Das Verhältnis von Prostitution, Körper und Sozialer Arbeit ist innerhalb der wissenschaftlichen Auseinandersetzung empirisch wie theoretisch wenig beleuchtet und lässt sich zunächst wie folgt bestimmen: Prostitution ist zum einen eine explizit körperbezogene Tätigkeit, zum anderen wird der Körper der Sexarbeitenden – und in anderer Weise auch der Körper der Kund*innen – als Körper an der Grenze des gesellschaftlich Normalen hervorgebracht, der hegemoniale Vorstellungen von Sexualität und Körperlichkeit immer wieder herausfordert (Ruhne 2006; Grenz 2007). Sowohl Personen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten und als Prostituierte bezeichnet werden, als auch Personen, die als sogenannte Freier*innen sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen, unterliegen einem Prozess der „negativen Klassifikation“ (Neckel und Sutterlüty 2005). Dieser Prozess ist nicht zuletzt verbunden mit wirkmächtigen stereotypisierenden Vorstellungen, die Prostituierte und Freier*innen als „Andere“ und „Fremde“ positionieren. Die Adressierung und Markierung als „Andere“ bringt für die Sexarbeitenden Stigmatisierungen und Diskriminierungen mit sich (vgl. etwa Langer in diesem Band), und auch die Kund*innen werden in einem nach wie vor tabuisierten Feld als in Bezug auf ihren Körper und ihre sexuellen Praktiken von hegemonialen Normalitätsvorstellungen Abweichende hervorgebracht (vgl. Gerheim in diesem Band). Diese Überlegungen verweisen auf das Verhältnis von Körper und (diskursiven) Wahrnehmungen, von Sichtbarkeiten und Unsichtbarkeiten, sowie Sagbarkeiten und Unsagbarkeiten, von Präsentation und Repräsentation, vor deren Hintergrund die Körper von Personen und Personengruppen als „Andere“ konstruiert werden (vgl. Burghard et al. 2014). Insbesondere sozialstaatliche Reglementierungen und Kontrollen waren und sind auf den Körper der Prostituierten ausgerichtet (vgl. Heying in diesem Band). Hierbei machen empirische Erkenntnisse deutlich, dass das soziale Feld der Prostitution durch körperbezogene Kategorien strukturiert ist. Diese zeigen sich u. a. in der affektiven Dimension über die Thematisierung und Fokussierung von Scham, Ekel und Angst sowie über bestimmte Hygiene‑, Gesundheits- und Bekleidungsvorstellungen (vgl. hierfür u. a. El-Nagashi 2010, S. 77; Löw und Ruhne 2011).

Während die Markierung als „Andere“ – als gefährdete und gefährdende Körper (vgl. etwa Mörgen in diesem Band) – im Falle der Sexarbeitenden die Legitimation für Soziale Arbeit darstellt, in diesem Kontext tätig zu werden (Brückner und Oppenheimer 2006; Vorheyer 2010), werden die Kund*innen nicht zu Adressat*innen Sozialer Arbeit (vgl. Baier et al. in diesem Band). So agiert Soziale Arbeit in einem Spannungsfeld hegemonialer Vorstellungen von Weiblichkeit wie auch Männlichkeit und damit einhergehenden Körperbildern und Körperpraktiken. Mithin werden körperbezogene Aspekte wie sexuelle Gesundheit und berufliche Lebensführungsweisen zum Gegenstand von Normalisierungen und Normierungen, über die Soziale Arbeit Prostitution als soziales Problem bearbeitet, reguliert und auch mit hervorbringt. Denn dort, wo Sexarbeiter*innen zum Gegenstand sozialarbeiterischer und damit sozialstaatlicher Aufmerksamkeit und Intervention werden, wird die Konstruktion von Prostitution als sozialem Problem und die Kategorisierung von Sexarbeiter*innen als „Andere“ in professionelle Adressat*innenbestimmungen übersetzt (vgl. Vorheyer in diesem Band).

Diese Verhältnisbestimmung lässt sich in den diskursiven Rahmen der Debatte um Prostitution einordnen, die sowohl wissenschaftlich als auch politisch und medial von kontroversen und polarisierenden Positionen gekennzeichnet ist. Je nach Argumentationsstrang gehen damit divergierende und kontextspezifische Deutungs- und Verhandlungsweisen des Phänomens Sexarbeit bzw. Prostitution einher (vgl. u. a. Grenz und Lücke 2006; Helfferich et al. 2007; Sauer 2006; Vorheyer 2010). Prostitution stellt hierbei keine ahistorische Konstante dar, sondern ist stets eingebunden in gesellschaftliche Rahmenbedingungen und ist entsprechend auch eine „historische Antwort auf […] etablierte Vorstellungen“ (Grenz und Lücke 2006) von Geschlecht, Sexualität, Erwerbstätigkeit, sozialer Schicht und Gesundheit. Sie ist einzubinden in sich stets im gesellschaftlichen Wandel befindliche moralische, soziokulturelle, sexualethische und rechtliche Einstellungen (vgl. ebd.; Ahlemeyer 1996; Dabhoiwala 2014; Heinz-Trossen 1993; Jenzer 2014; Löw und Ruhne 2011, S. 25). Elemente wie Freiwilligkeit und Zwang, aber auch Autonomie und Heteronomie können dabei nur abseits polarisierender Vereinfachungen gewinnbringend zur Erforschung des komplexen Phänomens Prostitution beitragen (vgl. Ott 2017, S. 35–38; Sauer 2006, S. 78). Kritik an Vereinfachungen wird daneben auch dahingehend formuliert (vgl. Grenz und Lücke 2006, S. 12; Weitzer 2005, S. 229), dass die Prostitutionsforschung oft einseitig entweder aus einem „feministische[n] Forschungsparadigma“ (Grenz und Lücke 2006, S. 12) und/oder basierend auf heteronormativen Grundannahmen sowie entsprechenden Zuschreibungen von vergeschlechtlichter Sexualität und sexuellem Begehren (vgl. Nowottnick 2008, S. 64 f.; Ott 2014) auf eine in dem Feld tätige Akteur*innengruppe fokussiert. Diese Kritik ist einzuordnen in verschiedene Phasen sozialwissenschaftlicher Prostitutionsforschung, die sich seit Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts von einer sozialmedizinischen und pathologisierenden Auseinandersetzung, in der eine „Naturalisierung alles Devianten“ (Ziemann 2017, S. 95; 98 f.) verhandelt wurde, in den 1960er Jahren hin zu einer Devianzforschung entwickelt hat. In letzterem Kontext wurde Prostitution als soziales Problem markiert (vgl. Kontos 2009, S. 107) und Sexarbeiter*innen wurden „als gesellschaftlich Ausgeschlossene verstehbar“ (ebd.) (vgl. hierfür Ott 2017, S. 28). Vor dem Hintergrund feministisch motivierter Forschungen wie auch politischer Bewegungen erfolgte in den 1980er-Jahren ein Perspektivenwechsel. Zunehmend wurden gesellschaftliche (Geschlechter‑)Verhältnisse in den Blick genommen, wodurch sich eine auf Devianz fokussierte Forschung hin zu einer „Viktimisierungsforschung“ (Grenz und Lücke 2006, S. 10 f.) entwickelte. So lässt sich zu dieser Zeit eine (sozialwissenschaftliche) Betrachtung von Sexarbeiterinnen als Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse (vgl. Kontos 2009, S. 160–164) und/oder ihres abweichenden gesellschaftlichen Verhaltens nachzeichnen. Daneben entwickelten sich forscherische Interventionen aus der Hurenbewegung selbst heraus, die einer Opferperspektive widersprachen und insbesondere die Betrachtung sozialer Ein- und Ausschließungsprozesse sowie die Anerkennung von Sexarbeit als Arbeit einforderten (vgl. Heying in diesem Band; hierfür auch Ott 2017, S. 30). Mit der bereits oben erwähnten Kritik an einem „feministischen Forschungsparadigma“ geht die Forderung einher, neben Sexarbeiterinnen und männlichen Kunden, „männliche Prostituierte“ und „Frauen als Zuhälterinnen oder Kundinnen“ (Grenz und Lücke 2006, S. 12) sowie verschiedene Orte und Formen der Prostitution (vgl. Weitzer 2005, S. 229) in das Blickfeld sozialwissenschaftlicher Forschung zu rücken. Darüber hinaus gilt es, den Fokus zu weiten und Prostitution als soziales Phänomen in gesellschaftlichen Verhältnissen zu verorten (vgl. Löw und Ruhne 2011). Dies bedeutet sodann auch, die Perspektive institutioneller Beratungs- und Unterstützungsangebote (vgl. Brückner und Oppenheimer 2006; Ott 2017) und das Verwaltungshandeln von Behörden in Bezug auf Prostitution (vgl. Vorheyer 2010) genauer zu untersuchen.

Der Blick auf Körper kann als ein die beiden Themenbereiche Prostitution und Soziale Arbeit verbindendes Element betrachtet werden. Beide sind durch eine Auseinandersetzung mit normierenden wie auch normalisierenden Körperbildern und sozialen Körperpraktiken geprägt. Körper als sozialwissenschaftlicher Forschungsgegenstand erfährt in Bezug auf das Verhältnis von Sozialität, Körper und Gesellschaft sowie von Körper und Macht eine je nach historischem, kulturellem und politischem Kontext unterschiedliche Thematisierung (vgl. Bourdieu 1982; Elias 1997; Foucault 1976). (Post‑)Feministische, postkoloniale als auch historische Auseinandersetzungen mit der Thematik haben zur Kritik der Naturalisierung wie auch Essentialisierung des vergeschlechtlichten, klassifizierten und rassifizierten Körpers beigetragen (vgl. Butler 1997; Duden 1987; Federicci 2012; Laquer 1992). Vor dem Hintergrund aktueller körpersoziologischer Auseinandersetzungen hat sich eine Perspektive etabliert, die Körper als sozial hergestelltes wie auch gesellschaftliche Zusammenhänge herstellendes Medium betrachtet und thematisiert (Gugutzer 2006, S. 10 f.; Magyar-Haas 2013, S. 137). Entsprechend schlägt Robert Gugutzer (2006, S. 12–20) eine analytische Differenzierung vor, die als Versuch zu betrachten ist, das wechselseitige Verhältnis von Körper und Gesellschaft in den Blick zu nehmen. Auf der einen analytischen Ebene wird von Körper als Produkt und auf der anderen von Körper als Produzent von Gesellschaft ausgegangen (ebd., S. 13). Auf ersterer Ebene wird danach gefragt, wie Körper als gesellschaftliche Konstruktion bzw. als gesellschaftliches Produkt zu verstehen ist und es werden insbesondere Körperdiskurse, Körperformungen und Körperrepräsentationen ins Zentrum gestellt. Auf der letzteren Ebene wird nach der körperlichen Konstitution von Gesellschaft gefragt und es werden analytische Dimensionen wie Körperroutinen, Inszenierungen von Körper und Körperpraktiken fokussiert. Entsprechend lässt sich Körper einerseits als Produkt machtvoller Handlungen begreifen. So kann er als Effekt von Diskursen und damit von Praktiken der Macht und des Wissens rekonstruiert werden (Burghard et al. 2014, S. 111; Foucault 1976, S. 40 f.). Andererseits ist Körper nicht nur Gegenstand machtvoller Zuschreibungen und damit Ausgangspunkt für spezifische Adressierungsweisen – wie „die Prostituierte“ –, sondern auch als Subjekt eigensinnigen Handelns und damit als Medium sozialen Handelns zu verstehen (Goffman 1994; Merleau-Ponty 1966). Mit Norbert Axel Richter kann davon ausgegangen werden, dass „die empirischen Subjekte […], die ihnen zugemutete normative Ordnung […] bespielen“ (Richter 2009, S. 31). Personen wie Sexarbeiter*innen und Kund*innen als auch Sozialarbeiter*innen treten mit ihren Körpern über Gestik, Mimik und Blickverhältnisse miteinander in Beziehung (Mörgen 2018), sie nehmen einander in einer konkreten zeitlichen, räumlichen wie auch materiellen Verortung wahr (vgl. Mörgen in diesem Band). Entsprechend wird mit Körpern in sozialen Interaktionsverhältnissen soziale Ordnung hergestellt, indem mit dem und über den Körper kommuniziert wird, aber auch soziale Positionierungen und Adressierungen ausgehandelt werden (vgl. Langer in diesem Band).

Der vorliegende Themenschwerpunkt widmet sich der oben skizzierten Verhältnisbestimmung von Prostitution, Körper und Sozialer Arbeit: In der Prostitution arbeitende Körper (aber auch die der Kund*innen) können als gesellschaftlich nicht anerkannt und als von Normalvorstellungen abweichend gelten. Im Zusammenhang von hegemonialen Weiblichkeits- und Männlichkeitsvorstellungen, (abweichenden) Körperbildern, Körperpraktiken und (Sozialer) Arbeit unterscheiden sich gesellschaftliche Betrachtungs- und Bewertungsweisen von Prostitution insofern von anderen Formen körperbezogener Dienstleistungs- und Arbeitsformen wie etwa Physiotherapie, als letztere gerade nicht als integritätsverletzende Arbeit des Leibes und diesen durch die Ausführung beeinträchtigende Tätigkeit betrachtet werden (vgl. Brenner 2007). Damit wird die Ausübung von Prostitution als sexueller Tätigkeit gesellschaftlich als eine den Körper der Sexarbeiter*innen wie auch die bürgerliche Norm betreffende Grenzüberschreitung konstruiert (vgl. Vorheyer in diesem Band). Über die Abweichung von hegemonialen Normalitätsvorstellungen von Körper und Sexualität sowie damit einhergehende potentielle Risiken werden Interventionen der Sozialen Arbeit – verstanden als Bearbeitungsinstanz gesellschaftlicher Problemlagen – im Prostitutionsfeld legitimiert (vgl. Heinz-Trossen 1993; Probst 2015). Doch welche Wahrnehmungsweisen von Körpern der Sexarbeiter*innen wie auch der Kund*innen lassen sich im Feld der Prostitution nachzeichnen? Welche Markierungen, Zuschreibungen und Unterscheidungen von Körpern werden (mit Körpern) vorgenommen? Inwiefern werden diese Körper dabei als von hegemonialen Wahrnehmungsweisen abweichende konstruiert? Und in welcher Weise werden darüber sowohl Prostituierte als auch Kund*innen als „Andere“ hervorgebracht?

Diesen Fragen nachgehend widmet sich das vorliegende Heft dem Austausch und der Präsentation aktueller Forschungsarbeiten zum Feld Prostitution, die nicht das Ziel verfolgen, eine klare Position für oder gegen kommerzielle Sexualität einzunehmen, sondern sie als gesellschaftliches Phänomen zu untersuchen. Die verschiedenen Beiträge gehen dem Verhältnis von Prostitution und Körper, sowie von Prostitution, Körper und Sozialer Arbeit nach. Sie spannen einen Bogen von der historischen zur gegenwartsbezogenen Betrachtung der Wahrnehmungs- und Deutungsweisen des Körpers der Sexarbeiter*innen wie auch der Kund*innenFootnote 1 über die Rekonstruktion von Praktiken der (aufsuchenden) Sozialen Arbeit im Kontext Prostitution bis hin zu der subjektiven Perspektive der Sexarbeiter*innen auf die Thematisierung ihrer Körper-Selbst-Verhältnisse. Die Beiträge decken nicht nur unterschiedliche historische „Zeitfenster“ ab, sondern stellen verschiedene Gegenstände mit unterschiedlichen methodischen wie auch theoretischen Zugängen ins Zentrum der empirischen Analyse, die eine breite Basis für weiterführende Auseinandersetzungen bieten. Neben historischen Zugängen werden gegenwartsbezogen qualitative wie quantitative Vorgehensweisen verfolgt, die jeweils unterschiedliche Aspekte der oben skizzierten Verhältnisbestimmung in den Blick nehmen (vgl. Kelle 2013). Die einzelnen Beiträge setzen hierbei unterschiedliche Akzente hinsichtlich der wissenschaftlichen Betrachtung des Prostitutionsfeldes wie auch der theoretischen und empirischen Thematisierung von Körper als sozialwissenschaftlichem Forschungsgegenstand. Sie leisten damit in ihrer Zusammenstellung einen bereichernden Beitrag zu einer interdisziplinär ausgerichteten Forschung zu Prostitution als gesellschaftlichem Phänomen.

Im ersten Artikel dieses Themenheftes zeichnet Mareen Heying aus einer historischen Perspektive die Entwicklung des Sprechens über den weiblichen Körper der Prostituierten im Kontext der deutschen und der italienischen Hurenbewegung nach. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurde medizinisch, juristisch und politisch der Körper der Prostituierten als „anderer“ Körper konstruiert, als nicht normierter Körper, der den gültigen gesellschaftlichen Regelungen in Bezug auf Sexualität und Weiblichkeit zuwiderlief. In diesem Zusammenhang zeigt der Beitrag auf, wie Sexarbeiterinnen in Italien und Deutschland Ende der 1970er-Jahre die Zuschreibungen und Ausgrenzungen kritisierten, die mit ihnen einhergehenden Stigmatisierungen zur Sprache brachten und für eine Anerkennung von Prostituierten als Frauen und Arbeiterinnen kämpften. Damit lösten sie den Außenblick auf Prostituierte und auch die Definitionsmacht anderer über ihre Körperlichkeit durch einen Innenblick ab. Auf Grundlage der Argumentationen der italienischen und deutschen Hurenbewegung zeigt der Artikel die Widersprüche und Folgen des Sprechens über den Körper der Sexarbeiterin auf und zieht zugleich Verbindungslinien zu aktuellen Diskussionen, wie z. B. zum Prostituiertenschutzgesetz, welches am 01.07.2017 in Deutschland in Kraft getreten ist.

Antje Langer rekonstruiert in ihrem Beitrag die diskursive Hervorbringung von Körper- und Sexualitätsbildern in Bezug auf Drogenprostitution. Von der „Straßenhure“ – die in der Regel eindeutig weiblich ist – sind vertraute mediale Klischees allgegenwärtig, ebenso von dem/der „Drogensüchtigen“, deren Körper potentiell geschlechtliche Zuschreibungen verunmöglichen. Mit solchen Bildern körperlicher Erscheinungen und damit verknüpften Zuschreibungen müssen sich Frauen auseinandersetzen, die vorwiegend aufgrund und für ihren Drogengebrauch der Sexarbeit nachgehen; diese Bilder bearbeiten sie in sich distanzierender, widerständiger Weise sowohl im Interview, aber auch in ihren Praktiken über die Betonung, weder dem einen noch dem anderen Bild zu entsprechen. Der wirkmächtigen Verknüpfung von Körperlichkeit, Sexualität und Geschlecht geht Antje Langer in ihrem Beitrag ausgehend von ethnographischem Material zu Interaktionsprozessen auf dem sogenannten Drogenstrich in Frankfurt am Main nach: Es werden die sozialen Praktiken, die Aussagen zu Körperlichkeit und die darin enthaltenen Körperkonzepte in ihren je eigenen feldspezifischen Bezügen und diskursiven Verweisen theoretisch und empirisch ausgelotet. Sie fragt danach, inwiefern und in welcher Weise der Körper und Körperbilder im Feld der Drogenprostitution relevant werden und wie sich der Zusammenhang zwischen diskursiv erzeugten Körperbildern, der Körperwahrnehmung und Interaktionen theoretisch fassen lässt.

Nachdem in den beiden voranstehenden Beiträgen Körperbilder und Körperpraktiken bzw. -arrangements von Sexarbeiterinnen im Fokus standen, wird der Blick in den folgenden beiden Texten auf die Kunden gerichtet. Der Beitrag von Udo Gerheim widmet sich „Handlungs‑, Körper- und Sexualitätsmustern heterosexueller Freier im Prozess der initialen Nachfrage nach käuflicher Sexualität“ und fragt danach, welche Handlungs- und Motivmuster sich für den Einstieg in das soziale Feld der Prostitution rekonstruieren lassen. Darüber hinaus geht er der Frage nach, welche strukturellen Bedingungen und Machtdiskurse dabei wirksam werden. Im Zentrum stehen damit die „Sozialfigur des Freiers“ und „die soziale Praxis der Nachfrageseite“. In seinen empirischen Analysen kann Udo Gerheim zeigen, inwiefern die männliche Nachfragepraxis in den verschiedenen als Entscheidungs- und Reflexionsphasen konzipierten „Eintrittsphasen“ vor und nach der Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen mit Ambivalenzen belegt und von gesellschaftlichen Machtdiskursen geprägt ist.

Dirk Baier, Moritz Quel und Bettina Zietlow haben Kunden von Sexarbeiterinnen in einer quantitativen Online-Befragung daraufhin befragt, ob sie Ausbeutungssituationen von Sexarbeiterinnen wahrnehmen und in welcher Weise sich auf Seiten der Kunden Hilfsbereitschaft zeigen lässt, aber auch inwiefern durch die Kunden konkrete Unterstützungsmöglichkeiten wahrgenommen werden. Die Autor*innen erweitern mit ihrem Beitrag das Feld der Prostitutionsforschung um die Perspektive der Kunden als Zeugen potentieller Ausbeutungsverhältnisse von weiblichen Prostituierten und lenken damit den Blick auf die Ambivalenzen der Unterstützungs- und Hilfsmöglichkeiten durch die Kunden selbst, die unter anderem in den subjektiven Ängsten vor öffentlicher Stigmatisierung begründet liegen. Baier et al. stellen fest, dass eine Hilfsbereitschaft seitens der Kunden vor allem dann gegeben sei, wenn Sexarbeiterinnen aktiv und damit explizit ihnen gegenüber einen Unterstützungsbedarf signalisieren oder körperliche Gewalterfahrungen sichtbar vorhanden sind. Liegen subtilere Formen sozialer und ökonomischer Ausbeutungsverhältnisse vor, welche die Vulnerabilität von Sexarbeiterinnen bedingen können, führe dies nicht zwangsläufig dazu, Unterstützungs- und Hilfebedarf anzubieten. Hier muss jedoch zum einen auch danach gefragt werden, ob und inwiefern ökonomische und soziale Ausbeutungsverhältnisse für die Kunden sichtbar sind. Zum anderen ist für die Kunden der Verbleib in der Anonymität von großer Bedeutung, der bei weniger offensichtlichem Hilfebedarf stark gegen Unterstützungs- und Interventionsmöglichkeiten abgewogen wird.

Die folgenden Beiträge widmen sich theoretisch wie empirisch dem Verhältnis von Körper, Sexarbeit und Sozialer Arbeit im Kontext Prostitution. Claudia Vorheyer geht in ihrem Beitrag zum professionellen Habitus der Sozialarbeiter*innen im Prostitutionsfeld auf Grundlage von offenen, leitfadenorientierten Experteninterviews mit Sozialarbeiter*innen sowie Mitarbeiter*innen des Ordnungs- und Gesundheitsamtes, die im Rahmen von staatlichen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen alltäglich mit dem sozialen Phänomen Prostitution und der Klientelgruppe der Prostituierten beschäftigt sind, folgenden Fragen nach: Inwieweit ist Körperlichkeit ein implizites oder explizites Thema der Sozialen Arbeit in der Prostitutionsszene? Welche Perspektive wird auf Prostituierte und deren Körper eingenommen? Welche Rolle spielen hierbei die institutionellen, rechtlichen, diskursiven und professionellen Hintergründe und Kontexte? Mit einer körpertheoretisch sensibilisierten Perspektive leistet sie einen Beitrag zur reflexiven Sozialarbeitsforschung, die sich auf Problemkonstruktionen und -bearbeitungen im Bereich Prostitution sowie die körper- und grenzbezogenen Aspekte der beruflichen Wahrnehmungs- und Handlungsmuster der Sozialarbeiter*innen bezieht.

In ihrem Beitrag „Mit Körpern am Schutz des Körpers arbeiten: Zeigepraktiken der aufsuchenden Sozialen Arbeit im Kontext Prostitution“ widmet sich Rebecca Mörgen auf der Basis einer ethnographischen Studie, die Sozialarbeiter*innen in der aufsuchenden Arbeit im Prostitutionsfeld begleitet hat, sozialarbeiterischen Interventionen über die Ebene deren situativer Vollzüge. Dass Sexarbeiter*innen als Adressat*innen Sozialer Arbeit erscheinen, verweist auf soziale Normen, die den Körper der Sexarbeiter*in als von der Norm abweichenden Körper hervorbringen und diesen damit als Objekt sozialarbeiterischen „Zugriffs“ legitimieren. Dabei wird der „sexuell arbeitende Körper“ als zu unterstützender wie auch zu disziplinierender adressiert. Rebecca Mörgen zeigt in ihrem Beitrag exemplarisch an der sozialen Praxis des Zeigens von Verhütungsmitteln im Rahmen der sexuellen Gesundheitsprävention auf, in welcher Weise in sozialen Situationen der aufsuchenden Sozialen Arbeit Körper – die der Sozialarbeiter*innen und der Sexarbeiter*innen, aber auch der Ethnographin – relevant werden, wenn „am Schutz des Körpers“ gearbeitet wird. Sie rekonstruiert, wie auf den Körper bezogene sexuelle Wert- und Normvorstellungen in Situationen der aufsuchenden Sozialen Arbeit vermittelt und (körperlich) relevant gesetzt werden und inwiefern damit „Professionalisierungsweisen des sexuell arbeitenden Körpers“, aber auch „Momente der situativen Unsicherheitsbearbeitung“ einhergehen.

Auch Veronika Ott nimmt in ihrem Beitrag „Sexarbeit – Sexualität – Arbeit. Soziale Arbeit im Kontext Sexarbeit als Aushandlung an den Grenzen des gesellschaftlich Normalen“ Normalitätsvorstellungen zu Körper und Sexualität sowie zu Erwerbsarbeit in den Blick. Sie fragt danach, wie eben diese in der Arbeit von Beratungsstellen im Kontext Prostitution wirkmächtig werden und welche Konflikte daraus in der Sozialen Arbeit der Beratungsstellen erwachsen. Weniger der Körper selbst als vielmehr Sexarbeit als Körperarbeit steht dabei im Mittelpunkt ihres Interesses. Wie lässt sich sexuelles Arbeiten von Sexarbeiter*innen im Verhältnis zu Vorstellungen von „normaler“ Sexualität, aber auch zu „normalem“ professionellen Arbeiten in den Blick nehmen und inwiefern bewegen sich Sexarbeiter*innen dabei an den „Grenzen des gesellschaftlich Normalen“? Diese Fragen nimmt Veronika Ott auf der Basis von qualitativen Interviews mit Sozialarbeiter*innen im Bereich der Prostitution in den Blick, indem sie mit einem analytischen Fokus auf die diskursiven Praktiken im Feld der Fachberatungsstellen dem Wechselspiel von Wissens- und Machtverhältnissen nachgeht. Sichtbar wird so beispielsweise ein Prozess des (Ver‑)Lernens gesellschaftlicher Normalitätsvorstellungen der Sozialarbeiter*innen, um sich parteilich und solidarisch zu Sexarbeiter*innen positionieren zu können. Sichtbar werden aber auch Mechanismen der Kulturalisierung von Körpern (von Sexarbeiter*innen) oder Grenzen eben jener Parteilichkeit, die Ott als Ausdruck der Konflikte zwischen hegemonialen Normalitätsvorstellungen zu Sexualität und der Begegnung mit anderen Normalitäten in der Sozialen Arbeit mit Sexarbeiter*innen diskutiert.