1 Einleitung

Digitalisierungsprozesse durchdringen immer mehr Lebensbereiche und gehen mit dem als Datafizierung beschriebenen Phänomen der massiven Zunahme generierter und verarbeiteter Daten einher (Cukier und Mayer-Schönberger 2013). Mit der Entwicklung datenintensiver Technologien, die auch im Alltag nunmehr omnipräsent sind – z. B. durch vernetzte Geräte, soziale Medien oder Praktiken digitaler Selbstvermessung (Houben und Prietl 2018; Mau 2017) – gewinnen nicht nur Daten an Relevanz, sondern auch Anforderungen in Bezug auf souveränes Agieren in datenbezogenen Kontexten. Der kompetente und kritisch-reflektierte Umgang mit Daten wird als Data Literacy gefasst (Schüller et al. 2019). Data Literacy gewinnt in einer Kultur der Digitalität (Stalder 2016) sowohl in beruflichen Kontexten als auch im Privaten an Relevanz und ist aufgrund der Rolle von Daten in vielen alltäglichen Anwendungen bedeutsam für die individuelle Handlungsfähigkeit und gesellschaftliche Teilhabe (Hintz et al. 2019).

Die Erwachsenenbildung ist hiervon in doppelter Weise berührt: Erstens sind Bildungseinrichtungen selbst von der Datafizierung betroffen (Jarke und Brieter 2019; Williamson 2019) etwa durch den Einsatz digitaler Lernumgebungen, die große Datenmengen generieren, aus denen ebenso Potenziale erwachsen wie auch Anforderungen an einen vertrauensvollen und rechtskonformen Umgang mit diesen Daten (Scheidig 2022b; Scheidig und Holmeier 2021). Data Literacy ist demzufolge als Anspruch an das Personal der Erwachsenenbildung zu verstehen, das u. a. bei der Beschaffung, Konfiguration und Nutzung von Software datenbezogene Entscheidungen trifft (Scheidig 2021). Zweitens ist die Erwachsenenbildung von zentraler Bedeutung, um Data Literacy in der Bevölkerung im Sinne lebenslangen Lernens zu fördern. Voraussetzung hierfür sind das Vorhandensein und die Zugänglichkeit von entsprechenden Angeboten, die die Entwicklung von Data Literacy in der längsten Lebensphase unterstützen. Inwiefern und mit welcher Ausrichtung Data Literacy in Angeboten öffentlicher Erwachsenenbildungseinrichtungen als Thema aufgegriffen wird, ist bislang nicht erforscht. Anknüpfend an dieses Desiderat gilt das Erkenntnisinteresse des vorliegenden Beitrags der Verbreitung und den Themen von öffentlichen Erwachsenenbildungsangeboten mit Bezug zu Data Literacy. Die Beantwortung erfolgt im Wege eine Programmanalyse zu datenbezogenen Angeboten an Volkshochschulen (VHS), dem bekanntesten und reichweitenstärksten Erwachsenenbildungsanbieter in Deutschland (Deutscher Volkshochschul-Verband 11,12,a, b). Die Programmanalyse erstreckt sich auf acht VHS und die Jahre 2010 bis 2021. Konkret liegen dabei folgende Forschungsfragen zugrunde:

F1:

Wie verbreitet sind Angebote an VHS, die potenziell Data Literacy fördern?

F2:

Welche inhaltliche Ausrichtung besitzen diese Angebote?

2 Data Literacy

Data Literacy wird den „21st Century Skills“ (z. B. Ridsdale et al. 2015) bzw. „Future Skills“ (z. B. Kirchherr et al. 2018; Schüller et al. 2019) zugeordnet, die ein plurales Spektrum von Kompetenzen abdecken, denen prospektiv besondere Bedeutung zugeschrieben wird. Teilweise wird Data Literacy synonym zu den sich überlappenden Konzepten Digital Literacy, Information Literacy oder Media Literacy verwendet oder als ein Segment dieser gefasst (Calzada und Marzal 2023; Ng 2012; Secker und Coonan 2011; van Laar et al. 2017). Im „Digital Competence Framework for Citizens“ (DigComp) der Europäischen Union (Vuorikari et al. 2022) ist Information and Data Literacy eines von fünf Kompetenzfeldern, das wie folgt definiert wird: „To articulate information needs, to locate and retrieve digital data, information and content. To judge the relevance of the source and its content. To store, manage, and organise digital data, information and content“ (Vuorikari et al. 2022, S. 7). Eine Differenzierung zwischen Daten und Information bzw. zwischen Data Literacy und Information Literacy wird jedoch nicht vorgenommen. Spezifisch für Data Literacy liegen verschiedene Definitionen und Kompetenzrahmen vor (für einen Überblick: Heidrich et al. 2018). Im Sinne einer Harmonisierung wird gegenwärtig unter dem Dach der IEEE Standards Association in der internationalen Arbeitsgruppe Standard for Data and Artificial Intelligence (AI) Literacy, Skills, and Readiness ein Data-Literacy-Framework erarbeitet.

Das bislang am meisten rezipierte KompetenzmodellFootnote 1 für Data Literacy stammt von Ridsdale et al. (2015), dem folgende Definition zugrunde liegt: „Data literacy is the ability to collect, manage, evaluate, and apply data, in a critical manner“ (Ridsdale et al. 2015, S. 2). In Abgrenzung hierzu entwerfen Grillenberger und Romeike (2018) einen theoriegestützten Kompetenzrahmen für Data Literacy, der ergänzend zu einer operativen Perspektive – wie bei Ridsdale et al. (2015) – den Inhaltsbezug akzentuiert. Sie unterscheiden vier datenbezogene Handlungsbereiche sowie vier Inhaltsebenen,Footnote 2 deren Kombination eine Matrix mit 16 Kompetenzfeldern aufspannt. Obschon Ridsdale et al. (2015) sowie Grillenberger und Romeike (2018) die Aspekte Datenschutz sowie ethische und kritische Reflexion von Datenpraktiken integrieren, liegt beiden Kompetenzmodellen ein instrumentelles Verständnis von Data Literacy aus einer primär informatischen Anwendungsperspektive zugrunde. Hiervon hebt sich das „Framework für Data Literacy“Footnote 3 von Schüller (2019; ausführlich: Schüller et al. 2019) punktuell ab, das aus einer eher statistikorientierten Perspektive Bezüge von Daten zu gesellschaftlichen Alltagsfragen herstellt. Data Literacy „befähigt Menschen, reale Probleme durch die Nutzung, Analyse und Interpretation von Daten, die zugrunde liegende Phänomene messen, zu adressieren. Sie ist unerlässlich für das Verständnis komplexer, gesellschaftlich relevanter Phänomene wie globale Wirtschafts- und Finanzverflechtungen, Migration oder Klimawandel“ (Schüller 2009, S. 300). Dander (2014) wiederum, der die Fügung Data Literacy aufgrund der Verwendung des Literacy-Begriffs für nicht-sprachliche Symbolsysteme problematisiert (S. 11), arbeitet aus einer medienpädagogischen Perspektive unter Rekurs auf den Medienkritikbegriff Datenkritik als Kompetenz aus.Footnote 4 Dabei wird Datenkritik unter Hervorhebung datenbezogener Handlungsoptionen und -bedarfe produktiv gewendet im Sinne einer „sinnvollen Verbindung einer kritisch-reflexiven Distanz mit den lebensweltlichen Bedingungen und der Handlungsdimension datenkritischer Subjekte“ (Dander 2014, S. 5).

Die Kontrastierung der referierten Entfaltungen datenbezogener Kompetenzen verdeutlicht erstens Differenzen im interdisziplinären Zugriff auf Data Literacy, einhergehend mit unterschiedlichen Auslegungen und Akzentsetzungen. Zweitens tritt die Mehrdimensionalität von Data Literacy hervor, die u. a. Fähigkeiten in der Nutzung von Informationstechnologie, statistisches Verständnis, Kenntnisse rechtlicher Rahmenbedingungen und ethische Werthaltungen integriert. Erkennbar wird drittens eine Unterscheidung zwischen einem aktiven und einem defensiven Bezug zu Daten: In Entsprechung zu Metaphern zur Beschreibung technologischer Entwicklungen, die u. a. als Werkzeug betrachtet werden können, das man sich zu Nutze macht, oder als System, dem man ausgesetzt ist (Nardi und O’Day 1999), kann unterschieden werden zwischen Kompetenzen der aktiven Datennutzung einerseits und Erfordernissen eines kritisch-reflexiven Umgangs mit Daten und Datenpraktiken andererseits, die jeweils Facetten von Data Literacy abbilden.

Zeitgleich mit der konzeptionellen Auseinandersetzung mit Data Literacy rückte deren Förderung in den Fokus. In der Datenstrategie der Bundesregierung (Bundeskanzleramt 2021) wird „Datenkompetenz“ ein eigenes Kapitel gewidmet (S. 40–47) und das Ziel formuliert, dass alle Bürgerinnen und Bürger die Fähigkeit erwerben sollen, „individuell und in Organisationen souverän und reflektiert Daten zu sammeln, zu managen, auszuwerten und zu nutzen sowie sich an der gesellschaftlichen Diskussion über den Umgang mit Daten zu beteiligen.“ (S. 41) Aufmerksamkeit erhielt die Förderung von Data Literacy in den vergangenen Jahren vor allem im Hochschulbereich (Heidrich et al. 2018; Schüller et al. 2019) – insbesondere im Rahmen lancierter Programme, in denen fachspezifische und fachübergreifende Module zur Förderung von Data Literacy entwickelt, pilotiert und curricular implementiert wurden (Bandtel et al. 2021; Ebeling et al. 2021; Gläser und Spree 2022).

Allerdings wurden auch im Bereich der Erwachsenenbildung sowohl kommerziell orientierte Angebote zur Entwicklung von Data Literacy von Anbietern beruflicher und wissenschaftlicher Weiterbildung als auch Angebote in öffentlicher Verantwortung entwickelt. Der Deutsche Volkshochschul-Verband sieht die VHS „in der Pflicht, den Zugang zu anerkannten digitalen Kompetenzen allen Bevölkerungskreisen zugänglich zu machen, um gesellschaftliche Teilhabe zu stärken“ (Deutscher Volkshochschul-Verband 2019, S. 4), und veröffentlichte 2021 unter der Schirmherrschaft der damaligen Bundeskanzlerin Merkel die App „Stadt | Land | DatenFluss“ (https://www.stadt-land-datenfluss.de). Die Lernbausteine und Aufgaben in der App basieren auf dem „Framework für Data Literacy“ von Schüller et al. (2019) und thematisieren alltagsnah Datenbezüge in verschiedenen Lebensbereichen (Mobilität, Gesundheit, Arbeit). Auf europäischer Ebene adressiert das EU-geförderte Projekt „DaLiCitizens“ die Förderung von Data Literacy von Erwachsenen mit Lehr- und Lernmaterialien, die einem spielerischen Ansatz folgen (https://dalicitizens.eu). Es bestehen weitere kostenfreie digitale Lernressourcen zur Entwicklung bzw. zur Vertiefung von Data Literacy, etwa mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Angebote wie die „Toolbox Datenkompetenz“ (https://toolboxdatenkompetenz.de) oder der Lernbereich zu Data Literacy auf der Plattform „KI Campus“ (https://ki-campus.org/themen/daten). Da Online-Selbstlernmaterialien nicht alle Erwachsenen gleichermaßen erreichen und ansprechen (Schmid et al. 2017, S. 15–29; Schmidt-Hertha und Rott 2021) und die Verwendung digitaler Lernressourcen selbst digitale Grundkompetenzen voraussetzt, besteht weiterhin Bedarf an lokalen Bildungsangeboten, die Data Literacy im Rahmen organisierter Erwachsenenbildungsveranstaltungen fördern.

Aktuell liegen nur wenige Erkenntnisse zur Repräsentanz digitalisierungsbezogener Themen in Angeboten der Erwachsenenbildung vor. Rohs et al. (2021) untersuchten in einer längsschnittlichen Programmanalyse am Beispiel der VHS Ulm die Verankerung von Angeboten zur Digitalisierung im Zeitverlauf. Die Befunde verweisen trotz unterschiedlicher Entwicklungsphasen insgesamt auf eine Schwerpunktsetzung im Bereich funktionaler und (auch) berufsqualifizierender Angebote, z. B. Angebote zu digitalen Endgeräten (Computerbedienung etc.), digitalen Büroanwendungen (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation etc.) und digitalen Betriebsanwendungen (Kurse zu spezieller Unternehmenssoftware), und demgegenüber auf einen geringen Anteil von kritisch-reflexiven Kursangeboten, die den gesellschaftlichen Diskurs zu digitalen Informations- und Kommunikationsmedien adressieren. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt eine Programmanalyse zu Medienkompetenzbezügen in VHS-Programmen von Hellriegel (2022) auf Basis einer Auswertung der Programme von vier VHS aus Rheinland-Pfalz: Angebote mit Bezügen zur Medienkompetenz sind deutlich häufiger beruflich denn allgemeinbildend akzentuiert und es finden sich kaum medienkritische Angebote, was in der Studie auf eine primär nachfrageorientierte Programmplanung zurückgeführt wird.

Eine Umfrage des Bundesarbeitskreises Arbeit und Beruf (vgl. Jäger 2020) zu VHS-Angeboten, die Kompetenzen aus dem DigComp der Europäischen Union (Vuorikari et al. 2022) adressieren, kam auf Basis der Rückmeldungen von 140 VHS zu dem Ergebnis, dass von 5533 genannten Angeboten mit DigComp-Bezug im Programmjahr 2019/2020 insgesamt 1721 Angebote (31,1 %) auf den Kompetenzbereich „Umgang mit Informationen und Daten“ entfallen. Dieser Kompetenzbereich umfasst die Kompetenzen Recherche, Suche, Filterung, Auswertung und Verwaltung von Daten, Informationen und digitalen Inhalten, besitzt also deutliche Überschneidungen u. a. mit Information Literacy und unterscheidet nicht zwischen Daten, Informationen und digitalen Inhalten. Wie viele dieser Angebote Data Literacy fokussieren und welche thematische Ausrichtung dabei zugrunde liegt, wird nicht spezifiziert. Auch in den beiden Programmanalysen von Rohs et al. (2021) und Hellriegel (2022) zu den Themenfeldern Digitalisierung und Medienkompetenz an in VHS-Angeboten wird nicht gesondert auf Data Literacy eingegangen. Weitere Programmanalysen mit thematisch verwandter Ausrichtung – etwa zu (neuen) Medien als Gegenstand von Erwachsenenbildungsangeboten (siehe Hellriegel 2022, S. 168–178) – sind deutlich älteren Datums und beziehen sich auf Analysezeiträume, in denen der kompetente und kritisch-reflexive Umgang mit Daten noch nicht als allgemeiner gesellschaftlicher Anforderungsbereich diskutiert wurde.

3 Methode

Zur Beantwortung der Frage nach der Verbreitung und den Inhalten öffentlicher Erwachsenenbildungsangebote zur Förderung von Data Literacy wurde eine Programmanalyse durchgeführt. Es handelt sich dabei um einen in der Erwachsenenbildungsforschung etablierten methodischen Zugang, der seine Begründung im zentralen Stellenwert von Programmen in der Erwachsenenbildung sucht (Fleige et al. 2019; Gieseke et al. 2018). Programme geben Auskunft über geplante Angebote, jedoch nicht über deren Zustandekommen, Verlauf, Qualität oder Wirkung. Ein Vorteil von Programmanalysen besteht darin, dass sie einen non-reaktiven Forschungszugang darstellen, da Programme als Gebrauchstexte in der Bildungspraxis eine nicht-wissenschaftliche Primärfunktion besitzen; aufgrund der erst nachträglichen wissenschaftlichen Funktionalisierung besteht keine Gefahr für eine forschungsseitige Beeinflussung des Rohmaterials (Nolda 2018). In der Typologie der Programmforschung (Fleige et al. 2019, S. 78–86; Nolda 2018; Robak 2012) lässt sich die vorliegende Programmanalyse zu Data Literacy fördernden VHS-Angeboten als themenspezifische Programmanalyse mit Zentrierung auf einen Einrichtungstyp einordnen. Die Programmanalyse kann als qualitativ-quantifizierend klassifiziert werden (Fleige et al. 2019, S. 70f.), da sowohl die Identifizierung von Data Literacy fördernden Angeboten als auch die Kodierung dieser Angebote für eine subthematische Kategorisierung der Inhalte ein interpretatives Vorgehen verlangen. Sie ist zudem insofern längsschnittlich angelegt, als die quantitative Entwicklung datenbezogener Angebote der Jahre 2010 bis 2021 Teil der Betrachtung ist. Die Wahl des Analysezeitraums begründet sich mit der in diesem Zeitraum einsetzenden Diskussion über Data Literacy infolge technologischer Entwicklungen, die zu einer deutlichen Zunahme der Verfügbarkeit und Bedeutung von Daten führten (Ridsdale et al. 2015).

3.1 Stichprobe

Die Programmanalyse zentriert sich auf Angebote von VHS. Damit fiel die Wahl auf den in Deutschland bekanntesten Erwachsenenbildungsanbieter, den einer repräsentativen Umfrage zufolge rund drei Viertel der Bevölkerung kennen (Deutscher Volkshochschul-Verband 2023a). VHS sind flächendeckend mit einem thematisch breit gefächerten Angebot vertreten und zusammengenommen sind die aktuell 858 VHS der reichweitenstärkste Anbieter allgemeiner Erwachsenenbildung in Deutschland (Deutscher Volkshochschul-Verband 2023b). Für die Analyse wurde auf ein für die Programmforschung vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) zusammengestelltes Sample des DIE-Programmarchivs zurückgegriffen, das annähernd repräsentativ für die deutsche VHS-Landschaft ist und insgesamt 50 VHS enthält (Heuer et al. 2008). Aus Kapazitätsgründen wurden acht VHS aus diesem Sample für die Analyse ausgewählt (Tab. 1), dabei waren zwei Strategien leitend: Erstens wurde in Anlehnung an die in der Programmforschung verbreitete Nutzung von Regionalstichproben (vgl. Fleige et al. 2019, S. 80f.) eine Auswahl auf Bundesländerebene getroffen. Die Wahl fiel auf Nordrhein-Westfalen, da es sich um das bevölkerungsreichste Bundesland handelt und die sieben nordrhein-westfälischen VHS im DIE-Sample u. a. im Hinblick auf Größe, organisationale Verfasstheit und das lokale Umfeld eine gewisse Vielfalt der VHS-Landschaft abbilden. Damit war intendiert, unterschiedliche Programmkontexte aufzunehmen, um einer Verzerrung durch spezifische Einrichtungsmerkmale und lokale Kontexte vorzubeugen (vgl. Rohs et al. 2021, S. 164). Zweitens wurde mit der Münchner VHS die mit Abstand volumenstärkste deutsche VHS ebenfalls in die Stichprobe aufgenommen. Dies folgte der Annahme, dass sich sowohl Angebotsentwicklungen im Zeitverlauf als auch die inhaltlichen Strukturen dieser Angebote in volumenreichen Programmen mit deutlicherer Kontur abzeichnen dürften. Zudem wurde mit der Aufnahme der Münchner VHS auch eine regionale Kontrastfolie in die Stichprobe integriert.

Tab. 1 Analysierte VHS-Programme (N = 137)

3.2 Vorgehen

Für die Analyse wurden die Programme der acht VHS für den Analysezeitraum 2010 bis 2021 über das digitale DIE-Programmarchiv beschafft. Programme, die nicht im Archiv vorlagen, wurden bei den VHS angefragt sowie im Fall der VHS Lennetal, deren Daten nur für wissenschaftliche Zwecke freigegeben werden, beim DIE angefordert. Insgesamt konnten 137 Programme beschafft und in die Analyse einbezogen werden (Tab. 1). Alle Programme lagen als Programmheft vor, wodurch eine Analyse auf Basis der eher flüchtig dargebotenen Programme in Kursdatenbanken auf den VHS-Websites umgangen werden konnte (vgl. Scheidig, 2022a, S. 340f.).

Um Angebote zu identifizieren, die den Erwerb und die Vertiefung von Data Literacy von Erwachsenen unterstützen, wurden alle 137 VHS-Programme vollständig gesichtet, da datenbezogene Angebote selten dezidiert unter Data Literacy firmieren und sich aufgrund der Datafizierung vieler Lebensbereiche nicht auf einen Programmbereich beschränken (König et al. 2020, S. 7f.). Eine effiziente Suche mit dem Wortstamm Dat* erwies sich gegenüber der sehr zeitintensiven Sichtung aller Programme als nicht zielführend, da der Datenbegriff einerseits bei einigen Angeboten mit Bezug zu Data Literacy in der Beschreibung nicht explizit Verwendung findet und andererseits auch in sachfremden Zusammenhängen von „Daten“ die Rede ist (z. B. „Kursdaten“).

Der Identifikation inhaltlich relevanter Angebote lag anschließend an die referierten Kompetenzmodelle1234 das Verständnis von Data Literacy als kompetenter und kritisch-reflektierter Umgang mit Daten zugrunde. Das Spektrum hierauf gerichteter Bildungsangebote umschließt demnach anwendungsorientierte Angebote, die Fähigkeiten in der Arbeit mit Daten vermitteln, ebenso wie informative Angebote, die einführend Funktionsweisen und (neue) Technologien vorstellen, und sensibilisierende Angebote, die ein Bewusstsein für kritische, auch rechtswidrige Möglichkeiten der Datennutzung schaffen sowie gesellschaftliche Implikationen von Datenpraktiken ausleuchten. Demgemäß zentrieren sich Angebote, die Data Literacy fördern, nicht nur auf Sach- und Handlungswissen und den Erwerb datenbezogener Fähigkeiten, sondern beispielsweise auch auf Werthaltungen und die Reflexion ethischer Aspekte in einer von immer mehr Daten durchdrungenen Arbeits- und Lebenswelt (Schüller 2019, S. 298).

In der vorliegenden Programmanalyse wird insofern ein eher weites Verständnis von Data Literacy zugrunde gelegt, als davon ausgegangen wird, dass VHS-Angebote, in denen Daten oder datenintensive Anwendungen eine Thematisierung erfahren, potenziell (womöglich auch nur indirekt) Data Literacy fördern. Dabei werden nur Angebote berücksichtigt, für die anhand des Programmtextes darauf geschlossen werden konnte, dass Daten oder datenintensive Anwendungen einen thematischen Schwerpunkt bilden oder – bei breit gefächerten Angeboten – zumindest einen erkennbaren Teilschwerpunkt darstellen. Diese Angebote müssen der Ausschreibung nach nicht explizit Data Literacy als Zielperspektive formulieren, sondern dies anhand der inhaltlichen Angebotsdarlegung erwarten lassen. Dazu zählen beispielsweise Angebote, die potenziell die informationelle Selbstbestimmung sowie die Mündigkeit im Umgang mit und in der Beurteilung von datenbasierten Informationen, Anwendungen und Entscheidungen im Sinne einer produktiven Datenkritik (Dander 2014) stärken, etwa unter Verweis auf Algorithmen oder datenbasierte Geschäftsmodelle in der Angebotsankündigung. Hingegen werden Angebote, bei denen der Bezug zu Daten nur peripher oder nicht eindeutig gegeben ist – etwa allgemeine Einführungskurse zu Software und sozialen Medien, bei denen die Programmtexte keine Hinweise auf eine akzentuierte Auseinandersetzung mit Daten (z. B. mit Datenanalyse oder -schutz) enthielten –, hier nicht als mit Data Literacy assoziierte Angebote rubriziert.

Angebote, die dem zugrunde gelegten Verständnis folgend Data Literacy potenziell fördern, wurden im Zuge der Sichtung der 137 Programme identifiziert und mit einem Kategoriensystem erfasst. Das Kategoriensystem umfasste die Kategorien Einrichtung, Jahr, Veranstaltungstitel und Thema, wobei letztgenannte Kategorie die inhaltliche Ausrichtung erfasst und induktiv am Material entwickelt wurde (siehe 3.3). Wiederholt offerierte Angebote wurden mehrmals entsprechend ihrer Häufigkeit erfasst (Mehrfacherfassung), auch wenn sie innerhalb eines Programmzeitraums inhaltsgleich mehrmals angeboten wurden, um die Gesamtzahl aller Angebote zu Data Literacy im Analysezeitraum zu ermitteln. Diese Zahl gibt Auskunft darüber, wie viele Angebote mit Bezug zu Data Literacy insgesamt an den acht VHS im Untersuchungszeitraum in den Programmen geführt wurden und interessierten Personen zur Teilnahme offenstanden. Erstreckte sich ein Angebot über verschiedene Kalenderjahre, wurde es dem Jahr des Angebotsbeginns zugeordnet.

3.3 Analyse

Für die quantitative Auswertung der Verbreitung von Angeboten mit Bezug zu Data Literacy wurde zunächst die absolute Häufigkeit der Angebote ermittelt. Da die Gesamtvolumina der Programme einerseits zwischen den acht betrachteten VHS (z. B. Kreis- vs. großstädtische VHS) und andererseits im Zeitverlauf variieren (z. B. Angebotsrückgang infolge der Corona-Pandemie), wurde der prozentuale Anteil datenbezogener Angebote am Gesamtangebot pro Jahr und VHS berechnet. Zu diesem Zweck wurde die Programmanalyse um eine statistische Datenquelle ergänzt (Fleige und Reichart 2014) und aus der VHS-Statistik beim DIE für die acht betrachteten VHS die jährliche Kursgesamtzahl im Zeitraum 2010 bis 2021 angefordert.Footnote 5 Somit konnte pro VHS für jedes Jahr, für das sowohl das Gesamtprogramm als auch die Information zur Kursgesamtzahl vorlag, der prozentuale Anteil des Angebots mit Bezug zu Data Literacy errechnet werden (bei VHS mit Halbjahresprogrammen musste für beide Halbjahre ein Programm vorliegen). Zu beachten ist, dass sich die VHS-Statistik auf Kalenderjahre bezieht, sich die Programme aber teils noch auf die ersten Wochen des Folgejahres erstrecken, wobei sich diese punktuelle zeitliche Inkongruenz in der Mehrjahresbetrachtung ausgleicht.

Für die qualitative Auswertung der Themen von Angeboten mit Bezug zu Data Literacy wurde eine inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse mit induktiver Kategorienbildung vorgenommen (Schreier 2012, 2014). Zuerst wurden die Angebotstexte gesichtet, um für die Kategorie Thema induktiv Subkategorien zur möglichst disjunkten Ordnung der inhaltlichen Ausrichtung der Angebote zu entwickeln. Diese Subkategorien wurden in mehreren iterativen Modifikationsschritten am Material erprobt, überarbeitet (Kategorien wurden ausdifferenziert, fusioniert, präzisiert), mit einer Kurzbeschreibung und einem Ankerbeispiel versehen. Anschließend wurden alle Angebote erneut gesichtet und hinsichtlich ihrer thematischen Ausrichtung entlang der induktiv entwickelten Subkategorien kodiert. Dabei wurde jedes Angebot nur einer thematischen Subkategorie zugeordnet, bei Angeboten mit Bezügen zu mehreren thematischen Aspekten erfolgte anhand des Ausschreibungstexts eine Zuschreibung des Schwerpunkts. Die finalen Subkategorien zur thematischen Ordnung der Angebote lauten: (1) Datenschutz, Datensicherheit, (2) Datennutzung, (3) Daten und Recht, (4) Grundkenntnisse des Internets, (5) Technologische Innovationen, (6) Digitaler Wandel und (7) Mobile Health (siehe Tab. 3). Für die Berechnung des absoluten und relativen Anteils der Angebote in diesen Kategorien wurden Angebote, die innerhalb eines Programmzeitraums mehrfach bereitgestellt wurden, aufgrund der Inhaltsgleichheit nur einmal berechnet (Einfacherfassung). Damit soll ausgeschlossen werden, dass einzelne Angebote, die in erhöhter Frequenz wiederholt offeriert wurden, die Darstellung der inhaltlichen Verteilung verzerren.

4 Ergebnisse

Nahezu alle 137 analysierten Programme enthielten Angebote mit Bezug zu Data Literacy. Für alle acht VHS lassen sich fast durchgängig entsprechende Angebote nachweisen (Tab. 2). Insgesamt konnten für den Analysezeitrum an den acht Einrichtungen 761 Angebote identifiziert werden, die Data Literacy fördern, dies entspricht durchschnittlich 5,55 datenbezogenen Angeboten pro Jahresprogramm. Berücksichtigung verdient, dass die tatsächliche Zahl von Data Literacy fördernden Angeboten höher liegen dürfte, da für einzelne VHS nicht alle Programme für die Analyse beschafft werden konnten (siehe Tab. 1). Werden innerhalb eines Programms mehrfach angebotene Veranstaltungen identischen Inhalts lediglich einmal gezählt, so reduziert sich die Gesamtzahl auf 569 Angebote. Das bedeutet, dass 25,23 % der hier erfassten Angebote (192 von 761 Angeboten) auf Veranstaltungen entfallen, die innerhalb desselben (Halb‑)Jahres eine andere Veranstaltung inhaltsgleich duplizieren.

Tab. 2 Anzahl der VHS-Angebote mit thematischem Bezug zu Data Literacy nach Jahr und VHS

Es bestehen große interinstitutionelle Unterschiede in der Anzahl der Angebote, die mit der Einrichtungsgröße korrespondieren: Etwas mehr als die Hälfte der Angebote entfällt allein auf die Münchner VHS, deren Angebotsanzahl in den Jahren 2010 bis 2021 höher liegt als die kumulierte Angebotszahl der sieben nordrhein-westfälischen VHS in der Stichprobe. Dies ist partiell auf die gehäufte Mehrfachausbringung derselben Angebote an der Münchner VHS zurückzuführen.

Abb. 1 stellt pro Jahr und VHS den prozentualen Anteil von Data Literacy fördernden Angeboten am Gesamtangebot der jeweiligen Einrichtung dar. Datenlücken sind darauf zurückzuführen, dass in einigen Jahren für einzelne VHS ein Programm und/oder die Gesamtzahl aller Angebote nicht vorlag und hierdurch der relative Anteil nicht berechnet werden konnte. Der durchschnittliche Anteil von datenbezogenen Angeboten in den Programmen aller acht VHS im Analysezeitraum 2010 bis 2021 beträgt 0,79 %. Mit anderen Worten: In den analysierten Programmen besitzt durchschnittlich ca. jedes 126. Angebot einen Bezug zu Data Literacy. In Abb. 1 wird erkennbar, dass der relative Anteil von Data Literacy fördernden Angebot im beobachteten Zeitraum in der Tendenz ansteigt (siehe auch die Zunahme der absoluten Angebotsanzahl ab 2017 in Tab. 2), wenngleich die Datenlücken und einzelne Ausreißer zu berücksichtigen sind.

Abb. 1
figure 1

Relativer Anteil der VHS-Angebote mit thematischem Bezug zu Data Literacy (Mehrfacherfassung) im Verhältnis zum Gesamtangebot der jeweiligen VHS im Analysezeitraum 2010 bis 2021

Nicht nur zwischen den Jahren, auch zwischen den VHS bestehen teils große Unterschiede: Den höchsten prozentualen Anteil von datenbezogenen Angeboten verzeichnet die VHS Ennepe-Ruhr-Süd im Jahr 2021 mit 3,66 %. Die prozentualen Anteile datenbezogener Angebote am Gesamtangebot sind von der Einrichtungsgröße entkoppelt: Während die Münchner VHS mit durchschnittlich 11.600 Veranstaltungen pro Jahr im Beobachtungszeitrum in jedem Jahr die mit Abstand meisten datenbezogenen Angebote verzeichnet (Tab. 2), ist der prozentuale Anteil datenbezogener Angebote am Gesamtangebot der Münchner VHS unterdurchschnittlich (Abb. 1). Demgegenüber nehmen datenbezogene Angebote an VHS mit einem deutlich geringeren Kursvolumen wie der VHS Ennepe-Ruhr-Süd (durchschnittlich 550 Veranstaltungen pro Jahr) oder der VHS Bocholt-Rhede-Isselburg (durchschnittlich 571 Veranstaltungen pro Jahr) im Analysezeitraum einen höheren prozentualen Anteil am Gesamtangebot ein.

Tab. 3 stellt das Ergebnis der qualitativen Inhaltsanalyse zu den Themen der datenbezogenen Angebote der ausgewerteten VHS-Programme dar. Es dominieren Angebote mit einem Fokus auf Datenschutz und Datensicherheit (42,36 %), die eine Sensibilisierung für kritische Facetten der Datenspeicherung und -verarbeitung intendieren und eine Vermeidung potenziell negativer Konsequenzen erstreben. Dazu zählen insbesondere Angebote zum Schutz der Privatsphäre und zur Sicherheit im Internet, darunter auch zahlreiche Angebote, die sich an Eltern als Zielgruppe richten und diese bezüglich der Internetnutzung ihrer Kinder ansprechen. Rund jedes sechste Angebot (16,87 %) fördert in eher anwendungsorientierter Ausrichtung Fähigkeiten der Arbeit mit Daten, sowohl im privaten Bereich (z. B. mit Bezug zu Cloud Computing, Datenübertragung und -verschlüsselung) als auch zu beruflichen Zwecken (z. B. Online-Marketing, Datenanalyse mit Python, Industrie 4.0). Rund jedes neunte Angebot (10,90 %) beleuchtet eigene Rechte und die Rechte anderer im Kontext der Datenverarbeitung. Die weiteren Angebote thematisieren Daten im Zusammenhang mit grundlegenden Einführungen in die Internetnutzung (7,73 %) sowie im Rahmen thematischer Überblicke zu technologischen Entwicklungen, häufig in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz (6,33 %), ferner im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen durch Digitalisierungsprozesse (3,51 %) oder mit Bezug zu Mobile-Health-Anwendungen (2,64 %). Ungefähr jedes zehnte Angebot ließ sich nicht oder nicht eindeutig den zuvor genannten inhaltlichen Kategorien zuordnen (Tab. 3).

Tab. 3 Themen der VHS-Angebote mit thematischem Bezug zu Data Literacy (Einfacherfassung, N = 569), geordnet nach Häufigkeit

5 Diskussion

Die vorliegende Programmanalyse fokussierte die Verbreitung und inhaltliche Ausrichtung von Data Literacy fördernden Bildungsangeboten für Erwachsene an VHS. In fast jedem der 137 analysierten Programme aus dem Zeitraum 2010 bis 2021 konnten Angebote identifiziert werden, die potenziell Data Literacy fördern. Die thematische Präsenz gibt Zeugnis von der Bedeutung von Daten und verweist darauf, dass in der Erwachsenenbildung mit Daten assoziierte Fragen aufgegriffen werden. Dies lässt sich interpretieren als Nachweis „seismographischen Handelns“ (Fleige et al. 2019, S. 19) in der Programmentwicklung, das neuen Ansprüchen und Bedürfnissen mit einschlägigen Angeboten Rechnung trägt. Die einrichtungsübergreifende Tendenz, dass der Anteil Data Literacy fördernder Angebote im Gesamtangebot der betrachteten VHS im Analysezeitraum zugenommen hat, kann als Indiz für eine wachsende Sensibilisierung für die Bedeutung von Daten und diesbezüglicher Kompetenzfacetten interpretiert werden. Die Häufung von inhaltsgleichen Angeboten, die innerhalb eines Programms mehrmals angeboten werden, gibt Hinweis auf eine einrichtungsseitig erwartete oder in der Vergangenheit eingetretene Nachfrage nach diesen Angeboten (vgl. Hellriegel 2022, S. 168–196, 279–297).

Gleichwohl umfassen Angebote, in denen Daten eine Thematisierung erfahren, durchschnittlich lediglich 0,79 % des Gesamtangebots der betrachteten VHS und viele datenbezogene Angebote besitzen eine thematische Spezialisierung, sodass trotz der Repräsentanz datenbezogener Angebote in fast allen analysierten Programmen nicht auf eine umfassende Förderung von Data Literacy an VHS geschlossen werden kann. Mit Blick auf eine Versorgung mit Data Literacy fördernden Angeboten sind zudem die herausgestellten interinstitutionellen Unterschiede zu beachten: An der größten VHS finden sich erwartungskonform auch die meisten datenbezogenen Angebote, an VHS mit deutlich geringerem Volumen finden sich demgegenüber nur vereinzelt Angebote. Allerdings zeigt die Kontrastierung mit Daten aus der VHS-Statistik für die analysierten Einrichtungen, dass in weniger urbanen VHS mit Data Literacy assoziierte Angebote einen teils höheren Anteil am jeweiligen Gesamtangebot verzeichnen als an großstädtischen VHS.

In Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung der Angebote zeigt sich, dass die Auseinandersetzung mit Daten in verschiedenen Kontexten und Anwendungsbereichen erfolgt. Dabei stehen Daten teilweise nicht explizit im Fokus, die Ankündigungstexte lassen nicht selten ein Aufgreifen als eine thematische Subfacette des eigentlichen Hauptthemas vermuten. Data Literacy dürfte in diesen Angeboten folglich eher implizit gefördert werden. Die Charakteristik von Programmen als werbende Angebotsvorschau bedingt, dass den Ankündigungstexten keine spezifischen Informationen zur konkreten Zuwendung zu Datenfragen entnommen werden können. Die qualitativ-inhaltsanalytische Kategorisierung lässt jedoch eine häufige Akzentuierung negativer Datenaspekte erkennen, insbesondere im Zusammenhang mit Datenschutz, Datensicherheit und rechtlichen Fragen. Darin tritt tendenziell ein defensives Technologieverständnis hervor: Verschiedene Kontexte, in denen Daten generiert, angefordert, gespeichert, verarbeitet oder transferiert werden und denen man sich teilweise nicht entziehen kann, verlangen Sensibilität im Umgang mit (vor allem eigenen) Daten. Angebote mit dieser Ausrichtung schaffen potenziell ein Bewusstsein für datenbezogene Risiken in von Digitalisierungsprozessen berührten Lebensbereichen. Die diesen Angeboten eingelagerten Lernpotenziale können zur mündigen Teilhabe an Gesellschaft und Arbeitswelt in einer Kultur der Digitalität (Stalder 2016) beitragen, wenn sie anregen, Datenpraktiken und kritische Szenarien der Datennutzung zu reflektieren. Damit verbunden ist auch die Befähigung zum souveränen Agieren in datenbezogenen Fragen (z. B. Datenweitergabe in sozialen Medien und Gesundheits-Apps). Aufgrund der gesellschaftlichen Dimension des digitalen Wandels berührt die kritische Reflexion von Daten auch die begründete Urteilsbildung in Fragen, die den eigenen Lebensvollzug übersteigen, z. B. die Positionierung zu datenbasierten Geschäftsmodellen globaler Konzerne oder zu algorithmischen Entscheidungen mit großer Tragweite (z. B. Kreditvergabe), die potenziell Diskriminierung reproduzieren (Beck et al. 2019).

Demgegenüber sind weniger Angebote von einem aktiven Technologieverständnis getragen, indem Gestaltungsräume der Datenverarbeitung und hierauf bezogene Kompetenzen akzentuiert werden. Potenziale der Datenverarbeitung werden eher nachrangig und vor allem in thematischen Einführungen – insbesondere im Zusammenhang mit dem dynamischen Feld der Künstlichen Intelligenz – aufgegriffen, die auf eine Wissenserweiterung zielen. Diese Angebote fördern potenziell ein Verständnis für (neue) Nutzungsoptionen von Daten. Dabei können auch eher potenzialorientierte Angebote die Sensibilität für Risiken in datenbasierten Prozessen schärfen, etwa wenn die Auseinandersetzung mit Datenverwendungsoptionen das Bewusstsein für den Wert von Daten und mögliche kommerzielle Interessen schärft und damit verbunden die Bedeutung von Maßnahmen zum Schutz von Daten sowie die Gefahren missbräuchlicher Datenpraktiken unterstrichen werden. Ebenso dürfte eine anwendungsorientierte Auseinandersetzung mit der Erfassung und Verarbeitung von Daten das Verständnis für datenbezogene Probleme vertiefen, beispielsweise dass Daten Relevanz- und Zwecksetzungen sowie die Transformation von Kontextwissen implizieren (Schüller et al. 2019, S. 36) und folglich nur vermeintlich objektiv sind (Breiter und Hepp 2018; Prinsloo 2019).

Der geringe Anteil von anwendungsorientierten Angeboten ist vor dem Hintergrund zu interpretieren, dass VHS Anbieter allgemeiner Erwachsenenbildung in öffentlicher Verantwortung sind; für Angebote zu Data Literacy in der beruflichen Weiterbildung ist demgegenüber eine ausgeprägte Verwertungsorientierung anzunehmen (Rohs 2020). Die Befunde stehen im Kontrast zu den breiter angelegten VHS-Prorammanalysen von Hellriegel (2022) und Rohs et al. (2021) zu den Themenfeldern Medienkompetenz und Digitalisierung, deren Ergebnissen zufolge Angebote mit beruflichem Schwerpunkt und in funktionaler Ausrichtung dominieren und kritisch-reflexive Angebote etwa mit Bezug zu gesellschaftlichen Konsequenzen von Digitalisierungsprozessen wenig vertreten sind. Dies findet hier keine Bestätigung für VHS-Angebote mit thematischem Bezug zu Data Literacy, vielmehr zeigt sich ein umgekehrtes Verhältnis.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass VHS-Programme Angebote enthalten, die Data Literacy potenziell fördern und damit der (gewachsenen) Bedeutung von Daten in privaten und beruflichen Kontexten Rechnung tragen. Insofern sind Daten als Thema in der Erwachsenenbildung präsent und es ist davon auszugehen, dass entsprechende Angebote über VHS für viele Menschen in Deutschland wohnortnah und niedrigschwellig zugänglich sind. Es handelt sich allerdings erstens um punktuelle Angebote, die zweitens aufgrund ihres thematischen Schwerpunkts datenbezogene Kompetenzen oft nur indirekt adressieren. Um den gestiegenen Anforderungen an Data Literacy gerecht zu werden, ist eine flächendeckende und umfassende Versorgung mit hierauf gerichteten Angeboten anzustreben. Eine Angebotsausdehnung sollte dabei vor dem Hintergrund verschiedener Dimensionen von Data Literacy (Dander 2014; Grillenberger und Romeike 2018; Ridsdale et al. 2015; Schüller et al. 2019) und der Pluriformität von Datenbezügen im Alltag Data Literacy in seiner inhaltlichen Vielschichtigkeit adressieren, um gesellschaftliche Teilhabe in von Digitalisierungsprozessen durchdrungenen Lebensbereichen angemessen zu fördern.

Berücksichtigung verdient, dass die vorgenommene Analyse auf den Programmen von acht VHS aus dem Zeitraum 2010 bis 2021 beruht und für einzelne (Halb‑)Jahre Datenlücken bestehen, weil Programme nicht beschafft werden konnten. Mit Blick auf die Frage der Generalisierbarkeit der Ergebnisse für alle 858 VHS in Deutschland lässt sich aufgrund der getroffenen Stichprobenwahl und der vergleichsweise breiten Datenbasis von 137 Programmen annehmen, dass sich in den Ergebnissen relevante Tendenzen bezüglich der Repräsentanz von Data Literacy in VHS-Programmen abbilden. Da die Befunde aber erkennen lassen, dass zwischen einzelnen VHS Unterschiede im Angebotsvolumen bestehen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Betrachtung weiterer VHS in quantitativer Hinsicht zu abweichenden Befunden führt. Unbeantwortet muss hier bleiben, ob sich für andere Erwachsenenbildungsanbieter – insbesondere in Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung von datenbezogenen Bildungsangeboten – ein vergleichbares oder ein divergierendes Bild ergibt. Da Programme Angebotsankündigungen enthalten, liefert die Programmanalyse keine Informationen dazu, ob, wie und mit welchem Lernertrag die 761 identifizierten Angebote mit Bezug zu Data Literacy realisiert wurden. Aus den Ankündigungstexten lässt sich beispielsweise oftmals nicht entnehmen, wie anwendungsorientiert die Zuwendung zu Daten ist, welche lebensweltlichen Bezüge hergestellt werden und wie viel Raum für teilnehmendenseitige Anliegen und Beiträge besteht (vgl. Scheidig 2022a, S. 332). Aus diesem Grund ist auch nicht auszuschließen, dass die hier vorgenommene thematische Kategorisierung eines Angebots (Tab. 3) anhand des Programmtextes nicht dem tatsächlichen inhaltlichen Schwerpunkt des realisierten Angebots entspricht.

Mit diesen Limitationen sind zugleich Perspektiven für künftige Forschung aufgeworfen. Von Relevanz sind Analysen, die Data Literacy fördernde Lehr‑/Lernarrangements in verschiedenen Erwachsenenbildungskontexten in den Blick nehmen, auch in vergleichender sowie in internationaler Hinsicht. So scheint es lohnend, der Adressierung von Data Literacy auch in der betrieblichen Weiterbildung – dem quantitativ dominierenden Erwachsenenbildungsbereich in Deutschland (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2022, S. 22) – Aufmerksamkeit zu schenken. Dies begründet sich nicht nur im gewachsenen Stellenwert datenbezogener Kompetenzen in der Arbeitswelt, sondern auch in der Annahme, dass in beruflichen Kontexten erworbene Kompetenzen potenziell in andere Lebensbereiche übertragen werden können, etwa in Bezug auf Datenschutz und -sicherheit. Die Frage des Kompetenztransfers verweist auf die Wirkung datenbezogener Erwachsenenbildungsangebote, die als Forschungsdesiderat zu markieren ist. In mikrodidaktischer Hinsicht verdienen die Lernprozesse und -erträge von Data Literacy fördernden Angeboten eine Zuwendung, also inwieweit die Auseinandersetzung mit datenassoziierten Aspekten in Erwachsenenbildungsangeboten aufseiten der Teilnehmenden die Souveränität in Datenfragen fördert. Im Hinblick auf die Teilnehmenden ist schließlich zu fragen, wer entsprechende Angebote wahrnimmt und wie im Sinne einer Reduktion einer digitalen Spaltung in der Gesellschaft (Hargittai 2002; van Dijk 2012) verstärkt jene mit gering ausgeprägter Data Literacy attrahiert werden können (zur Soziodemografie dieser Gruppe vgl. Buddeberg et al. 2021). Da Data Literacy in einem zunehmend von Digitalisierungsprozessen durchdrungenem Alltag nicht an Relevanz einbüßen dürfte, ist für die Förderung von Data Literacy im Sinne lebenslangen Lernens einerseits die in der vorliegenden Programmanalyse untersuchte Verbreitung von hierauf gerichteten Angeboten bedeutsam, andererseits aber auch die Zugänglichkeit, Nutzung und Qualität dieser Angebote. Demgemäß verlangt die Förderung von Data Literacy von Erwachsenen sowohl in der Bildungspraxis als auch in der Forschung verstärkt Aufmerksamkeit.