1 Einleitung: Zookommunikation

Zoos sind in den Human-Animal Studies (HAS) u. a. aus tiersoziologischer, tiergeografischer und tiergeschichtlicher Perspektive erforscht worden. Werden die wichtigsten dort behandelten Aspekte zusammengefasst, können mindestens sechs theoretische Schwerpunkte festgestellt werden: a) Sichtbarkeit von ›Zootieren‹ in Bezug zur menschlichen Schaulust (Nessel/Schlüpmann 2012); b) historische Entwicklung des Zoos mit unterschiedlichen Funktionen, z. B. als Menagerie, Menschenzoo, nationalsozialistisches Propagandainstrument, Emotionsfabrik (Steinkrüger 2015; Goldner 2015; Klothmann 2015; Wessely 2008); c) der Zoo als Lebensraum und Bühne unter Berücksichtigung architektonischer bzw. performativer Raumgestaltung und -nutzung (Siegmundt 2015; Janecke 2015); d) Zoos aus ethischer Perspektive (Sommer 2020; Wild 2014); e) die Zusammensetzung der Akteur*innen im Zoo mit ihren verschiedenen Funktionen und Praktiken (Hochadel 2012; Reinert 2016) und f) literarische Zoo-Darstellungen im Hinblick auf kulturelle Konzepte wie Identität, Empathie, Agency und Körperlichkeit (Böhm im Druck; Hoffmann 2018; Layne 2019).

Zoos reflektieren wie keine andere gesellschaftliche Institution, auf begrenztem Raum mit einem mehr oder weniger definierten menschlichen Interesse an Tieren (Bildung, Unterhaltung, Artenschutz, Erholung), was wir über andere Spezies denken, (zu) wissen (glauben), was wir in Bezug auf sie fühlen und schließlich, wie wir uns als Menschen in einer Mehr-als-menschlichen-Welt positionieren bzw. von anderen Lebewesen abgrenzen. Der Zoo bildet als institutionalisierter Mikrokosmos einen Teilausschnitt sozialer Wirklichkeit ab, als Heterotopie (Foucault 2014) ist er Illusionsraum einer Lebenswelt, der deshalb auch immer wieder in Literatur, Lyrik oder (Dokumentar‑)Filmen als elementarer kultureller Mensch-Tier-Bezugspunkt in Szene gesetzt wird.

Die Tierlinguistik (Steen 2022) setzt in diesem weiten Themenfeld zum ›Zoo‹ einen eigenen, fachspezifischen Schwerpunkt, denn der Zoo ist zugleich Ort und Auslöser für verschiedenartige Konstellationen der interspezifischen Interaktion und Kommunikation. Der Untersuchungsgegenstand Zookommunikation umfasst deshalb im weitesten Sinne alle kommunikativen und interaktiven Akte, in die Menschen und Tiere im Zoo involviert sind – sei es performativ als Akteur*innen oder zeichenhaft als Konstrukte. Für die Analysen eignen sich dementsprechend viele unterschiedliche Kommunikationsformate, die mit den Methoden der (medien-)linguistischen Gesprächsanalyse, der Werbe- und Bildlinguistik, der Linguistic Landscape-Forschung oder der Diskursanalyse erforscht werden können.Footnote 1 Das Reality-TV-Genre der Zoo-Doku-Soap eignet sich hierbei in einer besonderen Weise dazu, um Mensch-›Zootier‹-Kommunikation in actu mit medien- und interaktions- bzw. gesprächslinguistischen Methoden zu untersuchen, denn die vielfältigen, in den Soaps eingesetzten multimodalen Inszenierungsmittel (mithilfe derer der Zoo überwiegend als ›Wohlfühlort‹ dargestellt wird) eröffnen tiefergehende Einblicke in das soziale Mensch-Tier-Verhältnis.

Nachdem Zoo-Doku-Soaps bereits an anderer Stelle mit spezifischen Schwerpunkten behandelt wurden,Footnote 2 beschäftigt sich der vorliegende Beitrag mit der Inszenierung interspezifischer Kommunikationsgemeinschaften in diesem Genre. Mit der Methode einer medienlinguistischen Gesprächsforschung wird anhand exemplarischer Analysen eine (scheinbar) vergemeinschaftende mediale Gesprächspraktik untersucht, die den Tieren ›eine Stimme‹ gibt und sie damit als Protagonist*innen der Soaps besonders in Szene setzt: die sprachliche Animation der Tiere mit menschlicher Symbolsprache durch Voice-Over-Kommentare. Durch dieses ›Dolmetschen‹ tierlicher Gedanken und Emotionen verbinden sich in den untersuchten Folgen Sprecher und Tiere im Sinne Erving Goffmans (1980, S. 553) zu einem »Mehrfachwesen«, bei dem Fakt und Fiktion sowie Empathie und Projektion ununterscheidbar werden. Dabei wird den tierlichen Ausdrucksweisen zumeist ihre inhärente Mehrdeutigkeit entzogen, sie werden – unter bestimmten Kriterien der Authentisierung und Plausibilisierung – für die unterhaltende Narration vereindeutigt. Es stellt sich daher die Frage, mit welchen sprachlichen und medialen Mitteln die Praktik des tierlichen ›Dolmetschens‹ typischerweise erfolgt, welche Funktionen sie für die Narration hat, was sie über das soziale Mensch-Tier-Verhältnis aussagt und ob es sich dabei um eine kommunikative Ein- oder eher um eine Ausschlusspraktik handelt. Um diese Fragen zu beantworten und die Arten des tiergerichteten bzw. -bezogenen Sprechens sowie ihre sozialen Implikationen zu diskutieren, wird zunächst allgemein auf das Phänomen ›sprechender‹ Tiere in verschiedenen kulturellen Bereichen sowie im Zoo eingegangen.

2 Sprechende Tiere als kulturelles Phänomen: Zwischen Agency und Anthropozentrik

Dass Tiere (scheinbar) mit einer eigenen Stimme sprechen und dabei menschliche Symbolsprache verwenden, ist ein omnipräsentes kulturelles, d. h. literarisches, poetisches, filmisches, mediales Phänomen, das als rhetorische Figur der Prosopopoiia bekannt ist. Dass Menschen Tiere sprechen lassen, ist eigentlich verwunderlich, gilt doch gerade die Sprachfähigkeit seit Jahrhunderten als zentrales Argument dafür, die anthropologische Differenz und damit die evolutionäre Sonderstellung des Menschen in der Welt zu verteidigen.Footnote 3 Weshalb lässt der Mensch dann Tiere an seiner eigenen Sprachmächtigkeit teilhaben? Ist dies ein Zeichen von Gönnerhaftigkeit, geht es um komisierende, abgrenzende Unterhaltung, sollen uns sprechende Tiere einen (moralischen) Spiegel vorhalten, der zur Selbstreflexion dient, oder ist dies ein ernstzunehmender Versuch, Tiere stärker in die Kommunikationsgemeinschaft einzubinden? So schwierig diese Frage zu beantworten ist, da die Funktionen sprechender Tiere u. a. vom Kommunikationsformat/Genre, von der sozialen Situation sowie von der historischen Einbettung abhängig sind, so leicht lässt sie sich auf das Phänomen der Anthropomorphisierung von Tieren im Allgemeinen ausweiten. Denn sprechende Tiere sind anthropomorphisierte Tiere par excellence. Anders als bei der Verdinglichung, bei der Tiere zu Objekten werden, d. h. zu menschlichem Besitz, instrumentalisiert, verletzt sowie austauschbar werden (Petrus 2013, S. 44–46), wird anthropomorphisierten Tieren in der Regel eine Subjekthaftigkeit – eine Du-Evidenz (Geiger 1931) – zugestanden. Dieses Zugeständnis verfehlt aber zumeist das tierliche Individuum mit seinen arteigenen Bedürfnissen. Bezüglich der beiden extremen Bezugspole Verdinglichung und Vermenschlichung besteht daher nach Theodor Geiger (1931, S. 53) kein echter Subjektkontakt zum Tier. Die Mensch-Tier-Beziehung basiert hier auf falschen Prämissen oder einseitigen Vorstellungen.Footnote 4

Allerdings sind die meisten sprechenden Tiere keine real existierenden, sondern zeichenhaft (z. B. auf Tierschildern, Steen 2022, S. 470–541) bzw. literarisch konstruierte Tiere, weshalb die Frage nach der Mensch-Tier-Beziehung komplexer wird, wenn narratologische und ästhetische Aspekte hinzukommen.Footnote 5 Wenn z. B. ein Kater seine Lebens-Ansichten (Hoffmann 2009) erzählt, können diese als literarische Autozoographien untersucht werden, die abhängig von ihrem historischen Auftreten ein bestimmtes diskursives Tierwissen distribuieren (Middelhoff 2019; 2020). Daneben gibt es weitere literarische Textsorten, in denen sprechende Tiere z. B. als Ratgeber*innen auftreten: Robert Gernhardts Katze Schimmi gibt Lektionen in Catical Correctness (Gernhardt 2015), indem Gernhardt kätzische Gesten in die menschliche Sprache übersetzt. Othello, der Hund von Juli Zeh, erteilt anderen Hunden Ratschläge in Form eines Konversationslexikons (Zeh/Finck 2016), indem er wichtige Lemmata für die Hundewelt (z. B. Geschäft, Stöcke) erläutert. Othello rät anderen Hunden: »Was auch passiert, sag niemals ein Wort« (Zeh/Finck 2016, S. 33, Herv. i.O.), denn wer (zugibt, dass er) sprechen kann, muss viele anstrengende soziale Pflichten, wie z. B. Telefondienst, erfüllen (Zeh/Finck 2016, S. 5). Hier stellt sich dann die Frage, wie ein nicht-sprechender Hund überhaupt ein Lexikon verfasst haben kann. Für den diegetischen Hund Othello ist dieser Zwiespalt kein Problem, da er davon ausgeht, »dass niemand an [s]eine Urheberschaft glauben wird« (Zeh/Finck 2016, S. 7). Sprechende ›reale‹ Tiere sind aber – folgt man Othellos (posthumanistischer) Weisheit – in Wirklichkeit überall unter uns, werden aber als Fiktion abgetan bzw. nur innerhalb fiktionaler Genres fraglos als Abweichung von der Realität akzeptiert. Das liegt u. a. daran, dass sie dort gewöhnlich nicht eigentlich als Tiere erscheinen, sondern als Figuren, die für etwas anderes stehen. Sie »rekurrieren auf Systeme und Phänomene menschlicher Gesellschaften«, sind (in traditioneller Lesart) »Artikulationsmedien menschlicher Sprecher/innen und Belange« (Middelhoff 2020, S. 5).

Im Sinne Goffmans (2005, S. 58–61) spielen solche fiktionalen Texte, die von Tieren verfasst wurden, mit einer interspezifischen Aufspaltung des Redestatus (footing): Die Tiere sind Urheber*innen der Texte (es sind ihre Gedanken, Gefühle, Erlebnisse usw., von denen erzählt wird). Die Menschen sind Autor*innen, die entscheiden, welche Erlebnisse einer reportability unterliegen und wie diese in die menschliche Sprache übersetzt werden. Außerdem sind sie Animateur*innen, die diese Geschichten aufschreiben.Footnote 6 Die jeweilige Verteilung der kommunikativen Rollen ist an eine Agency bzw. an ihre jeweilige Zuschreibung gebunden, die zwei Fragen aufwirft: Sind Menschen ›Sprachrohre‹ der Tiere und stehen damit in ihren Diensten oder eignen sie sich die tierliche Perspektive an und berauben die Tiere damit ihrer eigenen Agency, die, davon überdeckt, nicht mehr wahrnehmbar ist?

Literarische sprechende Tiere werden in den HAS und Cultural Animal Studies deshalb kontrovers als anthropozentrische Akte einerseits und Formen tierlicher Agency andererseits diskutiert (Armbruster 2015). Mittlerweile gibt es Bemühungen, traditionelle Lesarten aufzubrechen, indem danach gefragt wird, wie sich beispielsweise reale Tiere in Texttieren finden und wie Texttiere das Leben von realen Tieren beeinflussen, auch wenn dieses Verhältnis nicht leicht zu entwirren ist (Borgards 2016, S. 226). So lässt sich auch konstatieren, dass Juli Zeh und David Finck dem real existierenden Hund Othello über ›seine‹ Publikation – über den fiktionalisierten Verzicht auf ihre Urheberschaft – kommunikative Agency zuschreiben und die gesellschaftliche Relevanz der hundlichen Perspektive ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken.

Auch wenn es viele existenzbezeugende Fotos von Othello im Konversationslexikon gibt, in Spielfilmen ist die Referenz auf ›reale‹ Tiere eindringlicher, wenn sie selbst als Protagonist*innen auftreten. Dabei ist das Verhältnis von ›realen‹ Tieren vor der Kamera und den im Spielfilm dargestellten Tieren nicht weniger komplex. Die Analyse wird davon beeinflusst, ob die sichtbaren Tiere aus einer ontologischen Position (Tiere spielen nicht, sie leben; Balázs 2001) oder einer methodologischen Position (Tiere und Menschen werden als filmische Protagonist*innen gleichgestellt; Bazin 2004) betrachtet werden (Nessel 2016, S. 262–264). Die Darstellung ›sprechender‹ Tiere in Spielfilmen kann auf verschiedene Arten erfolgen und – wie ihre literarische Darstellung – Einfluss darauf haben, was wir über die interspezifische Verständigung denken.

Eine Möglichkeit ist, dass die Tiere – durch Schnitttechniken – scheinbar mit ihrem eigenen vokalen, gestischen, mimischen Ausdrucksrepertoire auf das antworten, was Menschen tun: Ein Hund jault ›verzweifelt‹, weil sein ›Herrchen‹ etwas falsch macht, ein Schwein hebt den Rüssel und grunzt ›zustimmend‹, wann immer es etwas gefragt wird. Die tierlichen Protagonist*innen verstehen alles und werden zu kommentierenden, ratschlagenden, warnenden ›Gesprächspartner*innen‹, deren Reaktionen auch von den menschlichen Protagonist*innen eindeutig verstanden werden. Ein in den Sozialen Medien veröffentlichter Post zur Mensch-Hund-Kommunikation zeigt die Ähnlichkeit dieser medialen Praktik mit alltäglichen Interaktionen: »Ein Mädel steht mit ihrem Hund an der Ampel. Sie: ›Sitz.‹ *Hund setzt sich nicht*. Sie: ›Sprech ich irgendwie undeutlich?‹ *Hund schaut angepisst und setzt sich*. Sie: ›Geht doch. Immer diese Diskussionen mit dir...‹ (Facebook-Seite @binmitdabei, 19.04.2023). Die vielen Kommentare zu diesem Post bestätigen, dass Hunde-›Besitzer*innen‹ solche ›Diskussionen‹ kennen. Dass der Hund nicht sofort reagiert, verstehen sie, zusammen mit seinem Blick, als Ausdruck der Verärgerung oder Genervtheit, der wiederum als Kommunikationsbeitrag gewertet wird. Dass diesbezüglich gar von »Diskussionen« gesprochen wird, ist Ausdruck eines humorvollen keying, das den ›Witz‹ an dem Post ausmacht. Mit der Hyperbolik werden die Hunde als gleichberechtigte Gesprächspartner*innen fiktionalisiert, die eigentlich nur submissiv auf ein Kommando – auf ein Sprechen zum Tier (Huneke 2004) – hören sollen.

Durch die anthropozentrische mediale Vereindeutigung tierlicher Signale auf kontextspezifische ›passende Bedeutungen‹ werden (typisierte) Tiere als scheinbar gleichberechtigte Mitglieder interspezifischer Kommunikationsgemeinschaften inszeniert. Durch diese kommunikative Idealisierung wird die Bedeutung der arteigenen tierlichen Displays zugunsten eines Plots/Witzes angeglichen, verabsolutiert oder suspendiert, dabei die vielfältigen (auch individuellen) Rahmenbedingungen interspezifischer Kommunikation (Schmauks 2009) ausgeblendet.

Durch die Praktik der Nachvertonung erhalten die Tiere außerdem menschliche Stimmen, was, so Hediger (2009, S. 318), »ein Kunstgriff [ist], der so gängig ist, wie er krud erscheinen mag«. Krud ist diese Praktik deshalb, weil die Tiere als anthropomorphisierte Figuren dann den menschlichen Protagonist*innen kommunikativ angeglichen werden. Die Nachvertonung dient in der Narration häufig dazu, menschliche Figuren als besonders empathische Tierversteher*innen zu konstruieren. Mit dieser Technik wird eine fantastische Welt erzeugt, die Tiere sind (wie in der Fabelliteratur) nicht mehr eigentlich als Tiere zu betrachten. Die tierlichen Displays können zudem mit Verbalsprache untertitelt werden, was den Anschein erweckt, die Displays der Tiere könnten eins zu eins übersetzt werden, womit Mehrdeutigkeit suspendiert wird. Auch hier wird die arteigene Perspektive auf die Welt suspendiert. Schließlich ist es auch möglich, dass sich Menschen und Tiere mittels ›Sprachen‹ der Tiere verständigen. So spricht etwa Harry Potter mit Schlangen in Parseltongue, indem er zischende Laute produziert. Als fantastische Elemente würdigen solche Tiersprachen die Andersartigkeit der Tiere, indem sich die Menschen den Tieren anpassen müssen. Allerdings wird auch hier über die besondere (magische) Sprachfähigkeit ein exklusives Mensch-Tier-Verhältnis dargestellt, das den Eindruck erwecken kann, eine Verständigung sei in der Realität nicht möglich.Footnote 7

Sprechende/schreibende Tiere begegnen uns schließlich in den Sozialen Medien in nahezu jeder Kommunikationsform, z. B. in Memes, als Petfluencer*innen auf Instagram, in Blogs (Leppänen 2015; Schally/Couch 2015), und in Videos auf TikTok lästern sie mit einer computeranimierten Stimme über ihre ›Herrchen‹ und ›Frauchen‹. Wie Sirpa Leppänen (2015) zeigt, wird über die Konstruktion der tierlichen Identität im Netz u. a. die menschliche Identität als gute*r Hundehalter*in authentifiziert. Ebenso wie Katzen-›Besitzer*innen‹ auf der Plattform Catster (Schally/Couch 2015), inszenieren sich Nutzer*innen auf Dogster als legitime Blog-Teilnehmer*innen. Sie treten in einen anthropomorphisierenden Diskurs ein, der Hunde als menschenähnlich und ihre liebenden ›Besitzer*innen‹ als Lifestyle-Expert*innen konstruiert (Leppänen 2015, S. 71).

Aus variationslinguistischer Sicht zeigen sich bei allen Erzeugnissen tierlicher Sprachfähigkeit Varianten auf der Stilebene, die die tierlichen Identitäten entscheidend mitformen. E.T.A. Hoffmanns Kater Murr schreibt in einem elaborierten Stil seiner Zeit – »›O du süße Gewohnheit des Daseins!‹ ruft jener niederländische Held in der Tragödie aus. So auch ich, aber […]« (Hoffmann 2009, S. 13) – und gibt sich damit schon zu Beginn des Romans als kulturell gebildet zu erkennen. Robert Gernhardts Schimmi präsentiert sich – als posthumanistisches Kind seiner Zeit – sprachsensibel, wenn er über die Verwendung des Begriffs ›animal companion‹ nachdenkt (Gernhardt 2015, S. 63). Zudem gibt es Bemühungen von Autor*innen, der tierlichen Symbolsprache eine ›arteigene‹ Färbung zu geben. Manche Hunde sprechen deshalb in ihren Blogs in einem eigenen Register, dem doggielect (Leppänen 2015). Die Ausdrücke der Hunde werden orthografisch so angepasst, als entstammten sie semantisch der Hundewelt: aus awesome wird pawsome, aus I can’t believe wird I can’t pawlieve. Außerdem verwenden die Hunde, wenn sie von sich selbst erzählen, eher eine informelle, emotionalisierte Sprache mit einfachen Sätzen und vielen Ausrufezeichen (Leppänen 2015, S. 67), als wären sie naiv oder nicht so sprachmächtig. Neben Hunden kommunizieren im Internet auch typisierte Katzen – die sogenannten LOLcats. Sie schreiben in einem Internet-Katzen-Register, der LOL-Speak, wenn sich z. B. in einem Meme ein schlafendes Katzenbaby five more minutz wünscht. Die orthografische Abweichung von der zumeist englischen Standardvarietät verleiht den Katzen einen Wiedererkennungswert. Auch sie wirken niedlich und komisch, wenn sie (dilettantisch) versuchen, sich mittels menschlicher Sprache auszudrücken.

Dass Menschen und Tiere – besser gesagt: medial repräsentierte Tiere – im Internet über vielfältige Praktiken miteinander verbunden sind, dass Tiere dort ›sprechen‹ können, sieht der Kommunikationswissenschaftler Alexander Pschera optimistisch als eine Vorstufe dessen, »was sich als ein gemeinsamer Seinsraum von Mensch und Tier im Internet in Konturen abzeichnet«, wobei dieser Seinsraum, der in der Wirklichkeit so nicht anzutreffen ist, auch ein gemeinsamer »Sprachraum« (Pschera 2014, S. 131) ist. Das Internet generiert interspezifische Kommunikationsgemeinschaften mit digitalen tierlichen Doppelgänger*innen, mit denen die realen Tiere kaum noch etwas gemein haben. Deshalb gibt es auch kritischere Stimmen zur medialen Repräsentation von Tieren. So merkt Randy Malamud eine strukturelle Verfehlung der Tiere an: »Human representations of animals in visual culture are inherently biased and self-serving, some more than others. […] It is difficult, if not impossible, to find in these human representations an objectively true account of who animals are« (Malamud 2012, S. 6).

Mittels stilistischer Manöver eines fiktionalen Tierregisters können wir der tierlichen Perspektive daher kaum näherkommen. So wie Schlümpfe alles schlumpfen, werden auch Hunde und Katzen, für die alles pawsome ist, nach und nach zu Comicwesen. Eine von Jennifer F. Schally und Stephen R. Couch (2015) interviewte Katzen-›Besitzerin‹, die auf Catster schreibt, berichtet, welche soziale und narrative Dynamik sich entwickelte, nachdem sie ihre Katzen auf der Webseite präsentiert hatte: »When I put them on [Catster], I first put them on as themselves. That was before I knew how involved things would get. Then, when the cats started getting boyfriends and girlfriends, […] then their personalities evolved in ways that I think I wanted ideals to be seen« (Schally/Couch 2015, S. 108). Die Katzen, die anfangs möglichst authentisch dargestellt wurden, wurden sukzessiv zu narrativen Figuren, die durch die Kommunikation mit anderen Nutzer*innen ein fiktionales Eigenleben entwickelten. Die Kluft zwischen Realität und Fiktion wird bei derartigen Präsentationspraktiken kontinuierlich größer, während den realen Tieren weiterhin der Redestatus als Urheber*innen und Autor*innen zugeschrieben wird. So ist es ohnehin kein einfaches Unterfangen, das tierliche Innenleben als eine Geschichte zu präsentieren, die einen Anspruch auf Authentizität erfüllt. Bezüglich der Übersetzung tierlicher Empfindungen in Verbalsprache nehmen Cynthia Huff und Joel Haefner (2012) deshalb eine klare Position ein:

»we can never know the inside of a dog because we cannot fully experience a canine world according to their senses, and we cannot translate those experiences into language. To assume that we could is to fall into the trap of popular posthumanism, and to end up appropriating the subjectivities of other species for ideological ends. Companion species cannot speak in language, but humans cannot speak for them either.« (Huff/Haefner 2012, S. 168)

Auch wenn bei diesen Übersetzungen tierlicher Emotionen Vereinfachungen und Vereindeutigungen vorgenommen werden, die das tierliche Individuum vermutlich verfehlen, gibt es in der alltäglichen Interaktion immer wieder Situationen, in denen Menschen für ihre Companion Animals sprechen. Dabei geht es nicht unbedingt darum, die Tiere zu kontrollieren, für sie in übergriffiger Weise als weniger machtvolle Subjekte das Wort zu ergreifen oder eine positive Selbstdarstellung als Tier-›Besitzer*innen‹ vorzunehmen. Eher ist diese Form der alltäglichen Interlocation (Arluke/Sanders 1996, S. 63), bei der die ›Besitzer*innen‹ lernen, das Ausdrucksverhalten der Tiere aufgrund gemeinsamer Erfahrungen zu interpretieren, ein empathischer Prozess. In Tierarztsituationen, wie sie Arnold Arluke und Clinton R. Sanders untersuchen, geht es darum, die Tiere in die Kommunikationsgemeinschaft aufzunehmen, indem die tierlichen Interessen zu ihrem Wohl vertreten werden (Arluke/Sanders 1996, S. 67).

Diese alltäglichen Praktiken des Sprechens für Tiere (vgl. auch »speaking for another« bei Schiffrin 1993), bei denen Tiere als Subjekte mit einer eigenen Perspektive ernst genommen werden, sind von solchen abzugrenzen, die Deborah Tannen (2004) als eine Form des ›Bauchredens‹ untersucht. Die ›Haustiere‹ bilden hierbei eine kommunikative Ressource, wenn etwa – wie in dem von Tannen (2004, S. 409) analysierten Beispiel – eine Mutter die Stimme der Hunde animiert,Footnote 8 die behaupten, dass ihr Sohn frech sei. Die Mutter, die die Hunde (ähnlich der verbalen Untertitelung im Film) sprachlich animiert, spricht gleichzeitig als Tiere und durch Tiere, weil sie über diese Praktik ihren Sohn auf humorvolle, imageschützende Weise kritisiert. Analog zu den sich verselbstständigenden Internet-Praktiken sagen die tierlichen ›Gesprächsbeiträge‹ vor allem etwas über die menschliche Welt aus. Allerdings werden die Hunde im Zuge dessen als Familienmitglieder konstruiert, die sich ein solches – fiktionales – Urteil über den Jungen (sinnvollerweise) erlauben können, anders als z. B. ein Fisch im Aquarium, der gar nicht aktiv am Familienleben teilnehmen kann oder darf.

Auch wenn die Animation tierlicher Stimmen immer ein Anthropomorphisieren darstellt und mit ungesicherten Imaginationen oder intendierten Fiktionalisierungen einhergeht, die die tierliche Perspektive entweder nicht adäquat erfassen oder suspendieren, so lassen sich damit auch positive Aspekte finden, die für die Konstitution einer Kommunikationsgemeinschaft sprechen. So betont Armbruster, dass uns vielleicht die tierliche Stimme – anders als die bloße körperliche Präsenz der Tiere – eindringlicher daran erinnert, dass es überhaupt eine tierliche Perspektive und ein tierliches Selbst gibt (Armbruster 2015, S. 22; Fudge 2008, S. 50).

3 Sprechende Tiere im Zoo: Zwischen Selbstreflexion und Selbstvermarktung

Sprechende ›Zootiere‹ changieren – da ihr Sprechen an die Örtlichkeit gebunden ist und daher auch eine Form des Place-Making darstellt – zwischen einer kommunikativen Vereinnahmung durch die Institution, womit sich die Tiere als Objekte der Schaulust selbstvermarkten, und einer kritischen Selbstreflexion, die das gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhältnis einschließt.

Wenn in einem Beispiel (Steen 2019, S. 270) ein Zoobesucher einen Pinguin sagen lässt: »ach ich komm jetzt mal rüber und guck mal was die hier drüben so machen (‑) komische leute stehn hier rum (‑) gucken alle so blöd ins gehege rein«, so ist mit diesem ›Dolmetschen‹ der Pinguingedanken eine humoristische Fiktion (Kotthoff 2007) und eine Re-Re-Perspektivierung gegeben: Es wird nicht nur verbalisiert, dass der Pinguin die Besucher*innen wahrnimmt; der Pinguin nimmt in der fiktionalen Äußerung ebenfalls wahr, wie die Besucher*innen ihn wahrnehmen, was ihn zu einer negativen Bewertung der Schauenden (»komisch« und »so blöd«) veranlasst. Der Besucher, der hier durch ›Bauchreden‹ als Autor und Animator den Pinguin als Urheber sprechen lässt, übt damit bezüglich des ›Angaffens‹ von Tieren selbstreflexiv Sozialkritik (Steen 2019, S. 270). Der Pinguin wird in der Äußerung so konstruiert, dass dieser sehr wohl weiß, dass er sich an einem künstlichen Ort, in einem »gehege« befindet, wodurch deutlich wird, dass er die Perspektive der »leute« auf ihn – als unfreies Tier – nachvollziehen kann.

Was in Zoogesprächen meist nur in Ad-hoc-Äußerungen und in Kurzform vollzogen wird, kann in literarischen Texten elaboriert werden. Durch die Augen literarischer ›Zootiere‹ kann der Zoo als Ort und Institution vielschichtig als Lebensraum, Zuhause, Gefängnis oder Bühne beschrieben werden. Es klingt allerdings überraschend ähnlich wie der animierte Pinguin, wenn Felix Salten in seinem Roman Freunde aus aller Welt die Giraffe Babina sagen lässt: »Was sind das für widerwärtige Geschöpfe, die Tag für Tag kommen und uns begaffen? Was für bösartige Geschöpfe sind das, die uns eingesperrt halten?« (Salten 1973, S. 132). Im dritten Kapitel in Yoko Tawadas Roman Etüden im Schnee (2014), das vom 2011 verstorbenen Berliner Eisbären Knut handelt, werden die Zusammenhänge komplexer ausgearbeitet, indem Knuts Sprachfähigkeit mit seiner Identität als ›Zootier‹ verwoben wird: Der kleine Eisbär wird nachdenklich, weil sich ein Malaienbär über ihn lustig macht, da er von sich selbst (noch immer) in der dritten Person spricht (Tawada 2014, S. 258). Wenn Knut dann ›ich‹ sagen kann und das Kapitel von nun an aus der Ich-Perspektive erzählt wird, erreicht der Eisbär einen neuen Identitäts- und Subjektstatus und kann sich schließlich einer Kragenbärin als Person vorstellen (Tawada 2014, S. 259). Aber nicht nur im deiktischen Ich, auch in rein nominale und verbale Ausdrücke kleidet sich die Ichvorstellung, sie ist z. B. abhängig vom Genus Verbi und possessiven Pronomina (Cassirer 1973, 216 f.). Die Sprach- oder Erzählfähigkeit allein reicht daher nicht, um aus einem Tier ein (anerkanntes) Wesen mit einer personalen Identität zu machen, es muss sich (sprachlich) selbstreflexiv verhalten können. So denkt der diegetische Knut auch über Aspekte der Disneyisierung (Beardsworth/Bryman 2001) von Zoos nach, indem er seine Identität in Bezug setzt zu den zahlreichen Stofftieren und anderen Merchandise-Artikeln – den »Knutwaren« (Tawada 2014, S. 288) –, die so aussehen, wie er selbst: »Ich stellte mir den Haufen Knut vor, wollte laut schreien: ›Hier bin ich der einzige, richtige Knut!‹« (Tawada 2014, S. 289). Seine Gedanken über die Kommerzialisierung des Zoos, an die das Verhältnis von Ich-Identität und kategorialer Identität geknüpft ist, münden in die Frage: »Kann ich auch gegen Zahlung meine Zelle verlassen und freikommen?« (Tawada 2014, S. 289), womit eine Selbstpositionierung als Gefangener vorgenommen wird.Footnote 9

Die Referenz auf (noch lebende oder verstorbene) reale Tiere lässt – im Rahmen der Fiktion – die verbalisierte tierliche Perspektive plausibler erscheinen. So arbeiten Gordon Meade und Jo-Anne McArthur in ihrem Gedichtband Zoospeak mit Schwarz-Weiß-Fotos von realen ›Zootieren‹ und lassen z. B. einen aufgerichteten, nach unten schauenden Eisbären hinter einem Gitter (aus der Re-Re-Re-Perspektive: konstruiert wird der tierliche Blick auf die Menschen, die wiederum den Blick des Eisbären nicht deuten können) sagen: »It is hard for you to tell / whether or not I am praying / for snow or just staring« (Meade/McArthur 2020, S. 18). Meade drückt durch die Präsensform, durch Pronomen in der 1. Person Singular (und Wiederholungen der Verse) die Tierperspektive aus, von der er hofft, »[it] would do justice to the power of the visual images with which I had been confronted« (Meade 2020, o.S.) und lässt damit seine Eindrücke von den Tieren emphatisierend in die Worte fließen.

Dass die Zoobesucher*innen Tiere als selbst- oder zookritische Subjekte animieren, ist jedoch eher eine Ausnahme. Die meisten stimmlichen Animationen konstruieren stereotypische tierliche Identitäten: genervte Affen, die ihre Artgenoss*innen als »arschgeigen« bezeichnen und knauserig sind, ängstliche Geparden, zänkische Erdmännchen (Steen 2022, S. 734). Oft werden die Displays der Tiere als Performance (nach menschlichen Wertmaßstäben) für die Besucher*innen gerahmt, wenn z. B. eine Mutter ihrem Kind das Verhalten eines Bonobos mit »ich kann schon so hoch klettern sagt er« (Steen 2022, S. 728–729) erklärt. Die Besucher*innen imaginieren in der Regel die tierlichen Emotionen oder Intentionen und sprechen ›dolmetschend‹ als Tier, um sich als witzige Tierversteher*innen zu gerieren. Dabei ist eine egozentrische Projektion wahrscheinlicher als der Versuch einer allozentrischen Empathie (Breyer 2013, S. 28), die die tatsächliche Bedeutung tierlicher Displays zu ergründen sucht.

Oft ist ein Sprechen für Tiere (theriozentrisch) und ein Sprechen durch Tiere (anthropozentrisch) nicht voneinander zu trennen, wie im Folgenden zwei Plakate mit sprechenden ›Zootieren‹ illustrieren. So zeigt das Plakat einer Marketingkooperation des Kölner Zoo mit dem Flughafen Köln/Bonn – das am Flughafen im Ankunftsbereich hing – eine Gruppe von Pinguinen, die hinter einer Absperrung auf die gelandeten Fluggäste wartet (Abb. 1). Auf der Absperrung ist ein Werbeschild des Zoos mit der Aufschrift »We welcome all guests« (Invidis.de 2013) zu lesen. Das deiktische Personalpronomen »we« indiziert, dass die Pinguine die Fluggäste direkt ansprechen.

Abb. 1
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Pinguine werben für den Kölner Zoo (Quelle: Invidis.de, 2013)

Es liegt hier ein doppelter Akt des Place-Making vor, da die abgebildeten Tiere mit dieser sogenannten »Out-of-Home-Kampagne« (Invidis.de 2013) einerseits wartende Familienmitglieder oder Freund*innen und damit eine typische Praktik an Flughäfen imitieren. Andererseits verweist das Zoo-Logo auf ihr Zuhause, in das sie einladen. Anders als die berühmten Pinguine aus dem Animationsfilm Madagaskar, die unbedingt aus dem Zoo flüchten wollen, haben diese Pinguine Freigang, damit sie freiwillig für den Zoo, den sie als ihr Zuhause und als Vergnügungsstätte gleichermaßen akzeptieren, werben können. Formal betrachtet hilft die Aufschrift den (stummen) Pinguinen, ihre Botschaft an die Menschen zu übermitteln (Sprechen für Tiere). Strukturell betrachtet aber werden im Zuge des Sprechens durch Tiere (vgl. »Tiere als Medien« bei Adams 2014) die fröhlich wirkenden Pinguine aus Marketinggründen zum Symbol für einen entspannten Tag im Zoo.Footnote 10 Das Poster mit den Pinguinen als Empfangskomitee ähnelt der Titelseite eines illustrierten Fabelbuchs (Wepler/Zaepffel 2019), in dem der Zoo als locus amoenus konstruiert wird, an dem sich glückliche Menschen und Pinguine später (wieder)treffen.

Im Vergleich dazu handelt es sich bei einem Plakat der Tierrechtsorganisation PETA (Twitter, PETA Deutschland 2015) offenkundig um ein anwaltschaftliches Sprechen für Tiere, das ethisch motiviert ist. Vor einem schwarzen Hintergrund, und damit prinzipiell ortlos, sieht ein Tiger die Betrachter*innen frontal an. Seine Botschaft: »Weil dein Zoo mein Gefängnis ist. Ich will, dass du dich änderst.« (Abb. 2). Die fiktionalisierte Tigerperspektive wird auch hier durch personale Deixis – durch den Possessivartikel »mein« und das Personalpronomen »ich« – deutlich.

Abb. 2
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Sprechen für den ›Zootiger‹ (Quelle: PETA Deutschland, Twitter, 2015)

Der Zoo als Nicht-Ort (Augé 2012; Steen 2022, S. 582–584) wird durch die visuelle Standortlosigkeit des Tigers symbolisiert, aber auch hier durch die sprachlich konstruierte Doppelperspektive auf den Zoo. Den Besucher*innen wird eingeschärft, dass sie, wenn sie aus anthropozentrischer Perspektive diese Vergnügungsstätte aufsuchen, aus theriozentrischer Perspektive ein Gefängnis betreten. Da der Tiger diese Botschaft nicht selbst verkünden kann, übernimmt PETA dies für ihn. Strukturell gesehen offenbart sich in dieser sprachlichen Doppelperspektivierung eine diskursive Technik, mit der neue Frames gesetzt werden, um eine neue Weltwahrnehmung zu schaffen. Für Konstantin Deininger und Kristina Steimer (2019, S. 109) ist eine solche »Transformation von Begriffen […] grundlegend für die gelingende Für-Sprache«. Das Ändern der Begriffe bzw. ihrer Bedeutungen impliziert ein »changing perceptions (beginning with one’s own) of what animals are and can be« (Wyckoff 2015, S. 129). In dem Plakattext kollidieren die Konzepte ›Zootier‹/›Anschauungsobjekt‹ und ›Gefängnisinsasse‹/›Lebewesen‹ miteinander, sodass die tierlichen Objekte als Subjekte neu geframed werden können. Ein solches diskursives Distribuieren ethischer Vorstellungen aufgrund einer Agenda ist ebenfalls als ein Sprechen durch Tiere anzusehen, auch wenn die Botschaft letztlich den Tieren dienen soll.

Wenn nun Tiere in Zoo-Doku-Soaps sprechen, stellt sich bis hierher die Frage, mit welchen medialen Mitteln dieses Sprechen realisiert wird, um welche Art des Sprechens es sich dabei formal und strukturell handelt (als, für, durch Tiere), wie sich der Redestatus aufgliedert, ob dabei anthropozentrische oder theriozentrische Perspektiven eingenommen werden, ob und wie die Bedeutung tierlicher nonverbaler Displays mit dem Redeinhalt korreliert und ob dabei von Seiten der menschlichen Protagonist*innen (mit ernsten Absichten) empathisiert oder nur projizierend fiktionalisiert wird. Schließlich wäre zu fragen, ob mit dieser medialen Praktik tierliche Agency hergestellt, inszeniert oder suspendiert wird. Bereits an dieser Stelle kann konstatiert werden, dass die Praktiken der Übersetzung vereindeutigend sind, da die Verbalisierung als solche Mehrdeutigkeit suspendiert. Allerdings bleibt zu fragen, welche Auswirkungen diese Vereindeutigung auf die Darstellung der tierlichen Individuen hat.

4 Exemplarische Analysen: Sprechende Tiere in Zoo-Doku-Soaps

Zoo-Doku-Soaps sind Image-Filme der Zoos, mit denen diese medial inszenieren, was sonst auf der »Hinterbühne« (Goffman 2003) für die Besucher*innen nicht zugänglich ist.Footnote 11 Die Besucher*innen kennen nur die Vorderbühne, wo die Tiere als theatrale Tiere zur Schau gestellt werden. In den Soaps aber wird, wie im Reality-TV üblich, das ›echte‹ Leben gezeigt: Fütterungsroutinen, Reinigen von Gehegen, Verpaarungen der Tiere zu Zuchtzwecken, ärztliche Behandlungen. Durch die Einbindung dieser alltäglichen Geschehnisse in die mediale Inszenierung mit ihren handlungsleitenden Narrationen, Schnitten, musikalischen Untermalungen, Voice-Over-Kommentaren wird die Hinterbühne zu einer »middle region« (Meyrowitz 1977, S. 135) – zu einer mittleren Region zwischen Hinter- und Vorderbühne, auf der nicht die Wirklichkeit zu sehen ist, sondern das, was in unterhaltsamer Weise für ›wirklich‹ gehalten werden kann und deshalb als authentisch erscheint. Fakt und Fiktion werden ununterscheidbar, wenn konstruierte Konfliktsituationen Spannung evozieren (Bleicher 2017, S. 207) oder die Tiere scheinbar freudig auf ein Ereignis warten (von dem sie nichts wissen). Der Off-Kommentar (zumeist eine tiefe männliche Stimme) hat dabei eine besondere Funktion. Er ordnet die Szenen ein, begleitet die visuelle Vermittlung, indem er die Tiere namentlich vorstellt, Fragen stellt und häufig in die Scherzmodalität wechselt, um Pfleger*innen und Tiere ›vorzuführen‹. Im Zuge der »generative[n] Geschehensdramaturgie« (Meyer et al. 2000, S. 203), bei der durch die Erzählstruktur verschiedene Ereignisse miteinander verflochten werden, entsteht eine »polyphone Beziehungsstruktur aus Sprechern und Stimmen« (Meyer et al. 2000, S. 203). Auch wenn also nicht der ›wirkliche‹ Zooalltag zu sehen ist, sondern das, was der Zoo als Alltag medial präsentiert, haben die TV-Zuschauer*innen das Gefühl, dass sie näher an den Ereignissen dran sind und ihnen Insiderwissen vermittelt wird. Dadurch wird die Identifikation mit dem Zoo erhöht und das Interesse an einem Besuch geweckt. Aufgrund der Hybridität aus Soap und Dokumentation, Fiktion und Fakt ist bei der Analyse eine Perspektive notwendig, die die medialen Inszenierungsmechanismen in methodologischer Hinsicht berücksichtigt, aber dabei nicht ausblendet, dass hier lebende Tiere in Szene gesetzt werden, deren Lebenswelt in einem doppelten Unterhaltungsgenre (theatrale und mediale Bühne) als Realität ›verkauft‹ wird.Footnote 12

4.1 Der Sprecher als allwissender Erzähler und ›Übersetzer‹ mit Scharnierfunktion

Die medialen sowie kommunikativen und interaktiven Mittel, mit denen die Tiere in Szene gesetzt werden, sind umfangreich (z. B. mittels der Textsorten Erklären, Beschreiben, Erzählen sowie kommunikativer Gattungen wie Frotzeln und interaktiver Praktiken wie Dressuren). Die Münchner Doku-Soap Nashorn, Zebra & Co. (NZC) aus dem Tierpark Hellabrunn sticht mit einer Praktik allerdings besonders hervor: Der Sprecher animiert mit seinem Voice-Over-Kommentar sprachlich tierliche Gedanken oder Gefühle, was einer verbalen Untertitelung als Übersetzung gleichkommt. Dabei stellt sich die Frage: Wie erkennt der Sprecher, dass das jeweilige Tier eben diese Gedanken oder Emotionen hat? Anders ausgedrückt: Welche von den Tieren ausgehenden Zeichen lassen seine Übersetzungen als Akte der Transkriptivität (Jäger 2010)Footnote 13 – der Überführung von Bedeutungen von einem Zeichensystem in das andere – authentisch oder plausibel erscheinen? Narration, Dramatisierung und Inszenierung sollen unterhaltsam sein, nicht aber durch übertriebene Fiktionalisierungen den Dokumentationscharakter aushebeln.

Grundsätzlich treten die Pfleger*innen und der Sprecher in den untersuchten Beispielen als zusammengehörige kommunikative Instanz auf, die die körperlichen Ausdrücke der Tiere versteht bzw. durchschaut. Miteinander interagierende Pfleger*innen und Tiere gehören zum inneren Kommunikationskreis der Sendung (Burger/Luginbühl 2014, S. 23), während der Sprecher eine Scharnierfunktion zwischen dem inneren und dem äußeren Kreis, in den auch die Zuschauer*innen eingebunden sind, übernimmt. Wenn er aber die Tiere verbal animiert, so übernimmt er gleichzeitig die Rolle von Akteur*innen aus dem inneren Kreis. Er wird damit in medialer Hinsicht zu einem Mehrfachwesen, das einerseits innerhalb der Szenerie verankert ist (inhaltlich, als vermeintlicher Autor der Äußerung, der das Gedachte/Gefühlte der Tiere als ›Urheber*innen‹ in Symbolsprache übersetzt). Andererseits ist er außerhalb der Szenerie situiert, da die Redebeiträge der Tiere aus einer Metaperspektive heraus animiert werden. Schon weil der Sprecher diesen Status eines allwissenden Erzählers innehat, kommt ihm Autorität im Rahmen einer solchen mensch-tierlichen kommunikativen Kollaboration zu.

Für die exemplarischen mediengesprächslinguistischen Analysen wurden Szenen aus drei Münchner Sendungen ausgewählt, um typische Arten der tierlichen Animation mit ihrer inhärenten Bedeutungskonstruktion (Vereindeutigung/Produktion von Mehrdeutigkeit) aufzuzeigen. Zwar ist die animierte Rede fiktional: So hält Goffman (1980, S. 565–566) es für ein »nicht uninteressantes Verfahren«, dass es in Karikaturen oder im Roman möglich ist, »innere Gedanken – oder vielmehr Gedankengefühle« in »gewöhnliche Umgangssprache« zu übertragen. »Auf den ersten Blick sollten Gefühlsreaktionen auf das Geschehen nicht in Form von Sätzen auftreten, und wenn es geschieht, scheint es eine beträchtliche Freiheit zu bedeuten« (Goffman 1980, S. 566/FN 25). Zudem ist Huff/Haefner (2012, S. 168) darin zuzustimmen, dass diese Freiheit in Bezug auf andere Spezies ganz besonders gilt. Letztlich ist aber jedes ernstgemeinte Empathisieren nur »die Vorstellung eines Beobachters, einen anderen emotional oder kognitiv zu verstehen« (Breithaupt 2016, S. 20, Herv. i.O.). Als Akte der Inszenierung von Empathie zeigt sich jedoch, dass die tierlichen Redebeiträge in der Zoo-Doku-Soap in drei Kategorien der Inszenierung unterteilt werden können:

  • Authentisch: Die Animation der tierlichen Rede erfolgt in einer Weise, dass sie authentisch erscheint. Diese Authentisierung wird vor allem durch das konstruierte Zusammenspiel tierlicher verbaler und nonverbaler Displays erzeugt.

  • Plausibel: Die Animation der tierlichen Rede weist keinen unmittelbaren Zusammenhang mit nonverbalen kommunikativen Displays der Tiere auf, wirkt aber (noch) durch die Einbettung in den narrativen Kontext plausibel. Plausibilität wird durch die Inszenierung situationsspezifischer tierlicher Kommentare erzeugt, die sich inhaltlich unmittelbar auf die Lebenswelt ›Zoo‹ beziehen, sowie durch ein besonderes tierliches Sprachregister.

  • Unglaubwürdig: Die Animation der tierlichen Rede erscheint unglaubwürdig, wenn sie zwar noch in die Narration eingebettet ist, aber inhaltlich den Wissenshorizont eines ›Zootiers‹ überschreitet.

Die Sequenzen wurden nach dem Gesprächsanalytischen Transkriptionssystem GAT 2 (Selting et al. 2009) transkribiert, wobei für die Beispiele »Ungeduldige Schimpans*innen« (a) und »Genießende Schimpans*innen« (b) eine umfangreichere tabellarische Dokumentation und Analyse gewählt wurde, da sie komplexere interaktive Zusammenhänge aufweisen. Bildinhalte und multimodale Aspekte werden prägnant zusammengefasst, besonders relevante Text-Bild-Bezüge werden mit Hilfe von Screenshots dokumentiert. Bei den übrigen Beispielen werden einzelne verbale Displays aus Platzgründen im Fließtext der Analyse wiedergegeben.

Die meisten der sprachlichen Animationen finden im Kontext des Fütterns statt. Die Praktik des Fütterns wird in Zoo-Doku-Soaps vermehrt gezeigt, um die Tiere in Aktion zu filmen. Gefüttert wird zur allgemeinen Beschäftigung, zur Belohnung, als Lockmittel und auf Zwang im Rahmen der Eingabe von Medikamenten (Rosenblatt 2023). Das Geben und Nehmen ist eine interspezifische Koaktivität, bei der die Tiere in der passiven, abhängigen Rolle der Nehmenden agieren. Die Fütterungsszenen unterliegen einer »Fürsorge-Ästhetik«, d. h. es geht grundsätzlich um »Darstellungen, in denen Tiere und Menschen in Kontakt treten, sich ansehen oder berühren« (Zenker 2020, S. 149). Ein anderes Lebewesen zu nähren, seine leiblichen Bedürfnisse zu stillen, gehört zu den grundlegendsten Aspekten der universalen Basissituation der Betreuung, die definiert ist durch die »Bereitschaft, erkannte Bedürfnisse und Defizite des Partners zu kompensieren« (Sager 2004, S. 227). Noch im 19. und 20. Jahrhundert war daher die Fütterung der Tiere durch die Besucher*innen eine Attraktion, gehörte sie doch zu den Erlebnissen, »die alle […] Sinne aktivierte. Tiere wurden durch sie gleichzeitig gesehen, gespürt, gehört und gerochen« (Klothmann 2015, S. 298). Gerade weil die Besucher*innen die meisten Tiere heute nicht mehr selbst füttern dürfen, sind die festen Fütterungszeiten in den Zoos sowie die Fütterungsszenen in den Zoo-Doku-Soaps beliebt. Die Bilder der Fürsorge geben den Zuschauer*innen ein gutes Gefühl. Sie blenden aus, dass es sich beim Zoo nicht um eine Wohlfühloase, sondern um eine totale Institution (Goffman 2020) handelt.Footnote 14

4.2 Die authentische Übersetzung

Innerhalb des Genres muss jegliches Sprechen als Inszenierung im Rahmen konventionalisierter medialer Praktiken verstanden werden, die authentisch erscheinen sollen, aber spezifischen narrativen Logiken folgen. Am Beispiel »Ungeduldige Schimpans*innen« (a) wird gezeigt, wie es gelingt, dass die fiktionalen Redebeiträge der Tiere authentisch, d. h. inhaltlich als faktisch erscheinen, indem sie vereindeutigt werden: Der Sprecher tut hier nicht so, als ob Tiere sprechen könnten, sondern er verbalisiert das vermeintlich ›Offensichtliche‹, wobei er als empathischer Erzähler auftritt, der sich allozentrisch, d. h. im Zuge einer Origo-Verschiebung (Bühler 1999), in die Perspektive der Tiere hineinversetzt.

a) »Ungeduldige Schimpans*innen« (NZC, Staffel 5/2, 2016a)

Die Schimpans*innen werden von der Pflegerin mit gefrorenen Erdbeeren und Müsli gefüttert, was als besondere Leckerei angepriesen wird (Transkript 1, »Nachschub bitte«, Tab. 1).

Tab. 1 Transkript 1 »Nachschub bitte«

In der hier behandelten Sequenz gibt die Pflegerin mit dem Verb warten vor – jetzt WARten sie scho:n naTÜRlich (1/1) –, dass die Aufmerksamkeit der Schimpans*innen auf sie und das Futter gerichtet ist. Sie adressiert die Tiere mit der Frage wer will als ERStes? (1/2) und öffnet die Kommunikationsachse in ihre Richtung. Diese Öffnung wird von der Kamera, die auf die Tiere schwenkt, mitvollzogen. Gezeigt wird einer der Schimpans*innen in der Aufsicht (Abb. 3), wie dieser nach oben sieht.

Abb. 3
figure 3

Schimpanse sieht nach oben (Quelle: NZC, Staffel 5/2, Min. 8.39–8.41)

Die Kameraperspektive indiziert/inszeniert auf diese Weise einen Blickkontakt zwischen Schimpanse und Pflegerin und damit interspezifische Signalkommunikation. Diese bildet, neben der Voraussetzung, dass der Schimpanse erfasst, was hier gerade vor sich geht, oder sogar das menschliche verbale Display versteht, die Voraussetzung für die nun animierte Anrede, die mit der Stimme des Sprechers vollzogen wird: öh ↑HER damit sina (‑) übers TEIlen wird hier UNten entSCHIEden (1/3). Würde der Schimpanse in eine andere Richtung sehen, wäre die Adressierung weniger authentisch. So aber entsteht der Eindruck, dass dem Affen eben diese Gedanken gerade durch den Kopf gehen. Eingeleitet durch die Interjektion öh, die als Empfindungswort (Hermanns 1995) eine Missbilligung der Frage ausdrückt und etwas ›ungehobelt‹ klingt, erfolgt durch den Imperativ ↑HER damit sina ein Weisungsdisplay als Statusverhalten eines Dominanten (Sager 1995, S. 119).

Da die Pflegerin in der betreffenden Szene auch von Ranghierarchien und -streitigkeiten in Bezug auf die Futtereinteilung innerhalb der Schimpans*innengruppe erzählt (nicht im Transkript), kann bei den Zuschauer*innen der Eindruck entstehen, der Schimpanse hätte (auch) eine gewisse Agency gegenüber der Pflegerin, da er ihr diesbezüglich in unhöflicher Weise Befehle erteilen kann. Bezogen auf die räumliche und soziale Position – die Pflegerin steht mit dem Futter oberhalb des Geheges und schaut hinunter, der Schimpanse zu ihr herauf – begegnen sich beide Interaktionspartner*innen allerdings nicht auf Augenhöhe. Das animierte verbale Display fingiert daher in komisierender (oder verhöhnender) Weise ein umgekehrtes Machtverhältnis, in dem Sina die weisungsabhängige Futterspenderin ist: Der Schimpanse erhält (scheinbar) wortwörtlich und im metaphorischen Sinne ein Mitspracherecht. Er besitzt nun nicht mehr nur die Phone (tierliche Stimme), sondern auch den Logos (menschliches Wort), womit er als Subjekt an der Gesellschaft, d. h. Kommunikationsgemeinschaft, partizipieren kann (Aristoteles 1994, 1253a S. 9–18; Chimaira Arbeitskreis 2011, S. 9; Kurth 2011).

Später, nach dem Szenenwechsel, wird der Schimpanse scheinbar unruhig, weil die Pflegerin noch immer nicht das Futter ins Gehege geworfen hat: ALso SIna (‑) was ↑IST jetzt. (1/4). Erneut wird ein namentliches Anrededisplay fiktionalisiert, an das eine ungeduldige Frage anschließt. Die Ungeduld bzw. Dringlichkeit wird prosodisch über den Tonhöhensprung bei der Realisierung des finiten Verbs, zudem über die einfache syntaktische Form indiziert bzw. authentisiert. Das situative emotionale Register erfolgt hier analog zu den stereotypischen Emotionalisierungen in den Animationen der Zoobesucher*innen (Affen als zänkisch, gierig, ungeduldig, Steen 2022). Die gleichzeitigen Bewegungen des Schimpansen – er breitet die Arme aus und führt sie vor dem Körper zusammen (Abb. 4 und 5) – können in diesem Kontext entweder als zappelige Bewegung (Symptom für Ungeduld) oder als Aufforderungsgeste (Aufforderungssignal) passend zum verbalen Display interpretiert werden.

Abb. 4
figure 4

Arme offen (Quelle: NZC, Staffel 5/2 Min. 14.18)

Abb. 5
figure 5

Arme vorgestreckt (Quelle: NZC, Staffel 5/2 Min. 14.19)

Durch das inszenierte Zusammenspiel von Sprache und Körper entsteht der Eindruck einer parallelen Amplifikation (Sager 1989, S. 428), die die Bedeutung der Äußerung auch hier authentisiert. Die Bedeutung der Bewegung wird gleichzeitig sinnhaft vereindeutigt und in die Narration eingepasst.

Im nächsten Moment kündigt die Pflegerin an, das Futter nach unten zu werfen: ↑AUF gehts hm? (1/5). Es wird erneut ein Dialog fingiert, da der Schimpanse in elliptischer Form mit der Aufforderung NACHschub bitte (1/6) antwortet, diesmal inklusive Höflichkeitsformel. Auch hier kann sein parallel erfolgendes Händeklatschen als Aufforderungsgeste interpretiert werden, wodurch die Bedeutung der Bewegung kontextuell vereindeutigt wird. Es entsteht damit insgesamt der Eindruck, dass die tierlichen Bewegungen grundsätzlich leicht (als kommunikative Gesten) zu deuten sind. Das liegt auch daran, dass viele Gesten nichtmenschlicher Primaten dem menschlichen Ausdrucksverhalten homolog sind (Eibl-Eibesfeldt 1999, S. 330).

Später in der Szene deutet die Pflegerin das Verhalten einer Schimpansin als emotional, nämlich als Aufregung: JA (.) du brauchst dich gar nicht AUFregen weil du HAST ja schon den ganzen MUND voll (1/7). Dabei wird die Aufregung allerdings als unangemessen bewertet, denn die Pflegerin kann – wie bei einem kleinen Kind – beurteilen, wie viel Futter die Schimpansin in ihrem Besitz haben darf. Damit wird explizit, wer in dieser Situation Agency besitzt. Letztlich kann die Pflegerin bestimmen, wie viel Futter der Gruppe und den Individuen zugeteilt wird.

Wie in totalen Institutionen (Goffman 2020) üblich, ist die Aufgabe der Wärter*innen u. a. die Kontrolle der Insass*innen. Diese finden aber Strategien, um eigene Formen der Agency zu realisieren, die Goffman (2020, S. 59) »Anpassungsmechanismen« nennt. Wenn also die Schimpansin nun um Futter bittet – BIT↓TE (.) bitte SI↓na (1/8) –, wobei die Position der Submissiven durch die Wiederholung der Höflichkeitsformel und durch den zweimaligen Tonhöhensprung nach unten indiziert wird, so wird hier quasi eine solche Anpassungsstrategie inszeniert. Denn Weisungen sind eben nur dann erfolgreich, wenn man sich in der sozialen Position des Weisungsbefugten befindet und dem Weisungsdisplay ein Erfüllungsdisplay (Sager 1995, S. 128) folgt (und wenn die geforderte Handlung nicht ohnehin vollzogen worden wäre). Insofern legt das mehrmalige Bitten um Futter hier die eigentlichen Machtstrukturen offen. Anders gesagt: Die fiktionalisierte Praktik des Bittens erscheint in diesem sozialen Kontext authentischer als die dominanten Befehle. Deshalb entsteht jedoch nicht unbedingt ein Bruch in der Narration. Warum manche Schimpans*innen ›frech‹ sind und der Pflegerin Befehle erteilen, andere ungeduldig oder gierig und wieder andere unterwürfig erscheinen, können die Zuschauer*innen auf unterschiedliche Charaktere zurückführen, die für eine abwechslungsreiche Dramaturgie förderlich sind.

Während die Schimpansin verbal um mehr Futter bittet, streckt sie ihren rechten Arm nach oben, was die Pflegerin anschließend lachend als BETtelgeste (1/9) bezeichnet. Zwar wurde der Voice-Over-Kommentar nachträglich in die Szene eingefügt, doch entsteht hier der Eindruck, dass das verbale Display der Schimpansin zusammen mit der Geste in Form einer parallelen Amplifikation bei der Pflegerin eine ein-eindeutige Interpretation evoziert. Dabei beinhaltet die Interpretation der Armhaltung als Geste des Bettelns eine negative Wertung: Betteln wird gesellschaftlich betrachtet bei Menschen und Tieren als unangenehm, weil aufdringlich empfunden. Man soll Hunden das Betteln abgewöhnen, weil es nervt oder weil der Hund im Beisein von Fremden als schlecht erzogen gilt. Betteln ist demgemäß eine unangemessene Praktik eines/einer Rangniederen gegenüber einem/einer Ranghöheren (der/die Ressourcen zuweisen kann). Betteln impliziert eine stärkere emotionale Involviertheit der Schimpansin, die nicht nur unbedingt an das leckere Futter herankommen möchte, sondern noch dazu erzogen werden müsste, ihre Emotionen zu kontrollieren. Bezogen auf das Zoo-Setting ist die Bezeichnung ignorant, da sich die Affen nicht selbst mit Futter versorgen können.

Entsprechende (bittende/fordernde) Praktiken, durch die sich die Abhängigkeit bestätigt, sind zudem für totale Institutionen typisch. So beschreibt Goffman für Insass*innen von Strafanstalten den »Zwang, um Kleinigkeiten wie Feuer für die Zigarette, einen Schluck Wasser oder die Erlaubnis das Telefon benützen zu dürfen, bitten, betteln oder gar demütig nachsuchen zu müssen« (Goffman 2020, S. 32). Dass das tierliche Display dennoch in der Soap sprachlich als Betteln konstruiert wird, zeigt, dass die soziale Mensch-Tier-Hierarchie als ›natürlich‹ verinnerlicht ist, andernfalls könnte die Pflegerin an dieser Stelle auch Empathie, d. h. Verständnis gegenüber den Schimpans*innen zeigen, die bezüglich der Futtersuche keine arteigene Agency entfalten können.

4.3 Die plausible Übersetzung

In der zweiten zugehörigen Szene im Schimpans*innenengehege (»Genießende Schimpans*innen«) können sich die Tiere mit Wasser aus einem Schlauch erfrischen (Transkript 2, »Kühles Wasser«, Tab. 2). Hier werden die verbalen Animationen nicht mehr von tierlichen nonverbalen Aktionen, die als kommunikative Displays interpretiert werden können, gestützt. Die tierlichen Kommentare erscheinen aber durch das Setting, den Kontext und die Narration als plausibel. Auffällig ist zudem die Verwendung von Tiermetaphern, die im Folgenden genauer untersucht wird.

b) Genießende Schimpans*innen (NZC, Staffel 5/2, 2016a)

Tab. 2 Transkript 2 »Kühles Wasser«

Zunächst indiziert die Interjektion a::h (2/1), die ein tierliches Wohlbefinden ausdrückt, einen sprachlichen Perspektivwechsel. Die Zuschauer*innen sollen verstehen, dass es den Schimpans*innen trotz sommerlicher Hitze gut geht, mehr noch, dass der Zoo gut für die Tiere sorgt: KÜHles WASser (‑-) ein geNUSS bei DER AFFenhitze (2/1). Auffällig ist die Verwendung des emotionsbeschreibenden Substantivs Genuss. Genießen als Form der emotionalen Hingabe ist positiv denotiert und beschreibt ein intensives, bewusstes Gefühlserlebnis, das in der Szene aber nicht durch äußerliche, d. h. körperliche Indikatoren authentisiert werden kann. In den untersuchten Zoo-Doku-Soaps konnte diese sprachliche Konstruktion, besonders im Kontext von Fütterungsszenen, als emotive (Reddy 2001, S. 323–324), d. h. als kontextsensitives emotionales Muster verifiziert werden. Die konkrete und generalisierte Behauptung, dass die Tiere ihr Essen oder ihr Leben im Allgemeinen genießen, fungiert als Legitimierung der Tierhaltung (siehe auch Steen 2022, S. 569–570).

In den Soaps, ebenso wie in den Zoogesprächen, ist zudem die Verwendung von Tiermetaphern auffällig, mit denen auf Tiere referiert wird.Footnote 15 Der hier vorliegende Fall ist besonders, da der Affe selbst zwei Tiermetaphern verwendet, nämlich AFFenhitze (2/1) und AFFenstark[…] (2/3), und damit auf Entitäten in der von ihm erlebten Welt referiert (Umgebungstemperatur, unerwartete Leckereien). In beiden Konstruktionen wird das Lexem Affe als Präfix mit augmentativer Funktion verwendet (Habermann 2015, S. 83, FN 30). Die Präfixe sind vom Sprecher nicht zufällig gewählt (statt z. B. sau-), sie sollen komisch sein. Auf der stilistischen Ebene kann an dieser Stelle von einem Register chimplect (analog zum doggielect) gesprochen werden, da es so scheint, als wenn die Lexeme die Perspektive des Affen in adäquater, ja zwingender Weise wiedergeben. Da das Präfix zur Reihenbildung neigt, wäre dann alles, was Affen erleben, entweder affenstark, affengeil, ein Affentheater, eine Affenliebe, ein Affenstall usw. Da hier das Lexem Affe und die Spezies, die dieses verwendet, zur Deckung kommen (anders als bei einem Bonobo, der als »Rabenmutter« bezeichnet wird, Steen 2022, S. 650 f.), kann von einem strukturell motivierten Figuralisieren gesprochen werden. Spender- und Zielbereich der Metapher liegen nahe beieinander, bzw. der Zusammenhang von Sprache und Welt ist zirkulär (Steen 2022, S. 654).

Benutzt der Affe selbst Tiermetaphern, werden diese in sozialer Hinsicht als adäquat legitimiert (nach dem Motto: so nehmen Affen also ihre Welt wahr, allzu intensiv, geradezu ›affig‹). Die Metaphern werden dabei auf formaler Ebene entfiguralisiert, da sie jetzt in einem wörtlichen Sinne verwendet werden, was in naiver Weise einer Plausibilisierung der animierten Rede mit dem Schimpansen als Urheber und Autor dient. Hier gilt deshalb in einem besonderen Maße, was Malamud für die Verwendung von Tiermetaphern schreibt: »Some figurative animal images contain a grain of truth (yes, oxen are strong), and many do not, but in any case, such figures do more to distance us from other animals than to connect us with them« (Malamud 2012, S. 12). Wie bei den präsentierten ›Haustieren‹ im Internet verselbstständigt sich die Narration aufgrund eines komisierenden Sprachspiels. Die figurative Sprache verdeckt, was der Schimpanse tatsächlich empfinden mag, dem sich die Zuschauer*innen über ein empathisches Sehen annähern könnten, auch wenn die tierlichen Ausdruckszeichen nicht als eindeutig zu bestimmen sind. Der ›Dolmetscher‹ nimmt ihnen ein mögliches Empathisieren ab, unterbindet es, macht es unnötig.

(Menschen‑)Affen gelten diskursgeschichtlich als kluge Tiere (die aber nicht so klug sind wie Menschen). Sie sind, so Johann Gottfried Herder (bezogen auf Orang-Utans) Grenzgänger am »Rande der Vernunft« (Haikal 2016, S. 60). Vor diesem Hintergrund scheint die sprachliche ›Übersetzung‹ bei ihnen authentischer und plausibler als bei anderen Tierarten, da das auf inhaltlicher Ebene vollzogene Anthropomorphisieren nicht zwingend von den Zuschauer*innen erkannt wird. Middelhoff untersucht die erzählerische Praktik als Translation im Kontext der literarischen Biografie des Affen Memenet von Johann Jacob Ebert (Middelhoff 2020, S. 236–238; Ebert 1789). Der heterodiegetische Erzähler übersetzt die ›Sprache‹ der Affen, die Affensprache, in die Menschensprache und inszeniert sich damit als »Erklärungsinstanz, die einer Irritation derjenigen Leser/innen entgegenzuwirken sucht, denen der Affendialog in deutscher Sprache fabel- oder märchenhaft erscheinen könnte« (Middelhoff 2020, S. 237). Die Übersetzungsleistung impliziert, dass die Affen über eine komplexe Sprache (ähnlich wie Parseltongue) verfügen, die übersetzt werden kann (Middelhoff 2020, S. 237). Ebenso inszeniert sich in der Zoo-Doku-Soap der Sprecher als kompetenter Übersetzer, indem er aber die ›Affensprache‹ bzw. den chimplect erst stilistisch konstituiert. Der abschließende animierte Redebeitrag GERne doch (‑) SIna (‑--) aber bitte (.) WIEder mit einer AFFenstarken überRASCHung (2/3), der Einverständnis bzw. Akzeptanz und Vorfreude signalisiert, wird zwar nicht mehr durch nonverbale Displays authentisiert, er wirkt aber plausibel im Kontext der Narration über glückliche ›Zootiere‹, für die die Begegnungen mit ihren Pfleger*innen (als Freund*innen) stets angenehm sind.

c) Ungeduldige Eisbär*innen (NZC 5/8, 2016c)

In der nächsten hier behandelten Szene füttert der Pfleger (Helmut) die Eisbär*innen, die zurzeit in sehr kleinen Zellen eingesperrt (Min. 1.07) sind, weil die Außenanlage gereinigt wurde. Der Pfleger steckt ihnen Datteln durch die Gitterstäbe zu. Diese Süßigkeit erhalten sie zur beLOHnung (Min. 01.20) (weil sie so geduldig auf den Freigang gewartet haben, weil sie AUFgeregt (Min. 1.51) und noch nicht so lange da (Min. 1.53) sind). Der Pfleger verlässt dann mit dem Redebeitrag so: (.) dann gehn wir mal auf die ANlage RAUS (2.0) da is alles oKAY (Min. 2.02–2.07) den Zellentrakt der Bär*innen. Nach einem Schnitt ist Eisbär Yoghi zu sehen (der ein Jahr später an einem Nierenversagen starb), wie dieser nach vorn an die Gitterstäbe kommt, den Kopf gesenkt. Der Sprecher animiert die Stimme des Bären mit: ↑<<gehaucht>helMUT (.) wir möchten endlich RAUS ins neue reVIER> (Min. 2.08–2.11). Dabei lässt er seine Stimme höher, fast heiser klingen. Auch hier signalisiert das namentliche Anrededisplay eine vertraute interspezifische Beziehung, der Beitrag erscheint dadurch als ein Antworten auf das menschliche Display. Realisiert wird hier ein indirekter Sprechakt. Der Aussagesatz informiert zwar darüber, dass die Bär*innen (wir) ins Freigehege gelassen werden möchten, das Temporaladverb endlich signalisiert jedoch Ungeduld, weshalb es sich hier um eine indirekte Aufforderung handelt, sich mit dem Öffnen der Türen zu beeilen. Über den Redebeitrag wird der Eisbär erkennbar ohne Agency konstruiert, der, im Gegenteil, (zu) lange auf die (befreienden) Handlungen der Menschen warten muss. Dass die Unterbringung nicht artgerecht ist, lässt sich allerdings auch nicht vertuschen. So impliziert die animierte Rede auch, dass Yoghi weiß, dass diese sehr beengten Umstände nur vorübergehend sind und er deshalb nicht traurig sein muss. Vollends als fiktional erkennbar ist dann ein Sprechen über Tiere, nachdem der Pfleger den Zuschauer*innen das Außengehege präsentiert hat und Eisbärin Giovanna zu sehen ist, wie diese in ihrer Zelle den Kopf auf und ab bewegt. Der Sprecher behauptet: auf das neue TAUCHbecken freut sich gioVANna am MEISten (Min. 3.09–3.12). Die Kopfbewegungen in der engen Zelle als Symptome der Freude zu interpretieren, fällt schwer, dennoch wird hier sprachlich eine eindeutige Gemütsverfassung der Bärin konstruiert. Die strukturelle Ungewissheit (Hörmann 1970, S. 55) in der Interpretation der Zuschauer*innen (»It is hard for you to tell / whether or not I am praying / for snow or just staring«), die viel eher auf die Idee kommen könnten, die Bärin sehe traurig aus, wird mit dieser Information (scheinbar) beseitigt.

d) Zufriedene Braunbärin, glücklicher Pinguin (NZC 5/8, 2016c)

Auch in den folgenden Sequenzen werden lediglich über die kontextuelle Situierung der animierten Rede plausible tierliche Gedanken konstruiert: Braunbärin Olga nagt an dem Futter, das ihr ins Gehege geworfen wurde, und befindet anerkennend: FRUCHTeis mit HÜHNchen (‑-) damit könnte NEle ÖFter mal vorBEIkommen (Min. 24.24–24.27). Nachdem Pinguin Laszlo aus der Tür seines Geheges geschlüpft ist und eingefangen wird, sagt er artig: DANke HELmut (‑) war ein SCHÖner AUSflug (Min. 27.54–27.57).

Das Muster der namentlichen Anrede bzw. der Nennung des Vornamens der Pfleger*innen zieht sich durch alle Beispiele. Es erhöht die Plausibilität der tierlichen Gedanken bzw. der Einstellung aufgrund einer fingierten Dialogizität und sozialen Bezogenheit innerhalb der Narration von zufriedenen, glücklichen ›Zootieren‹.

4.4 Die unglaubwürdige Übersetzung

Dass die animierte Rede inhaltlich erkennbar (rein) fiktional sein kann, zeigen die folgenden beispielhaften Sequenzen. Sie ist dann nur noch ein Sprechen als ob die Tiere so etwas denken könnten. An dieser Stelle wird der Dokumentarcharakter der Soaps ausgehebelt, die ›Übersetzung‹ wird unglaubwürdig und hat deshalb nur noch den Charakter einer fantastischen Nachvertonung.

e) Anerkennender Eisbär (NZC 5/8, 2016c) und witzelnder Pinguin (NZC 5/6, 2016b)

Bereits die Behauptung, Eisbärin Giovanna freue sich auf die neue Außenanlage und am meisten auf das neue Tauchbecken (c), ist als fiktional einzustufen. In der folgenden Szene würdigt nun Yoghi die neue Gestaltung des Außengeheges und offenbart dabei ein erstaunliches Wissen über menschliche Schlafgewohnheiten und soziale Anerkennungen. Nachdem der Pfleger auf der Anlage Holzstreu, das den Bär*innen unwahrscheinlich SPASS (Min. 10.34) macht, anpreist, gibt es einen Schnitt. Der Eisbär steht erneut an den Gitterstäben seiner Zelle und der Sprecher animiert seine Rede mit dem Lob: eine KUschelige maTRATZe aus HACKschnitzel (.) Helmut (.) der EINfall ist PREISverdächtig (Min. 11.03–11.09). Weder authentisieren hier nonverbale Signale den Redebetrag noch wird er durch das Setting plausibilisiert, denn der Eisbär befindet sich nicht am fraglichen Ort, kann also gar nicht wissen, dass gerade über »Hackschnitzel« gesprochen wird, und was Matratzen oder Preise sind, dürfte ihm auch nicht bekannt sein. Diese ortsunabhängige Äußerung und die beliebige Erweiterung seines Wortschatzes über situative Umstände hinaus macht aus diesem Redebeitrag ein fiktionales Sprechen durch Tiere, das lediglich der positiven Darstellung der Außenanlage dient.

Ähnlich verhält es sich mit einem Kaiserpinguin, der prinzipiell Blickkontakt mit der Pflegerin haben kann, die gerade die Pinguine füttert. Sie fordert ihn zum Antworten auf, wenn sie ihm zuruft: wann kommt das EI (.) hä? wann KOMMTS (Min. 20.29–20.31). Doch auch hier ist seine Antwort für den Wissenshorizont eines Zoopinguins nicht plausibel. Der Pinguin in Nahaufnahme streckt kurz seinen Hals, dreht den Kopf nach links und antwortet dann, indem er ihre Frage genervt wiederholt: wann kommt das EI? bin ich der OSterHAse? (Min. 20.29–20.36). Als er dann in Richtung Wasserbecken geht, erklärt er sein eigenes Verhalten mit: erst mal SCHWIMmen (.) ist doch hier keine HÜHnerfarm (Min. 20.46–20.50). Obwohl als konkrete Antwort in der Szene lokalisiert, sind die Redebeiträge inhaltlich nicht situativ gebunden, wenn sie religiöse Rituale und ›Nutztier‹-Haltung (›Ostern‹, ›Hühnerzucht‹) kontextualisieren, die nicht in die Lebenswelt von Zoo-Pinguinen gehören. Hat sich sonst der Sprecher mehrheitlich mit realistischen Fiktionen als ›Übersetzer‹ geriert, so bewirkt hier die komisierende absurde Fiktion (Steen 2012) eine imaginäre Verwandlung der gezeigten realen Tiere in animierte Tiere, wie sie etwa im Animationsfilm Madagaskar zu sehen sind. Die übergriffige, fast unflätige Frage der Pflegerin nach der baldigen Brut der Pinguine, die ihre Eier nicht für die Menschen legen (wollen), wird durch den Sprecher (für Tiere und Pflegerin) imagewahrend kompensiert, indem er dem Pinguin über das verbale Display als selbstbewusste, humorvolle Retourkutsche Agency zuschreibt: Der Pinguin lässt sich nicht als Osterhase oder Legehenne in den Diensten der Menschen ausbeuten und genießt lieber seine ›Freiheit‹ beim Schwimmen. Hier werden mit einem Sprechen als und durch Tiere die negativen Auswirkungen, die die Zucht der Zoos für die Tiere haben kann (z. B. durch Eingriffe, Störungen, Trennung vom Nachwuchs usw.), heruntergespielt.

5 Schlussbetrachtungen: Inszenierte Antworten medialer Subjekte

›Sprechende‹ Tiere begegnen uns allerorten und wecken immer wieder kultur- bzw. literaturwissenschaftliches Interesse. Im vorliegenden Beitrag wurde eine Praktik gesprächslinguistisch untersucht, die in der (HAS-)Forschung bislang kaum beachtet wurde: die verbale Animation von ›Zootieren‹, insbesondere von medialisierten ›Zootieren‹ in Zoo-Doku-Soaps. Es wurde gezeigt, mit welchen sprachlichen Mitteln sich dabei der Off-Kommentator als empathischer Tierversteher geriert. Mit der sprachlichen Animation zum tierlichen Befinden schlüpft er zeitweise in die Rolle des ›Dolmetschers‹, um den Zuschauer*innen die tierliche Perspektive näher zu bringen. Für die Inszenierung des Zoos als ›Wohlfühloase‹ hat die sprachliche Animation der Tiere eine besondere Bedeutung. Im Vergleich mit der sonst üblichen Konstruktion tierlicher Emotionen in einem Sprechen über Tiere, können durch die mediale Praktik des Sprechens als und für Tiere – die vom Sprecher als Scharnier zwischen innerem und äußerem Kommunikationskreis vollzogen wird – die Zuschauer*innen stärker emotional in die dargestellte Handlung involviert werden. Zweifel daran, ob es den Tieren im Zoo gut gehen mag, können auf diese Weise quasi von den Tieren selbst – die zu ihren Pfleger*innen enge soziale Beziehungen unterhalten, ihr Futter nicht nur essen, sondern genießen, die dankbar für Belohnungen und kurze Ausflüge sind und die sich nicht als ›Nutztier‹ ausbeuten lassen – ausgeräumt werden.

In der Analyse konnten drei unterschiedliche Arten der tierlichen Animation verifiziert werden: die authentische, plausible und unglaubwürdige Animation. Sie weisen jeweils unterschiedliche Verteilungen des Redestatus auf. Damit korrelierend sind verschiedene Arten der Bedeutungskonstitution verbunden. Werden nonverbale tierliche Ausdrücke in die fingierte Konversation zwischen Tieren und Pfleger*innen eingebunden, findet eine Vereindeutigung tierlichen Denkens oder Empfindens auf der Ebene der Interaktion im Zuge einer konstruierten parallelen Amplifikation statt, wodurch die Bedeutungszuschreibung authentisch wirkt. Der Sprecher tritt hier erkennbar als Animator und Autor auf, die Tiere sind Urheber*innen: Sie sind zwar nicht sprachmächtig, aber ihre nonverbalen Displays können scheinbar leicht in Symbolsprache übersetzt werden. Kann die sprachliche Animation nicht an nonverbale tierliche Displays gebunden inszeniert werden, wird mit einer spezifischen Tiersprache (chimplect), d. h. über die zirkuläre Verwendung von Tiermetaphern, die konstruierte tierliche Perspektive plausibilisiert. Die ›Tiersprache‹ lässt die Tiere nicht mehr nur als Urheber*innen, sondern auch als Autor*innen erscheinen, der Sprecher ist nur noch Animator. Seine Rolle wandelt sich vom authentischen, empathischen ›Übersetzer‹ tierlichen Ausdrucksverhaltens zum Erzähler glaubwürdiger Tiergeschichten, wenn durch kontext- und situationsspezifische verbale Displays auf der Ebene der Narration vereindeutigt wird, was in den Tieren vor sich gehen mag, wenn sie in enge Käfige gesperrt ausharren oder gegen ihren Willen eingefangen werden.

Der Eisbär, der sich mit Matratzen und Ehrungen, der Pinguin, der sich mit Hühnerzucht und Ostern auskennt und außerdem zu Scherzen aufgelegt ist, ist weder ein authentischer noch plausibler Urheber oder Autor der Redebeiträge. Vielmehr bewirkt die humoristische Fiktion, dass der Erzähler zum Komiker wird, der (nur noch) im Zuge eines Sprechens durch Tiere agiert, um die Institution Zoo aufzuwerten und TV-Zuschauer*innen zu generieren. Auf dieser modalen Ebene wird die ›Übersetzung‹ und Erzählung unglaubwürdig, es findet daher eigentlich keine Vereindeutigung gezeigter tierlicher Displays statt. Vielmehr wird eine jegliche Bedeutungszuschreibung möglich, werden die Tiere als fiktionale Projektionsflächen zum Zwecke des Amüsements legitimiert. Diese Freiheit der Interpretation impliziert allerdings keine zookritische Position, wie sie der diegetische Knut bei Tawada einnimmt. Der Eisbär in seiner Zelle im Münchner Zoo freut sich über die Ausstattung der Außenanlage, aber fragt nicht, ob er »gegen Zahlung« (Tawada 2014, S. 289) seine enge Zelle verlassen kann.

Kann die sprachliche Animation von Tieren in den Zoo-Doku-Soaps dazu führen, dass Zuschauer*innen und Besucher*innen gegenüber den zur Schau gestellten Tieren empathischer werden? Entscheidend ist, dass es einen Unterschied zwischen sprechenden literarischen und sprechenden Tieren im TV gibt. Mit sprechenden literarischen Tieren wird »nie [wirklich] der Anspruch erhoben, auf reale Tiere zu referenzialisieren« (Klatt 2018, S. 245), selbst wenn abgedruckte Fotos der Tiere zur Authentifizierung dienen. Zoo-Doku-Soaps haben in erster Linie ein Interesse daran, die Zoos in einem positiven Licht dastehen zu lassen, die Tiere unterhaltsam zu präsentieren und dabei authentisch erscheinen zu lassen. Das gelingt, indem die Anschauungsobjekte medial zu inszenierten sprechenden Subjekten werden. Den Zoos geht es aber – anders als PETA mit ihrer Poster-Aktion – nicht darum, Empathie für die Tiere im Zoo als reale Subjekte zu wecken. Die Tiere treten in erster Linie als TV-Protagonist*innen auf. Sie scheinen zwar immer zu verstehen, was die Pfleger*innen sagen, und können ihnen mit Hilfe des ›Dolmetschers‹ antworten, tatsächlich haben sie aber nur ein fingiertes Mitspracherecht. Die animierte Rede ist nur aus medialer, nicht aber aus philosophischer Sicht eine Antwort. Über die zugeschriebene Fähigkeit des Antwortens werden Lebewesen zu Subjekten, d. h. zu Menschen: »Selbst jene, die – von Descartes bis Lacan – besagtem Tier eine gewisse Fähigkeit zum Zeichen und zur Kommunikation zugestanden, haben ihm das Vermögen zu antworten – etwas vorzutäuschen, zu lügen und die eigenen Spuren zu löschen (effacer) – stets abgesprochen« (Derrida 2016, S. 60, Herv. i.O.). So sind es hier denn auch keine Antworten, die die Tiere geben, weder im gesprächslinguistischen noch im philosophischen Sinne: Die Pfleger*innen rechnen nicht mit einer Antwort der Tiere, selbst wenn sie ihnen Fragen stellen, und sie hören die nachträglich eingefügte Stimme des ›Übersetzers‹ nicht, weshalb sie auch nicht selbst auf die animierte Rede antworten können. Was die Zuschauer*innen hören, sind nur Reaktionen auf menschliches Tun im Kontext der Fütterung bzw. im jeweiligen Zoo-Setting. Die Tiere bringen sich nicht selbst qualitativ in das ›Gespräch‹ ein, ihre Reaktionen bleiben einem erwartbaren anthropozentrischen Schema verhaftet. Dennoch oder gerade deshalb bewirken die Mittel der Authentisierung und Plausibilisierung, dass die präsentierte Tierperspektive als Faktum erscheinen kann. Die geliehene Stimme wird zu einer ›Spur des Wirklichen‹ (Ulrich 2012, S. 84) bzw. erweckt den Eindruck von »traces of trans-species-co-authorship« (Herman 2016, S. 9).

Eine Facebook-Userin bringt diesen Mechanismus der medialen Überzeugung selbstreflektierend auf den Punkt, indem sie auf das gepostete Foto eines ›traurigen‹ Hundes reagiert, zu dessen Geburtstagsparty kein anderer Hund gekommen ist: »I hate these posts for making me feel so terrible for a dog that literally had no idea anything was happening and definitely was not sad about it. My rational brain knows not to care, but my emotional brain cries every time« (Facebook, 03.04.2023). Das, was die Userin als ›emotionales Gehirn‹ bezeichnet, ist ihre emotionale Empathie, die narrativ getriggert wird, obwohl sie vom Verstand her weiß, dass der Hund nicht wegen einer ausgefallenen Party traurig ist, es höchst zweifelhaft ist, dass er überhaupt traurig ist.

Posthumanistische Theorien erweitern die Fähigkeit des Sprechens (und Antwortens) auf (lebende) Materie im Allgemeinen: Es wird davon ausgegangen, dass in »a sense of a posthuman world, in which voices come from all sorts of beings (including not just dogs but atoms), the human voice is demoted from its conventional position of authority and control to one among many« (Armbruster 2015, S. 31). Wer eine Stimme hat, die gehört werden kann, wer also in welcher Form über (kommunikative) Agency verfügt, kann im Vorfeld nicht entschieden werden. Tierliche und menschliche Körper sind außerdem »keine Gegenstände mit vorgegebenen Grenzen und Eigenschaften; sie sind materiell-diskursive Phänomene« (Barad 2018, S. 43) und formen sich erst in der Intraaktion. Ebenso wird in der Akteur-Netzwerk-Theorie der »Gegensatz zwischen stummen Entitäten und sprechenden Subjekten« (Latour 2015, S. 104) aufgebrochen, wenn sich die Entitäten in Kollektiven, in denen sie unterschiedliche Funktionen erfüllen, versammeln. Aus dieser posthumanistischen Perspektive wären auch ›sprechende‹ Tiere in den Zoo-Doku-Soaps soziale Akteur*innen, die Agency entfalten, indem sie uns an die immer schon bestehende intensive kommunikative Verwobenheit von menschlichen und tierlichen Akteur*innen erinnern und uns auf die vielen Situationen aufmerksam machen, in denen Menschen, vielleicht viel weniger offenkundig als in den Soaps, vorgeben, für Tiere zu sprechen, während sie eigentlich nur durch Tiere als Artikulationsmedien sprechen. In einer interspezifischen Kommunikationsgemeinschaft wäre die tierliche Andersartigkeit gewürdigt, wenn echte tierliche Antworten in ihrer für uns potenziellen Mehrdeutigkeit toleriert bzw. überhaupt erst wahrgenommen und zum Anlass genommen werden würden, um über die Zusammensetzung der Gemeinschaft und ihre sozialen und ethischen Implikationen zu reflektieren.