1 Einleitende Bemerkungen

Aus ordnungspolitischer Sicht ist die Durchsetzung des Rechts neben dem Schutz von Privateigentum und körperlicher Unversehrtheit eine der Kernaufgaben des Staates (Buchanan 1975; Hayek 2003). Allerdings zeichnet sich die Durchsetzung des Rechts nicht durch Nichtrivalität im Konsum und Nichtausschließbarkeit aus und stellt daher aus ökonomischer Sicht kein Kollektivgut dar (Eichenberger 2004). Prinzipiell lassen sich einzelne Personen von der Nutzung ausschließen und es existiert Rivalität der Nutzung. Mit anderen Worten: Die Kapazitäten der Rechtsdurchsetzung mittels Gerichten sind in sachlicher und personeller Hinsicht begrenzt (Caesar und Gerhardt 1994; Eidenmüller 2015; Neunzig 1999), was bereits dadurch ersichtlich wird, dass in manchen Bundesländern erhebliche Aufschübe bis zu Prozessbeginn identifiziert werden können.

Vor dem Hintergrund des effizienten Umgangs mit knappen Ressourcen hat sich ausgehend von den Vereinigten Staaten seit einigen Jahrzehnten eine ökonomische Analyse von Recht und Justiz etabliert, die auch im deutschen Sprachraum Unterstützer findet (Coase 1960; Calabresi 1961; Becker 1968; Posner 1975, 1985, 1993; Kirstein 1999; Schmidtchen und Weth 1999; Schmidtchen 2000; Schäfer und Ott 2020). Ausgehend von der zentralen Annahme, dass Menschen systematisch auf Anreize reagieren, die den erwarteten Nutzen und die erwarteten Kosten einer Handlung verändern (Kirchgässner 2013; Emrich und Follert 2019), lassen sich auch strafrechtliche Bereiche analysieren (Becker 1968, S. 169; Posner 1985, S. 1193; Follert 2018, S. 420; 2019, S. 51). Eidenmüller (1997, S. 13) sieht die ökonomische Analyse des Rechts primär als „Gesetzgebungstheorie“ und gesteht es der Legislative zu, eine „Rechtsfortbildung im Sinne der ökonomischen Analyse“ vorzunehmen, um ein Effizienzziel (Hyckel 2020, S. 27 ff.) zu erreichen. Insofern ist es naheliegend, auch Regelungen, die starke Auswirkungen auf die Verhaltensweisen der Akteure im Gerichtsprozess haben, ökonomisch zu würdigen, um Gesetzesfolgen analysieren zu können. Die ökonomische Rechtsanalyse bedient sich hierbei als komplexitätsreduzierende Methode einer eindeutigen Zielfunktion, was eine a priori-Beurteilung ermöglicht (Eidenmüller 1997, S. 83). Dies ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags.

Hier soll ein Bereich innerhalb des Strafprozessrechts einer ökonomischen Analyse unterzogen werden, nämlich die Anreizwirkungen, die sich aus Vergütungsregelungen für die Verteidigung ergeben. Ein Rechtsanwalt sieht sich wie jedes andere Individuum der Zeitallokation gegenüber und verteilt die verfügbare Zeit gemäß seinen Präferenzen auf Arbeits- und Freizeit (Posner 1993, S. 1; Becker 1965, S. 493). Es ist schnell ersichtlich, dass das erzielbare Einkommen durch die anwaltliche Tätigkeit eine wichtige Entscheidungsdeterminante darstellt. Dies soll als Ausgangspunkt dienen, um Anreizwirkungen aufzudecken, die aus ökonomischer Perspektive zu Fehlallokationen führen können und von Seiten des Gesetzgebers vielleicht nicht intendiert sind. Somit kann der Beitrag dem Forschungsprogramm der normativen ökonomischen Analyse des Rechts zugeordnet werden, deren Aufgabe es unter anderem ist, auf Ineffizienzen hinzuweisen und Reformen von Recht und Justiz anzustoßen.

In Kap. 2 wird ein kurzer Überblick über die Verhältnisse in anderen Staaten sowie über die dabei gewonnenen Erkenntnisse gegeben, bevor im dritten Kapitel die für diese Analyse relevanten rechtlichen Grundlagen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgestellt werden. Darauf aufbauend unterziehen wir dieses in Kap. 4 einer ökonomischen Analyse. In Kap. 5 werden Implikationen de lege ferenda abgeleitet, bevor der Aufsatz mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse in Kap. 6 endet.

2 Vergütung von Rechtsanwälten in der internationalen Diskussion

Die Vergütungen von rechtlichen Beiständen in Zivil- und Strafprozessen sind in den verschiedenen Staaten höchst unterschiedlich ausgestaltet und unterliegen oftmals einem sehr hohen Ausmaß an Regulierungen (Maurer, Thomas & DeBooth 1999; Hardege und Waas 2008). Während bei Strafprozessen insbesondere Pauschal- (flat fee rate) und Zeithonorare (hourly rate) Anwendung finden (Karlan 1993), werden bei Zivilprozessen insbesondere in den USA oftmals sog. contingency fees vereinbart, die jedoch in vielen Staaten verboten sind (Emons 2000), wenngleich hier ein Umdenken stattfindet (Baumann & Friehe 2012; Gabuthy et al. 2021). Letztere bestehen in einer prozentualen Beteiligung des Anwalts an den Entschädigungszahlungen, die dieser für den Klienten erzielen kann. Sie werden daher insbesondere bei Rechtsverfahren, bei denen es um die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen etwa gegen medizinische Dienstleister oder Versicherungen geht, vereinbart. Dabei zeigt die Literatur, dass in Zivilprozessen bei Zeithonoraren verstärkt Rechtsverfahren in die Wege geleitet werden, die als aussichtslos gelten dürften (angebotsinduzierte Nachfrage), was bei einer Vergütung auf contingent fee basis seltener der Fall ist (Dana und Spier 1993; Rickman 1999). Letztere hat freilich wieder andere Nachteile (Emons 2000; Wang 2008; Kubo 2021). Während bei einer Zeitvergütung also insbesondere das Problem der angebotsinduzierten Nachfrage und der Leistungsausdehnung thematisiert wird, berichtet die Forschung im Falle von Pauschalhonoraren von der Ausnutzung diskretionärer Spielräume durch moral hazard und shirking, also im Wesentlichen von Schlechtleistung und Drückebergerei (Halpern und Turnbull 1983; Wang 2008). Dabei lassen sich die Erkenntnisse, die für Zeit- und Pauschalhonorare im Zusammenhang mit Zivilprozessen gewonnen wurden, auch auf Strafprozesse übertragen (Schwall 2007; 2016; Agan et al. 2021).

3 Rechtliche Grundlagen der Rechtsanwaltsvergütung in Deutschland

Bei Strafprozessen kommt dem Verteidiger des Angeklagten eine herausragende Rolle zu; sein Handeln wird durch die Vergütungsregelungen kanalisiert. Prinzipiell ist bei Strafsachen zwischen einem Wahlverteidiger und einem Pflichtverteidiger zu unterscheiden. Während der Wahlverteidiger vom Beklagten ausgewählt wird und auch zunächst von diesem zu bezahlen ist, bestellt das Gericht den Pflichtverteidiger und verauslagt zunächst dessen Kosten. Diese anfallenden Kosten versucht der Staat im Nachgang vom Verurteilten zurückzuerhalten.

Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geht in § 2 Abs. 1 grundsätzlich von einer Gebühr aus, die sich nach dem „Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).“ Die Vergütung des Verteidigers in Strafsachen bemisst sich dabei nach den Vorgaben des Teils 4 des Vergütungsverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (VV RVG). Dabei hängt die Höhe der Gebühr zunächst davon ab, ob der Anwalt als Wahl- oder Pflichtverteidiger tätig ist (Pflichtverteidiger erhalten überwiegend geringere Gebühren) und welches Gericht sachlich zuständig ist. So steigen einige Gebühren mit der Zunahme der Position des Gerichts in der Gerichtshierarchie, was mit den Einarbeitungskosten des Verteidigers begründet werden kann, die bei komplexeren Verfahren höher sein werden. Befindet sich der Mandant in Haft, sind ebenfalls höhere Gebührensätze vorgesehen. Die Vergütung des Verteidigers setzt sich wiederum aus verschiedenen Komponenten zusammen (Burhoff 2021, S. 8):

  • Einer Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG), die „für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall nur einmal, unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt“, anfällt und sich zwischen 44 € und 396 € für den Wahlverteidiger beläuft (Pflichtverteidiger: 176 €).

  • Den Terminsgebühren (Nr. 4102 VV RVG), die für die Teilnahme an Vernehmungen, „Terminen außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird“, „Verhandlungen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs“ und Sühneterminen anfällt. Der Gebührenrahmen für den Wahlverteidiger bewegt sich hier zwischen 44 € und 330 € (Pflichtverteidiger: 150 €).

  • Einer Verfahrensgebühr (Nr. 4104 VV RVG), die anfällt, sofern der Anwalt schon hinzugezogen wurde, bevor der Strafbefehl oder die Anklageschrift im Ermittlungsverfahren zugestellt wurde. Diese Gebühr liegt zwischen 44 € und 319 € (Pflichtverteidiger: 145 €).

  • Im ersten Rechtszug eines gerichtlichen Strafverfahrens treten wiederum eine Verfahrensgebühr und Terminsgebühren auf. So beläuft sich die Verfahrensgebühr bei einer vor dem Amtsgericht verhandelten Strafsache auf 44 € bis 319 € (Nr. 4106 VV RVG) und bei einer vor dem OLG verhandelten auf 110 € bis 759 € (Nr. 4118 VV RVG). Eine Terminsgebühr fällt für jeden Hauptverhandlungstag an; sie beträgt für Verfahren vor dem Amtsgericht 77 € bis 528 € (Nr. 4108 VV RVG) und für Verfahren vor dem OLG bspw. 143 € bis 1023 € (Nr. 4120 VV RVG).

  • Daneben gibt es eine sog. „Befriedungsgebühr“ (Nr. 4141 VV RVG), die in Höhe der Verfahrensgebühr veranschlagt wird, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung das Verfahren eingestellt oder die Hauptverhandlung entbehrlich wird. „Die Gebühr entsteht, wenn 1. das Strafverfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird oder 2. das Gericht beschließt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen oder 3. sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl, der Berufung oder der Revision des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten erledigt … oder 4. das Verfahren durch Beschluss nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO endet“ (Nr. 4141 VV RVG, Abs. 1).

  • Ferner können Pauschalen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV RVG), Fahrtkosten bei auswärtigen Gerichtsterminen (Nr. 7003–7004 VV RVG), das Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV RVG) sowie eine Akteneinsichtspauschale in Rechnung gestellt werden.

  • Im Rahmen einer Berufung oder gar Revision fallen wiederum Verfahrensgebühren und Terminsgebühren an.

Der Wahlverteidiger hat zudem die Möglichkeit, gem. § 3a RVG mit dem Angeklagten eine Vergütungsvereinbarung auf Stundenbasis zu treffen. Allerdings muss die Landeskasse im Fall ihrer Verpflichtung zur Kostenerstattung (zum Beispiel bei einem Freispruch) lediglich die „gesetzliche Vergütung“ erstatten.

Neben der Vergütung der Verteidigung ist bedeutsam, dass die Rechte des Angeklagten zunehmend ausgeweitet wurden:

  1. 1.

    So wurden bspw. die Anforderungen an die Zurückweisungen von Beweisanträgen angehoben. Es ist also schwieriger für das Gericht geworden, Beweise oder weitere Zeugen abzulehnen.

  2. 2.

    Ebenso wurde die Rechtsstellung des Beschuldigten im Strafverfahren verbessert. Während früher für den Beschuldigten bei einer notwendigen Verteidigung (§ 140 StPO in der vor dem 13.12.2019 geltenden Fassung), also etwa in dem Falle, dass „dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird“ (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO in der vor dem 13.12.2019 geltenden Fassung), dann ein Pflichtverteidiger bestellt wurde, „sobald er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist“ (§ 141 Abs. 1 StPO in der vor dem 13.12.2019 geltenden Fassung), sieht die neue Fassung nun eine sofortige Bestellung des Pflichtverteidigers vor: „(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt“ (§ 141 Abs. 1 Satz 1 StPO (Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 15 Absatz 6 des Gesetzes vom 4. Mai 2021 (BGBl. I S. 882) geändert worden ist)).

4 Ökonomische Analyse der Anreizwirkung

Die ökonomische Analyse des Rechts geht im Sinne des ökonomischen Verhaltensmodells davon aus, dass Individuen bei ihren Entscheidungen – zumindest intuitiv – eine Abwägung zwischen den geschätzten Kosten und dem erwarteten Nutzen einer Handlung vornehmen (Posner 1975, S. 761; Schmidtchen und Weth 1999, S. 14 f.). Diese Annahme wird grundsätzlich für sämtliche Akteure des Rechtssystems im Allgemeinen sowie die Beteiligten des Gerichtsprozesses getroffen (Posner 1975, S. 757; 1993, S. 1; Follert 2020). Die Entscheidungstheorie differenziert grundsätzlich zwischen der Zielfunktion eines Individuums, die sich aus den individuellen Präferenzen inklusive deren Gewichtung ergibt, und den Restriktionen. Insofern werden die tendenziell unbegrenzten Wünsche durch den Möglichkeitsraum (oder das Entscheidungsfeld) beschränkt (Kirchgässner 2013, S. 13 f.; Bitz 1981, S. 20–45; Laux et al. 2014, S. 5–7 und S. 32–40). Aus ökonomischer Perspektive interessieren insbesondere die veränderten Rahmenbedingungen. Hierzu wird in einer ökonomischen Analyse davon ausgegangen, dass ein Akteur – hier der Anwalt – eine Maximierung seines Nutzens anstrebt. Dieser kann finanzieller oder nichtfinanzieller Natur sein (Emrich und Follert 2019, S. 341). Vereinfachend soll postuliert werden, dass diese Zielsetzung manifest und über die Zeit unveränderlich ist. Vor dem Hintergrund dieser Verhaltensannahme soll die zweite Entscheidungsdeterminante – der Möglichkeitsraum – einer eingehenden Analyse unterzogen werden.

Die Veränderung der Rahmenbedingungen, also insbesondere die Besserstellung des Beschuldigten, und die Vergütung der Verteidigung setzen starke Anreize, die Verfahrenslänge auszudehnen (Mosbacher 2019), denn der Nutzen des Verteidigers erhöht sich dadurch. Eine Ausdehnung des Verfahrens führt jedoch zu weiteren Folgekosten an anderer Stelle: So wird die Kapazität der Gerichtsbarkeit erheblich in Anspruch genommen, woraus sich neben Personalkosten etwa für die Richterschaft und für das sonstige in die Rechtsprechung involvierte Personal auch Sachkosten etwa in Form der Abschreibungen für die für die Rechtsprechung notwendigen Sachanlagen (Gebäude) ergeben. Da offenbar auch bei einer kürzeren Verfahrensdauer nicht mit Einbußen an der Qualität der Rechtsprechung zu rechnen ist, resultieren aus den veränderten Rahmenbedingungen erhebliche volkswirtschaftliche Ineffizienzen (Gerking 1999, S. 38–40; Schmidt 1999, S. 46 f.).

Damit stellt sich die Frage, wie aus ordnungsökonomischer Sicht die Verfahrenslänge vermindert und damit die Produktivität der Strafjustiz erhöht werden kann, ohne dass zugleich die Qualität der Verteidigung absinkt. Bei den folgenden Überlegungen soll eine Anpassung der Vergütung der Verteidiger im Mittelpunkt stehen. Sicherlich wäre auch eine Korrektur der Rahmenbedingungen geeignet, die Verfahrensdauern zu reduzieren, etwa indem die Zurückweisung von Beweisanträgen erleichtert würde.

Aus ökonomischer Perspektive handelt es sich bei der Leistung des Verteidigers in Form der Verteidigung des Angeklagten um eine Dienstleistung, bei der zwischen Inputfaktoren und Outputfaktoren unterschieden werden kann (Schulenburg 1981). Eine Vergütung der Strafverteidigung kann damit sowohl output-orientiert oder input-orientiert erfolgen. Zudem sind Kombinationsmöglichkeiten zwischen einer output-orientierten und einer input-orientierten Vergütung denkbar.

Eine output-orientierte Vergütung würde mehr oder minder einem Erfolgshonorar des Strafverteidigers entsprechen. Die Konsequenz wäre, dass der Verteidiger alles daransetzen würde, seinen Mandanten vor einer Verurteilung zu bewahren. Vor diesem Hintergrund hätte er kein Interesse, das Verfahren unnötig in die Länge zu ziehen. Ein Nachteil für manchen Beschuldigten wäre jedoch, dass er – sofern der Fall aus Sicht des potenziellen Verteidigers als kaum gewinnbar erscheint – keinen Verteidiger finden würde. Es käme also zu einer „Beschuldigtenselektion“. Allerdings ließe sich dieses Problem durch eine Nachjustierung des „Erfolgs“ zumindest partiell korrigieren. Insbesondere für Pflichtverteidiger wäre es notwendig, eine abweichende Vergütungsregelung zu finden.

Für eine input-orientierte Vergütung können verschiedene Ansatzpunkte gewählt werden: Analog zu denkbaren Vergütungsregelungen bei niedergelassenen Ärzten wären eine Vergütung des Faktoreinsatzes, eine Vergütung der potenziellen Faktoreinsatzmengen (Fallpauschale) oder eine Einzelleistungsvergütung möglich.Footnote 1

Eine Vergütung auf Basis der tatsächlich verbrauchten Faktoreinsatzmengen würde dazu führen, dass die Verfahrensdauer tendenziell ausgedehnt würde, da mit zunehmender Verfahrensdauer mehr Faktoreinsatzmengen in Rechnung gestellt werden können, was das Einkommen des Verteidigers erhöht, obwohl die höchsten Kosten zu Beginn durch die Einarbeitung in den Fall entstehen. Der Verteidiger hätte hier allenfalls ein sehr geringes Interesse an einem wirtschaftlichen Umgang mit den Ressourcen. Weil der Verteidiger im Wettbewerb mit seinen Kollegen um Mandanten buhlen muss, und diese Vergütungsform etwaige Qualitätsbestrebungen des Verteidigers nicht behindert, kann allerdings davon ausgegangen werden, dass der Verteidiger zudem einen Anreiz hat, eine hohe Qualität der Verteidigung zu erbringen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmend besseren Informationslage zu erwarten, da beispielsweise Vergleichsportale im Internet potenzielle Nachfrager über Bewertungen durch bisherige Mandanten informieren.

Bei einer Vergütung auf Basis der potenziell zu verbrauchenden Faktoreinsatzmengen sei an die Vergütung der Krankenhäuser erinnert: Diese erfolgt auf Grundlage von sog. Diagnosis Related Groups (DRGs). Bei dem DRG-System handelt es sich im Prinzip um ein Klassifikationssystem, das Fälle sog. Fallgruppen zuordnet, in denen der vermutete Ressourcenverbrauch gleich ist. Beim DRG-System werden hierbei Fälle im Wesentlichen aufgrund von Haupt- und Nebendiagnosen sowie demographischen Variablen zu einer Fallgruppe zusammengefasst. Die Fälle einer Fallgruppe werden dann einheitlich vergütet, wobei sich die Vergütung an den durchschnittlichen Ressourcenverbräuchen des Vorjahres orientieren. Die Nachteile eines derartigen Systems sind die aufwendige Fallklassifikation sowie die Bestimmung der Verbräuche, auf deren Grundlagen wieder die Preise ermittelt werden. Im Bereich der Krankenhausvergütung werden weitere Probleme in der Verminderung der Qualität (deswegen ging die Einführung des DRG-Systems mit entsprechenden Vorgaben zur Qualitätssicherung einher) und der Patientenselektion gesehen. Bei letzterem wird befürchtet, dass insbesondere Patienten mit komplexen Krankheitsbildern verstärkt in Uni-Kliniken abgeschoben werden. Bei einer Übertragung des Systems auf die Vergütung von Strafverteidigern dürfte das Qualitätsproblem wegen des Wettbewerbs um Mandanten eine untergeordnete Rolle spielen. Allerdings ließe sich sicherlich nicht eine Selektion der Beschuldigten verhindern, da Strafverteidiger die Verteidigung bei komplexen Fällen tendenziell ablehnen dürften. Weiterhin dürfte sich die Erstellung des Klassifikationssystems und die Ermittlung der Verbräuche bzw. die darauf basierende Festlegung der Vergütung als sehr aufwendig und bürokratisch erweisen. In Bezug auf die Verfahrensdauer hätte eine derartige Vergütung allerdings einen erheblich dämpfenden Effekt.

Eine Vergütung auf Basis von Einzelleistungen – das ist in etwa das Vergütungsverfahren, das aktuell zur Anwendung kommt – birgt einen erheblichen Anreiz, insbesondere die für den Verteidiger lukrativen Einzelleistungen auszudehnen und damit die Verfahrensdauer zu erhöhen. So zeigte sich, dass sich durch die Abschaffung der Beweisgebühr in Zivilprozessen die Verfahrensdauer merklich verkürzte (Mosbacher 2019). Auch hier kann aufgrund des Wettbewerbs um Mandanten davon ausgegangen werden, dass ein großer Anreiz, eine hohe Qualität der Verteidigung zu liefern, gesetzt wird.

5 Implikationen

Eine Korrektur müsste also dergestalt erfolgen, dass Anreize zur Verminderung der Verfahrensdauer gesetzt werden, ohne dass die Qualität der Verteidigung dadurch negativ beeinträchtigt wird. Insofern liegt ein Optimierungsproblem zwischen den Grenzkosten der Dauer eines Verfahrens und dem Grenznutzen einer qualitativ angemessenen Verteidigung vor. Die Dauer eines Verfahrens darf aus ökonomischer Sicht nur so lange ausgedehnt werden, bis die zusätzlichen Kosten, die durch eine marginale Verlängerung entstehen, dem korrespondierenden Grenznutzen der Qualitätsverbesserung entsprechen. Dies bedeutet aber auch, dass eine Reduzierung der Verfahrensdauer ebenfalls mit Kosten einhergeht (Schmidtchen 1999, S. 24), die sich im Nutzenverzicht einer angemessenen Verteidigung manifestieren. Zur Begründung dieser Modellbildung kann angeführt werden, dass eine Verlängerung des Verfahrens mit Kosten einhergeht, die einer „Entwertung des Urteils“ (Schmidtchen 1999, S. 23) gleichkommen. Ein Kläger – sei dies eine Privatperson oder der Staat – misst einem Urteil einen (subjektiven) Wert bei (Schmidtchen 1999, S. 23 f.). Da der Verbrauch an knappen Ressourcen als eine Funktion der Verfahrensdauer verstanden werden kann und der Ressourcenverbrauch wiederum Kosten darstellt, die den Wert mindern, ist eine Ausdehnung des Verfahrens über das Optimum ineffizient.

Ein Vergleich der Kosten und Nutzen und daraus folgend die Festlegung einer optimalen Dauer eines Strafverfahrens geht allerdings ebenfalls mit Kosten der Ermittlung einher, sodass auch hier abgewogen werden muss. Gelänge man zu dem Schluss, dass die Berechnung als nicht lohnend erscheint, müsste ein Alternativverfahren gefunden werden. Ein in praxi realisierbarer Lösungsansatz könnte in einer Abstaffelung der Terminsgebühren gesehen werden. Dabei würde ausgehend von der Definition einer Standardverfahrensdauer die Terminsgebühren für die die Standardverfahrensdauer überschreitenden Hauptverhandlungstage prozentual vermindert.

Zur Bestimmung der Standardverfahrensdauer wäre es möglich, zunächst die Strafverfahren nach dem Straftatbestand zu differenzieren. Für die jeweiligen Straftatbestände könnten dann als Durchschnitt der Verhandlungsdauern vergangener Jahre die jeweiligen Standardverfahrensdauern festgelegt werden. In Abhängigkeit von der Anzahl der berücksichtigten vergangenen Jahre passten sich diese mit entsprechender Verzögerung an etwaige Veränderungen im Strafprozess an. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass Verteidiger Verfahren bewusst in die Länge ziehen, damit im Folgejahr die Standardverfahrensdauer ansteigt, sofern die Abstaffelung entsprechend ausgestaltet wird. Aus ökonomischer Sicht würde es sich hierbei um ein Kollektivgut handeln, da es allen Strafverteidigern zugute käme, aber die Kosten durch einen einzelnen zu tragen wären, so dass dieser kaum Anreize hätte, eine entsprechende Ausdehnung des Verfahrens anzustreben.

Auf diese Weise würden entsprechende Anreize gesetzt, die Standardverfahrensdauer nicht zu stark zu überschreiten. Eine derartige Vergütungsregelung ließe sich auch vergleichsweise unbürokratisch umsetzen.

6 Zusammenfassung

Die Vergütungsregelungen der Strafverteidiger und die Ausweitung der Rechte der Angeklagten setzen Anreize, die Strafverfahren erheblich auszudehnen, ohne dass dadurch die Entscheidungsqualität verbessert wird. Insofern liegt es nahe, insbesondere auf Basis der aktuellen Vergütungsregelung eine Fehlallokation knapper Ressourcen anzunehmen. Dies wirkt sich dahingehend aus, dass entweder zusätzliche Ressourcen in die entsprechende Gerichtsbarkeit gelenkt werden müssen oder aber sich Strafverfahren weiter verzögern, da die Justiz nur eine bestimmte Entscheidungskapazität aufweist. Beides geht mit erheblichen gesellschaftlichen Kosten einher.

Aus ökonomischer Perspektive ist eine optimale Verfahrensdauer festzulegen, die die Grenzkosten und den Grenznutzen einer marginalen Verfahrensausdehnung ausgleicht. Die gegenwärtigen Vergütungsregeln begünstigen die Ausdehnung von Strafverfahren über die aus ökonomischer Perspektive optimale Dauer hinaus. Um diesen Fehlanreizen entgegenzuwirken, bietet es sich an, die Vergütung der Strafverteidiger zu modifizieren. Ein Ansatzpunkt hierfür könnte eine Abstaffelung der Terminsgebühren sein, etwa in der Form, dass ausgehend von einer straftatbezogenen Standardverfahrensdauer die darüberhinausgehenden Terminsgebühren reduziert werden. Auf diese Weise könnte es gelingen, die Verfahrensdauern entsprechend zu reduzieren, ohne dass dies zu einer Einbuße bei der Qualität der Dienstleistung Strafverteidigung führt.