1 Einleitung

Dass sich die FPÖ in ihrem auf den meisten ihrer Werbekommunikate aufscheinenden Parteilogo als »DIE SOZIALE HEIMATPARTEI« bezeichnet und sie damit diese Selbstbenennung als kampagnenübergreifenden Wahlslogan einsetzt, zeigt schon, wie zentral der Begriff Heimat für diese Partei ist. Er dient ihr einerseits zur ideologischen Selbstpositionierung, andererseits in Form eines Fahnenworts als rhetorisches Mittel. Dabei kann die FPÖ auf ein zwar vage und kaum einmal konkret und explizit definiertes, aber bereits mehr oder weniger in ihrem Sinn vorgeformtes Konzept von Heimat zurückgreifen, dessen perspektivische Zuspitzung sie darüber hinaus von einem rechtspopulistischen Standpunkt aus in ihrer politischen und vor allem in ihrer propagandistischen Kommunikation betreibt. Darzustellen, wie dieses Konzept von der FPÖ diskursiv konturiert und rhetorisch funktionalisiert wird, ist das Ziel dieses Beitrags.

Dazu werden zunächst die grundlegenden ideologischen Vorstellungen des Populismus, speziell des Rechtspopulismus, sowie damit verbundene Formen rhetorisch-strategischen Agierens erläutert (Kap. 2), um aufzuzeigen, warum sich gerade das Sprechen und Schreiben von einer Heimat zur Abgrenzung des von Populisten gemeinten Volkes von den ›Anderen‹ eignet. In Kap. 3 werden Vorstellungen aufgezeigt, die dem allgemeinen Konzept heimat inhärent sind und auf denen Konzeptualisierungsprozesse rechtspopulistischer Rhetorik aufbauen können (Kap. 4). Mit einer Analyse konkreter Diskursrealisationen des Konzepts heimat im Parteiprogramm der FPÖ, auf Wahlplakaten und in anderen propagandistischen Texten schließt der Beitrag (Kap. 5).

2 Populismus und populistische Rhetorik

Populismus wird in der Forschung von den einen als Ideologie eingestuft, von anderen hingegen als Strategie politischen Agierens betrachtet (vgl. Hartleb 2014, S. 42–45). Auch im alltäglichen politischen Diskurs werden einerseits Parteien als in ihrer ideologischen Ausrichtung populistisch bezeichnet, andererseits wird zuweilen ein einzelner kommunikativer Akt oder z. B. eine Wahlkampagne – zumeist vom politischen Gegner – als populistisch (ab-)gewertet, unabhängig davon, von welcher Partei sie durchgeführt wird. Diese Unterscheidung soll hier insofern nicht aufrechterhalten werden, als zwar nicht-populistische Parteien oder Politiker sich zuweilen populistischer Rhetorik bedienen können, jedoch kaum ein Fall vorstellbar ist, dass Parteien, die einer populistischen Ideologie folgen, nicht auch, und zwar im Grunde notwendigerweise strategisch sowie rhetorisch populistisch handeln und kommunizieren. Daher wird hier ein Populismus-Konzept vertreten, das beide Aspekte umfasst, wobei, nämlich der ideologische, den anderen bedingt.Footnote 1

Was für die Ideologie des Populismus zentral ist, formuliert Müller (2016, S. 42) folgendermaßen: »Populismus […] ist eine ganz bestimmte Politikvorstellung, laut der einem moralisch reinen, homogenen Volk stets unmoralische, korrupte und parasitäre Eliten gegenüberstehen […]«. Populisten postulieren somit die Existenz eines Volkes, sprechen dessen – reale, gefühlte oder auch nur behauptete – Unterdrückung durch die ›Eliten‹ an und betonen die Legitimität seines Herrschaftsanspruchs. Aus populistischer Sicht besteht demnach eine illegitime und der demokratischen Idee vor allem insofern widersprechende hierarchische Ordnung, als die herrschende, das Volk beherrschende – ökonomische, kulturelle und vor allem politische – Elite nicht den Willen des ganzen Volkes bzw. des Volkes im von den Populisten postulierten Sinn repräsentiere, sondern ihre Eigeninteressen über das Gemeinwohl setze (vgl. Rensmann 2006, S. 65). Dem a priori positiv bewerteten ›Volkswillen‹ werde aus eigennützigen Gründen nicht entsprochen, weshalb es die Elite zu entmachten und durch populistische Politiker zu ersetzen gelte, deren Politik »an expression of the volonté générale (general will) of the people« (Mudde 2004, S. 543) sei.

Zusätzlich zu dieser in Müllers Definition angesprochenen Verortung des Volkes auf einer vertikalen Achse setzen zumindest rechtspopulistische Parteien und Bewegungen auch auf eine Abgrenzung auf einer horizontalen EbeneFootnote 2, und zwar gegenüber »[...] solchen Personen und Gruppen [...], deren Zugehörigkeit zum Volk grundsätzlich bestritten wird (z. B. Einwanderer oder Minderheiten).« (Rensmann 2006, S. 65) Auf diese Weise wird die Homogenität des Volkes quasi doppelt abgesichert, zugleich werden so zwei Feindbilder konstruiert: Beide, die Eliten wie die irgendwie ›Fremden‹, gehören nicht zum Volk, sondern stehen diesem – womöglich miteinander verbündet – als Kontrahenten gegenüber.

Auf dieses Konstrukt eines Volkes hin ist das »projektive Adressatenkalkül« (Knape 2000, S. 59) populistischer Rhetorik ausgerichtet, aber auch der populistische Stil, wie Moffitt (vgl. 2016, S. 28–50) die spezifische Form politischen Kommunizierens und Agierens insgesamt nennt, ist an die antizipierten Vorstellungen der zum Volk Gezählten angepasst.

Moffitt (2016, S. 43–45) zufolge ist dieser Stil durch drei Merkmale gekennzeichnet:

  • »Appeal to the people vs. elite/experts«: Das Ansprechen des von den Populisten diskursiv konstituierten Volkes und dessen vorgebliche Ermächtigung, aus eigenem Verständnis heraus und ohne »Bevormundung« durch die es ohnehin missachtende Elite Entschlüsse zu fassen und politisch zu handeln, ist der Kern populistischer Rhetorik. Die dabei implizierte, nicht selten auch explizit geäußerte Abwertung einer als solche bezeichneten politischen Elite oder, wie z. B. im Diskurs zum Klimawandel, wissenschaftlicher Experten ist als Teil populistischer Strategie gewollt.

  • »Bad manners«: Auch das Verletzen bislang gültiger Kommunikationsregeln ist nicht nur im Falle von Donald Trump Teil des rhetorischen Repertoires von Populisten. Vielmehr zeichnen sich diese allgemein häufig durch z. B. Aggressivität in der Wortwahl oder generell durch das Verletzen bislang in demokratischen Systemen weitgehend respektierter Kommunikationsregeln und moralischer Normen des Sprachgebrauchs aus. Damit wenden sie sich, wie sie unterstellen, ganz im Sinne des ›Volkes‹ schon durch ihr Verhalten, ihren ›volksnahen‹ Stil, gegen als abgehoben gegeißelte Formen politischer Praktiken und insbesondere die ›political correctness‹, die sie als Machtinstrument der Elite darstellen und die sie daher auch offen bekämpfen.

  • »Performance of crisis«: Der Populismus wird angetrieben durch die Wahrnehmung einer Situation als Krise (z. B. die Migrationsbewegungen der letzten Jahre), wobei das Krisenhafte noch dramatisiert wird (z. B. durch Ausdrücke wie Flüchtlingstsunami). Populisten führen also quasi das Drama einer Krise auf, in dem ihnen, sofern ihnen die Möglichkeit dazu gegeben wird, die Rolle des Helden und Beschützers des Volkes zukommt. Dabei wird vorausgesetzt, dass das vorgeblich Gefährdete – z. B. im uns hier interessierenden Fall die Heimat – etwas Wertvolles, Normales und Normatives ist und daher erhalten bzw. wiederhergestellt werden muss (vgl. Kap. 5).

Der durch diese drei Merkmale geprägte Stil populistisch-rhetorischen Agierens dient zunächst dem klassischen primären Zweck von Rhetorik und Propaganda, nämlich der Persuasion, die als sprachliche oder auch anders semiotisch formulierte »Operation zur Herstellung von Akzeptanz« (Ortak 2004, S. 47) definiert werden kann. Von den Adressaten akzeptiert werden soll dabei eine Position zu einem Sachverhalt, die nicht unumstritten ist, sondern einer anderen entgegensteht. Persuasion basiert daher notwendigerweise auf einer polarisierten Ausgangslage, die, sofern sie nicht von vornherein gegeben ist, rhetorisch konstituiert und vermittelt werden muss (vgl. Ortak 2004, S. 10). Diese der eigentlichen Persuasion vorgängige Polarisierungsnotwendigkeit spiegelt sich in zwei der drei Merkmale populistischen Stils nach Moffitt: Es wird einerseits ein Gegensatz zwischen dem ›Volk‹ und der ›Elite‹ postuliert und andererseits einer zwischen den Standpunkten, es gebe eine Krise oder es gebe keine.

Da populistische Propaganda jedoch schon länger auf diese, zum Teil zumindest auch schon im Ansatz vorhanden gewesenen Polarisierungen und die Bewertung der jeweiligen Pole hingearbeitet hat, kann sie von einer prinzipiellen Akzeptanzhaltung bei wenigstens einem Teil ihrer Adressaten ausgehen, wodurch die damit zusammenhängenden Informationen und Evaluationen als »not-at-issue content« (Stanley 2015, S. 135) behandelt und die diesbezüglichen Einstellungen präsupponiert werden können. Populisten müssen daher weniger auf ein Herstellen von Einstellungskonvergenz abzielen als vielmehr auf ein Bestärken der Konvergenz. Es geht ihnen somit weniger um Persuasion im klassischen Sinn als um etwas, das ich als Konfirmation vorhandener Einstellungen und Handlungsdispositionen bezeichnen möchte.

Populisten und Populistinnen geht es also darum, einen ideologischen Konsens im Diskurs zu etablieren und zu perpetuieren, wobei die Weltsichten populistischer Ideologie die Aussageweisen populistischer Rhetorik prägen. Die beiden oben genannten Aspekte des Populismus – Populismus als Ideologie vs. Populismus als Strategie politischen Agierens – zusammenfassend kann man Populismus daher als einen, wenn auch durch eine in vielen Punkten nur vage bestimmte Ideologie fundierten »mode of political practice« (Jansen 2011, S. 82) bezeichnen bzw. eine populistische Bewegung definieren als: »[...] any sustained large-scale political project that mobilizes ordinarily marginalized social sectors into publicly visible and contentious political action, while articulating an anti-elite, nationalist rhetoric that valorizes ordinary people.« (Jansen 2011, S. 82)

Um die ›einfachen Leute‹ aufwerten und zugleich für eine politische Aktion mobilisieren und sie zumindest zur gewünschten Wahlentscheidung animieren zu können, müssen sie sich dem angesprochenen ›Volk‹ zugehörig fühlen. Wenn Vorstellungen von einem Volk auch vorab existieren, muss dieses doch erst in einem populistischen Sinn diskursiv (um-)konstruiert werden, damit es als zentrales Element des populistischen Weltbildes fungieren kann. Diese Konstruktion gelingt durch die Inszenierung einer gemeinsamen Identität der Mitglieder des Volkes: »[...] the populist mode of identification aims at constructing a single, homogenous identity, the identity of the people.« (Panizza 2017, S. 409)

Wenn Panizza (2017, S. 409; Hervorh. im Original) meint, »[t]his commonality can only be articulated in antagonism to a particular other«, so ist ihm zunächst zuzustimmen. Wie oben erwähnt, erfolgt die Bestimmung dessen, was das Volk ist und wer ihm angehört, durch eine Konstrastierung mit der ›Elite‹ oder den ›Anderen‹. Allerdings genügt diese negative Abgrenzung nicht. Vielmehr muss zur Stärkung des Gemeinschaftsempfindens auch eine Möglichkeit zur positiven Eingrenzung geboten werden, die im Übrigen auch die Aufnahme der populistisch agierenden Politiker in das ›Volk‹ zu gewährleisten hat, zumal das Grundprinzip des Populismus in der »dogmatischen Setzung« eines Alleinvertretungsanspruchs gegenüber dem ›Volk‹ besteht (vgl. Zorn 2017, S. 40). Der mittels rhetorischer Inszenierung geschaffenen homogenen Einheit des Volkes inklusive der populistischen Politiker wird daher abgesehen von geteilten Interessen und Zielen auch eine gemeinsame Heimat zugesprochen (vgl. Abb. 7 und 8, wo von »unserer Heimat« die Rede ist), die noch dazu gegen Angriffe von innen wie außen – wiederum gemeinsam – verteidigt werden muss. Diese Heimat wirkt somit zusammen mit dem postulierten Antagonismus gegenüber den nicht zum Volk Gehörenden – und die Heimat Gefährdenden – als gestaltbildendes Element für die von den Populisten gemeinte homogene Gemeinschaft des VolkesFootnote 3.

Diese Möglichkeit der rhetorisch-strategischen Funktionalisierung im populistischen Sinn ist ein Grund für die zentrale Bedeutung, die die FPÖ dem Begriff Heimat in ihrer politischen Kommunikation zugewiesen hat. Dass er grundsätzlich relativ einfach in eine rechtspopulistische, gar eine national ausgerichtete Ideologie integrierbar ist, liegt an der vorgängigen Konzeptualisierung, die Heimat im Laufe der Zeit erfahren und die die allgemeinen Vorstellungen davon geprägt hat.

3 Das Konzept heimat

Dieses Kapitel ist eine überarbeitete und erweiterte Version eines Abschnitts aus Weidacher (2019b).

Auszüge aus dem Lemma Heimat im Grimmschen Wörterbuch (Deutsches Wörterbuch (1991), Bd. 10, S. 865–866), (Kursivierungen im Original):

1) heimat, das land oder auch nur der landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden aufenthalt hat;

2) heimat, der geburtsort oder ständige wohnort;

3) selbst das elterliche haus und besitzthum heisst so, in Baiern.

4) heimat in freierer anwendung, [z.B:] dem christen ist der himmel die heimat, im gegensatz zur erde, auf der er als gast oder fremdling weilt.

Auszug aus dem Lemma »Heimat« in: Hermann Paul: Deutsches Wörterbuch (1992, S. 397), (Kursivierungen und Fettdruck im Original):

Heimat [Heim] mit -at seit dem 15.Jh., in der Zeit der Kleinstaaterei auch soviel wie Vaterland, im 19./20.Jh. ähnlich emotional und ideologisch beladen, im Krieg Ggs. zu Front;

Wie man an der Bedeutungserklärung im Grimmschen Wörterbuch (und an der von Heim, die bei Hermann Paul der von Heimat zugrunde gelegt wird) entnehmen kann, wird der Begriff Heimat grundsätzlich zur Benennung eines geographischen Gebiets verwendet, in dem jemand oder etwas lebt bzw. verbreitet ist oder von wo er/sie/es ursprünglich stammt. So kann man z. B. davon sprechen, dass Australien die Heimat der Kängurus ist, weil diese dort leben, in anderen Worten: beheimatet sind, während z. B. die Heimat der Grauhörnchen, im Sinne ihres Ursprungs, Nordamerika ist, von wo sie nach Europa gekommen sind.

In dieser neutralen Gebrauchsweise des Wortes liegt zwar der Kern des Begriffs Heimat, speziell in politisch-ideologischen Diskursen wird Heimat jedoch häufig in einem emphatischen Sinn verwendet und beinhaltet eine auch schon im Wörterbuch von Hermann Paul angesprochene wertende Komponente. Dabei ist Heimat stets positiv konnotiert, wodurch alles das, was als zur jeweils gemeinten Heimat gehörend betrachtet wird, also jede Eigenheit dieses ›Ortes‹ positiv bewertet wird. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass Menschen, die über ihren Herkunftsort sprechen, wenn dieser von Krieg oder einer anderen Katastrophe stark betroffen ist, oft etwas sagen wie: »Das ist nicht mehr meine Heimat« oder: »Das ist meine (jetzt) furchtbare/zerstörte etc. Heimat«. Man ist in solch einer Situation also quasi gezwungen, entweder die Benennung des Herkunftsortes als Heimat im emphatischen Sinn zurückzuziehen oder die positive Konnotierung z. B. durch ein negativ wertendes adjektivisches Attribut aufzuheben.Footnote 5

Damit soll nicht behauptet werden, dass der Heimat-Begriff völlig unproblematisch sei. Dazu wurde er gerade in politischen Diskursen, wie Bastian (1995, S. 117–146) aus sprachwissenschaftlicher und Wallnöfer (2019) aus der Perspektive der Volkskunde darlegen, zu oft und auch noch auf zu unterschiedliche Weise instrumentalisiert und dabei vor allem von nationalistischer Seite ideologisch aufgeladenFootnote 6, sodass er von der politischen Gegenseite sogar eine deutliche Ablehnung erfuhr und zum Teil noch erfährtFootnote 7. Diese Ablehnung findet jedoch ihren Ausdruck in der Etikettierung des Gebrauchs von Heimat durch den grundsätzlich eher rechts im politischen Spektrum zu verortenden Gegner mit dem Stigmawort Heimattümelei. Auch das ein Zeichen dafür, dass Heimat selbst kaum negativ konnotiert werden kann, selbst wenn man etwas Negatives – sei es eine persönliche Erfahrung, sei es eine ideologische Kontamination – damit assoziiert. Aus diesem Grund ist Heimat relativ einfach als positiv besetztes Schlagwort einsetzbar, sofern es nicht der jeweiligen Ideologie entgegenstehende Kontexte indiziert oder als historisch belastet abgelehnt wird.

Die »ideologische Polysemie« (Hermanns 2012, S. 171–173) dieses Wortes liegt daher weniger auf der wertend-konnotativen Ebene als vielmehr im Konzept an sich, das damit verbunden ist. Es geht in den diskursiven Auseinandersetzungen also darum, eine Vorstellung dessen zu generieren und in der Folge zu etablieren, was Heimat bedeutet.Footnote 8 Dabei können verschiedene Aspekte herangezogen und je nach politisch-ideologischem Interesse unterschiedlich stark fokussiert werden.

Wie aus der dem Grimmschen Wörterbuch entnommenen Bedeutungserklärung hervorgeht, ist der ursprüngliche konzeptuelle Kern von Heimat die Vorstellung einer Region, einer Landschaft, eines Ortes, jedenfalls aber eines geographisch, wenn es sich um einen Staat handelt, zusätzlich politisch definierten Territoriums. Dieser territoriale Aspekt ist daher auch der basale, der selbst bei einer Verwendung des Wortes, die einen oder anderen Aspekte fokussiert, latent bleibt oder zumindest bei mehr oder weniger metaphorischem Gebrauch (z. B.: »Der funktional-grammatische Ansatz ist meine wissenschaftliche Heimat«) als Bildspender dient.

Dazu kann ein sozialer Aspekt kommen, wenn ein Milieu oder eine Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, als Heimat empfunden wird. Dieser Aspekt ist z. B. dann zentral, wenn jemand sich als im ›Volk‹, also bei den ›kleinen Leuten‹ beheimatet betrachtet oder dies zumindest behauptet, wie es zur politisch-rhetorischen Strategie von Populisten gehört.

Eine innerhalb eines Territoriums gesprochene Sprache, im Allgemeinen die Muttersprache, kann alleine als akustische Kulisse Heimatgefühle hervorrufen, vor allem aber als dort verwendetes gemeinsames Kommunikationsmedium für ihre Sprecher Heimat konstituieren. Eine fremde Sprache steht hingegen für eine andere, nicht ›heimatliche‹ Kultur.

Der damit angesprochene kulturelle Aspekt spielt gerade in den derzeitigen Diskussionen über Migration und über die Integration von Migranten und daher nicht zuletzt in populistischer Rhetorik eine zentrale Rolle. Heimat wird hier wesentlich mit einer bestimmten Lebensform, mit den dieser inhärenten, zum Teil auch durch religiöse Traditionen geprägten Werthaltungen und Weltsichten sowie mit kulturellen Praktiken (z. B. dem Tragen einer bestimmten Kleidung, vgl. Abb. 2, oder dem Feiern mehr oder weniger religiös motivierter Feste wie dem des Hl. Nikolaus), in denen sie ihren Ausdruck findet, verknüpft. Diese aktuelle Bedeutung einer ›kulturellen Heimat‹ ist vor dem Hintergrund von Globalisierungsprozessen zu sehen, die die geographische Abstammung und die Herkunft in den Hintergrund rücken, wodurch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft inklusive ihrer Identität verstärkt über gemeinsame kulturelle Normen und Werte definiert wird, wie sich z. B. in der Berufung auf ein ›Kulturchristentum‹ zeigt (vgl. Aichholzer/Friesl/Rohs 2019, S. 255).

Im Allgemeinen greifen die genannten Aspekte bei der Konstitution des Heimat-Begriffs ineinander, wenn auch zuweilen der eine oder der andere rhetorisch fokussiert wird. Wesentlich ist dabei in jedem Fall, dass der Ursprung dessen, was emphatisch als Heimat bezeichnet wird bzw. was ein ›Heimatgefühl‹ hervorruft, zunächst in der jeweiligen individuellen Herkunft und eigenen Vergangenheit zu verorten ist: »Heimat ist die kindliche Umgebung, die so erlebt wird, als verstünde sie sich von selbst« (Türcke 2014, S. 24) bzw. ist Heimat der Ort, wo man »[...] sich nicht immer wieder aufs Neue erklären musste« (Wallnöfer 2019, S. 41).

Die individuelle Heimat wird somit im Zuge der Sozialisation auf Basis der individuellen Erfahrung territorialer, sozialer etc. Gegebenheiten konstituiert und setzt sich aus dem zusammen, was einem durch diese Erfahrungen vertraut geworden ist. Wenn solche Erfahrungen und die daraus resultierenden individuellen Heimat-Vorstellungen von anderen geteilt werden, entsteht eine kollektive Heimat, also etwas, das von einer Gruppe oder einer ganzen Gesellschaft Heimat genannt wird. Genauer gesagt formt sich eine kollektive Vorstellung von einer Heimat erst durch die »Synchronisation der individuellen Erfahrungen« (Klose 2013, S. 25). Diese Synchronisation zu fördern und in ihrem Sinn anzuleiten sind Populisten bestrebt, um einerseits Heimat propagandistisch nutzbar zu machen und andererseits die Konstitution eines ›Volkes‹ mit vorgeblich kollektiv geteilten Erfahrungen und Werten zu bewerkstelligen.

Ob es sich nun um eine individuelle oder um eine kollektive Heimat handelt: In jedem Fall wird sie als ein – konkreter oder metaphorischer – Raum empfunden, der einem vertraut ist, zu dem ein Resonanzverhältnis im Sinne Hartmut Rosas (2016) entwickelt worden ist:

Als Heimat bezeichnen wir das Resonanzverhältnis zu einem anverwandelten Stück Welt – klassischerweise einem Ort, an dem die Dinge zu uns sprechen und uns etwas sagen: der Baum, der Bach, das Haus – oder auch: die Tankstelle, der Fabrikschornstein und das Fastfood-Restaurant. Sie sprechen deshalb, weil sie Resonanzen in unserer je eigenen biographischen Erinnerung und zu denjenigen Menschen, mit denen uns eine gemeinsame Geschichte verbindet, auslösen. (Rosa 2016, S. 602)

Die Heimat ist somit in anderen Worten für den oder die dort Beheimateten zu einem »Geborgenheitsraum« (Schüle 2017, S. 33) geworden, dem man jedoch eine tatsächliche physische Existenz absprechen muss. Zwar besteht das von Rosa beschriebene Resonanzverhältnis vor allem bei einer territorial bestimmten Heimat zu Elementen eines konkreten Ortes oder einer Region, aber die Resonanz selbst ist als imaginär zu bezeichnen bzw. ist Heimat als mit positiven Emotionen aufgeladene Imagination eines Raums oder einer vertrauten Lebensform zu verstehen.

Heimat erscheint so als eine Utopie (vgl. Schlink 2014, S. 32), genauer als eine utopische Erinnerung, in der der rückwärtsgewandte Blick auf ein vergangenes oder als vergangen empfundenes Ideal sich mit der vorwärtsgewandten Sehnsucht nach einer Wiederherstellung dieses Ideals vereinigt. Bauman (2017, S. 13) spricht in diesem Zusammenhang von »Retrotopien: Visionen, die sich [im Gegensatz zu klassischen Utopien] nicht mehr aus einer noch ausstehenden und deshalb inexistenten Zukunft speisen, sondern aus der verlorenen/geraubten/verwaisten, jedenfalls untoten Vergangenheit«.

Dieser retrotopische Charakter, also die Kombination von selektiver, idealisierender Erinnerung und Utopie ist generell ein Bestandteil von heimat, sie ist aber vor allem auch wesentlich für den Heimat-Begriff der FPÖ und für die Rolle, die er in deren politischer Ideologie sowie in ihrer propagandistischen Rhetorik spielt, wobei sie das idealisierende Moment negiert und ihre heimat als, wenn auch vergangene bzw. gefährdete Realität darstellt. Diese zum Teil aktiv betriebene Vergessenheit der Idealisierung ist allerdings auch anderen Heimat-Vorstellungen zumeist inhärent. Erst sie macht heimat zu dem wirkmächtigen beinahe mythischen Konzept, das sie ist.

Gerade als rechtspopulistische Partei kann die FPÖ so jedenfalls auf einen bereits etablierten Heimat-Begriff zurückgreifen, dessen Konzeptualisierung zumindest teilweise auch schon durch seinen Gebrauch in nationalen Diskursen für die ideologischen Einstellungen dieser Partei passend perspektivisch ausgerichtet worden ist. Weil aber im Zuge politischer Propaganda zumeist eine gewisse Adaptation auch an sich passender Konzepte an aktuelle Gegebenheiten notwendig oder wenigstens vorteilhaft ist und das Ergebnis auch diskursiv vermittelt werden muss, bearbeitet die FPÖ in ihren propagandistischen Kommunikaten auch das Konzept heimat kontinuierlich weiter. Dabei kann sie auf allgemeine Prinzipien von Konzeptualisierungsprozessen zurückgreifen.

4 Konzeptualisierungsprozesse und das Konzept heimat

Konzepte sind komplexe, gestalthafte kognitive Modelle (vgl. Lakoff 1987, S. 68), die in der Form von Frames der Organisation und Speicherung von Wissen dienen (vgl. Busse 2012, S. 541). Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie rein auf einer individuell-kognitiven Ebene anzusiedeln sind. Vielmehr konstituieren sie sich sozio-kognitiv im Zuge von – vor allem sprachlicher – Kommunikation, in der das das Konzept aufrufende sprachliche Zeichen in seinem Gebrauch intersubjektiv äquilibriert, das heißt von den Kommunizierenden wechselseitig abgestimmt wird. Daraus folgt: »What could be designated a concept is [...] constituted by the totality (or by a multitude) of sign uses in a continuum of acts of utterances, texts, and discourses.« (Busse 2017b, S. 284)

Zu beachten ist allerdings, dass dies nicht bedeutet, dass alle Sprecher einer Sprache notwendigerweise dasselbe Konzept gespeichert haben. Erstens ist die Konstituierung von Konzepten stets – wenn auch bei manchen mehr, bei anderen weniger – im Fluss, und zweitens kann es sein, dass sich in Sprachgemeinschaften verschiedene, zuweilen konkurrierende Gruppen herausbilden, die über zumindest teilweise sich unterscheidende Konzepte verfügen.

heimat ist solch ein Konzept, das zumindest in der unterschiedlichen Fokussierung ihm inhärenter Aspekte, in seiner perspektivischen Ausrichtung und nicht zuletzt hinsichtlich seiner Korrespondenz mit der ›Realität‹, umstritten ist. Dieses Konzept hat daher zumindest im gegenwärtigen politischen Diskurs sogar das Potenzial zu einem »essentially contested concept« im Sinne Gallies (1956, S. 169), »[...] the proper use of which inevitably involves endless disputes about their proper uses on the part of their users«. Dies liegt daran, dass heimat – ähnlich wie demokratie als typisches Beispiel eines »essentially contested concepts« – befrachtet ist mit »[...] evaluative and context-dependent connotations that impede consensus on a single timeless and objective definition« (Whitehead 1997, S. 122). So ist im gegenwärtigen politischen Diskurs in Österreich wohl besonders umstritten, inwieweit die Heimat nur durch Abschottung gegen außen, d. h. gegen das ›Andere‹, das ›Fremde‹ zu erhalten ist oder ob in sie auch neuere Einflüsse integriert werden können, ohne sie in ihrem Wesen als Heimat zu zerstören,Footnote 9 das heißt, ob die (österreichische) Heimat als offen oder als grundsätzlich geschlossene Einheit zu definieren ist.

Da es vor allem vor diesem aktuellen Konzeptualisierungskonflikt auch unumstrittene Verwendungen von heimat gab und zumindest in der nicht-emphatischen Verwendung auch noch gibt, sollte man bei heimat allerdings vielleicht weniger von einem »essentially contested concept« sprechen, sondern vielmehr von einem, das »essentially contestable« ist und damit zum »agonalen Zentrum« (Felder 2013, S. 21) eines Diskurses werden kann, wobei es das rhetorisch-strategische Ziel der Konfliktparteien sein muss, die »contestability« des Konzepts durch Erlangen einer weitgehenden Akzeptanz und der damit erzielten Durchsetzung des Geltungsanspruches der eigenen Konzeptualisierung im Diskurs möglichst zu verringern.

Um dies zu erreichen, versprechen Populisten allgemein und die FPÖ im Speziellen mit ihrer Konzeptualisierung von heimat eine, wie man mit (Bauer 22018, S. 30) sagen könnte, »Erlösung von der unhintergehbaren Ambiguität der Welt«, indem sie der bestehenden und von ihnen propagandistisch noch geförderten Verunsicherung vieler Menschen eine »Vereindeutigung« (Bauer 22018, S. 30) entgegensetzen. Damit und im Zusammenspiel mit anderen welterklärenden Konzeptualisierungen liefern sie ein angesichts ihrer Wahlerfolge offenbar vielen willkommenes Orientierungsangebot, mit dessen Hilfe man sich in einer sich ständig verändernden, auf diese Weise »fremder« und damit ambiger werdenden Welt zurechtfinden kann. Zugleich erhält das Konzept Heimat, so es vielfach Akzeptanz findet, eine kommunitäre Funktion, indem es eine durch die übereinstimmende, gleichgerichtete Orientierung verbundene Gemeinschaft oder »collectivity« konstituiert oder zumindest deren Zusammenhalt stärkt: »We define as a collectivity any figuration of individuals that share a certain meaningful belonging that provides a basis for action- and orientation-in-common.« (Couldry/Hepp 2017, S. 168) Das Konzept heimat kann insofern zu einem solchen »meaningful belonging« zum populistisch konturierten Volk beitragen, als es zum geteilten »vereindeutigten« Wissen dieser Gemeinschaft gehört, gemeinsame Werthaltungen impliziert und zu einer »kollektiven Intentionalität in Form von geteilten ›Wir-Einstellungen‹« (Tuomela 2009, S. 534) führt.

Allerdings erhält dieses Orientierungsangebot gerade durch seine unterstellte Eindeutigkeit und behauptete ausschließliche Gültigkeit in der Darstellung der ›Realität‹ einen manipulativen Charakter, denn, wie schon Lippmann (2008 [1921], S. 73) feststellte: »In the great blooming, buzzing confusion of the outer world we pick out what our culture has already defined for us, and we tend to perceive that which we have picked out in the form stereotyped for us by our culture.« Nun erfolgt die Stereotypisierung in unserem Fall nicht durch ›unsere Kultur‹, sondern durch die populistische Propaganda, deren Ziel es aber ist, die eigene Konzeptualisierung von Heimat zu einem Teil, und zwar zu einem wesentlichen Teil ebendieser Kultur bzw. des diskursprägenden und im Diskurs hegemonial verbreiteten Wissens zu machen.

Manipulativ ist diese Vereindeutigung – denn nichts anderes ist eine Stereotypisierung – dadurch, dass sie die Wahlmöglichkeiten bei der Entscheidungsfindung, wie man sich gegenüber Phänomenen der Welt verhalten soll, massiv einschränkt.Footnote 10 Wenn man die rechtspopulistische Konzeptualisierung von heimat als stimmig und alleinig der ›Realität‹ entsprechend akzeptiert und übernimmt, kann man kaum mehr umhin, die Populisten bei der Verteidigung der Heimat zu unterstützen.

Sofern Populisten mit ihrer Konzeptualisierung von heimat und deren diskursiver und sozio-kognitiver Etablierung erfolgreich sind, kann man auch davon sprechen, dass ihnen einerseits ein Framing gegenwärtiger Phänomene und Entwicklungen gelungen ist, andererseits die Konstitution und perspektivierte Ausgestaltung eines (Wissens‑)Frames.Footnote 11 Framing beruht grundsätzlich auf Selektion und Salienz:

To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation for the item described. (Entman 1993, S. 52; Kursivierung im Original)

In unserem Fall bedeutet dies, dass in Kommunikaten der FPÖ aus einem komplexen Potenzial an Phänomenen einzelne selegiert und damit zugleich salient gesetzt werden (z. B. österreichische Trachten, eine Alpenlandschaft oder christliche Symbole), um zu zeigen, was – aus rechtspopulistischer Sicht – zur Heimat gehört (siehe insbesondere Abb. 2). Dem werden umgekehrt ebenfalls durch Selektion in der Darstellung unter anderem Kopftuch tragende Frauen als salientes Beispiel für das ›Fremde‹ bzw. für die Gefährdung der Heimat entgegengesetzt (vgl. Abb. 5). Zusammen resultiert dies in einem den ideologischen Positionen der Populisten entsprechenden und ihren rhetorischen Strategien dienlichen Framing.

Dieses okkasionelle Framing führt durch vielfache Wiederholung zur Herausbildung eines Frames: »Frames [...] are configurations of culture-based, conventionalized knowledge.« (Taylor 2003, S. 93) Sie stellen, anders ausgedrückt, konventionalisierte und somit sozio-kognitiv gespeicherte Wissensstrukturen dar, die mit einer Kategorie bestimmte Attribute verknüpfen, die wiederum mit bestimmten konkreten Werten gefüllt werden können. (Vgl. Busse 2017a, S. 200) Mit dem Frame heimat sind so z. B. die oben angeführten territorialen, kulturellen usw. Aspekte als Attribute verknüpft. Die konkreten Werte sind dann aus Sicht der FPÖ unter anderem eine bestimmte ›heimatliche‹ Kleidung, eine ›heimatliche‹ Landschaft oder ›heimatliche‹ Bräuche, womit im Übrigen zugleich eine Kategorisierung vorgenommen wird: Was gehört im Sinne der FPÖ zur Heimat bzw. zur Kategorie des ›Heimatlichen‹?

Alle diese konkreten Werte sollen als Defaults angesehen werden und, sofern sie als solche akzeptiert werden, zu einer inhaltlichen Konkretisierung und zur Vereindeutigung des Frames führen. Das Ziel der Konventionalisierung des Frames ist, dass er dann wiederum in Gestalt einer Interpretationsanleitung als Basis für okkasionelles Framing herangezogen werden kann bzw. soll, da er quasi ein vorgefertigtes, Komplexität reduzierendes Interpretationsschema für das Verstehen und Beurteilen bestimmter Vorgänge und Phänomene bietet.

Wie Entman im obigen Zitat bemerkt, wirkt Framing aber nicht nur epistemisch und evaluativ, sondern darüber hinaus auch deontisch (vgl. dazu Kap. 5), indem es eine »treatment recommendation« impliziert oder »remedies« (Entman 1993, S. 52) für als ein Problem Gerahmtes vorschlägt. Ein Framing mittels des in Form eines konventionalisierten Frames gespeicherten Konzepts heimat ist somit nicht nur interpretations-, sondern auch handlungsanleitend: Die FPÖ intendiert, damit eine Übernahme ihrer Sicht der ›Realität‹, zugleich aber ein von ihr gewünschtes (Wahl‑)Verhalten zu induzieren. Gerade darin liegt das persuasive oder konfirmative rhetorische Potenzial des Framings, der Etablierung konventionalisierter Frames bzw. der so bewerkstelligten Konzeptualisierungen.

Wie wir im Zuge der Beschreibung genereller Aspekte des Konzepts heimat festgestellt haben (vgl. Kap. 3), baut dessen Ausgestaltung zunächst auf individuellen Erfahrungen auf, deren kollektive Ko-Orientierung in Form einer Äquilibrierung der Werte, mit denen die Attribute des entsprechenden Frames gefüllt werden, sodann diskursiv erfolgt. Diese wiederum die individuellen Vorstellungen von heimat prägenden Angleichungsprozesse möglichst weitgehend zu kontrollieren, muss, wenn man die Bedeutung dieses Begriffs für rechtspopulistisches politisches Agieren bedenkt, ein zentrales Bestreben gerade auch der FPÖ sein. Um die sozio-kognitive Ausgestaltung und Etablierung ihrer Konzeptualisierung zu erreichen, muss sie daher ihr Konzept heimat mittels gezielter sprachlicher und anderer semiotischer Realisierungen in den politischen, aber auch in andere Diskurse einfließen lassen. Anders ausgedrückt muss sie geeignete »Sprachspiele« (vgl. Wittgenstein 1984, PU §7 u. §23Footnote 12) mit dem Wort Heimat – oder auch mit einer bedeutungsähnlichen semiotischen Entsprechung – spielen.

Sprachspiele sind – das impliziert die Spiel-Metapher – durch Regeln konstituiert, die man befolgen muss, wenn man ein Sprachspiel in einer okkasionellen Verwendung instanziiert. Diese Regeln sind nicht explizit formuliert – bzw. werden sie es erst quasi ex post facto, wenn man eine Grammatik oder ein Wörterbuch einer Sprache schreibt oder wenn z. B. konkret Verwender von Heimat oder Kritiker deren Wortgebrauchs die Bedeutung und damit die Gebrauchsregeln explizieren –, sondern wir als Sprecher einer Sprache erwerben diese Regeln beim Spielen von Sprachspielen und durch Beobachtung und Nachahmung der Handlungen anderer Spieler: »It is what we do, how we go on, that determines the rule, not vice versa.« (Schatzki 2008, S. 51) Wir lernen die Regeln also nicht durch Memorieren oder ähnliche Lernprozesse, sondern wir werden – in Wittgensteins (1984, PU §5) auf den ersten Blick etwas unglücklich klingender Terminologie – »abgerichtet«, in bestimmten Situationen so zu handeln, wie es auch andere tun. Auf diese Weise kommt es zu einem regelmäßigen Verhalten mehrerer Sprecher, das zu einem regelfolgenden Verhalten wird, sobald es allen selbstverständlich wird, wie man sich zu verhalten hat (vgl. Savigny 1996, S. 53). Durch diesen Sozialisationsprozess kommt es zur Herausbildung sozial etablierter Verwendungsweisen (vgl. Savigny 1998, S. 112) von Wörtern und damit dessen, was man mit Wittgenstein (vgl. 1984, PU §43) als den Gebrauch bzw. als die Bedeutung eines Wortes bezeichnen kann.

Den Gebrauch eines Wortes zu beherrschen heißt also, im Sinne eines Knowing-how (vgl. dazu in Bezug auf Wittgenstein: Schneider 2008, S. 61) zu wissen, in welchen Sprachspielen wie und mit welcher Funktion bzw. mit welchem Sinn das Wort Heimat verwendet werden kann, wie man es also regelfolgend gebraucht. Diese Gebrauchsregeln zu prägen, ist das Ziel des rhetorisch-strategischen Handelns von Rechtspopulisten wie der FPÖ. Durch ein oftmals wiederholtes ›Vorspielen‹ des Sprachspiels mit der Verwendung von Heimat sollen Adressaten, die hierbei zunächst nur rezeptiv ›mitspielen‹, abgerichtet werden, das Wort im intendierten Sinn zu verstehen. Es liegt hier wie in jeder propagandistischen Kommunikation also eine Lenkungsintention vor, die in unserem Fall auf die ideologisch und strategisch motivierte Manipulation des Abrichtungs- bzw. sprachliches Verhalten betreffenden Sozialisationsprozesses abzielt. Dieser soll in der Folge auch dazu führen, die Adressaten anzuregen, dieses Sprachspiel z. B. im Rahmen von Kommunikation in den Sozialen Medien oder Face-to-Face mit anderen Personen nachzuspielen und damit seine von der FPÖ geprägten Regeln im Diskurs zu verfestigen. Beispiele dafür sind zwei Kommentare zu dem auf YouTube hochgeladenen Wahlkampfvideo: »FPÖ: Heimat und Identität«, in denen – im ersten implizit, im zweiten explizit – vor allem die für das FPÖ-Framing von Heimat zentralen Aspekte ihrer Gefährdung und der Rolle der FPÖ als ihr Retter (Abb. 1) aufgegriffen werden.

Abb. 1
figure 1

Kommentarforum zum YouTube-Video: »FPÖ: Heimat und Identität«, gepostet am 28.08.2019 (https://www.youtube.com/watch?v=pXJtdBhUR8k&fbclid=IwAR2YNUTk2LIpNf08Ao1dKbpeOiguNddwFCzOzcjnXwW98P4X2PJ_16l1mWA)

Auf diese Weise bilden sich an bestimmte Gebrauchskontexte wie z. B. den politischen Diskurs gebundene »habits of speaking« heraus, die ebenfalls kontextuell verankerte »habits of thinking« Footnote 13zwar nicht determinieren, aber zumindest induzieren und so eine persuasive und konfirmative Konstitution wie auch Verbreitung eines politisch relevanten Konzepts wie heimat bewirken. Dies ist ein Element populistischer Propaganda mit sprachlichen Mitteln, wie sie Stanley (2015, S. 138) beschreibt: »One kind of linguistic propaganda involves repeated association between words and social meanings. Repeated association is also the mechanism by which conventional meaning is formed.«

Wie und mit welchen sprachlichen und anderen semiotischen Mitteln die manipulative ›Abrichtung‹ mit dem Ziel einer durch habitualisierte Sprachverwendung habitualisierte Konzeptualisierung betrieben wird bzw. wie sich die propagandistische Instrumentalisierung von heimat durch populistische Parteien und Bewegungen gestaltet, soll anhand von Beispielen aus der politischen Werbung und PR der FPÖ im nächsten Kapitel analysiert werden.

5 Diskursrealisationen von heimat in Kommunikaten der FPÖ

Um das Konzept heimat auf die erläuterte Weise rhetorisch sowie politisch-strategisch nutzbar machen zu können, muss es mittels einschlägig perspektivierter Sprachspiele im in einem weiteren Sinn ideologischen und im enger gefassten konkret politischen Diskurs disseminiert werden, d. h. das Konzept muss in sprachlichen oder anders semiotisch formulierten Äußerungen kommunikativ manifest werden. Im Zuge solcher – wie Roth (2015) sie bezeichnet – Diskursrealisationen erfolgt zugleich eine stete Bearbeitung des Konzepts, die in einer vom jeweiligen Kontext ausgelösten Adaptierung, z. B. in Form einer Verschiebung der Gewichtung einzelner Aspekte des Konzepts, bestehen kann, oder auch in einer Verfestigung der konzeptuellen Gestalt.

Als Grundlage für die Diskussion dieser Konzeptualisierungsprozesse und des für rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ ideologisch wie rhetorisch-strategisch so zentralen Konzepts heimat sollen die folgenden exemplarischen Diskursrealisationen in unterschiedlichen Kommunikaten der Partei dienen.

Für die Disseminierung im Diskurs zunächst weniger relevant sind die Bekenntnisse zur Heimat bzw. zur Heimatliebe, wie sie im Parteiprogramm der FPÖ formuliert werden. Sie geben jedoch die ideologische Linie vor, an der sich die Formulierung und Gestaltung von Wahlwerbe- und anderen PR-Kommunikaten sowie die damit einhergehenden Konzeptualisierungsprozesse auszurichten haben:

Ausschnitte aus dem Parteiprogramm der FPÖ von 2016:

(1)

[3. Grundsatz:] Wir bekennen uns zu unserem Heimatland Österreich als Teil der deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft, zu unseren heimischen Volksgruppen sowie zu einem Europa der freien Völker und Vaterländer. (Auszug aus dem Parteiprogramm der FPÖ: 3. Grundsatz o.J.)

(2)

Kap. 9: Weltoffenheit und Eigenständigkeit: Neben Eigenständigkeit und Freiheit sind die Liebe zu unserer Heimat und den Menschen in unserem Land, die Pflege unserer Traditionen, unserer Identität und unserer Kultur Grundlage für unsere Weltoffenheit. Wer seine eigene Kultur und Herkunft schätzt, kann andere Kulturen aufrichtig achten oder sich nötigenfalls ihrer erwehren, wenn sie aggressiven, unsere eigene Kultur verdrängenden Charakter zeigen. (Auszug aus dem Parteiprogramm der FPÖ: Kap. »Weltoffenheit und Eigenständigkeit« o.J.)

In Beispiel (1) wird mit der Formulierung »Heimatland Österreich« der territoriale bzw. politische Aspekt von heimat angesprochen. Der kulturelle wird hingegen, ohne hier explizit das Konzept heimat aufzurufen, auf die »deutsche Sprach- und Kulturgemeinschaft« übertragen, während Europa offenbar weniger als Heimat, denn als Konglomerat von Vaterländern, d. h. ›Heimaten‹ gesehen wird. Eine darüberhinausgehende Erläuterung dessen, was die FPÖ unter Heimat versteht bzw. verstanden haben will, erfolgt an dieser Stelle nicht.

Etwas mehr zu ihrer Konzeptualisierung von heimat offenbart die FPÖ in Kap. 9 ihres Parteiprogramms (2): Auffallend ist hier zunächst, dass die Liebe zur Heimat als Grundlage für Weltoffenheit genannt wird, was rhetorisch, so lässt sich annehmen, einem antizipierten oder auch schon erhobenen Vorwurf, Heimatliebe sei gleichzusetzen mit Engstirnigkeit und Provinzialismus, entgegenwirken soll. Schon dadurch wird implizit der kulturelle Aspekt fokussiert, der in der Folge durch die Formulierungen »unsere Kultur« bzw. »unsere eigene Kultur« explizit angesprochen wird. Selbst mit »Herkunft« ist in diesem Kontext eine kulturelle Heimat gemeint, wenn diese auch aufgrund der Bedeutung des Wortes konzeptuell mit einem Territorium verknüpft wird. Dass sowohl »Herkunft« als auch »Traditionen« auf etwas aus der Vergangenheit verweisen und damit die Heimat, wie sie von der FPÖ konzeptualisiert wird, in dieser verankern, entspricht dem ohnehin rückwärtsgewandten und retrotopischen Charakter von Heimat-Vorstellungen allgemein und denen rechtspopulistischer oder konservativer bis reaktionärer Parteien im Speziellen. Dieser retrotopische Charakter ist aber ebenfalls bedingt durch die auch an dieser Stelle von der FPÖ insinuierte Gefährdung der Heimat, ein weiteres wesentliches Element ihrer ideologisch perspektivierten Konzeptualisierung und strategischen Instrumentalisierung des Begriffs. Die Behauptung, dass die Heimat bedroht sei, impliziert wiederum einen Gegensatz zwischen dieser und etwas nicht zu ihr Gehörendem, dem Anderen, Fremdem. Diese Aus- und damit einhergehende Eingrenzung wird im zitierten Beispiel durch die siebenmalige Verwendung von unsere (»unsere Heimat«, »unsere Identität«, »unsere Kultur«) und die zweimalige von eigene (»eigene Kultur«) betont. Damit wird im Übrigen die Heimat zugleich als ein Besitz dargestellt, den man durch Herkunft erworben hat und der daher anderen mit anderer Herkunft und somit anderer Heimat nicht zugänglich ist. Unsere Heimat wird auf diese Weise als etwas Geschlossenes und Statisches präsentiert, das sich nicht verändern und schon gar nicht mit anderen ›eigenen Heimaten‹ vermischen darf, weil sie das in ihrem von der FPÖ konzeptualisierten Wesen gefährden würde.

Auf die im Parteiprogramm noch relativ implizit bleibende Schutzwürdigkeit und deutlicher auf die Schutzbedürftigkeit der Heimat hebt die Diskursrealisation des Konzepts in einem auf der Website der oberösterreichischen FPÖ geposteten und mit einem erläuternden Begleittext versehenen Wahlplakat (Abb. 2 und Beispiel (3)) ab.

Abb. 2
figure 2

Plakat »Heimat verpflichtet« (https://www.fpoe-ooe.at/fpoe-praesentiert-heimat-verpflichtet-kampagne/ (o.J.))

Der Begleittext, der diesem Plakat auf der Website hinzugefügt wurde, lautet (in Auszügen):

(3)

Die FPÖ tritt dafür ein, den Begriff »Heimat« in der oberösterreichischen Landesverfassung zu verankern. »Für uns stehen damit ganz klar die Begriffe ›Tradition‹ und ›Brauchtum‹ in Verbindung. Diesen soll der entsprechende Stellenwert verliehen werden«, sind für FPÖ-Landesparteiobmann und Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner »der langfristige Erhalt und Schutz der landestypischen Brauchtümer und Traditionen vor allem in Zeiten mit hoher Zuwanderung von Bedeutung.« [...]

[...] habe die FPÖ beantragt, den Begriff »Heimat« als Leitgedanken in die Landesverfassung aufzunehmen. »Damit soll das kulturelle Erbe Oberösterreichs in den Verfassungsrang gehoben werden«, erklärt der FPÖ-Landesparteiobmann. Es sollen somit die Grundsätze der weltlichen, aber auch zugleich religionsfreundlichen, offenen, christlich geprägten Gesellschaft Oberösterreichs berücksichtigt werden. [...]

»Die Aufnahme des Heimat-Begriffs in die oberösterreichische Landesverfassung bedeutet ein unmissverständliches Bekenntnis zu unseren Traditionen und Brauchtümern. Heimat ist ein hohes Gut, an dem man sich orientieren kann und muss. Nicht wir werden unsere Traditionen ändern, sondern unsere Traditionen und unser Brauchtum sind Werte, an denen auch in Zukunft nicht gerüttelt werden darf«, so Haimbuchner.

Die Abbildung einer alpinen Landschaft auf dem Plakat indiziert den territorialen Aspekt des heimat-Konzepts der FPÖ, die Tracht, die der Obmann der oberösterreichischen FPÖ trägt, hingegen den kulturellen, wiewohl Trachten gewöhnlich mit einem bestimmten geographischen Gebiet verbunden werden. Es wird also ein Frame konstituiert bzw. aufgerufen, in dem heimat als etwas Ländliches konzeptualisiert ist, vor allem aber als etwas, das schon immer da war (die Berge und Seen) bzw. althergebracht (die Tracht) ist. Durch das mehrmalige Betonen der zentralen Bedeutung von Traditionen und Brauchtum, sowohl auf dem Plakat als auch im Begleittext (z. B.: »Für uns stehen damit ganz klar die Begriffe ›Tradition‹ und ›Brauchtum‹ in Verbindung.«) wird diese im Grunde retrotopische Konzeptualisierung, die, wie in Kap. 3 gezeigt wurde, schon vorab im Heimat-Begriff angelegt war, noch sprachlich explizit verstärkt. In dieselbe konzeptuelle Richtung zeigt der Hinweis auf die christliche Prägung der oberösterreichischen Gesellschaft, der allerdings auch zur Abgrenzung der Heimat gegenüber Andersgläubigen dient.

Auf diese Weise wird das Konzept heimat quasi epistemisch konturiert, es beinhaltet darüber hinaus aber, wie es für Framing allgemein und für politisch motiviertes Framing im Speziellen typisch ist (vgl. dazu Kap. 4), auch evaluative und deontische Komponenten, wobei die positive Bewertung von heimat und dem, was als zu ihr gehörig postuliert wird, durch die Bezeichnung »hohes Gut« explizit erfolgt, rhetorisch wirkungsvoller aber noch präsupponiert wird, indem die heimatlichen Traditionen, das Brauchtum, die Identität und die christliche Prägung als bewahrenswert, pflegenswert und schützenswert dargestellt werden. Darauf und auf die behauptete Gefährdung der Heimat »in Zeiten mit hoher Zuwanderung«, wie es hier heißt, stützt sich der deontische, handlungsanleitende Aspekt der Konzeptualisierung, der explizit vor allem in Form der Infinitivphrasen auf dem Plakat seinen Ausdruck findet.

Ein wesentlicher Aspekt der Funktionalisierung des Konzepts heimat in der Wahlwerbung und PR der FPÖ wird in diesem Beispiel auch noch genannt: Heimat soll als ein »Leitgedanke« in die Landesverfassung aufgenommen werden und: »Heimat ist ein hohes Gut, an dem man sich orientieren kann und muss.« Die FPÖ reagiert mit solchen Äußerungen auf ein verbreitetes, im Übrigen ansonsten durch eine Betonung einer behaupteten generellen Negativität der Entwicklungen noch von ihr gefördertes (vgl. dazu z. B. das in Abb. 5 und 6 zitierte Video: »Immer mehr Muslime in Österreich«) Gefühl der Orientierungslosigkeit, das aus einer Nicht-Bewältigung des Wandels der Heimat resultiert. Man kann auch sagen, sie beutet die Sehnsucht nach der Heimat, nach dem, »wie es früher einmal war«, aus und bietet ihr Konzept heimat als Orientierungshilfe. Dabei ›übersieht‹ sie allerdings den idealisierenden und damit utopischen bzw. retrotopischen Charakter von heimat oder leugnet ihn zumindest implizit. Schließlich ist es für die rhetorische Wirkung ihres Orientierungsangebots wie auch für die Stimmigkeit ihrer Ideologie essentiell, dass heimat nicht als Konstrukt verstanden, sondern als Faktum akzeptiert wird. Dieses Prinzip gilt sowohl für das von der FPÖ propagierte Eigene – die Heimat – wie auch für das von ihr ausgegrenzte Andere – alles ›Nicht-Heimatliche‹: »[Populistische Rede] sucht nach festen Substanzen, und da sie diese nicht findet, erschafft sie sich Herzland [= die Heimat] und Feind als nachgeahmte Substantialitäten.« (Olschanski 2017, S. 81) Diese ›Substanzialität‹ bzw. Faktizität der Konzeptualisierung von heimat und ihrer Gefährdung ist die Basis für eine von der FPÖ angestrebte übereinstimmende Orientierung in Form einer kollektiven Intentionalität mit dem Ziel, gemeinsam, d. h. die FPÖ im Verein mit dem Volk, die Heimat im intendierten Sinn zu bewahren und zu schützen.

Während im besprochenen Kommunikat ausführlich und mit erheblicher Redundanz das Konzept heimat thematisiert wird, wird es bzw. werden einzelne seiner Aspekte in den folgenden Beispielen in Form von Schlagwörtern (Abb. 3 und 4) und Schlagbildern (Abb. 5 und 6) kondensiert.

Abb. 3
figure 3

Wahlplakat »Daham statt Islam«, Nationalratswahl 2006 (http://www.demokratiezentrum.org/wissen/bilder.html?index=1934)

Abb. 4
figure 4

Wahlplakat »Heimat statt Schüssel & Brüssel«, Nationalratswahl 2006 (http://www.demokratiezentrum.org/wissen/bilder.html?index=1933)

Zunächst ist festzustellen, dass in Abb. 4 das Wort Heimat selbst als Schlagwort verwendet wird, d. h. als ein Wort, zu dessen zentralen Funktionen es gehört, »[...] ein Programm und damit meist auch eine Argumentation in einem Ausdruck zu verdichten.« (Niehr 2018, S. 189). Besonders deutlich wird dieser Gebrauch auch dadurch, dass die in das Partei-Logo integrierte Selbstbezeichnung der FPÖ lautet: »Die soziale Heimatpartei«. Das Schlagwort ist also als Determinans in das das Wesen der Partei benennende und zugleich charakterisierende Kompositum eingebunden, wodurch die zentrale Stellung von heimat in der politischen Programmatik der FPÖ zum Ausdruck kommt. Man kann auch sagen, dass Heimat im ganz konkreten Sinn als Fahnenwort eingesetzt wird.

Eine genauere deskriptive oder argumentative Ausführung dessen, was die FPÖ mit Heimat meint, wäre aufgrund der medialen Eigenheiten von Plakaten de facto unmöglich bzw. schlicht kontraproduktiv, sie ist aber auch nicht notwendig, weil bereits etablierte Frames durch das Wort alleine aufgerufen werden können. Dies funktioniert im Übrigen selbst dann, wenn die heimat-Konzepte der FPÖ und die der Adressaten ihrer Kommunikate nicht völlig deckungsgleich sein sollten. Entscheidend ist nur, dass die Deckungsgleichheit erfolgreich suggeriert wird, was in Abb. 3 noch zusätzlich dadurch zu erreichen versucht wird, dass Daham – die dialektale Variante von daheim – als Quasi-Synonym für Heimat gewählt wird, was einerseits zusätzlich durch seinen ›heimatlichen‹ Klang wirktFootnote 14, andererseits eine gemeinsame Sprache und damit auch gemeinsame Heimat von Volk und Populisten indiziert.

Diese gemeinsame Heimat wird durch die als negative Schlagwörter, zum Teil schon als Stigmawörter verwendeten Ausdrücke SchüsselFootnote 15, Brüssel und Islam konturiert: Schüssel und Brüssel stehen metonymisch für die aus populistischer Sicht das Volk unterdrückende Elite, Brüssel zusätzlich für die nicht zur Heimat gehörende und diese durch unstatthafte Einflussnahmen bedrohende EU, Islam wiederum für das gegen die Heimat gerichtete Fremde. Speziell Islam kontextualisiert dabei ein Bedrohungsszenario, das ebenfalls nicht näher erläutert werden muss, weil es bereits in Hinblick auf das anvisierte Zielpublikum rhetorisch-strategisch erfolgreich aufgebaut worden ist. Außerdem ist die rhetorische Wirkung ungleich größer, wenn die Triftigkeit der Argumentation, dass der Islam der Heimat konträr gegenübersteht, präsupponiert wird, weil so eine Begründung implizit obsolet erscheint.

Dieser Gebrauch von Heimat als Schlagwort bzw. von Islam als Stigmawort ist möglich, da die FPÖ davon ausgehen kann, dass sie und ihr ideologisch verwandte Parteien, nahestehende Medien und Interessensgruppen bereits einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung dahingehend ›abgerichtet‹ haben, dass diese Wörter in ihren perspektivisch ausgerichteten Bedeutungen verstanden und die jeweiligen KontextualisierungenFootnote 16 und wertenden Konnotationen aufgerufen werden, d. h. auch die Konzeptualisierungen bereits sozio-kognitiv verankert sind.

Ähnlich verhält es sich mit Schlagbildern (vgl. Diekmannshenke 2011), wobei hier die ›Abrichtung‹ darin besteht, dass ikonische Zeichen mit einer festen Indexikalität versehen und gemeinsam mit diesem zusätzlichen Bedeutungselement symbolifiziert werden.Footnote 17 Aus diesem Grund weisen Schlagbilder auch nicht mehr die ihnen von Bonacchi (vgl. 2018, S. 214) zugeschriebene Bedeutungsvielfalt auf, die nicht-symbolifizierte ikonische Zeichen typischerweise kennzeichnet. Symbolifizierung heißt neben Konventionalisierung auch Vereindeutigung (Abb. 5 und 6).

Abb. 5
figure 5

YouTube-Video: FPÖ-TV (gepostet am 03.05.2017): »Immer mehr Muslime in Österreich. Unsere Bräuche und Traditionen sind gefährdet« (https://www.youtube.com/watch?v=GtdD1fELetQ)

Abb. 6
figure 6

YouTube-Video: FPÖ-TV (gepostet am 03.05.2017): »Immer mehr Muslime in Österreich. Unsere Bräuche und Traditionen sind gefährdet« (https://www.youtube.com/watch?v=GtdD1fELetQ)

Zu unterscheiden ist bei SchlagbildernFootnote 18 zwischen solchen im engeren Sinn, wenn also exakt ein und dasselbe Bild memetisch verbreitet wirdFootnote 19, und solchen, bei denen nur das gleiche Bildmotiv immer wieder Verwendung findet. Für Letzteres ist der Ausschnitt aus dem auf dem YouTube-Kanal FPÖ TV veröffentlichten Video »Immer mehr Muslime in Österreich« (Abb. 5) ein Beispiel. Hier ist eine offenkundig muslimische, Schleier tragende Frau zu sehen, die die aus Sicht der FPÖ die Heimat gefährdende ›Islamisierung‹ indizieren soll.Footnote 20 Dieses Bild erfüllt damit eine rhetorische Funktion, die in der Eigenart dieses Zeichentyps bereits angelegt ist: »An image is often a synecdoche, a piece of something that represents something larger.« (Hart/Daughton/LaVally 2018, S. 204)

Da Bilder verschleierter Frauen von Rechtspopulisten wie der FPÖ immer wieder mit derselben Bedeutung – als pars pro toto für den Islam – und mit derselben Funktion – als Warnung vor dem Fremden – eingesetzt wurden und weiterhin werden, ist es zu einer Symbolifizierung dieser Bilder gekommen. Das heißt, dass wir dazu ›abgerichtet‹ wurden, das mit ihnen Gemeinte zu verstehen, selbst wenn wir nicht derselben Ansicht sind und die damit zum Ausdruck gebrachte Konzeptualisierung ablehnen. Abbildungen verschleierter Frauen sind so, zumindest in einschlägigen Kommunikaten wie denen der FPÖ, zu ideologisch aufgeladenen Bildern geworden, denen »culturally conditioned ways of seeing« (Hart/Daughton/LaVally 2018, S. 202) inhärent sind, von deren Übernahme sie uns überzeugen sollen.

Auf diese Weise tragen solche Bilder wie auch sprachliche Diskursrealisierungen derselben Konzeptualisierung auch zur Konstitution von »›optical‹ communities« (Zerubavel 1999, S. 33 f.) bei, deren Sicht des entsprechenden Weltausschnitts zunächst in Hinblick auf »norms of attending« (Zerubavel 2015, S. 9) quasi ›gleichgeschaltet‹ wurde, sodass die Mitglieder dieser Gemeinschaften die kommunizierten epistemischen Relevanzsetzungen übernommen haben und in ihrer Wahrnehmung dieselben Elemente – in unserem Fall Schleier tragende Frauen – fokussieren, während anderes – z. B. erfolgreiche Integrationsprojekte – ignoriert wird. Dabei fungieren die FPÖ bzw. ihre Kommunikate als »attentional mentors« (Zerubavel 2015, S. 64), die die ›Abrichtung‹ zur Beachtung dieser »norms of attending« lenken.

Diese propagandistisch gepflegten Normierungsbestrebungen gehen sodann, wie wir in Abb. 2 und Beispiel (3) schon gesehen haben, über die Fokussierung der Wahrnehmung hinaus, und zwar indem einerseits alles, was aus Sicht der FPÖ zur Heimat gehört, als ›normal‹, weil althergebracht und daher für die Heimat typisch präsentiert wirdFootnote 21. Andererseits wird alles ›Heimatliche‹ als normativ gesetzt, worauf sich Forderungen gründen, dass sich ›Fremde‹, aber auch Einheimische, die nicht mehr ›heimatverbunden‹ sind, daran anzupassen haben. Zu diesem Zweck der sozialen Normierung plädierte die FPÖ Graz in ihrer Parteizeitung Wir Grazer z. B. aufgrund der von ihr kritisierten »massiven Zunahme von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache und islamischem Glaubensbekenntnis« für die Wiedereinführung des Schulfachs ›Heimatkunde‹ an Volksschulen, um »[...] natürlich gewachsene Werte und Traditionen – sowohl im Bildungswesen als auch im gesellschaftlichen Miteinander – wieder stärker zu verankern, um dadurch den heimischen Wertekanon zu festigen.« (FPÖ-Graz 2019, S. 14).

Diese Forderung setzt im Übrigen voraus, dass es sich bei der Heimat, wie sie die FPÖ versteht, um etwas Wertvolles handelt bzw. überhaupt um einen gesellschaftlichen Wert, also eine Idee »[…] held by human individuals or groups about what is desirable, proper, good or bad.« (Giddens 42001, S. 701). Dass die Heimat so einen Wert darstellt, ist ein Default-Element des in rechtspopulistischer Rhetorik aufgerufenen Heimat-Frames, weshalb es sich auch in jedweder Diskursrealisation des Konzepts heimat durch die FPÖ wiederfindet, so in allen bereits analysierten Beispielen und z. B. auch implizit in den Slogans auf zwei im Nationalratswahlkampf 2019 verwendeten Wahlplakaten (Abb. 7 und 8).

Abb. 7
figure 7

Plakat Norbert Hofer, Nationalratswahlkampf 2019 (https://www.fpoe.at/en/blitzlicht/controller/album/767/)

Abb. 8
figure 8

Plakat Herbert Kickl, Nationalratswahlkampf 2019 (https://www.fpoe.at/en/blitzlicht/controller/album/767/)

Werte, wie ›Heimat‹ einer für die FPÖ ist, können auch als »shared mental objects of social cognition« (van Dijk 1998, S. 74) bestimmt werden, die als Bewertungsparameter für soziale Institutionen und Handlungen herangezogen werden.Footnote 22 Sie sind sozial anerkannte Prinzipien, die orientierend und handlungsleitend wirken, da sie etwas repräsentieren, das als ›wertvoll‹, d. h. erstrebenswert angesehen wird. Anders ausgedrückt nehmen wir gegenüber einem Wert wie ›Heimat‹ bzw. gegenüber dessen Umsetzung im Zuge einer dem Wert ›Heimat‹ konformen Handlung eine positive Haltung ein, die sich auf Vertreter dieses Wertes überträgt. Daraus erklärt sich, dass der eine Spitzenkandidat der FPÖ, Norbert Hofer, im Nationalratswahlkampf 2019 auf einem Wahlplakat (Abb. 7) als »heimattreu« positioniert wird, was heimat als sozial anerkannten Wert präsupponiert und darüber hinaus Hofers vorgebliche Beständigkeit in seiner Haltung zu diesem Wert betont, der noch dazu – auch das impliziert treu – als althergebracht und unveränderlich aufzufassen sein soll.Footnote 23

Solch eine Werthaltung, die im Übrigen bereits vor der Instrumentalisierung des Begriffs Heimat in dessen positiver Konnotierung ihren Ausdruck fand (vgl. Kap. 3) ist entweder ideologisch (z. B. auf Basis eines religiösen oder anders fundierten ethisch-moralischen Systems) begründbar oder beruht auf im sozialen Wissen gespeicherten konkreten oder kommunikativ vermittelten Einzelerfahrungen, die kollektiv miteinander synchronisiert wurden. Diese Werthaltung impliziert ebenfalls, dass eine Missachtung des Wertes und der ihm inhärenten Orientierungsleistung, also in unserem Fall eine Vernachlässigung oder Verdrängung des ›Heimatlichen‹, zu einem Verlust an solchen positiven Erfahrungen führen würde. Daraus folgt eine deontische Interpretation des folgenden, Werte definierenden Prinzips: »[W]hat it is for something to be good is nothing else than for there to be reasons […] to respond favourably to it« (Orsi 2015, S. 10). Konkret bedeutet dies aus Sicht der FPÖ im Fall von Heimat, dass es diese zu bewahren und sie aufgrund ihrer immer wieder explizit postulierten, häufiger aber noch als weiteres Default-Element des Frames heimat präsupponierten Gefährdung durch ›Fremdes‹ oder ›Fremde‹Footnote 24 zu schützen gilt.

Wie wir in Abb. 8, einem weiteren Wahlplakat zur Nationalratswahl 2019, sehen können, wurde die Rolle des Beschützers der Heimat in diesem Wahlkampf speziell einem weiteren Spitzenkandidaten der FPÖ, Herbert Kickl, zugeschrieben, was auch daran lag, dass damit an dessen – aus Sicht der FPÖ – erfolgreiche, weil konsequent harte, – in der Beurteilung seiner Gegner – ausländerfeindliche Arbeit als Innenminister der letzten Bundesregierung und sein darauf gründendes Image angeknüpft werden sollte.Footnote 25 Da aber Kickl hauptsächlich deshalb für seine Anhänger als Beschützer der Heimat galt, weil er alles ›Fremde‹, konkret: Migranten, rhetorisch, aber auch durch gesetzliche Maßnahmen bekämpfte, steht er vor allem für die schon im allgemeinen heimat-Konzept, umso mehr in dem der Rechtspopulisten angelegte strikte konzeptuelle Abgrenzung der Heimat gegen alles, was von außen kommt.

Schon im Zuge der Analyse der beiden letztgenannten Beispiele kam zutage, dass die Heimat, auf die sich die FPÖ bezieht, als in der Vergangenheit liegend bzw. zwar als noch gegenwärtig dargestellt wird, dass sie sich aber in einem Prozess der negativen Veränderung befinde und gänzlich zerstört zu werden drohe. Dieser rückschauende, genauer: retrotopische Charakter ihres Konzepts heimat wird im letzten Beispiel (Abb. 9) noch deutlicher.

Abb. 9
figure 9

Wahlplakat zur Grazer Gemeinderatswahl 2017 (Foto: Georg Weidacher)

Mit dem Slogan: »Holen wir unser Graz zurück«Footnote 26 wird suggeriert, das ›Heimatliche‹ an Graz wäre verloren gegangen und es gälte, wie schlagwortartig angedeutet wird, die (heimatlichen) Werte zu bewahren und wieder für Sicherheit zu sorgen, und dies im Geist einer Liebe zur Heimat. Damit wird ein Frame von heimat aufgerufen, der die Heimat rückblickend zumindest implizit verklärt, damit retrotopisch ist und sich nicht nur für eine im Sinne Lillas (2016) reaktionäre Rhetorik, sondern auch als Kern einer reaktionären Ideologie und als Ausgangspunkt einer ebensolchen Politik eignet.

6 Schluss

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die FPÖ in den analysierten, für ihre rhetorisch-propagandistische Strategie beispielhaften Diskursrealisationen epistemische, evaluative und deontische Relevanzsetzungen vornimmt, um so gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen zu rahmen und Adressaten ihrer Kommunikate dazu ›abzurichten‹, dieses stereotypisierende Framing zu übernehmen. Im Zuge dieses diskursiv gesteuerten Konzeptualisierungsprozesses wird heimat als Wert und im doppelten Sinn als Norm, nämlich als das Normale und als das Normative, gesetzt. Ein entscheidendes Element ist die für populistischen Stil allgemein typische »performance of crisis«, d. h. in diesem Fall die Dramatisierung von Veränderungen der österreichischen Lebenswelt als die Heimat bedrohende Krise. Sich selbst bzw. ihre Politiker inszeniert die FPÖ als die Retter, die die Heimat vor den ›Fremden‹ und vor der mit diesen verbündeten oder sie zumindest nicht bekämpfenden ›Elite‹ beschützen. Damit nützt die FPÖ das Konzept heimat zugleich zur Konturierung des ›Volkes‹ und zur eigenen ›Eingemeindung‹ in ebendieses Volk, was das primäre Ziel jeder populistischen Bewegung ist.