1 Einleitung: Peer-Interaktion in der Schule

Gespräche zwischen Schülerinnen und Schülern auf dem Pausenhof und in anderen informellen Situationen außerhalb des Unterrichts weisen einen besonders jugendtypischen Charakter auf. Sie verlaufen unter den Bedingungen »radikaler Sprechsprachlichkeit« (Henne 1986, S. 147) und bilden somit einen großen Teil der Sprachwirklichkeit von Jugendlichen ab. Normative Bewertungsgrundlagen von bildungssprachlichen Praktiken an die Gespräche anzulegen, wie sie z. T. alltagssprachlich mit dem Begriff Konversation verknüpft sind, erscheint angesichts des z. T. sehr impulsiven und emotionalen bzw. emotionalisierenden Charakters der Gespräche wenig plausibel. Andererseits wird auch der Begriff Small Talk mit seinen (zumeist alltagssprachlichen Implikationen) den hier zu diskutierenden Gesprächen nicht ganz gerecht, v. a. weil sie thematisch nicht ausschließlich um (vermeintliche) Belanglosigkeiten kreisen. Daher soll der Status der Gespräche anhand von empirischen Beispielen aus einem laufenden Dissertationsprojekt diskutiert werden. Hierbei wird ein ethnomethodologisches Verständnis von Sprache zugrunde gelegt, das nach den Funktionen für die sozial Handelnden selbst fragt und dabei im Anschluss an die interaktionale Soziolinguistik auch die Verbindungen zu den gesellschaftlichen Funktionen sucht. Es sollen einige begriffliche Überlegungen vorangestellt werden.

2 Begriffliche Annäherungen

Im Anschluss an Linke (1988, S. 141) lässt sich Konversation als soziale Praktik beschreiben, die mit Zwecken verknüpft ist, soziale Unterschiede sprachlich zu markieren. Zugleich ist sie auf gesellige Unterhaltung, mithin kein direktes Ergebnis ausgerichtet. Sie bedient sich vornehmlich Inhalten, die (mindestens traditionell bzw. sozialgeschichtlich) privilegierten Gesellschaftsschichten vorbehalten sind, wie z. B. das genussvolle Räsonieren über Geschmäcker in Bezug auf Kulturgüter (v. a. eines traditionellen BildungskanonsFootnote 1) oder auf bestimmte (Luxus‑)Güter. Dabei erscheint auch der Sprachgebrauch selbst prestigebesetzt und zeichnet sich z. B. durch bildungssprachliche Lexik und kooperativ-höfliche Umgangsformen aus.

Negativ gewendet, lassen sich diese Gesprächspraktiken als »elitäre […], inhaltsleere […], von Kaviarbrötchen und Rosésekt eingerahmte […] Gesprächsform« (Linke 1988, S. 141) werten. Einigen mögen hierbei starre Formen der Etikette in den Sinn kommen, anderen womöglich Knigge, der allerdings z. T. verzerrt im kulturellen Gedächtnis verhaftet ist, wendet er sich doch in seinem Hauptwerk (1978 [1788]): Über den Umgang mit Menschen gegen Etikette um ihrer selbst Willen und damit gegen die starre höfische Komplimentierkunst seiner Zeit.

Es steht zu vermuten, dass Domänen, in denen mit Monokel und Rotweinglas über schöne Künste abseits der Populärkultur sinniert wird (z. B. Gespräche im Theaterfoyer, vgl. Gerwinski/Habscheid/Linz 2018), ihren sozialdistinktiven Charakter gewandelt haben und in ihren Partizipationsmöglichkeiten »demokratischer« geworden sind. Dies ließe sich vmtl. auch an anderen kulturellen Zeichen wie dem Kleidungsstil ablesen, der (v. a. beginnend mit der 1968er-Kultur, vgl. Scharloth 2011) weitaus weniger an festen Konventionen orientiert ist als noch vor einigen Jahrzehnten.

Wie weit das skizzierte Verständnis von Konversation als Ethnokategorie im Deutschen verbreitet ist, sei dahingestellt. Als seinerseits eher bildungssprachlicher Ausdruck dürfte er einer Vielzahl von Sprechern weniger geläufig sein. Der von Linke in den Fokus gerückte Aspekt sozialer Distinktion wird in den populären Online Wörterbüchern wiktionary.org und duden.de nicht explizit erwähnt. Wiktionary nennt ausschließlich die Bedeutung »leichte Unterhaltung zwecks Geselligkeit« während duden.de, immerhin in seinen Beispielangaben (»eine geistreiche Konversation über etwas«) bildungssprachliche Aspekte fokussiert.Footnote 2

Alltagskonzepte des Ausdrucks Small Talk mögen vielen Sprechern fester im kulturellen Bewusstsein verankert sein, worauf auch die zahlreichen inhaltsverwandten nativ deutschen (z. T. regionaltypischen) Ausdrücke wie Plauderei, Plausch, Schwatz, SchnackFootnote 3 verweisen. Small Talk weist weniger Beteiligungsvoraussetzungen in Form von spezifischem Welt- und Gattungswissen auf als (bildungssprachliche) Konversation. Sozial sind Gespräche und Gesprächsanteile im Modus des Small Talk hoch funktional, was sich linguistisch im Anschluss an Malinowski (1966 [1923]) als phatische Kommunikation fassen lässt. Small Talk ist, wie der überwiegende Anteil an Alltagsgesprächen, ebenso auf Kooperation ausgerichtet wie Konversation.

Sowohl Konversation als auch Small Talk können strategisch-funktional eingesetzt werden, um gesellschaftliche oder berufliche Anerkennung zu erzielen, worauf der Markt an Ratgeberliteratur in diesem Bereich verweist (vgl. z. B. bereits Carnegie (2009 [1936]): How to win friends and influence peopleFootnote 4).

Von Small Talk abgrenzbar sind wissenschaftliche Konzepte (zweiter Ordnung) von Bildungssprache in ihren mündlichen Ausformungen, z. B. in der Unterrichtskommunikation. Der auf Habermas (1990 [1962]) zurückgehende Terminus (vgl. Feilke 2012) wird in erster Linie mit epistemischen Zwecken des Bildungserwerbs verknüpft. Unterhaltsame Aspekte stehen nicht im Zentrum. Im Gegenteil ist Bildungssprache vor dem Hintergrund der Schulpflicht für viele auch mit Unfreiwilligkeit und »Lernen-Sollen« (Ehlich 2012, S. 336) verknüpft. Deutliche Analogien dürften jedoch zu den o. g. Verständnisweisen von Konversation bestehen, da in bildungssprachlichen Gesprächstypen ähnliche Lexik und kooperative Umgangsformen erwünscht sind (z. B. in wissenschaftlichen Kolloquien) oder didaktisch angeleitet werden (z. B. in der Unterrichtskommunikation).

Ob bei den im Folgenden untersuchten jugendlichen Probanden selbst die o. g. umrissenen Konzepte mit ihren vielseitigen Implikationen und Konnotationen gleichermaßen geläufig sind, kann bezweifelt werden. Jedoch weisen die im Aufsatz betrachteten Gespräche, die mit kulturpessimistischer Absicht als belangloser Small Talk abgewertet werden könnten, einige Verwandtschaften zur Konversation und Spiegelungen bildungssprachlicher Praktiken auf. Sie erfüllen dabei wichtige sozialisatorische Funktionen für die Jugendlichen.

3 Peergespräche in der Schule

Peergespräche in der Schule vollziehen sich vor dem Hintergrund spezifischer institutioneller Bedingungen. Sie gehen mit sozialen und kulturellen Rollenerwartungen und hiermit verbundenen Entwicklungsaufgaben einher. Im Anschluss an Mead (1972 [1934]) wird in der soziologischen Identitätsforschung zwischen personaler und sozialer Identität unterschieden. Die Konstitution des Ichs (»Self«) lässt sich als ein Zusammenspiel von eigenen Bedürfnissen (»I«) und der Repräsentation der Haltungen anderer in den eigenen Einstellungen (»Me«) beschreiben. Sowohl die primär institutionell geprägte Kommunikation im Unterricht als auch das kommunikative Handeln in der Peergroup sind mithin aus Schülersicht mit spezifischen Gemeinschaftsinteressen und Eigeninteressen verbunden, deren Zusammenspiel im Rahmen der Herausbildung von personaler Identität bedeutsam ist.

Zu den institutionellen Erwartungen zählen Leistungserwartungen, deren Erfüllung im Interesse der Schülerinnen und Schüler (und Eltern) liegt. Schülerinnen und Schüler müssen hierbei oftmals ihre Bedürfnisse nach Freizeit, Erholung und Bewegung zugunsten der Rollenerwartungen an das Schülersein hintanstellen. Auch das Peersein ist keineswegs frei von sozialen Erwartungen und Aufgaben, die im Widerspruch zum Schülersein stehen können. Zu den Eigeninteressen von Schülerinnen und Schülern gehört es, sowohl den genannten institutionellen Anforderungen zu genügen als auch in der Peergroup erfolgreich und anerkannt zu sein.

Schülerinnen und Schüler müssen also gewisse soziale und durch die Schülerrolle bedingte Identitätsaspekte gegenüber personalen Elementen in den Vordergrund stellen, um in der Schülerrolle erfolgreich handeln zu können. Nebenkommunikationen (Baurmann/Cherubim/Rehbock (Hrsg.): 1981) abseits aufgabenzentrierter Gespräche im Plenum oder während Erarbeitungsphasen im Unterricht bieten Raum für Entlastung und die Entfaltung von Rollendistanz und peergroup-orientierter Identitätsanteile (vgl. Neuland/Balsliemke/Baradaranossadat 2012, S. 398). In der Adoleszenz gehört die Ich-Abgrenzung und die zunehmend kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt zu den Entwicklungsaufgaben, was zu einer Distanzierung von der Institution Schule bei vielen Schülerinnen und Schülern führt (vgl. Breidenstein 2006, S. 12).

Diese ist mit zunehmendem Alter und einem Höhepunkt im siebten und achten Schuljahr zu beobachten, wo die Schul- und Lernfreude drastisch abnehmen (vgl. Baumert et al. 1997). Dies kann sich unter anderem in einer instrumentell-strategischen Haltung gegenüber der Schule niederschlagen, da sie Schülerinnen und Schülern ab etwa dieser Altersgrenze weniger sinnstiftend erscheint. Dabei kann die soziale Herkunft ein bedeutsamer Einflussfaktor auf Einstellungen und Handlungsweisen im Schulalter sein (vgl. u. a. Eckert 1989). Schule erlangt für viele Jugendliche vor allem auch als alltäglicher Treffpunkt einen positiven Stellenwert, während oftmals eine kritische Haltung zu schulischen Leistungserwartungen eingenommen wird, deren schulformspezifische Ausprägungen insbesondere in Deutschland mit sozialer Herkunft einhergehen. Krüger/Grunert/Brüning (2018) fassen diesbezügliche Schulformeffekte folgendermaßen zusammen:

Dabei sind die schulischen Orientierungen von Peergroups in Hauptschulen eher durch Schuldistanz oder Schulentfremdung gekennzeichnet, während hingegen Gleichaltrigengruppen in Gymnasien die Norm der Schule oder die Erwartungen von Lehrern grundsätzlich kritisieren, gleichzeitig jedoch hohe Bildungsabschlüsse anstreben und hochkulturellen Freizeitpraxen nachgehen, die die schulische Bildungskarriere indirekt mit unterstützen. (ebd., S. 808)

Die Peerkultur ist für Schülerinnen und Schüler neben der Familie und den Bildungsinstitutionen die wichtigste Sozialisationsinstanz. Die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche weisen jedoch große Überschneidungen auf, was auch für das Verhältnis von Schule und Peergroups gilt. Bennewitz (2016, S. 68 f.) beschreibt die Gleichaltrigen im schulischen Umfeld sowie die Schulklasse

als Paradebeispiel von Peerkultur […], denn ihre Mitglieder verbringen über Jahre hinweg täglich viele Stunden auf engstem Raum miteinander. Die Schulklasse bildet einen sozialen Kontext, der nahezu unausweichlich ist. […] Peerkultur entsteht […] immer dort, wo ›Gleiche‹ füreinander sozial relevant werden.

Von institutionellen Anforderungen entlastete Freiräume nehmen im Kontext von Peerkultur im Schulalltag einen besonderen Stellenwert ein. Grunert (2015) weist darauf hin, dass der Peergroup eine besondere Rolle bei der Entwicklung einer spezifischen »Netzwerkkompetenz« und kulturellen Offenheit zukommt. Sie haben als »soziale Anerkennungsbeziehungen« Einfluss auf das Wohlbefinden und das Selbstbild von Heranwachsenden (ebd., S. 172 f.).

Im Verlauf des Jugendalters ist von einer steten Entwicklung des Stellenwertes der Peer-Beziehungen auszugehen, der v. a. mit der Pubertät zunimmt und im Alter von 12 bis 16 einen Höhepunkt erreicht (vgl. Textor 2015, S. 10). In derselben Altersspanne nimmt auch der Einfluss von (v. a. medial vermittelter) »Jugendkultur« durch bestimmte subkulturelle Szenen und Stile zu. Peergruppe und Jugendkultur entfalten im Alter von circa 12 bis 16 Jahren einen moralischen Einfluss auf Jugendliche, der in starker Konkurrenz zur Leistungsbereitschaft im Unterricht und der Konformität gegenüber Schule und Unterricht steht (vgl. ebd.). Jugendliche stehen vor der Doppelaufgabe, individuelle Identitäten auszubilden und dabei nicht zu sehr von den Normen der eigenen Peergroup abweichen zu wollen bzw. sich sozial integrierbar zu zeigen.

In den 1970er- und 80er-Jahren hat die ethnografisch orientierte Schulforschung zahlreiche Arbeiten hervorgebracht, die komplexe schulische Gegenwelten nachzeichnen und ihre ganz eigenen Regeln betrachten. Zinnecker (1978) beschreibt in diesem Zusammenhang Kooperationsverweigerungen und Abgrenzungen von schulischen Zwängen mit der Goffman (1959) entlehnten Metapher der »Vorderbühne« und der »Hinterbühne«. Mittels bestimmter Schülertaktiken (Heinze 1980) gelingt es den Schülerinnen und Schülern sich den Zumutungen schulischer Zwänge zu entziehen. Diese Forschungstradition ist von einer Sympathie für die Jugendlichen geprägt und betont stark die Oppositionsstellung von Schule und Schülerkultur. Neuere Arbeiten der ethnografischen Bildungsforschung versuchen diese »Figur der Repression und Subversion« (Breidenstein 2006, S. 14) zugunsten symmetrischerer Betrachtungsweisen zurückzustellen, um auch die Kooperation zwischen Institution und Schülerinnen und Schülern im schulischen Alltag in den Blick nehmen zu können (vgl. ebd., S. 13 f.).

Schulpausen sind Situationen in denen ungezwungene Gespräche und Scherzkommunikation zwischen Schülerinnen und Schülern prototypisch anzutreffen sind. Im Schulalltag tritt zudem eine Vielzahl von Situationen auf, die zwar aus Sicht der Institution keine Pause im eigentlichen Sinne darstellen, jedoch von Schülerinnen und Schülern als solche genutzt werden und als Schauplatz für freie Peergespräche dienen. Dies trifft z. B. auf Freistunden, Phasen vor und nach Schul- und Unterrichtsbeginn und auch die Nebenkommunikationen im Unterricht zu.

Die empirischen Erhebungen des diesem Beitrag zugrundeliegenden Dissertationsprojektes setzen sich aus Tonaufnahmen von Peer-Interaktionen während des Schulalltags sowie einem Schülerfragebogen zum Thema zusammen. Insgesamt haben 199 Probanden (112 weiblich/87 männlich) an den Erhebungen der Tonaufnahmen teilgenommen, wovon 114 auch einen flankierenden Fragebogen ausgefüllt haben, der einige soziografische Hintergrundinformationen und relevante Sprachgebrauchsangaben erfasst. Die Aufnahmen umfassen eine Gesamtlänge von circa 16 h. Sie wurden in simulierten Pausen in Klassenräumen durchgeführt. Die Schülerinnen und Schüler konnten sich frei umherbewegen. Es waren bis zu vier Mikrofone im Raum platziert. Beobachtereffekte im Rahmen des observers paradox (Labov 1972a) sind auf den Aufnahmen zu erkennen. Im Verlauf der Aufnahmen treten jedoch deutliche Gewöhnungseffekte ein.

3.1 Formen der Themenbearbeitung

In den schulischen Peergesprächen lassen sich Analogien zu den oben begrifflich unterschiedenen Konzepten von Konversation und Small Talk finden.

Das erste hier präsentierte Beispiel (Abb. 1) hat ein kontroverses Thema zum Gegenstand. Die aus Sicht der Schülerin F1 unangemessene kulturelle Praktik, bei erhöhten Temperaturen ein T‑Shirt zu tragen, steht im Zentrum.

Abb. 1
figure 1

»Die laufen hier mit Unterhose rum«, Gesamtschule Köln, 9. Jahrgangsstufe

In Z. 42 und Z. 44 wird durch die Schülerin F1 eine Begründungspflicht etabliert (»aber isch_zieh nich so oft tishirts an draußen in deutschland;= isch_schäme misch ganz EHRlich-«). Sie lehnt das Tragen von T‑Shirts bei warmen Wetter ab und führt hierfür mehrere Argumente an (Z. 53: »(wenn ich hier denke) jetzt kommt so einer du FETTsack;=alter;« Z. 56: »mir is ganz ehrlisch auch im tshirt warm.=«), wobei sie zwischen Deutschland und Marokko (ihrem Herkunftsland?) unterscheidet (Z. 50: »in marokko is mir das voll egal weißte was«)und diese Kontrastierung noch einmal durch die Hyperbolik in Z. 72 unterstreicht: »ej= die laufen hier mit unterhose rum wenn sie eine SONne gesehen haben«. Insgesamt lassen sich in der Passage nur wenige Formen kooperativer Höflichkeit erkennen. Vielmehr sind direkte (potentielle) Gesichtsangriffe zu beobachten, die jedoch interaktiv keine erkennbare Empörung hervorrufen. Diese Höflichkeitsmodalität ist für Jugendliche oftmals dokumentiert worden (vgl. z. B. Hartung 2002; Neuland/Könning/Wessels 2017).

Unabhängig von der argumentativen Stringenz, die für den außenstehenden Beobachter nicht voll ausgeprägt zu sein scheint (Proponenten- und Opponentenrolle verschieben sich während der Diskussion (vgl. Morek/Heller/Quasthoff 2017, S. 17–19) mehrmals), ergibt sich jedoch für die Handelnden selbst eine kohärente Diskussion, was man allein daran erkennt, dass sich ein Komplex aus Begründungen und Gegenbegründungen ergibt, obschon es zu raschen Verschiebungen der quaestio (vgl. ebd., S. 15) kommt. Im Gegensatz zum oben skizzierten Verständnis von Konversation finden sich in diesem und in weiteren Beispielen des Korpus insgesamt deutlich seltener explizit gesichtsschonende Praktiken. Kleidungsgewohnheiten in verschiedenen Kulturräumen hingegen wären auch als thematischer Ausgangspunkt für »Konversationen« denkbar.

In Abb. 2 findet eine Art dialogische Zusammenfassung der Handlung der Anime- bzw. Manga-Comic-Serie: Assassination Classroom statt. Dies wird als Anknüpfungspunkt für den Austausch über die Figur Nagisa genutzt.

Abb. 2
figure 2

»Nagisa is’ so’n cutes kleines Etwas«, Gesamtschule Köln, 9. Jahrgangsstufe

Zunächst beginnt F1 damit, einen Teil der Comic-Serie zusammenzufassen, was sie in animierter Rede aus Perspektive der Figur Nagisa tut (Z. 01–04). Dabei verlässt sie ihre »Rolle« zwischenzeitlich, indem sie ihre Mitschülerinnen direkt anspricht, was für Irritation sorgt (»DU has das gesacht;« (Z. 09); »hä?« (Z. 11)). Es folgt die Anschlusskommunikation (vgl. Androutsopoulos 2016) über die Figur Nagisa. Es wird ein Konsens darüber erzielt, dass die Figur Nagisa ein Sympathieträger ist, den man »RICHtisch lieb« (Z. 23) haben kann, weil er innerhalb der Handlung offenbar als vergleichsweise harmlos dargestellt wird (»hat der so nix in seinem leben verbrochen;«(Z. 15)).

Die standardsprachlich korrekte Verwendung des Genitivs (»wegen guten verhaltens« (Z. 04)) könnte darauf hinweisen, dass auch stärker bildungssprachliche Register von den Mädchen beherrscht werden und es sich bei syntaktischen Konstruktionen mit standardsprachlich ungewöhnlich anmutender Verberststellung, wie in Zeile 15, um eine (mehr oder weniger bewusste) Stilwahl handelt. Der hier stark nähesprachlich geprägte Gruppenstil zielt durch den kundigen Austausch über das gemeinsam geteilte Wissen (common ground) (vgl. Clark 1996) auf Vergemeinschaftung ab. Meinungen über Nagisa werden gleichsam als Selbstverständlichkeit hingestellt (»<<smile voice>↑KEIne AHnung nagisa alter« (Z. 12)). Die jugendtypisch-umgangssprachliche Lexik (»so_n nicer boy«Footnote 5(Z. 14); »na’gisa is so_n cutes kleines etwas« (Z. 22)) dürfte den vergemeinschaftenden Effekt hier noch verstärken. Wie auch Spreckels (2014, S. 183) beobachten kann, vollzieht sich der Mediendiskurs im Kontext von Zuschauerrezeptionen unabhängig vom Alter der Zuschauer meist in humorvoller Weise; eine Beobachtung, die sich im zweiten Beispiel (Abb. 2) v. a. anhand des Lachens an mehreren Stellen beobachten lässt.

Im Beispiel verläuft das Gespräch kooperativ und konsensorientiert, wie es ebenso nach einem gemeinsprachlichen Verständnis von Small Talk der Fall wäre. Wie schon im ersten Beispiel lassen sich jedoch auch hier Analogien zu bildungssprachlichen Konzepten von Konversation (erster Ordnung) finden: Das Gespräch erscheint für Außenstehende äußerst voraussetzungsreich. Eine ausreichende Kenntnis über Manga-Comics wird an dieser Stelle als Wissens-Präsupposition vorausgesetzt, weshalb die Zurschaustellung von Kenntnisreichtum im Gespräch hier auch sozialdistinktive Funktionen einnehmen könnte. Wenngleich die Gesprächsgegenstände hier vom klassischen Bildungskanon abweichen, sind einige Gespräche aus dem Korpus m. E. aufgrund ihrer Beteiligungsvoraussetzungen durchaus mit der Anschlusskommunikation in Kontexten wie z. B. dem Theaterfoyer (vgl. Gerwinski/Habscheid/Linz 2018) vergleichbar.

Über den Mechanismus der sprachlichen Abgrenzung nach außen bei gleichzeitiger Stärkung des inneren Gruppengefüges besteht ein breiter Konsens in der Jugend- und Jugendsprachenforschung (vgl. Neuland 2018, S. 105 ff.). Auch die »Konversation« unter Erwachsenen als gesellig und v. a. gebildeter Austausch zu Unterhaltungszwecken (vgl. Habscheid 2016, S. 122–125) stellt eine sozial-vergewissernde Praktik dar, die auf Vergemeinschaftung bei gleichzeitiger Abgrenzung nach außen abzielt und dabei mit gesellschaftlicher Teilhabe verknüpft sein kann. Die Funktionen von Inklusion und Exklusion sind gesellschaftlich noch folgenreicher, wenn sie dem beruflichen Aufstieg in Form von sozial-vergewisserndem »socializing« dienen.

3.2 Ambivalenzen zwischen Spaß und Ernst

Eine Eigenheit der untersuchten Gespräche besteht in ihrer besonderen Jugendspezifik, die sich vor allem an einem hohen Maß an Emotionalität bzw. Emotionalisierung und spaßhafter Modalisierung äußert. Der Sprachgebrauch ist in der Regel nicht nach den allgemeinen Konventionen maximaler Gesichtsschonung ausgerichtet, was in jugendtypischen Kontexten jedoch keineswegs Unkooperativität zur Folge haben muss. Vielmehr sind in vielen Fällen Formen interaktiv folgenloser (konventioneller) Unhöflichkeit zu beobachten, die auch als cooperative rudeness (Kienpointner 1997, S. 262), ritual insults (Labov 1972b) oder friendship masked as antagonism (Ackerman 1994, S. 1691 f.) bezeichnet werden können.

Small Talk kann als alltagssprachliche Praktik nicht zielgerichteter Gespräche beschrieben werden, die kontroverse Themen und damit den Konflikt ausspart. In jugendtypischem Small Talk geschieht dies insbesondere durch die frequent auftretende Spaßmodalität, weniger durch die Themenwahl, wodurch konfliktträchtige Situationen vermieden werden. Im folgenden Beispiel (Abb. 3) wird eine eindeutig spaßhaft-ironisch modalisierte Sequenz demonstriert, die sich als friendship masked as antagonism klassifizieren lässt.

Abb. 3
figure 3

»Dir kann vieles passieren.«, Gymnasium Münsterland, 9. Jahrgangsstufe

Die vollzogene Modalität von spaßhaftem Angriff (»Frotzeln«) kann gruppenspezifisch sehr voraussetzungsreich sein und kann Inklusion wie Exklusion zur Folge haben. So wie »Konversation« die Vermeidung des Konflikts bei gegenteiligen Meinungen »inszeniert« und aufrechterhält, kann die »Inszenierung« und Herstellung von Konflikt (ohne zugrundeliegende Meinungsdifferenzen oder persönliche Angriffe) als typisch für Jugendliche angesehen werden.

Weniger eindeutig scherzhaft- kooperativ ist das folgende Beispiel (Abb. 4) zu werten, das sich v. a. durch die vulgäre Wortwahl am deutlichsten von den hier diskutierten Konzepten von Small Talk und Konversation abhebt.

Abb. 4
figure 4

»Ich will dich nicht beleidigen«, Gesamtschule Köln, 9. Jahrgangsstufe

Der Anlass für das kleine Wortgefecht ist in diesem Beispiel nicht genau rekonstruierbar. Die Schülerinnen F1 und F2 reagieren mit einem (durchaus ernsthaft modalisiertem) face attackej;=halts maul;« (Z. 9 f.)) als der Schüler M1 eine Nachfrage zum gemeinhin als tabuisiert geltendem Ausdruck »muschi« hat, der zuvor verwendet wurde. Die streitenden Schülerinnen reagieren darauf mit einem weiteren Tabubruch (»s_PERma« (Z. 13)). Durch die verzögerte Wiedergabe werden hier komische Effekte erzielt, was verdeutlicht, wie sehr Gespräche unter Jugendlichen in sehr assoziativer Weise zwischen ernsthaften Gesichtsbedrohungen und der Scherzkommunikation mit hoher Dynamik changieren können. Interessant erscheint hier, dass es in diesem Beispiel – entgegen manchem Stereotyp über Unterschiede im Sprachgebrauch zwischen Mädchen und Jungen – die Mädchen sind, die hier tabubesetzte Ausdruckweisen verwenden. Der sexuell tabuisierte Bereich ist im Jugendalter durch Unsicherheiten geprägt. Dekontextualisiert eingesetzter Sexualwortschatz kann hiervon womöglich entlasten.

Die Konfliktvermeidung in den schulischen Peergesprächen tritt weniger an der Sprachoberfläche zu Tage, sondern stellt als Interaktionsmodalität eine Beteiligungsvoraussetzung dar, deren Berücksichtigung Konfliktvermeidung zum Ergebnis hat. Jugendtypischer »Small Talk« (im Sinne eines Austausches über (vermeintliche) Nichtigkeiten, wie z. B. dem Wetter) vollzieht sich stärker als bei Erwachsenen durch eine scherzhafte Rahmung, die absurd-ironische Komponenten aufweist.

3.3 Zur Rolle jugendtypischer Sprechweisen

Neben den diskutierten pragmatischen Gesichtspunkten drücken sich Beteiligungsvoraussetzungen im Rahmen von jugendtypischen Sprechstilen auch an der Sprachoberfläche aus. Lexikon, Satzbau und prosodische Merkmale können Distinktions- und Inklusionsfunktionen erfüllen – m. E. ebenfalls eine Analogie v. a. zur Konversation, die ähnliche Effekte durch bildungssprachliche Lexik und Wertschätzung von normorientierter Syntax erzielt. Zur Veranschaulichung der Jugendspezifik soll noch einmal auf das erste Beispiel zurückgegriffen werden, wobei diesmal auf die Sprachoberfläche und hierbei exemplarisch auf Interjektionen eingegangen wird, die besonders typisch für das untersuchte Korpus von Peergesprächen sind. Hierbei treten gruppentypische Unterschiede auf. So tritt die Verwendung von »digger/diggah« innerhalb des Korpus nur in dieser Gruppe auf (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

»Die laufen hier mit Unterhose rum«, Gesamtschule Köln, Jahrgangsstufe 9

Im Beispiel sind einige weitere Diskursmarker zu beobachten, die nahezu satzwertig verwendet werden und aus mehr als einem Wortbestandteil bestehen. Sie stehen syntaktisch ebenso im Verbvorfeld (»ohne scheiß« (Z. 40)) und erfüllen als feste Wortverbindung (Idiomatisierungen) interaktiv ähnliche Funktionen wie Interjektionen als Satzwörter (Eins 2016, S. 588). Hauptsächlich dienen auch diese Idiomatisierungen der Herstellung/Aufrechterhaltung von Aufmerksamkeit (s. auch: »ganz EHRlich« (Z. 44), »weißte was«, (Z. 50)) und zum Teil auch als Füllwort bei Formulierungsschwierigkeiten (»keine ahnung« (Z. 51)). Weitere Beispiele hierfür aus dem Korpus sind: ganz ehrlich? oder dies das (z. B. »Der hat mich beleidigt. Dies das.« Gesamtschule Köln, 9. Jahrgangsstufe).

Der Blick in das Fragebogenkorpus [N = 103] verrät, welche Interjektionen bzw. Diskurmarker die Jugendlichen selbst für jugendtypisch halten. Dabei fällt auf, dass das Sprachbewusstsein nicht deckungsgleich mit dem Vorkommen in den echten Gesprächen sein muss, wo einige Ausdrücke (z. B. isch schwör, Bro) gar nicht auftreten. Bei den Antworten zur Aufgabe: Gib bitte ein Beispiel für die Sprache Jugendlicher wurden 57 (meist objektsprachliche) Beispiele genannt, die sich Interjektionen/Diskursmarkern (z. T. in der Mischfunktion als Anrede) zuordnen lassen. Dabei wurden folgende Ausdrücke angegeben, die hier der Häufigkeit nach genannt werden: Alter (41x), Ey (13x), Diggah (12x), Junge (11x), Boah (3x), Man (3x), Isso (3x), Bro (3x), Jo (2x), alles klar (2x), isch/ich schwör (2x). Der Ausdruck Alter wird in wenigen Fällen (z. B. Gymnasium Münsterland, 9. Jahrgangsstufe) generisch von Mädchen als Anrede für andere Mädchen eingesetzt (»Nastascha, Alter! ...«). Die Abgrenzung zu Anreden fällt oftmals schwer (»Egal, is ’n guter Spruch, Alter!«, Gesamtschule Köln, Jahrgangsstufe 9).

Der frequente Einsatz von Fäkalwortschatz und Schimpfwörtern, Hyperbolik und hiermit verbundenen Intensivierern, Personenkategorisierungen, Wertungsausdrücken, Vagheitheitsmarkern, Quotativkonstruktionen mit so sind weitere markante Merkmale der Gruppen-Stile im Korpus (vgl. hierzu ausführlich Könning i. V. 2020).

4 Bildungssprachliche Spiegelungen

Spiegelungen bildungssprachlicher, unterrichtlicher Praktiken weisen – wie eingangs beschrieben – ebenso Berührungspunkte zu Konzepten von Konversation auf (vgl. Kap. 2). Das folgende Beispiel (Abb. 6) veranschaulicht, wie Unterrichtsinhalte thematisch aufgegriffen und hier in eine scherzhafte Bricolage überführt werden können.

Abb. 6
figure 6

»Ich nenn mich jetzt den Konjugierer«, Gesamtschule Köln, 9. Jahrgangsstufe

Wie sehr häufig im Korpus wird auch in diesem Fall das Singen im Rahmen der Scherzkommunikation eingesetzt. Dies unterstreicht m. E. die Zulässigkeit der Metapher von Nothdurft/Schwitalla (1995), die Kommunikation als solche als eine Form des »gemeinsamen Musizierens« bezeichnen. Der scherzhaften Selbstkategorisierung als »konjuGIErer« (Z. 01) wird der Schüler hier inhaltlich nicht ganz gerecht, indem er in der Folge ein Substantiv dekliniert (Z. 14).

Darüber hinaus können schulische Peer-Gespräche der zielgerichteten Bearbeitung von Gesprächsaufgaben dienen und daher auch als direkt bildungssprachliche Praktiken klassifiziert werden. Im Gegensatz zur Konversation, erfolgt die Form der Themenbearbeitung im folgenden Beispiel (Abb. 7) sehr zweckgerichtet und zielorientiert.

Abb. 7
figure 7

»Kanns’ mir dat erklären irgendwie?« Gymnasium Münsterland, 10. Jahrgangsstufe

Nach einer Sequenz deutlicher Abgrenzung von institutionellen Anforderungen in Form von Schulfächern (Z. 01–08) folgt eine längere Erklärsequenz zu Kurvendiskussionen im Schulfach Mathematik. Derartige Gespräche lassen sich als institutionsbegleitend bezeichnen und machen den Großteil der Gespräche mit schulischem Bezug im Korpus aus.

Dem lassen sich institutionsabgrenzende Gesprächsanteile gegenüberstellen, die – anders als die präsentierten Beispiele suggerieren – deutlich seltener auftreten. In Abb. 8 wird eine solche Gesprächssequenz präsentiert.

Abb. 8
figure 8

»Bio is’ einfach kacke«, Gymnasium Wuppertal, 10. Jahrgangsstufe

Zunächst bringt M1 den Fachterminus aus dem Bereich der klassischen Rhetorik »asyndetisches trikolon«Footnote 6 (Z. 02) in das Gespräch ein, wobei durch die Aussprache in lachender Weise eine scherzhafte Rahmung etabliert wird. Es steht zu vermuten, dass hiermit bereits der Bezug zum Lateinunterricht hergestellt wird, der im Verlauf noch relevant werden soll. M2 greift dies als Einladung zum Sprachspiel auf, indem er den dem Bereich Biologie entstammenden Terminus »nicoTIN(.)amiddenindinuleotid« (Z. 04) einbringt und ihn durch den Verweis, dass er ihn in seiner Alltagssprache verwende, der Absurdität preisgibt, was durch allgemeines Lachen honoriert wird. Die Jugendlichen versuchen sich in diesem Bricolage-Muster (vgl. Galliker 2014) durch Aussprache weiterer noch komplexer zusammengesetzter Fachtermini (»nikotin amidadenindinokleotidphosPHAT;« (Z. 10)) in immer neuen Runden zu übertreffen. Dieses sogenannte Topping-Verfahren (Neuland 2018, S. 69) ist eine für jugendtypische Interaktion häufig dokumentierte Praktik. Assoziativ an den thematischen Bereich Schule anknüpfend wird von M2 resümiert: »bio is einfach kacke« (Z. 16). Hieraus entwickelt sich, erneut im Topping-Verfahren, eine Negativbewertung verschiedener Schulfächer. Zunächst positioniert sich M3 zu der Aussage, indem er hervorhebt, dass Fach »zum glück« abgewählt zu haben. M2 eskaliert diese Positionierung, indem er betont, er habe bereits vor M3 abgewählt (Z. 18). Dies bewertet M1 positiv als »WEIse entscheidung« (Z. 21), worauf der triumphierende Ausruf des Schülers M3 erfolgt (Z. 22). Gleichsam als vergemeinschaftende Bekräftigung erfolgen weitere Ausrufe: »kein bio mehr« (Z. 23/24). Wie, um sich der gemeinsamen Freude zu versichern, erfolgt nun die gegenseitige Unterbietung der verbleibenden Stundenanzahl in den ungeliebten Fächern (Z. 25–31). Diese immer neuen Eskalierungen (vgl. Auer/Uhmann 1982) der Bewertung laufen auf einen Konsens im Sinne einer Negativbewertung der Institution Schule hinaus.

5 Schluss

Die Diskussion von Peer-Gesprächen in der Schule in Bezug auf Konzepte von Small Talk, Konversation und Bildungssprache konnte erwartungsgemäß zu keinen eindeutigen, stereotypen Zuordnungen führen. Als spezifische Form institutioneller Kommunikation kann sie der zwischenzeitlichen Entlastung und somit in indirekter Weise institutionellen Zwecken dienen (vgl. hierzu auch den Begriff des ›homilëischen Diskurses‹ bei Rehbein 2012, S. 88). Sie vollziehen sich in räumlich wie zeitlich fließenden Übergängen zur formellen, institutionellen Kommunikation. Besonders stark gestaltet sich dieser Aspekt in der sogenannten unterrichtlichen Nebenkommunikation aus; institutionelle Spiegelungen in Form von institutionsbegleitenden und institutionsabgrenzenden Themen bilden auch in den außerunterrichtlichen Gesprächen einen Schwerpunkt.

Es sind sprachliche Praktiken zu beobachten, die für die Gesprächsteilnehmer z. T. sehr voraussetzungsreich erscheinen und sich m. E. daher dem begrifflich meist mit Distinktionsmarkierung verknüpften Konzepten von Konversation annähern. Um an Gesprächen über bestimmte Themenbereiche partizipieren zu können, wird spezifisches Teilnehmerwissen (Präsuppositionen) vorausgesetzt. Dasselbe gilt für Sprachspiele, die ein gemeinsam geteiltes Weltwissen voraussetzen und insofern auch exklusiven Charakter aufweisen können. Sprachstilistisch dürften sich diese Gesprächspassagen deutlich von dem unterscheiden, was gemeinhin unter bildungssprachlicher Konversation verstanden wird. Konfliktvermeidung vollzieht sich in den untersuchten Peergesprächen vor allem durch eine spaßhafte Rahmung, kann aber, anders als in bildungsbürgerlichen Konversationen, durchaus mit Ausdrücken einhergehen, die im konventionellen Sinne als vulgär oder beleidigend gelten. Direkt ausgetragene Konflikte mögen unter Jugendlichen häufiger auftreten, sind aber keinesfalls dominierend in den untersuchten Gesprächen.

Konversation dürfte mittlerweile auch in computervermittelter Kommunikation (z. B. social media) stattfinden, wo neben der viel beklagten »hate-speech«, die oft fälschlicherweise Jugendlichen zugeschrieben wird, auch elaboriert, kooperative Formen der Kommunikation vorzufinden sind. Gesprächspraktiken der Höflichkeit sind für Jugendliche in ihrer Ihnen eigenen Ausgestaltung oftmals mit dem Begriff »Respekt« verknüpft (vgl. Neuland/Könning/Wessels 2020). Anders als es manche mediale Stilisierungen z. T. verzerrt wiedergeben, verhalten sich die Jugendlichen hierbei in aller Regel im Rahmen von Beziehungsarbeit (relational work) (vgl. Locher 2017) sehr kooperativ und sind um die Vermeidung (echter) Gesichtsbedrohungen bemüht. Es steht zu vermuten, dass sich – analog zum Sprachwandel insgesamt, der u. a. Einflüssen aus jugendtypischen Sprechstilen unterliegt – heutige jugendtypische Gesprächsthemen aus den Bereichen Freizeit und Medien zukünftig im kanonisierten Wissen als Grundlage von sich wandelnden Praktiken von Konversation niederschlagen.