1 Einleitung

Die COVID-19- oder populärer „Corona“-Pandemie hat seit dem Ende des Jahres 2019 begonnen, weltweit so gut wie alle Regionen dieser Welt und viele Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens zu beeinflussen. Aus den vielfältigen Einschränkungen der alltäglichen Lebensführung resultieren ökonomische und finanzielle Auswirkungen, deren Ausmaß bislang nur unvollständig abgeschätzt werden kann, die aber einen der größten exogenen Schocks für die Volkswirtschaften in der jüngeren Vergangenheit darstellen. Die Bundesregierung schätzte in ihrer Frühjahrsprognose 2020 den Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland für das Gesamtjahr auf 6,3 % des Bruttoinlandsproduktes (Bundesregierung 2020).

Die Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung wirken sich unterschiedlich auf die verschiedenen Branchen aus. Während einige Branchen wie der Tourismus und die Gastronomie besonders hart von den Folgen betroffen sind, ergeben sich auch ökonomische Kompensationseffekte, bspw. im Online-Handel oder in der Kommunikationstechnologie, inzwischen dürfte die Mehrzahl der Angestellten, Anwendungen wie „zoom“ oder „MS Teams“ aus der täglichen Heimarbeitspraxis kennen. Auch der konventionelleFootnote 1 professionelle Sport, insbesondere die „Teamsportindustrie“ (Franck 1995) gehört zu den Branchen, die durch die Pandemie unter finanziellen Gesichtspunkten erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden (etwa Daumann und Follert 2020; Daumann 2020).

Eine zunehmende Anzahl von Studien (etwa Webb 2020; Dilger und Vischer 2020; Zülch, Ottenstein und Manz 2020; Drewes, Daumann und Follert 2020; Fischer und Haucap 2020; Horky 2020) befasst sich mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Sport in seiner Gesamtheit und auf den Profifußball im speziellen. Vor diesem Hintergrund sollen in diesem Beitrag wesentliche Auswirkungen der Pandemie auf den Profifußball beleuchtet werden. Hierzu sollen zunächst die allgemeinen Auswirkungen der Pandemie auf den Sport kurz umrissen werden, um anschließend die Konsequenzen für den deutschen Profifußball auszuleuchten.

2 COVID-19-bedingte Entwicklungen im Sport

Die COVID-19-Pandemie hat sich seit Ende 2019 global ausgebreitet und ab Februar 2020 das Leben in Europa und damit auch in Deutschland zunehmend beeinflusst. Ab Mitte Januar 2020 wurden zunächst vereinzelt Sportveranstaltungen in Asien verlegt bzw. abgesagt. Die Militärweltspiele in Wuhan können wohl als erster „Hotspot“ interpretiert werden.Footnote 2 In der Folge betraf die Pandemie den organisierten Sport auf allen Ebenen und in fast allen Ländern. Im Februar wurden erste Spiele im europäischen Fußball abgesagt, die Absage bzw. Verschiebung vieler weiterer Sportveranstaltungen wie unter anderem der Olympischen Spiele 2020 in Tokio, der Tennisturniere von Wimbledon und Paris und der Radrundfahrten durch Italien und Frankreich folgten. Zwar fanden ab Mai wieder kleinere Wettkämpfe unter strengsten Hygieneauflagen statt,Footnote 3 allerdings ist der Wettkampfsport noch weit von einer Rückkehr in die gewohnte Normalität entfernt.

Nicht ausgenommen war der Fußball in Deutschland, Europa und der Welt. Die für 2020 geplante Fußball-Europameisterschaft wurde auf das Jahr 2021 verschoben. Viele nationale Fußballligen haben den Spielbetrieb verschoben oder sogar komplett abgesagt. In Deutschland fand der zunächst letzte reguläre Spieltag der DFL am 8. März 2020 statt, am 11. März 2020 wurde das Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln nachgeholt. Dies war das erste sogenannte „Geisterspiel“ ohne Zuschauer im Stadion und das letzte Bundesligaspiel, bevor die DFL am 13. März 2020 entschied, den Spielbetrieb wegen der Pandemie vorerst einzustellen.

Während Ligen aus anderen Sportarten ihren Betrieb ganz (z. B. Deutsche Eishockey Liga, Handball-Bundesliga) oder teilweise (Basketball-Bundesliga) einstellten, hielt die DFL daran fest, ihre Saison 2019/2020 regulär zu beenden. Dafür stellte sie am 23. April 2020 ein Konzept vor, dass u. a. die Fortsetzung des Spielbetriebs mit „Geisterspielen“ vorsah. Dass die DFL anders als z. B. DEL und HBL die Saison fortsetzte, dürfte vor allem daran gelegen haben, dass die Einnahmen aus dem Verkauf von Tickets im Fußball im Verhältnis zu den Einnahmen aus der Fernsehvermarktung von untergeordneter Bedeutung sind (etwa Follert 2018; Quitzau 2020; Horky 2020). Am 6. Mai 2020 wurde der DFL von Seiten der Politik die bedingte Erlaubnis erteilt, den Spielbetrieb ab Mitte Mai 2020 wieder aufzunehmen, was auch am 16. Mai geschah.

In der Zwischenzeit waren immer wieder Gerüchte und Meldungen aufgekommen, dass einzelne Klubs der 1. und 2. Liga stark insolvenzgefährdet seien. In einer Untersuchung zu Beginn der COVID-19-Krise klassifizieren Zülch et al. (2020) die Fußball-Bundesligisten auf Basis eines auf vier Kriterien (sportlicher Erfolg, finanzielle Situation, Talententwicklung und Managementqualität) basierenden Scoringverfahrens in „gesund“, „stabil“, „im Risiko“ und „bedroht“ ein und kommen zu der in Tab. 1 wiedergegebenen Prognose für die Teilnehmer der 1. und 2. Bundesliga in der Saison 2019/2020.

Tab. 1 Prognostizierte Insolvenzgefährdung der Bundesligisten (eigene Darstellung basierend auf Zülch et al. (2020))

Nach der Untersuchung von Zülch et al. (2020) offenbart die finanzielle Leistung von sechs Fußball-Bundesligisten kurzfristig eine bedrohliche finanzielle Situation. Zudem werden die finanziellen Verhältnisse von weiteren sieben Fußball-Bundesligisten als nicht befriedigend eingeschätzt, auch wenn noch keine Existenzbedrohung vorliegt. Auch wenn die Prognosen auf Basis der Untersuchung von Zülch et al. (2020) in Einzelfällen überraschen mögen, geben sie doch einen Hinweis darauf, welche Klubs in welchem Ausmaß von einer Insolvenz bedroht sind. Dies könnte vor allem dann von Interesse sein, wenn neue oder zusätzliche Einschränkungen des Spielbetriebs vorgenommen werden. Sollten Teilnehmer der 1. oder 2. Bundesliga während einer Spielzeit insolvent werden und daher diese nicht zu Ende spielen können, würde sich daraus Probleme für die gesamte Liga ergeben, z. B. durch mögliche Wettbewerbsverzerrungen und Reputationsschäden. Auf die angespannte finanzielle Lage vieler Bundesligisten reagierten die vier deutschen an der UEFA Champions League teilnehmenden Klubs, indem sie sich bereit erklärten, für die übrigen Klubs der Bundesligen insgesamt 20 Mio. € bereitzustellen.

Pünktlich zu Beginn der Spielzeit 2020/2021 wurden ab September 2020 wieder in begrenztem Ausmaß Zuschauer in den Stadien der Fußball-Bundesligisten zugelassen. Einzelne Spiele wurden aber weiterhin als „Geisterspiele“ ausgetragen. Ein Ende dieser „neuen Normalität“ ist bislang kaum abzusehen. Kritikern mag bereits die Fortführung zu diesen Bedingungen zu weit gehen, eine politische Entscheidung muss jedoch den Trade-off zwischen dem Nutzen gesundheitsschützender Maßnahmen und den Kosten der Aussetzung der „Teamsportindustrie“ nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berücksichtigen, sodass die Entscheidung auch unter den spezifischen Bedingungen des Fußballs (hierzu Follert und Daumann 2020) zumindest nachvollzogen werden kann.

3 Ökonomische Aspekte der COVID-19-Pandemie im deutschen Profi-Fußball

3.1 Rahmenbedingungen und Probleme in der Teamsportproduktion

Im Teamsport liegt ein zweistufiger Produktionsprozess vor (im Folgenden, Franck 1995): auf der ersten Ebene stellen die Klubs bzw. die Teams das produzierende Unternehmen dar. Sportliches Kräftemessen setzt aber die Existenz anderer Klubs/Teams voraus, da die Kooperation der Wettbewerber die notwendige Bedingung zur Produktion eines vermarktbaren Spiels darstellt. Auf der zweiten Ebene der Liga werden komplexere sportliche Wettbewerbsformate wie Meisterschaften oder Pokalwettbewerbe ausgetragen. Die Klubs stehen also vor der Besonderheit, dass sie zum einen auf verschiedenen Ebenen miteinander konkurrieren, aber gleichzeitig miteinander kooperieren müssen. Dabei ist für die Veranstaltung von vermarktungsfähigen Meisterschaftsrennen eine hinreichend große Anzahl von Teams notwendig, die gegenseitig voneinander abhängig sind.

Die Klubs sind also zum einen voneinander abhängig, konkurrieren gleichzeitig aber auch miteinander. Da die Klubs in Europa in der Regel nicht die Gewinne, sondern ihren sportlichen Erfolg maximieren wollen (Sloane 1971), bestehen Anreize, zu viel in den Spielerkader sowie den Trainerstab zu investieren und zu wenig Rücklagen zu bilden (Breuer 2020). Diese Anreize werden noch dadurch verstärkt, dass sich die Klubs in einem „Rattenrennen“ (grundlegend Akerlof 1976) befinden. Von einem „Rattenrennen“ spricht man, wenn in Wettbewerbsprozessen die eingesetzten Ressourcen der Wettbewerber stärker steigen als die zu erzielenden Erlöse. Die Problematik der Rattenrennen stellt gerade die Klubs im europäischen Sport vor große Herausforderungen. Es bestehen wegen der Bedeutung der relativen Spielstärken „Rangexternalitäten“ (Franck 1995, S. 150), die weitere Anreize zur Überproduktion (in Spielerkader und Trainerstab) schaffen.

Geringe Gewinnorientierung und Anreize zur Überproduktion führen dazu, dass Klubs wenig Rücklagen bilden und schlecht mit Eigenkapital ausgestattet sind, und stattdessen zusätzliche Einnahmen sofort wieder in die Verbesserung der Spielstärke ihres Kaders investieren. Vor diesem Hintergrund zeigt sich die Krisenanfälligkeit des Geschäftsmodells besonders dann, wenn unerwartet Einnahmequellen wegbrechen, z. B. bei einem Abstieg oder wenn aufgrund der allgegenwärtigen Unsicherheit gravierende ungeplante Ereignisse eintreten, wie es mit der COVID-19-Krise offensichtlich wurde.

Mit der Aussetzung des Spielbetriebs konnten die Klubs so gut wie keine Einnahmen mehr erzielen. Als am 16. Mai 2020 die Fußball-Bundesligen nach der COVID-19-Zwangspause den Spielbetrieb wieder aufnahmen, fanden die Spiele unter Ausschluss der Fans im Stadion als sogenannte „Geisterspiele“ statt. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten mussten die Bundesligisten dennoch auf die Einnahmen aus dem Ticketverkauf, der Werbung und dem Catering – sofern dies in Eigenregie durchgeführt wird – verzichten. Es dürfte aber unzweifelhaft sein, dass die Fortführung neben sportlichen Gesichtspunkten vor allem unter dem Aspekt vorgenommen wurde, überhaupt noch Einzahlungen zu erzielen, nämlich aus der Fernsehvermarktung und damit zusammenhängenden Sponsoringgeldern. Mit der Übertragung der Spiele im Fernsehen wurden über die Sender die Fernsehzuschauer bedient, was folglich auch bei den (Bezahl‑)Sendern zu einem positiven ökonomischen Effekt führte. Bei den Fernsehzuschauern handelt es sich um „reine“ Nachfrager des vermarktbaren Produktes „Bundesliga/Bundesligaspiele“. Die Nachfrage nach dem Produkt richtet sich in erster Linie nach den Präferenzen der Nachfrager, den ökonomischen Determinanten (Kosten des Zugangs, Einkommen etc.) und der Qualität des sportlichen Wettbewerbs (Spannungsgrad, Bedeutung der Spiele etc.) (Daumann 2019, S. 106 ff.).

Neben diesen als reine Nachfrager zu klassifizierenden Zuschauern haben die „Geisterspiele“ verdeutlicht, dass es eine zweite Gruppe von Nachfragern gibt, deren Klassifikation als „reine Nachfrager“ weniger klar ist. Dadurch, dass die Spiele ohne Fans im Stadion und damit ohne die typische Stadionatmosphäre ausgeführt wurden, hat sich aber der Charakter der Übertragung verändert. Ob und wie sich das auf die mediale Nachfrage der Fernsehzuschauer auswirkt, bleibt abzuwarten und wird empirisch überprüft werden. Von Branchenvertretern war aber schon vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie zu hören, dass die Stimmung im Stadion durchaus Auswirkung auf die Vermarktbarkeit der Fernsehrechte hat, wenn auch keine entscheidende. Es ist daher vorstellbar, dass das Interesse an der Übertragung von „Geisterspielen“ rückläufig sein könnte, weil die Nachfrage und Zahlungsbereitschaft der Fernsehzuschauer abnehmen. Inwieweit Konsumenten von laufenden Verträgen mit (Bezahl‑)Sendern zurücktreten können, bleibt abzuwarten, sodass die Wirkung eventuell erst zeitverzögert zu beobachten sein wird. Eines wird jedoch bereits jetzt deutlich: Sollte die Stadionatmosphäre zumindest mittelbar Auswirkungen auf die Vermarktbarkeit des Produktes „Bundesliga/Bundesligaspiele“ haben, bekommen die Fans im Stadion neben der Rolle als Nachfrager eine weitere, wichtigere Bedeutung (vgl. dazu auch Madden und Robinson 2012). Dabei würde die Argumentation folgendermaßen lauten: Die produzierten Leistungen sind nicht die „Bundesligaspiele“, sondern „Bundesligaspiele mit Stadionatmosphäre“ also mit einem gewissen „Eventcharakter“. Dieses Produkt würde gemeinschaftlich von den Klubs und den Anhängern im Stadion produziert. Die Klubs sind für die Produktion der Teilleistung Spiel, die Fans für die Produktion der Teilleistung Stadionatmosphäre verantwortlich. Damit würden die Fans neben ihrer Rolle als Zuschauer und Nachfrager auch als Produktionsfaktor für das Produkt „Bundesligaspiele mit Stadionatmosphäre“ zu betrachten sein (etwa Woratschek et al. 2019).Footnote 4

3.2 Lösungsmöglichkeiten

3.2.1 Solidarfonds

Vor dem Hintergrund der weiter oben dargelegten gegenseitigen Abhängigkeiten sind die 20 Mio. €, die die Champions League-Teilnehmer als Solidarzahlung geleistet haben und die den Klubs der 1. und 2. Bundesliga zur Verfügung stehen, nicht nur solidarischer Natur, sondern können durchaus auch anhand des Eigennutzaxioms erklärt werden (Follert und Daumann 2020). Selbst Spitzenklubs wie der FC Bayern München oder Borussia Dortmund haben ein inhärentes Interesse daran, dass die finanziell weniger gut aufgestellten Klubs nicht Insolvenz anmelden müssen. Das Eigeninteresse der Spitzenklubs dürfte dabei darüber hinaus gehen, nur dafür zu sorgen, dass überhaupt weitere Klubs in der Bundesliga spielen, sondern auch, dass es sich um bekannte Klubs handelt. Denn die Vermarktbarkeit des Produkts „Bundesliga“ insgesamt ist deutlich besser, wenn namhafte Traditionsklubs mit großer Anhängerschaft vertreten sind.

Zudem ist durch die Unsicherheit wegen der COVID-19-Pandemie die relative Bedeutung der Bundesliga gegenüber den internationalen Wettbewerben für die Spitzenklubs gestiegen. Da die Fortführung der internationalen Wettbewerbe unsicher war, konnten lediglich Einzahlungen aus den nationalen Formaten, insbesondere der Bundesliga erzielt werden. Drüber hinaus stellt in dieser Situation die Gründung einer unabhängigen europäischen Superliga (dazu Follert (2019); vgl. auch Drewes und Rebeggiani (2019), Follert und Emrich (2020)) keine Option für die Spitzenklubs dar, sodass die Opportunitätskosten sinken und der Gegenwartswert der Investition in das Fortbestehen der Bundesliga steigt (Follert und Daumann 2020).

3.2.2 Interne Regulierung im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens

Der professionelle deutsche Fußball hat schon seit langer Zeit ein Lizenzierungsverfahren für die Klubs als Voraussetzung für die Zulassung zu seinen Wettbewerben implementiert (hierzu Strauß 2014; Müller 2019, S. 323 ff.). Neben sportlichen, personell-administrativen, infrastrukturellen, medientechnischen und spielorganisatorischen Aspekten spielen dabei vor allem finanzielle Kriterien der Lizenzierungsordnung eine Rolle. Die finanziellen Kriterien werden im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die DFL beurteilt.

Die Bewerber für eine Bundesliga-Lizenz müssen dafür bis zum 15. März eines jeden Jahres einen von einem Abschlussprüfer testierten Jahresabschluss sowie zwei detaillierte Planerfolgsrechnungen einreichen und damit „belegen, dass sie in diesem Zeitraum nicht mehr flüssige Mittel ausgeben als sie, unter Anwendung des Vorsichtsprinzips kalkuliert einnehmen bzw. über zugesagte Kreditlinien zur Verfügung gestellt bekommen.“ (Müller 2019, S. 325) Folglich geht es im Lizenzierungsverfahren aus finanzwirtschaftlicher Sicht vor allem um die Frage, ob „jederzeitige Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist“ (Müller 2019, S. 324). Der Fokus des Lizenzierungsverfahrens liegt somit auf der Liquidität der Klubs.

Das Lizenzierungsverfahren der DFL zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gilt als Vorbild für andere Fußballligen in Europa und die übrigen professionellen Sportligen in Deutschland. Einerseits ist es als beachtliches Resultat des etablierten Lizensierungsverfahrens anzuerkennen, dass seit 1963 noch kein Klub der Fußball-Bundesliga während einer laufenden Spielzeit Insolvenz anmelden musste – anders als z. B. in der HBL (Müller (2019), zu Insolvenzen im professionellen Fußball jüngst Szymanski und Weimar (2019)). Andererseits offenbarte die gegenwärtige Krise die Schwachpunkte einer Fokussierung auf die Illiquidität als Insolvenzgrund. Das deutsche Insolvenzrecht kennt neben der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) sowie der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) noch einen dritten Insolvenztatbestand: Die Überschuldung. Diese liegt gemäß § 19 Abs. 2 InsO vor, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“Footnote 5 Die Liquidität der Klubs wird im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens über die realistischerweise geplanten Einzahlungen beurteilt. Diese Vorgehensweise stößt dann an ihre Grenzen, wenn gravierende ungeplante Ereignisse eintreten. In einem solchen – außergewöhnlichen, aber nicht undenkbaren – Fall brauchen Unternehmen einen Risikopuffer: Eigenkapital. Eine grundlegende Eigenschaft des Eigenkapitals als Reinvermögen eines Unternehmens aus ökonomischer Sicht ist das Potential zur Deckung von Verlusten;Footnote 6 es bildet somit die Risikotragfähigkeit des Unternehmens ab. So wurde auch im Rahmen der während der Pandemie durchgeführten Studie die Notwendigkeit einer stärkeren Eigenkapitalausstattung empfohlen (Zülch et al. 2020).

Im Lizenzierungsverfahren der DFL ist zwar auch vorgesehen, dass „Kapitalauflagen“ (vgl. Anhang IX–IV zur derzeitigen Lizenzordnung) gemacht werden können, allerdings nur dann, wenn sich nach Korrekturen ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, sprich: wenn kein Reinvermögen mehr vorhanden ist. Das Lizenzierungsverfahren sieht somit implizit eine Eigenkapitalausstattung dann als ausreichend an, wenn das Eigenkapital positiv ist.Footnote 7 Dabei würde aus Sicht der DFL schon eine minimale Eigenkapitaldecke ausreichen – eine Sichtweise, die schon im Bankensektor bis zur Finanzkrise für einige Institute verhängnisvoll war, wenngleich es selbstverständlich im Geschäftsmodell einer Bank begründet ist, eine vergleichsweise geringe Eigenkapitalausstattung aufzuweisen.

Um die Risikotragfähigkeit der Klubs auch für kaum voraussehbare, ungewöhnliche Situationen zu verbessern, sollte der Profifußball daher zukünftig neben der Sicherstellung der Liquidität insgesamt eine bessere Eigenkapitalausstattung der Klubs anstreben. Dies ließe sich durch die DFL über das Lizenzierungsverfahren erreichen, indem entsprechende Anreize zu setzen wären, damit die Klubs zu einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung gelangen.

Fraglich ist, was in diesem Zusammenhang ausreichend heißt. Ein für alle Unternehmen über alle Branchen hinweg geltendes Optimum der Eigenkapitalquote (d. h. das Verhältnis von Eigenkapital zum gesamten Kapital) kann es nicht geben, da die Rahmenbedingungen und die Geschäftsrisiken zu unterschiedlich ausfallen. Zudem wäre eine einheitliche Vorgabe auch nicht zweckmäßig, da die Geschäftsmodelle sich hinsichtlich ihrer Eigenkapitalintensität unterscheiden und die Höhe der Ausstattung über das zur Ingangsetzung der Unternehmung notwendige Kapital insbesondere eine unternehmerische Entscheidung ist, die sich im Idealfall nach den individuellen Zielen und dem Möglichkeitsraum des bzw. der Eigentümer richtet.Footnote 8 Eine Zielkapitalstruktur wie sie in der finanzierungstheoretischen Literatur vorgenommen wird, ist ökonomisch problembehaftet (etwa Hering 2005). Grundsätzlich gilt, dass je höher die Eigenkapitalquote ist, desto besser und unabhängiger steht ein Unternehmen da. Gleichzeitig mindert sich jedoch c. p. aus finanzmathematischer Sicht die finanzielle Rendite der Eigentümer (hierzu etwa Perridon et al. 2017) was möglicherweise in der Bundesliga aufgrund der typischen Annahme der Siegmaximierung als Eigentümerzielfunktion (im Hinblick auf die europäische Situation Sloane 1971; Frick 2016), von geringerer Bedeutung sein dürfte. Eine Verbesserung der Eigenkapitalausstattung könnten die Klubs entweder im Wege der Innenfinanzierung durch Gewinnthesaurierungen erreichen oder durch Außenfinanzierung durch Ausgabe weiterer Anteile. Im Falle von Sportklubs muss bei der Beteiligungsfinanzierung beachtet werden, dass durch die Aufnahme fremder Gesellschafter und nicht gewollter Mitspracherechte die Unabhängigkeit der Klubs abnehmen kann (Hierl und Weiß 2014), wenngleich die sog. „50+1“-Regel einer zu großen Machtausübung (noch) vorbeugt, was allerdings im internationalen Wettbewerb auch sportlich zu Nachteilen führen kann (hierzu etwa Franck 2010).

3.2.3 Staatliche Unterstützung versus unternehmerische Verantwortung

Es ist unbestritten, dass der Fußball in Deutschland eine feste gesellschaftliche Institution darstellt, die einem Großteil der Bevölkerung materiellen und immateriellen Nutzen stiftet. Zudem sind die professionellen Fußballklubs Arbeitgeber und Steuerzahler. Da außerdem häufig eine enge Verzahnung kommunaler und landespolitischer Akteure mit den Klubs zu beobachten ist, sind finanzielle Rettungsversuche zugunsten angeschlagener Klubs seitens staatlicher Stellen in der Covid19-Krise nicht überraschend. So wurde dem Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 von Seiten des Finanzministeriums in Nordrhein-Westfalen eine Landesbürgschaft zur Absicherung von Krediten in Höhe von 30–40 Mio. € gewährt (Welt 2020). Der Fußball-Bundesligist SV Werder Bremen, der Mindereinnahmen von 30 Mio. aufgrund der Covid19-Krise vermeldete, hatte bei der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein KfW-Darlehen beantragt, das bis Oktober 2020 nicht genehmigt wurde und von Seiten der Politik kritisch gesehen wird (Beer 2020). Den Weg über die KfW zur Gewährung eines staatlich unterstützten Darlehens wählte auch der VfB Stuttgart (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2020).

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass der professionelle Fußball heute schon vielfältige Unterstützung von staatlicher Seite erhält. Mit dem Fußball werden auch negative externe Effekte produziert, die bislang von der Allgemeinheit und nicht nach dem Verursacherprinzip getragen werden (jüngst Mause 2020). Die negativen externen Effekte zeigen sich insbesondere in sog. „Risikospielen“, verschmutzten Straßen und einem hohen Verkehrsaufkommen. Zudem werden von den Fußballklubs öffentliche Anlagen wie Straßen und Parks genutzt. Die durch Gebührengelder finanzierten medialen Übertragungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk können auch als eine Subventionierung des Profifußballs verstanden werden (Drewes 2014). Da die Subventionierung des Fußballs als einer Branche, in der Einkommensmillionäre keine Seltenheit sind, immer auch mit (unerwünschten) Verteilungseffekten verbunden ist, wäre eine staatliche Unterstützung mit Steuermitteln ökonomisch sehr zweifelhaft. In diesem Zusammenhang war es dagegen nachvollziehbar, dass einige Klubs sich mit ihren angestellten Spielern auf Gehaltsverzichte als Folge der COVID-19-Krise einigten, teilweise sogar doppelt (Beer 2020).

Zudem würde sich die Frage stellen, ob eine staatliche Unterstützung beihilferechtlich zu vertreten wäre (Drewes 2014). Dies wäre dann nicht der Fall, wenn die Unterstützung geeignet wäre, den Wettbewerb in der Europäischen Union zu verzerren. Durch die vielfach bevorzugte Behandlung der Bundesliga hat die Politik dem Nutzenaspekt bereits Rechnung getragen und Vertrauen in den Profifußball investiert. So wurden die Staatshilfen unter anderem auch von Seiten der Fans kritisch gesehen.

Grundsätzlich liegt es im unternehmerischen Verantwortungsbereich, ein Risikomanagementsystem einzurichten und selbst ungewöhnliche Risiken zumindest in Simulationen einzubeziehen. Das Risikomanagementsystem kann wiederum durch das Lizenzierungsverfahren der DFL beurteilt werden. Die Situation legt offen, wie sehr die Einzahlungsstruktur der meisten Klubs von Fernsehgeldern abhängt, sodass der aus der Portfoliotheorie (grundlegend Markowitz 1952) bekannte Diversifizierungsstrategie möglicherweise die Zukunft gehört. Statt Risiken zu sozialisieren, sollten im Falle auftretender finanzieller Probleme subsidiäre Lösungen angestrebt werden. Vielfach erlauben die Eigentümerstrukturen trotz der so genannten „50 %+1“-Regel den Einstieg finanzkräftiger Investoren, sodass kein Grund für eine wie auch immer geartete finanzielle Stützung aus Steuergeldern besteht.

4 Fazit und Ausblick

Die COVID-19-Pandemie hat so gut wie alle Branchen vor neue Herausforderungen gestellt. U. a. waren viele Unternehmen wirtschaftlichen Problemen bis hin zur Unternehmensaufgabe ausgesetzt. Dabei machten Sportunternehmen im Allgemeinen und Fußball-Bundesligisten im Besonderen keine Ausnahme. Es ist ein großer Vorteil marktwirtschaftlicher Systeme, dass Unternehmen flexibel auf Herausforderungen reagieren können, und so wurde in allen Branchen zentral und dezentral nach Lösungen gesucht. Die Fußball-Bundesligisten haben mit der Fortführung der Spielzeit 2019/2020 als „Geisterspiele“ unter Einhaltung politischer Rahmenbedingungen große unternehmerische Flexibilität bewiesen. Wie in allen Branchen ist es zu Lerneffekten gekommen und es sind weitere Anpassungen zu erwarten.

Die Einrichtung eines Solidarfonds war ein solcher Lerneffekt, der den Besonderheiten der Teamsportindustrie mit ihren gegenseitigen Abhängigkeiten gerecht wird. Vor dem Hintergrund der auseinanderlaufenden Erlöspotentiale der international spielenden und der nur in nationalen Wettbewerben vertretenen Klubs wäre eine Ausweitung eines solchen Solidarfonds durchaus ein Schritt hin zu stärkerer Ausgeglichenheit der Liga. Daneben müssen die Unternehmen der Teamsportindustrie ihre Widerstandsfähigkeit stärken, was beispielsweise durch eine bessere Eigenkapitalausstattung erreicht werden kann. Die DFL als lizenzgebende Organisation kann darauf im Rahmen zukünftiger Lizenzierungsverfahren hinwirken. Aber selbst unter Berücksichtigung der branchenimmanenten Anreize, die zu einer zu geringen Eigenkapitalausstattung und Überinvestitionen führen (können), darf die unternehmerische Verantwortung in Krisenzeiten nicht abgelegt werden. Die professionellen Fußballklubs sollten so professionell sein, dass sie sich aus unternehmerischem Eigeninteresse auf Krisen vorbereiten, selbst wenn diese überraschend kommen. Staatliche Unterstützungen mit Steuergeldern sind für diese an Finanzmitteln nicht zu knapp ausgestattete Branche ökonomisch nicht zu rechtfertigen und beihilferechtlich fragwürdig.