China, Japan, oder den USA, auf Regionalorganisationen bis auf wenige Ausnahmen (Grugel 2004; Rüland 2014a; Pennisi di Floristella 2019) quasi überhaupt nicht untersucht. Darüber hinaus wurde bislang auch die Interaktion mehrerer Akteure in der Beeinflussung von Regionalorganisationen noch nicht betrachtet. Dies ist eine auffällige Forschungslücke. ASEAN unterhält zum Beispiel 10 sogenannte Dialogpartnerschaften mit externen Gebern, die allesamt Entwicklungszusammenarbeit mit der Organisation durchführen. Auch afrikanische Organisationen empfangen allesamt Unterstützung aus diversen externen Quellen (Stapel und Söderbaum 2019). Interaktionseffekte sind somit sehr wahrscheinlich beobachtbar.
Die zwei entscheidenden Forschungsrichtungen zum Verständnis des externen Einflusses auf Policy-Prozesse nicht-westlicher Regionalorganisationen sind die sogenannte Diffusionsforschung (Jetschke und Lenz 2013), sowie der Interregionalismus (Baert et al. 2014; Hänggi et al. 2006; Söderbaum und Van Langenhove 2005; de Lombaerde und Schulz 2009). Diffusionsforschung nimmt vor allem institutionelle Ähnlichkeiten zwischen Regionalorganisationen und der EU zum Analysegegenstand und verfolgt dabei Ansätze des soziologischen Neo-Institutionalismus, um diese Gemeinsamkeiten zur erklären. Solche Studien lassen allerdings häufig einen plausiblen Kausalzusammenhang zur Erklärung der von ihnen beobachteten Effekte vermissen (Fioramonti und Mattheis 2016) und fokussieren sich dabei übermäßig auf oberflächliche Gemeinsamkeiten (Rüland 2016). In den vergangenen Jahren hat in der Diffusionsforschung allerdings eine inhaltliche Öffnung stattgefunden. Zum einen wird zunehmend die Handlungsfähigkeit der Regionalorganisationen im Globalen Süden im Umgang mit externen Normen und anderen Arten des Einflusses thematisiert (Acharya 2009). Zum anderen findet zurzeit ein Perspektivwechsel auf Regionalorganisationen als modulare Systeme statt, die externe Einflüsse aus diversen, nicht auf die EU begrenzten, Quellen beziehen (Jetschke und Theiner 2019; Jetschke 2017). Diese Forschungsagenda steht noch am Anfang, verspricht aber neue Perspektiven auf das Phänomen des externen Einflusses. Ein vielversprechender Ansatz ist auch der von Duina und Lenz (2016), der eine differenzierte Perspektive auf externen Einfluss in der Problematisierung, dem Framing, und dem Scripting regionaler Policies einnimmt. Bisher sind solche prozess-sensiblen Studien allerdings noch nicht weit verbreitet. Während Acharyas Konzept der constitutive localization in einigen Studien zur ASEAN angewendet wurde (Jetschke 2009; Wong 2012; Rüland 2014b), fehlen entsprechende Studien zu afrikanischen und lateinamerikanischen Regionalorganisationen.
Im Gegensatz dazu untersucht der Interregionalismus die Interaktionen zwischen Regionalorganisationen, fokussiert auf die Grundlagen, Mechanismen, und Effekte dieser Beziehungen (Hänggi et al. 2006). Obwohl vereinzelte Studien auch den Süd-Süd Interregionalismus analysieren (Kingah und Akong 2016), betrachten die meisten Interregionalismus-Arbeiten die Beziehungen der EU zu anderen Regionalorganisationen. Die aktuellsten Monographien zum Interregionalismus konzentrieren sich allesamt auf die EU (Doidge 2011; Fehrmann 2014; Hulse 2016). Theoretisch maßgeblich für Interregionalismus-Analysen sind die von Rüland etablierten fünf Funktionen des balancing, institution-building, rationalizing, agenda-setting, und der collective identity formation (Rüland 2010), die allesamt einen expliziten Anknüpfungspunkt an regionale Policy-Prozesse bieten. Darüber hinaus nutzen manche Studien den Actorness-Ansatz, mit dem die Handlungsfähigkeit nicht-westlicher Regionalorganisationen untersucht werden soll (Fehrmann 2014; Hulse 2016). Durch ihre Analyse interner Koordinierungsprozesse stellen diese Studien allerdings eher eine inside-out statt einer outside-in Analyse dar und eignen sich daher nur bedingt zur Herleitung von externen Einflussmöglichkeiten auf Policy-Prozesse.
In anderen Überblickstexten zur Einflussnahme externer Akteure wird häufig eine Typologie anhand der Mechanismen der Einflussnahme angewendet. Hierzu bleibt das Maß aller Dinge die Kategorisierung von Börzel und Risse (2009). Über die Rolle der EU als Akteur im Transfer regionaler Politik schreibend, unterscheiden die Autoren zwischen vier Mechanismen, durch die Einfluss genommen werden kann: (1) Direkt über die Anwendung von Zwang, (2) durch das Bereitstellen von Anreizen, oder (3) durch Sozialisierung und Überzeugung. Außerdem auch (4) durch indirekte Einflussnahme, indem andere Organisationen die EU nachahmen. Studien können leicht anhand der Untersuchung dieser Mechanismen sortiert werden. So gibt es Studien zu marktbasierten Anreizen (Krapohl 2017; Muntschick 2018). Forschung über politische Dialoge untersuchen häufig Strategien der Sozialisierung sowie der Überzeugung (Doidge 2011; Fehrmann 2014; Allison 2015). Indirekter Einfluss der EU hat sich besonders in der Forschung zur ASEAN als theoretischer Ansatz etabliert (Jetschke und Murray 2012; Lenz 2012a). Besonders bei indirekter Einflussnahme steht auch die Handlungsfähigkeit der Regionalorganisation im Vordergrund. An dieser Stelle spielt Acharyas Theorie der constitutive localization (Acharya 2009) eine große Rolle, die Strategien des Widerstands und der Adaption von Akteuren im Globalen Süden als Antwort auf externe Normen thematisiert. Im Falle von ASEAN erfährt die Theorie große Anwendung zur Erklärung der institutionellen Reaktion auf externe Einflüsse (Bellamy und Beeson 2010; Capie 2012, 2008; Rüland 2014b, 2009).
Im Folgenden werde ich allerdings nicht nach den analysierten Instrumenten der Einflussnahme unterscheiden, sondern anhand der Kanäle, die zur externen Einflussnahme genutzt werden. Dies geschieht, um eine neue Perspektive auf die existierenden Forschungsrichtungen zu gewinnen. Daher wird zwischen marktzentrierten, dialogzentrierten, und entwicklungszusammenarbeits-zentrierten Analysen unterschieden.
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Marktzentrierte Analysen
Marktzentrierte Analysen des Einflusses externer Akteure auf nicht-westliche Regionalorganisationen sind vor allem in Hinblick auf die EPA-Verhandlungsprozesse der EU entstanden. In dieser Forschungsrichtung stehen besonders der desintegrative Einfluss und nicht-intendierte Effekte der EU auf Regionalorganisationen im Globalen Süden durch Nutzung ihrer Marktmacht und ökonomischer Interdependenz im Vordergrund. Studien wie die von Krapohl und Muntschick (2008) thematisieren dabei den Einfluss von ökonomischen Interdependenzen innerhalb der Regionalorganisationen sowie zwischen der Organisation und der EU. Die Idee, dass eine starke Interdependenz mit der EU dabei zu desintegrativen Effekten führen kann, wird von beiden Autoren in weiterführenden Publikationen ausgearbeitet (Krapohl 2017; Krapohl und Fink 2013; Muntschick 2018). Meißner zeigt darüber hinaus divergente Strategien der EU in Verhandlungen zu Freihandelsabkommen mit ASEAN, Mercosur sowie dem Gulf Cooperation Council auf, bei denen die EU ihre interregionale Strategie durch strategische Partnerschaften mit Einzelstaaten ersetzte, mit potentiell desintegrativen Effekten (Meissner 2018, 2017, 2016).
Wie bereits vorab erwähnt stellen marktzentrierte Analysen des externen Einflusses auf Regionalorganisationen des Globalen Südens möglicherweise die bislang kohärenteste Forschungsrichtung dar. Eine Übertragung der polit-ökonomischen Modelle auf andere Politikbereiche ist bereits bei Muntschick (2018) demonstriert und könnte ein größer angelegtes Forschungsprogramm begründen.
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Dialogzentrierte Analysen
Die zweite Forschungsrichtung zielt auf den Einfluss politischer und wirtschaftlicher Dialoge auf die politischen Prozesse von Regionalorganisationen ab. Solche Studien sind vorwiegend im Feld des Interregionalismus zu finden. Hier ist zwischen Studien zu unterscheiden, die explizit interregionale Verhandlungen untersuchen (Fehrmann 2014; Hulse 2016; Doidge 2011) und Studien, bei denen Verhandlungen unter anderen Faktoren eine Rolle spielen (Lenz 2012a, 2012b; de Lombaerde und Schulz 2009). Aber auch Diffusions-Studien erwähnen Dialoge prominent und betrachten sie als einen der Faktoren, der zur Entstehung institutioneller Gemeinsamkeiten zwischen der EU und anderen Regionalorganisationen führt (Grugel 2007; Rüland 2016).
So analysieren Studien von Fehrmann (2014) und Doidge (2011) die Effektivität interregionaler Dialoge zwischen der EU, ASEAN, und Mercosur, bzw. zwischen der EU und ASEAN. Hier geht es vor allem darum, inwiefern die Verhandlung gemeinsamer Dokumente zwischen den Organisationen zu Veränderungen in deren Verhalten führt. Nennenswert sind darüber hinaus die Studien von Sanchez-Bajo und Doctor zu Mercosur (Bajo 1999; Doctor 2007). Neben diesen, auf politische Dialoge gemünzten Studien zielt Hulses (2016) Arbeit auf die Analyse der Handlungsfähigkeit von ECOWAS und SADC in den EPA-Verhandlungen mit der EU ab und skizziert überzeugend interne Verhandlungsstrukturen der Regionalorganisationen, sowie den Einfluss der Interaktion zwischen der EU und den Organisationen auf Verhandlungsresultate. Studien solcher Art thematisieren in manchen Fällen auch die Interaktion zwischen Regionalorganisationen im Rahmen neuer institutioneller Foren wie dem Asia-Europe Meeting (ASEM) (Gilson 2005; Dent 1999). Gerade bei diesen Dialogen werden Mechanismen der Sozialisierung, Überzeugung und des Lernens in den Vordergrund gestellt, obwohl Doidge (2011) auch politische Konditionalität thematisiert. Eine Erweiterung solcher Studien in Richtung des Einflusses dieser Dialoge auf interne Prozesse wäre daher denkbar. Dialogzentrierte und entwicklungszusammenarbeits-zentrierte Analysen weisen eine hohe Überlappung auf. Doidge (2011) erklärt dies im Falle der ASEAN dadurch, dass die EU in Fällen nicht zufriedenstellender Dialoge als technischer Unterstützer regionaler Reformprozesse kapazitätsbildend tätig wird.
Der Einfluss interregionaler Dialoge auf regionale Politikprozesse wird häufig als Begründung für Diffusionsprozesse herangezogen, aber bislang gibt es nur wenige Beweise, dass sie tatsächlich einen tieferen Effekt auf die Funktionsweise der Regionalorganisationen haben. Trotzdem ist die Untersuchung von Dialogen als Kanal zur Beeinflussung von regionalen Policyprozessen eine vielversprechende Forschungsagenda. Da solche Studien vor allem Sozialisierung, Überzeugung, und Nachahmung als Wirkungsmechanismen benennen, wäre allerdings eine detaillierte Betrachtung des kognitiven Wandels der regionalen Akteure vonnöten, um Zweifler zu Gläubigen zu konvertieren.
-
c.
Entwicklungszusammenarbeits-zentrierte Analysen
Der dritte Kanal der externen Beeinflussung regionaler Policy-Prozesse, regionale Entwicklungszusammenarbeit in Form von institutioneller Unterstützung, wird nur in wenigen Studien zentral betrachtet (de Lombaerde und Schulz 2009; Jetschke 2013; Lenz und Burilkov 2017). Die Finanzströme externer Partner an Regionalorganisationen im Globalen Süden sind bislang nur sehr wenig untersucht und die Effekte sogenannter regionaler capacity building Programme sind weitestgehend unbekannt (Stapel und Söderbaum 2019; Müller 2016). Erste Schritte in diese Richtung finden sich in einem überraschend frühen Werk von de Lombaerde und Schulz (2009), ansonsten sind solche Analysen vornehmlich in Politikberatungs- und Think Tank-Studien vorzufinden (Herrero und Gregersen 2016; Particip GmbH 2009). Die Theoretisierung des Feldes schreitet erst seit kurzem voran. Lenz und Burilkov (2017) präsentieren quantitative Evidenz für einen Effekt von EU-Unterstützung auf andere Regionalorganisationen. Allison (2015) demonstriert in Ansätzen den Zusammenhang zwischen technischer Zusammenarbeit und Normendiffusion im Falle von ASEAN. Rüland (2016) analysiert vor allem unintendierte Effekte europäischer Entwicklungszusammenarbeit im Falle von ASEAN.
Insgesamt fehlt in dieser Forschungsrichtung allerdings ein kohärenter theoretischer Zugang, wie Entwicklungszusammenarbeit zur Veränderung regionaler Policy-Prozesse führen kann. Duina und Lenz (2016) bieten mit ihrem auf den Policy-Zyklus gemünzten Ansatz einen innovativen Vorschlag zur Untersuchung des Einflusses technischer Zusammenarbeit, die auch auf dialogzentrierten Einfluss übertragbar ist. Eine differenzierte Betrachtung der Effekte technischer Zusammenarbeit mit Regionalorganisationen erfordert allerdings eine genauere Betrachtung der Rolle spezifischer regionaler Institutionen wie intergouvernementale Gremien, regionale Sekretariate und Kommissionen, Parlamente, und Gerichtshöfe, die die Empfänger dieser Unterstützung sind.
4 Policy-Prozesse und externer Einfluss – eine Forschungsagenda
Ich möchte an dieser Stelle ein kurzes Forschungsprogramm zur Untersuchung regionaler Politikprozesse und des Einflusses externer Akteure skizzieren. Wie der Literaturbericht demonstriert hat, handelt es sich immer noch um zwei eher disparate als kohärente Felder, weshalb bislang nicht von einer geschlossenen Wissenschaftsgemeinschaft gesprochen werden kann. Vielmehr existieren Forscher an den Rändern des vergleichenden Regionalismus sowie des Interregionalismus und der Diffusionsforschung, die sich für jeweils angrenzende Fragen interessieren. Da Fragen nach regionalen Politikprozessen sowie Potential und Mechanismen externer Einflussnahme beide Forschungsdebatten betreffen, sind folgende Vorschläge für beide Felder potentiell von Nutzen.
Ich schlage drei fundamentale Herangehensweisen an die Untersuchung von Regionalorganisationen im Globalen Süden vor. Erstens erfordert eine überzeugende Darstellung der Politikprozesse eine genauere Betrachtung der Untersuchungsgegenstände über Vertragswerke und öffentliche Rhetorik hinaus. Zweitens erfordert die kohärente Untersuchung regionaler Politikprozesse und externem Einfluss explizitere theoretische Fundierung sowie eine empirische Untersuchung theoretisierter Kausalzusammenhänge, idealerweise durch Forschungsmethoden wie Process Tracing. Drittens sollten regionalspezifische Erklärungsansätze im Rahmen eines Comparative Area Studies-Ansatzes auf andere Regionen angewendet werden, um Alternativen zu eurozentrischen Theorien zu schaffen.
Die Untersuchung regionaler Organisationen und externem Einfluss über Vertragswerke hinaus würde zu einem Verständnis von de-facto Politikprozessen sowie der tatsächlichen Einflussnahme von interregionalen Dialogen und Entwicklungszusammenarbeit beitragen. Existierende Untersuchungen von Regionalorganisationen (Mair 2001; Bappah 2014; Nair 2015; Tieku 2017) sowie externem Einfluss (Lenz 2012b; Pietrangeli 2016; Martin 2016) demonstrieren den Wert einer solchen Herangehensweise. Eine solche Forschungsagenda erfordert nicht nur ein größeres Maß an Feldforschung innerhalb nicht-westlicher Regionalorganisationen, sondern auch eine Einbindung nicht-westlicher Forscher in entsprechende Forschungsprojekte.
Expliziteres Theoretisieren von regionalen Policy-Prozessen und den Kanälen externen Einflusses erfordert die Anwendung innovativer methodologischer Werkzeuge. Studien in der Diffusionsforschung sowie im Interregionalismus besitzen häufig ambitionierte Annahmen über die Kausalität zwischen externem Einfluss und seinen Effekten auf regionale Institutionen und Prozesse, z. B. die Übernahme gewisser Merkmale der EU auf Basis eines nicht weiter spezifizierten kognitiven Wandels, argumentativer Überzeugung oder anderer Lerneffekte. Analysen dieser Art benötigen eine stärkere empirische Fundierung, die idealerweise durch die Anwendung von theory-testing Process Tracing (Beach und Pedersen 2013) erlangt werden kann.
Das Testen innovativer und regionalspezifischer theoretischer Zugänge zum Regionalismus des Globalen Südens als Alternative zu eurozentrischen Theorien wäre durch die Einbettung in Forschungsdesigns im Sinne der Comparative Area Studies zu leisten. Der Ansatz hat das Ziel, den Transfer theoretischer Konzepte zwischen Regionen zu befördern (Ahram et al. 2018). Zugegebenermaßen erfordert eine Comparative Area Studies-Agenda ein hohes Maß an Vertrautheit mit dem Kontext der Regionalorganisationen, auch diese Hürde kann allerdings durch die Nutzung von internationalen Forschungsteams sowie einer stärkeren Anwendung von Feldforschung überwunden werden.
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Müller, L.M. Wessen Policy? Wie sehen Policy-Prozesse in Regionalorganisationen des Globalen Südens aus und wie können externe Akteure sie beeinflussen?. Z Politikwiss 30, 501–519 (2020). https://doi.org/10.1007/s41358-020-00209-4
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