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Sexarbeit – Sexualität – Arbeit. Soziale Arbeit im Kontext Sexarbeit als Aushandlung an den Grenzen des gesellschaftlich Normalen

Sex Work—Sexuality—Labour. Negotiating Boundaries of Normality in Social Work for Sexworkers

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Soziale Probleme

Zusammenfassung

Sexarbeit steht nach wie vor im Widerspruch zu gesellschaftlichen Vorstellungen von Sexualität und Arbeit. Dies führt u. a. zu einer Stigmatisierung von Sexarbeiter_innen und zu einer Klassifikation von Sexarbeit als sozialem Problem. Auch wenn Sexarbeiter_innen die Hauptbetroffenen dieser normierenden Vorstellungen sind, entstehen auch für andere soziale Akteur_innen konflikthafte Widersprüche. So lässt sich Soziale Arbeit in eben diesem Bereich sich reibender Normalitätsvorstellungen verorten. Auf der Basis von Interviews mit Sozialarbeiter_innen im Bereich Sexarbeit und Menschenhandel spürt der Beitrag den Ambivalenzen nach, wie sie sich für Soziale Arbeit an den Grenzen des Normalen ergeben. Zu diesem Zweck wird Soziale Arbeit zunächst als Grenzbearbeiterin konzeptualisiert, die in einem Spannungsfeld zwischen dem gesellschaftlichen Auftrag einer Regulierung von Sexarbeit und dem Auftrag der Parteilichkeit mit der Klientel agiert. Im Fokus des Beitrages stehen vielfältige Grenzbearbeitungen und Suchbewegungen, die für Soziale Arbeit aus der Begegnung mit Sexarbeit als Erwerbsrealität und vor dem Hintergrund stark normativer Setzungen zu Sexualität und Arbeit resultieren.

Abstract

Sex work is still not compatible with normative ideas of sexuality and labour. The stigmatization of sex workers and the classification of sex work as a social problem are effects thereof. Though sex workers are unquestionably affected most by these normative ideas, conflicts and ambivalences emerge for other social actors like social work as well. Relying on empirical data gathered in interviews with social workers, the following article focuses on those conflicts and ambivalences arising from the positioning of social work on the periphery of normality. Social work is conceptualized as boundary work, taking place between the societal mandate to regulate sex work as a social problem and the professional attitude to support clients in their decisions, no matter what they will be. This leads to various negotiations and search moments, especially as results from the contradiction between social workers’ encounters with sex work as an existing choice of making one’s living, and the normative setting of sexuality and labour as mutually exclusive.

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Notes

  1. Ich verwende den Begriff Sexarbeit, um hervorzuheben, dass ich Sexarbeit als Moment der Existenzsicherung betrachte. Dementsprechend verwende ich auch den Begriff Sexarbeiter_in, um zu unterstreichen, dass damit eine „income-generating activity or form of labour“ (Kempadoo und Doezema 1998, S. 3) gemeint ist.

  2. Die Interviews wurden im Rahmen meiner Dissertation von 2013 bis 2014 in ganz Deutschland mit Mitarbeiter_innen von 21 Fachberatungsstellen geführt, die im Bereich Rechte und Unterstützung für Sexarbeiter_innen und/oder für Betroffene von Menschenhandel arbeiteten. Analytisch stand dabei das wechselseitige Verhältnis des Wissens und der Vorgehensweisen der Beratungsstellen als diskursive Praktiken zur Regierung des Sozialen im Fokus. Eine Auswertung des Interviewmaterials erfolgte unter diskursanalytischen Aspekten (vgl. Ott 2017).

  3. Im Weiteren verwende ich für sexuell übertragbare Krankheiten das gebräuchliche Kürzel STI (sexually transmitted infections).

  4. Dies gilt, wenn die Sozialarbeiter_innen nicht selbst als Sexarbeiter_innen tätig waren oder sind. Wenn es sich bei der Sozialarbeiter_in gleichzeitig um eine Sexarbeiter_in handelt, dürfte sich dieses Reiben verschiedener Normalitäten zu Sexualität und Sexarbeit anders gestalten. Dies wurde in meinen Interviews jedoch nicht thematisiert.

  5. Für eine ausführlichere Diskussion, auf welche Weise Sexualität in der Sexarbeitsforschung aufgegriffen wird, vgl. Ott (2014).

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Ott, V. Sexarbeit – Sexualität – Arbeit. Soziale Arbeit im Kontext Sexarbeit als Aushandlung an den Grenzen des gesellschaftlich Normalen. SozProb 29, 207–221 (2018). https://doi.org/10.1007/s41059-018-0050-2

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