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Eine neue Fiskalregel für die Eurozone: einfach, transparent, kontrollierbar

A new fiscal rule for the Eurozone: simple, transparent, controllable

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Zusammenfassung

Die Maastricht-Regeln und die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) zur Staatsverschuldung in der Eurozone haben sich nicht bewährt. Das Regelwerk ist zu komplex, es verlangt unsichere Prognosen, die Überwachung und Durchsetzung unterliegt politischen Einflussnahmen und eine Sanktionierung findet nicht statt. Eine neue und praktikable Regel sollte folgenden Anforderungen genügen: sie soll am Kernproblem der Überschuldung ansetzen, dem politischen Bewertungsprozess entzogen sein, die Souveränität der Mitgliedsländer über ihre Haushaltspolitik bewahren und dabei möglichst einfach, transparent und kontrollierbar sein. Die hier diskutierte neue Defizitregel knüpft am Schuldenstand der Euroländer an und sie entkoppelt die nationalen Fiskalpolitiken von der supranationalen Geldpolitik der EZB für die Eurozone. Im Gegensatz zur starren 3 %-Regel des korrektiven Teils des SWP ist die neue Regel flexibel und in der Lage, übermäßig hohe Schuldenquoten innerhalb eines überschaubaren Zeitraums abzubauen, selbst dann, wenn das nominale Wachstum schwach ausfällt. Das haben Simulationsrechnungen über 15 Jahre mit zwei unterschiedlichen Szenarien sowie die hypothetische Anwendung der neuen Regel auf die EWU-Länder für das Jahr 2018 bestätigt.

Abstract

The Maastricht rules and the rules of the Stability and Growth Pact on sovereign debt in the Eurozone have not proved successful. The regulatory framework is too complex, it calls for uncertain forecasts, monitoring and enforcement is subject to political influence, and sanctioning does not take place. A new and workable rule should meet the following requirements: It should address the core problem of over-indebtedness, be deprived of the political process, preserve sovereignty of member states over their budgetary policies, and be as simple, transparent and controllable as possible. The new deficit rule discussed here builds on the debt levels of Eurozone members and decouples national fiscal policies from the supranational monetary policy of the ECB. In contrast to the rigid 3% of the corrective part of the Stability and Growth Pact, the new rule is flexible and able to reduce excessively high debt ratios within a manageable period, even if nominal growth is weak. This was confirmed by simulations over 15 years with two different scenarios as well as the hypothetical application of the new rule to EMU countries for the year 2018.

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Notes

  1. Um an der Währungsunion teilzunehmen, muss ein Land die EU-Konvergenzkriterien (Maastricht-Kriterien) erfüllen. Diese Kriterien sollen die Haushalts‑, Preisniveau‑, Zins- und Wechselkursstabilität gewährleisten. Das Kriterium der Haushaltsstabilität (Defizit unter 3 % und Staatsschuldenquote unter 60 % des BIP) wurde im SWP als dauerhaftes Kriterium ausgelegt.

  2. Eurostat berechnet den Primärsaldo für alle EU-Länder einheitlich als Saldo nach dem Maastricht-Vertrag (Staatseinnahmen − Staatsausgaben) + Zinsausgaben: https://de.wikipedia.org/wiki/Prim%C3%A4rsaldo.

  3. Auch bei Niedrig- und Nullzinsen sind Staatsschulden von heute die Steuern von morgen (Fischer 2019).

  4. Die 1/20-Regel des reformierten Paktes ist zudem de facto ausgehebelt worden, da großzügige Regelauslegungen es ermöglichen, sogar eine deutliche Verfehlung des Ziels für den Schuldenabbau mit einer Verfehlung des anspruchsärmeren präventiven Arms zu heilen, sofern diese als „nicht erheblich“ gewertet wird (Deutsche Bundesbank 2017a, S. 41). Eine Regel, die faktisch nicht gilt, sollte durch eine geltende und zu befolgende Regel ersetzt werden.

  5. Der Parameter λ ist für alle EWU-Länder einheitlich festzulegen und könnte bspw. die im SWP vereinbarte Regel für den Schuldenabbau von λ = 1/20 aufnehmen.

  6. Der Zusammenhang zwischen den von der Notenbank kontrollierten Zinsen am kurzen Ende des Fristenspektrums und der durchschnittlichen Verzinsung der Staatsschulden ist zwar indirekt und zeitverzögert, jedoch gleichwohl vorhanden und sehr wirksam; vgl. Deutsche Bundesbank (2017b).

  7. Dieser Effekt ließe sich noch verstärken, wenn \(z_{t-1}=i_{t-1}+i_{t-1}^{G}\) gesetzt würde, wobei \(i^{G}\) ein von der Notenbank kontrollierter Zins sein sollte, z. B. der Geldmarktsatz für Dreimonatsgeld. Bei niedrigen oder gar negativen Geldmarktzinsen würde die obere Schranke für das Primärdefizit geringer ausfallen als bei einer restriktiven Geldpolitik mit hohen Geldmarksätzen.

  8. Ohne Irland und Deutschland, die ihre Schuldenquoten abgebaut haben, ist die durchschnittliche Schuldenquote von 82 % in 2010 sogar auf 105 % in 2017 gestiegen.

  9. Deutschland hat höhere Schuldzinsen gezahlt als Griechenland, dessen Zinsausgaben durch diverse Hilfsprogramme stark reduziert wurden; vgl. Deutsche Bundesbank (2017b, S. 54).

  10. In Log-Prozent ausgedrückt ergibt sich die Veränderungsrate einer Variablen X als 100*ln(Xt/X0), wobei ln den natürlichen Logarithmus bezeichnet.

  11. Dabei wird mit Fakten recht freizügig umgegangen: „Wenn es ernst wird, muss man lügen“. Vgl. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/umstrittene-euro-politik-juncker-geraet-wegen-geheimtreffen-unter-beschuss-a-761509.html.

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Wir danken dem Aktionskreis Stabiles Geld, insbesondere Gerhard Ziebarth und Reimund Mink, und einem anonymen Gutachter für hilfreiche Kommentare.

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Jost, T., Tödter, KH. Eine neue Fiskalregel für die Eurozone: einfach, transparent, kontrollierbar. List Forum 45, 381–395 (2020). https://doi.org/10.1007/s41025-019-00183-y

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