1 Einleitung

Seit der Bildungsreform der 1970er-Jahre werden mit Beratungsangeboten der Weiterbildung insbesondere zentrale bildungspolitische Zielsetzungen verfolgt. Sie sollen lebenslange Lernprozesse unterstützen, indem sie zu mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem beitragen, Zielgruppen für Weiterbildung erschließen oder Adressatinnen und Adressaten eine Orientierung auf dem zuweilen unübersichtlichen Weiterbildungsmarkt geben sollen (Stanik 2015). Weiterbildungsberatung lässt sich mit Rückgriff auf die OECD wie folgt definieren: „Guidance services for continuing education and training assist individuals in making educational, training and occupational choices. As well as providing information, they can include counselling, mentoring and skills assessments“ (OECD 2021). Hierbei lassen sich mehrere Subformate differenzieren: Kurswahl‑, Kompetenzentwicklungs‑, Lern‑, Qualifizierungsberatungen etc. Diese werden von unterschiedlichen Einrichtungen angeboten, z. B. von Weiterbildungsberatungsstellen, Kammern, Weiterbildungseinrichtungen, Arbeitsagenturen.

Um professionell agieren und die Zielsetzungen erreichen zu können, die mit den Beratungsangeboten verfolgt werden, benötigen Beratende entsprechende professionelle Handlungskompetenzen. Gleichzeitig ist es im Sinne der Professionalisierung des Weiterbildungspersonals sowohl für Forschende als auch für Praktikerinnen und Praktiker wichtig, Beratungskompetenzen mittels geeigneter Instrumente erfassen bzw. bilanzieren zu können. Beratungskompetenzen werden von Schiersmann et al. (2013) und basierend auf Strasser und Gruber (2008) definiert als die Fähigkeiten der Beratenden, sich in komplexe Probleme hineinzudenken, diese gemeinsam mit den ratsuchenden Personen zu bearbeiten und zu deren Lösungen beizutragen. Dieses Kompetenzverständnis wurde auch durch das Nationale Forum für Beratung (nfb) geprägt und liegt dem breit rezipierten Kompetenzmodell des nfb zugrunde (Schiersmann 2013). Aufbauend auf diesem und anderen Konzepten von Beratungskompetenz wurden verschiedene Erhebungsinstrumente entwickelt und überwiegend auch pilotiert. Das Kompetenzverständnis ist dabei oft ein performanzorientiertes, da Beratung eine komplexe und kaum zu standardisierende Handlungsform darstellt, bei der die spontane und situationsadäquate Aktualisierung des zugrundeliegenden Wissens und Könnens eine zentrale Rolle spielt (Schiersmann et al. 2013). Entsprechend werden Beratungskompetenzen häufig mittels Verhaltensbeobachtungen oder Selbsteinschätzungen erfasst. Während unbestritten ist, dass das gezeigte Verhalten und/oder das selbst eingeschätzte Können von hoher Relevanz ist, wenn auf die Beratungskompetenzen geschlossen werden soll, verweisen zentrale pädagogische Konzeptualisierungen (Weinert 2002) und Modelle (Baumert und Kunter 2006; Strauch et al. 2019) auch auf die Relevanz von Wissen für professionelle Handlungskompetenzen. In dem eher performanzorientierten Forschungsdiskurs über Beratungskompetenzen bleibt aber häufig unklar, welche Konzepte von Wissen zugrunde liegen und wie diese erfasst werden. Der Beitrag beschäftigt sich daher mit der Fragestellung, inwiefern Wissen als zentraler Aspekt professioneller Handlungskompetenz in Instrumenten der Beratungskompetenzerfassung berücksichtigt wird.

Eine weitere Fragestellung bezieht sich auf den spezifischen Bereich der Weiterbildung. Da sich bisherige Konzeptualisierungen und Operationalisierungen von Beratungskompetenzen nur selten explizit auf die Weiterbildungsberatung beziehen, gehen wir zusätzlich der Frage nach, inwiefern vorhandene Instrumente für den Weiterbildungsbereich geeignet sind.

Ziel des Beitrags ist es, zur Weiterentwicklung des Verständnisses professioneller pädagogischer Beratungskompetenzen, speziell in dem bisher wenig untersuchten Bereich der Weiterbildungsberatung, beizutragen. Dafür folgt der Beitrag folgender Struktur: Er beginnt mit einer gegenstandstheoretischen Verortung professioneller pädagogischer Beratung. Dies ist insofern notwendig, als pädagogische Beratungsangebote sich zwar ausgedehnt und ausdifferenziert haben, die Frage jedoch, was diese Beratung zu einer pädagogischen Handlungsform macht, immer noch nicht hinreichend beantwortet ist (Hechler 2010). Es lässt sich zeigen, dass in unterschiedlichen Abgrenzungs- und Bestimmungsversuchen Wissen ein zentrales Merkmal darstellt, um Beratung als pädagogische Handlungsform zu charakterisieren (Abschn. 2). Dieser Umstand wird genutzt, um anschließend die Bedeutung und Dimensionen von Wissen in pädagogischer Beratung im Allgemeinen und in Weiterbildungsberatung im Besonderen herauszuarbeiten (Abschn. 3). Um die Forschungsfragen anhand des aktuellen Stands der Beratungskompetenzforschung beantworten zu können, werden die Ergebnisse eines systematischen Literaturreviews vorgestellt, in dem die Operationalisierungen von Wissen in einschlägigen Instrumenten systematisiert werden (Abschn. 4). Auf dieser Basis wird diskutiert, inwiefern Wissensdimensionen bei der Beratungskompetenzerfassung berücksichtigt werden, welche Instrumente für den Weiterbildungsbereich geeignet sind und welche Forschungsdesiderate sich aus den Befunden ergeben (Abschn. 5).

2 Merkmale professioneller pädagogischer Beratung – Ein Systematisierungsvorschlag

Pädagogische Beratungsangebote umfassen auch aufgrund der Entgrenzungen pädagogischen Handelns mittlerweile die gesamte Lebensspanne (Gieseke und Nittel 2016). Professionelle Beratung lässt sich definierten als Interaktion zwischen einer ratsuchenden und einer beratenden Person, die in einem professionellen Setting vollzogen wird (Petersen et al. 2014). Diese Interaktion ist zeitlich befristet, prozesshaft und ergebnisoffen. Während die beratende Person die Verantwortung für die Gestaltung der Prozesse hat, steht die ratsuchende Person mit ihren Ressourcen und Lebensumständen im Mittelpunkt und verantwortet den Umgang mit den Beratungsergebnissen. Schließlich zeichnet sich professionelle Beratung immer durch ein Wechselspiel von Wissensvermittlung und Reflexion aus, was bedeutet, dass es nicht darum geht, einen Rat zu erteilen, sondern gemeinsam mit der ratsuchenden Person die für sie beste Problemlösung reflexiv zu erarbeiten (Pätzold 2009; Petersen et al. 2014; Schiersmann 2013). Offen ist jedoch, wie sich pädagogische Beratungen von Beratungen aus anderen Feldern abgrenzen lassen. So lassen sich im deutschsprachigen erziehungswissenschaftlichen Diskurs unterschiedliche Zugänge differenzieren, wie Beratung als pädagogische Handlungsform konstituiert wird.

Ein erster ist ein institutionsbezogener Zugang. Beratungen sind in diesem Verständnis pädagogisch, wenn sie in expliziten pädagogischen Einrichtungen vollzogen werden, da hier pädagogisch relevante Themen (Erziehung, Lernen, Bildung) von Fachkräften bearbeitet werden (Krause 2003).

Der zweite lässt sich als integrativer Zugang charakterisieren, in dem Beratung zu anderen pädagogischen Handlungsformen (z. B. Erziehung, Lehre) in Bezug gesetzt wird. Zu nennen sind hier Bollnow (1959), der Beratung als unstetige Form der Erziehung konzeptualisierte oder Mollenhauer (1965), der Beratung als besonderen Modus im Erziehungsprozess verstand. Gemeinsam ist diesen Positionen, dass Beratung vornehmlich als episodische Handlungsform in Erziehungsverhältnissen entworfen wird, die ihren Ausgangspunkt im Anliegen des Ratsuchenden nimmt, in der auch Informationen vermittelt werden. Auch in der Weiterbildung wird Beratung als integrierte Handlungsform entworfen, insbesondere als Lernberatung im Kontext (non‑)formaler Lehr-Lernprozesse (Knoll 2008).

Ein dritter Zugang lässt sich als philosophischer oder ideengeschichtlicher bezeichnen, der Beratung in Verbindung zu pädagogischen Menschenbildannahmen setzt. So wird z. B. von Gröning (2010) oder von Dörpinghaus (2005) mit Rückgriff auf Kant und Aristoteles der Mensch als mündiges, ratsuchendes Wesen entworfen. Pädagogische Beratung zielt hier auf eine Wohlberatenheit der ratsuchenden Personen ab, im Sinne der Förderung von Selbstreflexion und der Fähigkeit einen Rat auch anzunehmen. Insbesondere pädagogische Beratung als selbstreflexiven Prozess zu entwerfen, geht mit dem Plädoyer einher, dass sie mehr zu sein habe als bloße Informationsvermittlung (Schiersmann 2011; Strasser 2006).

Der vierte Zugang ist insofern ein erziehungswissenschaftlich-subdisziplinärer, als sich pädagogische Teildisziplinen der Beratung als Handlungsform bedienen und wiederum eigene Konzepte auf Beratung adaptieren. Zu nennen sind für die sozialpädagogische Beratung die Lebensweltorientierung (Thiersch 2014), oder stärker aneignungsfokussierte Konzeptualisierungen für die Bildungsberatung. Beratung ist in einem solchen aneignungsfokussierten Verständnis immer dann pädagogisch, wenn in ihr Wissen vermittelt und angeeignet wird, damit Ratsuchende zukünftige Lernprobleme selbst lösen können (Kossack 2009). Prozessanalysen von Berufs- und Weiterbildungsberatungen zeigen, dass hier Wissensvermittlung einen hohen Stellenwert einnimmt (Maier-Gutheil 2009; Stanik 2017) und auch gezielt eingesetzt wird, um Beratungsprozesse zu steuern (Enoch 2011). So wird stellenweise auch Wissen vermittelt, ohne dass ratsuchende Personen danach gefragt haben, was sie in eine passive Rolle drängen kann.

Zuletzt ist der differenztheoretische Professionalitätszugang zu nennen. Mit Hilfe dieser Perspektive wird Beratung als pädagogisch charakterisiert, indem sie als Kernfigur professionellen pädagogischen Handelns entworfen wird, da in Beratungen lebenspraktische Probleme immer als Fälle, klientenorientiert in unmittelbaren dialogischen Prozessen bearbeitet werden. Hierfür benötigen Beratende wissenschaftliches Wissen, das reflexiv auf Einzelfälle immer wieder neu zu beziehen ist (Dewe und Schwarz 2013).

In mehreren der skizzierten Zugänge kommt Wissen und seiner Vermittlung eine zentrale Rolle für die Bestimmung von Beratung als pädagogische Handlungsform zu. So macht pädagogische Beratung als Lernberatung (problematische) Prozesse der Wissensaneignung zu ihrem Gegenstand, Wissensvermittlung wird als genuines Moment pädagogischer Beratung entworfen oder ist in der differenztheoretischen Perspektive zentrale Voraussetzung professionellen pädagogischen Handelns. Vor diesem Hintergrund wird nun die Bedeutung von unterschiedlichen Wissensdimensionen sowohl als konstitutive Bedingung für (Weiterbildungs‑)Beratung als auch als professionelle Ressource zu deren Gestaltung aufgezeigt.

3 Wissensdimensionen im Kontext von (Weiterbildungs‑)Beratung

Betrachtet man handlungstheoretische Konzeptualisierungen von Beratung, so lassen sich unterschiedliche Wissensdimensionen unterscheiden. Zunächst benötigen sowohl die ratsuchenden als auch die beratenden Personen sowohl Wissen über das Handlungsformat Beratung im Allgemeinen als auch Wissen über die spezifischen Beratungsformate im Besonderen. So sind Beratungen immer auf ein Wissen über spezifische Gesprächsmodalitäten des Formats angewiesen. Dies konzeptuelle Wissen umfasst auch Wissen über generische Merkmale von Beratung (Mader 1976). Hierunter lässt sich dann auch das Wissen über allgemeine Beratungsziele (z. B. Hilfe zur Selbsthilfe) fassen, die fallbezogen zu konkretisieren sind. Beratungsziele werden sowohl durch Beratungsansätze (z. B. systemische Beratung), als auch durch einrichtungsbezogene oder gesetzliche Vorgaben bestimmt (Hofer 1996). So werden mit Beratung in der Weiterbildung häufig bildungspolitische Ziele (z. B. Förderung lebenslangen Lernens), aber auch Ziele der Beratungsanbieter (z. B. Vermeidung von Drop-Outs) verbunden.

Ein weiteres Merkmal von Beratung ist eine fachliche Wissensasymmetrie zwischen beratenden und ratsuchenden Personen, welche häufig Entscheidungsprobleme der ratsuchenden Personen betreffen (Faust 2006). Beratung legitimiert sich daher gegenüber den Ratsuchenden über eine weitere Wissensdimension, dem handlungsfeldspezifischen, deklarativen Fachwissen der Beratenden (Engel et al. 2007, Schmitz 1983, Strasser 2006). Dieses Wissen bezieht sich auf die Gegenstände der Beratungen (z. B. System der Weiterbildung, regionale Weiterbildungsanbieter), relevante Kontextbedingungen (z. B. gesetzliche Förderungen) oder umfasst ein Wissen über die relevanten wissenschaftlichen Bezugstheorien (z. B. Lern‑, Motivations- und Interessentheorien) (Hofer 1996). Von diesen internalen lassen sich noch handlungsfeldspezifische materialisierte Wissensbestände unterscheiden (Geser 2010), auf die die Beratenden während der Beratungen zurückgreifen oder die sie gemeinsam mit den Ratsuchenden in Beratungen konsultieren (z. B. Programmhefte, Weiterbildungsdatenbanken, Tests) (Stanik 2015).

Zudem benötigen Beratende immer auch prozedurales Wissen zur Gestaltung der Beratungsprozesse (z. B. Kommunikationsmodelle, Beratungsmethoden). Darunter lässt sich ein beraterisches Diagnose- und Deutungswissen subsumieren (Hofer 1996; Mader 1976). Diagnosewissen wird zur Status‑, Verlaufs oder Abschlussdiagnostik notwendig (Hofer 1996) und Deutungswissen, um gemeinsam mit den Ratsuchenden widersprüchliche Situationsbeschreibungen, personale Ressourcen und Kontextbedingungen aufeinander zu beziehen sowie diese mit dem Anliegen der Ratsuchenden deutend verknüpfen zu können (Mader 1976). Dem prozeduralen Wissen kann weiterhin das Interaktionswissen zur Gestaltung der Beziehung zu den Klientinnen und Klienten zugerechnet werden.

Ein konstitutives Merkmal professioneller Beratung ist die Verknüpfung handlungsfeldspezifischen, deklarativen Fachwissens mit dem prozeduralen (Interaktions‑)Wissen. Hierfür benötigen Beratende auch erfahrungsbasiertes Wissen, das als „generalisierte[…] Episoden professioneller Praxis“ (Strasser 2006, S. 142) vorliegt. So sind insbesondere erfahrene Beratende in der Lage, ihr theoretisches Wissen mit ihren Beratungsfällen zu kontextualisieren (Strasser 2006), um aus „einem abstrahierten Wissensfundus je aufs neue aufgabengerechte Konsequenzen zu ziehen“ (Tietgens 1981, S. 170).

Da Beratung ein nicht zu standardisierendes Angebot ist, benötigen die Fachkräfte schließlich auch selbstreflexives Wissen, damit sie sich sowohl mit ihrem Verständnis von Beratung als auch mit ihrem Beratungshandeln kritisch auseinandersetzen, um Strategien der eigenen Professionalisierung verfolgen zu können (Pachner und Stanik 2016).

Es kann festgehalten werden, dass Wissen einen zentralen Aspekt professioneller Beratungskompetenz darstellt und auch genutzt wird, um Beratung als pädagogische Handlungsform zu konzeptualisieren. Auch wenn bislang kaum Forschungsarbeiten vorliegen, die Beratungen im Allgemeinen oder Weiterbildungsberatungen im Besonderen ausgehend von expliziten Wissensdimensionen definieren und analysieren (Enoch 2011) spiegelt sich die Bedeutung von Wissen auch im Kompetenzprofil des Nationalen Forums für Beratung (nfb) wider. Dieses wurde im Rahmen eines Governance Projektes zur Qualitätsentwicklung der Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung in Deutschland mithilfe der Methode der „Offenen Koordinierung“ entwickelt (Schiersmann et al. 2013, S. 21). Das Kompetenzverständnis umfasst Wissen, Fertigkeiten, Emotion und Motivation sowie kompetentes Handeln, also Performanz, und wird als zentraler Aspekt von Beratungsprofessionalität entworfen (Petersen et al. 2014). Das Profil differenziert insgesamt 16 KompetenzenFootnote 1, die vier Gruppen (systemumfassend, prozess-, organisations- und gesellschaftsbezogen) zugeordnet werden (Schiersmann et al. 2017). Die Kompetenzfacetten werden jeweils mithilfe von Indikatoren beschrieben, mit denen sich Beratungshandeln beobachten und bewerten lässt. Zudem werden jeder dieser Kompetenzfacetten spezifische kognitive Ressourcen zugewiesen: „Kognitive Ressourcen stellen im Kompetenzprofil Wissensvoraussetzungen zur (Weiter‑)Entwicklung von Kompetenzen dar – z. B. berufsspezifisches theoretisches und methodisches Wissen, pädagogisches und psychologisches Wissen, beratungsfeldspezifische und rechtliche Kenntnisse, die in komplexen beratungskontextspezifischen Situationen abgerufen und aktualisiert werden können, um die Beratenden zum professionellen Handeln zu befähigen“ (Petersen et al. 2014. S. 8). Auffallend ist, dass in dem Profil Kompetenzen und Wissen ausschließlich auf Beratungsinteraktionen bezogen werden. Kommunikative Beratungsformate, die nicht in Ko-Präsenz vollzogen werden, z. B. Telefon‑, Mail oder Chatberatung, werden hierbei nicht berücksichtigt.

Wissen hat demnach eine erhebliche Bedeutung für professionelle Handlungskompetenz. Die nachfolgende Analyse widmet sich aus diesem Grund der Fragestellung, inwiefern die hier beschriebenen Wissensdimensionen in Instrumenten der Beratungskompetenzerfassung Berücksichtigung finden.

Im Diskurs um Beratungskompetenzerfassung findet der Weiterbildungsbereich selten Berücksichtigung. Daher betrachten wir außerdem, inwiefern die Instrumente in der Weiterbildungsberatung einsetzbar sind.

4 Die Berücksichtigung von Wissen in Instrumenten der Beratungskompetenzerfassung – ein systematisches Literaturreview

Um oben genannten Fragestellungen nachzugehen, wurde ein systematisches Literaturreview durchgeführt. Diese Methode ermöglicht es, den Forschungsstand zu einer klar definierten Thematik regelgeleitet sowie nachvollziehbar zu recherchieren und darzustellen. Wir orientierten uns dabei am PRISMA Statement (Liberati et al. 2009; Page et al. 2021), welches Richtlinien für das Vorgehen und die Dokumentation für systematische Literaturreviews und Metaanalysen enthält. Für das Review wurde in der deutschsprachigen Fachdatenbank FisBildung und in der englischsprachigen Fachdatenbank Business Source Premier mithilfe der Schlagworte Beratungskompetenz, Kompetenz UND Beratung bzw. guidance UND competence recherchiert.

Die Suche ergab zunächst 794 Treffer (s. Abb. 1). Vier bereits vorliegende relevante Texte wurden ergänzt. Nach dem Entfernen von Duplikaten wurden 797 Texte anhand der Titel und Zusammenfassungen mit Hilfe der Ein- und Ausschlusskriterien überprüft (s. Tab. 1).

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm mit Phasen des Literaturreviews

Tab. 1 Ein- und Ausschlusskriterien für das Literaturreview

Es verblieben 38 Texte, welche anhand des Volltexts geprüft wurden. Daraus wurden 27 Texte mit schriftlicher Begründung ausgeschlossen, die die Kriterien nicht erfüllten. Schließlich wurden 11 Texte identifiziert, die sich auf sechs Instrumente beziehen.

Die sechs identifizierten Instrumente(nportfolios)Footnote 2 werden im Folgenden vorgestellt. Tab. 2 enthält eine Übersicht über die Inventare und die jeweils erfassten Konstrukte mit ihren Dimensionen und entsprechenden Kennwerten zu internen Konsistenzen und Interraterübereinstimmungen bzw. Itemkennwerten.

Tab. 2 Übersicht über die identifizierten Instrumente zur Erfassung der Beratungskompetenz

4.1 Das Instrumentenportfolio von Schiersmann et al. (2017)

Das Instrumentenportfolio von Schiersmann et al. (2017) basiert auf dem Kompetenzprofil des nfb (Petersen et al. 2014). Es umfasst

  1. 1.

    einen Selbsteinschätzungsbogen zur Erfassung der beratungsbezogenen Selbstwahrnehmung,

  2. 2.

    Textvignetten zur Erfassung der Handlungsplanung, für welche die Befragten mögliche Handlungsschritte formulieren,

  3. 3.

    Videovignetten zur Erfassung der Wahrnehmung des Beratungshandelns anderer Personen

  4. 4.

    einen leitfadengestützten Sitzungsbogen für die Begründung des eigenen Beratungshandelns und die Reflexion der eigenen Kompetenzen sowie

  5. 5.

    die Fremdbeurteilung der Beratungsperformanz in simulierten oder realen Beratungssituationen.

Die einzelnen Instrumente wurden explorativ anhand einer Gelegenheitsstichprobe von 20 Beratenden erprobt. Die angenommenen Dimensionen der einzelnen Konstrukte wurden keiner empirischen Überprüfung unterzogen.

Schiersmann et al. (2017) gehen davon aus, dass von beobachtbarer Performanz teilweise auf Kompetenz geschlossen werden kann. Sie betonen die Relevanz der Reflexion eigenen und fremden Handelns, von der auch auf zugrundeliegende kognitive Ressourcen geschlossen werden kann. Beratungswissen i. S. der in Abschn. 3 beschriebenen Dimensionen wird aber explizit nur mittels des Selbsteinschätzungsbogens bewertet. Hier beurteilen die Befragten auf einer Skala, inwiefern sie verschiedene kognitive Ressourcen besitzen. Zudem wird zu jeder Kompetenz auch eine offene Frage nach den eigenen Ressourcen gestellt: „Folgende Stärken/Ressourcen (z. B. Wissen, Erfahrung, Einstellungen) habe ich, um diesen Kompetenzanforderungen gerecht zu werden“ (Schiersmann et al. 2017, S. 52). Die eigenen kognitiven Ressourcen werden auf diese Weise innerhalb der vier Gruppen systemumfassende, gesellschaftsbezogene, prozessbezogene und organisationsbezogene Kompetenzen bewertet. Dabei werden die im vorigen Kapitel dargestellten Dimensionen des Beratungswissens abgedeckt. Die kognitiven Ressourcen innerhalb der systemumfassenden Kompetenzgruppe entsprechen bspw. zu großen Teilen dem Wissen über das Handlungsformat Beratung, die prozessbezogenen kognitiven Ressourcen entsprechen etwa dem prozeduralen Wissen. Die organisationsbezogene Kompetenzgruppe geht über unser Verständnis von Beratungswissen hinaus, da hier die Beratenden zur Weiterentwicklung ihrer jeweiligen Organisation beitragen sollen.

Beim Einsatz der Textvignetten zur Erfassung der Handlungsplanung sollen die Befragten z. B. Beratungsphasen und -strategien darstellen, die sie hinsichtlich des beschriebenen Falls als notwendig erachten. Daraus sollen sie u. a. auf ihre eigenen kognitiven Ressourcen zurückgreifen, wodurch auf ihre zugrundeliegenden Wissensstrukturen geschlossen werden soll. Beim Einsatz der Videovignetten sollen die Befragten die subjektiv wahrgenommenen Handlungsweisen sowie die eingesetzten kognitiven Ressourcen (z. B. Beratungsmethoden/-wissen) dokumentieren und bewerten. Es wird davon ausgegangen, dass Beratende, wenn Sie bei anderen Personen auf kognitive Ressourcen schließen können, diese auch selbst besitzen. Als Indikatoren für kognitive Ressourcen wird beobachtbares Handeln aufgeführt, wie z. B. Paraphrasieren, Visualisieren, Zuhören (Schiersmann et al. 2017, S. 57). Mithilfe des Sitzungsbogens sollen die eigenen prozessbezogenen Kompetenzen reflektiert werden. Hierbei wird unter anderem nach eingesetzten kognitiven Ressourcen (z. B. Beratungsstrategien und Methoden) gefragt. Als fünftes Instrument werden Beratungssituationen mittels eines Beobachtungsbogens bewertet, der wiederum die prozessbezogenen Kompetenzen fokussiert.

Insgesamt fällt auf, dass unter dem Begriff der kognitiven Ressourcen recht verschiedene Konstrukte behandelt werden (Wissen, Einstellungen, tlw. auch Verhalten) (Schiersmann et al. 2017, S. 57). Zudem ist fraglich, wie befragte Praktikerinnen und Praktiker den Begriff jeweils verstehen und ob sie daher ihre eigenen und fremden kognitiven Ressourcen adäquat einschätzen können. Schließlich enthalten die Auswertungsanleitungen für die Einzelinstrumente zwar teilweise Indikatoren für kognitive Ressourcen, diese werden mit Ausnahme des Selbsteinschätzungsbogens jedoch nicht explizit bewertet, sondern fließen in die Gesamtbewertung der Kompetenzen ein.

Das Instrumentenportfolio bezieht sich auf Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung, worin Weiterbildungsberatung neben anderen Beratungsfeldern, wie der Berufs- oder Studienberatung, eingeschlossen ist.

4.2 Das Instrument zur Erfassung des Selbstkonzepts der Beratungskompetenz von Schwanzer und Frei (2014)

Schwanzer und Frei (2014) entwickelten ein Instrument zur Erfassung des Selbstkonzepts der Beratungskompetenz im Bildungsbereich, v. a. der Erwachsenenbildung. Erfasst wird die Selbsteinschätzung der pädagogisch tätigen Personen über ihre für Beratung erforderlichen Fähigkeiten. Für die Itemformulierung wurden Kompetenzindikatoren aus dem nfb-Profil herangezogen, wobei sich die übergeordneten Kompetenzen aus dem Modell jedoch nicht als Skalen für das Instrument eigneten. Auf Basis einer explorativen Faktorenanalyse wird von einem vierfaktoriellen Konstrukt ausgegangen, das sich aus Berater-Skills, Orientierung, Beziehungsgestaltung und Einschätzung der Klientin bzw. des Klienten zusammensetzt. Mit Ausnahme des letzten Faktors (Cronbachs α = 0,65) liegen die internen Konsistenzen mit α = 0,81 oder darüber im guten Bereich.

Mithilfe des Instruments wird Wissen nicht unmittelbar erhoben. Geht man aber davon aus, dass zugrundeliegendes Wissen bei der Selbsteinschätzung von Kompetenzen implizit miterfasst wird, lässt sich sagen, dass sich die beiden Dimensionen Berater-Skills und Beziehungsgestaltung auf Kompetenzen beziehen, die prozedurales Wissen voraussetzen (z. B. Auftrags- und Zielklärung, Dialog, Lösungsperspektiven formulieren, Evaluation). Innerhalb des Faktors Orientierung finden sich Items, die auf selbstreflexives Wissen schließen lassen, und im Faktor Einschätzung der Klientin oder des Klienten wird Diagnosewissen berührt. Wissen über das Handlungsformat Beratung wird lediglich durch ein Item tangiert, in welchem die Grenzen des eigenen Beratungsangebots aufgegriffen werden. Fachwissen wird nicht beurteilt.

Das Instrument soll in der Erwachsenenbildung einsetzbar sein.

4.3 Das Instrumentenportfolio von Bülow (2018)

Das Instrumentenportfolio von Bülow (2018) umfasst

  1. 1.

    ein videobasiertes Beobachtungsverfahren mit einer hoch und einer niedrig inferenten Auswertungsmethode für die Fremdbeurteilung des Berater-Könnens,

  2. 2.

    Video-Stimulated-Recall-Interviews zu handlungsleitenden Kognitionen im Beratungsgespräch,

  3. 3.

    den o. g. Fragebogen von Schwanzer und Frei (2014) und

  4. 4.

    einen Test zum Beratungswissen.

Auch Bülow bezieht sich bei der Operationalisierung von Beratungskompetenz auf das Kompetenzprofil des nfb. Für die Pilotierung des Instrumentenportfolios wurden zunächst Beratungsgespräche Studierender aufgezeichnet und die Videos von geschulten Raterinnen und Ratern ausgewertet. Bei dem hoch-inferenten Analyseverfahren werden Beratungskompetenzen mittels eines Ratinginstruments bewertet, wohingegen bei dem niedrig-inferenten Verfahren das Auftreten bestimmter beobachtbarer Indikatoren erfasst wird. Die errechneten Interraterübereinstimmungen weisen für beide Verfahren gute bis sehr gute Werte auf. Bei den Video-Stimulated-Recall-Interviews werden die handlungsleitenden Kognitionen Beratender mittels eines leitfadengestützten, strukturierten Dialogs und einer leitfadengestützten Video(selbst)kommentierung erfasst. Anhand des Instruments von Schwanzer und Frei (2014) wird weiterhin das Selbstkonzept der Beratungskompetenz erhoben.

Diese drei Instrumente erfassen Wissen nur implizit als Voraussetzung für Beratungshandeln, für handlungsleitende Kognitionen oder für das beraterische Selbstkonzept. Flankiert werden sie von einem Test zum theoretischen Beratungswissen, der 20 Multiple-Choice-Aufgaben enthält. Der Test wurde im Rahmen einer Interventionsstudie mithilfe eines quasiexperimentellen Untersuchungsdesigns mit Prä- und Postmessung sowie zwei KontrollgruppenFootnote 3 erprobt. Sechs Items wiesen sehr niedrige (kleiner 0,25) oder negative Trennschärfen auf. Die Schwierigkeitswerte waren generell hoch, was bedeutet, dass die Items von den meisten Studierenden korrekt beantwortet wurden. In allen drei Gruppen war das gemessene Wissensniveau nach zwei Semestern signifikant höher, zwischen den Gruppen konnten jedoch keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Die Befunde werden von Bülow (2018) dahingehend interpretiert, dass das Wissen, das in dem Test abgefragt wird, unabhängig von der Intervention in dem untersuchten Studiengang zunimmt. Im Hinblick auf die Generalisierbarkeit der Ergebnisse ist zu erwähnen, dass die Pilotierung anhand einer Gelegenheitsstichprobe von N = 32 mit n = 10 Personen in der Experimentalgruppe erfolgte.

Der Test soll „Grundlagenwissen der Beratungstheorie“ (Bülow 2018, S. 153) messen und fokussiert insbesondere Wissen über generische Merkmale von Beratung (z. B. Definition, Anlässe, Wirkfaktoren, benötigtes Wissen, ethische Prinzipien), also Wissen über das Handlungsfeld Beratung, wenngleich einzelne Items auch prozedurales Wissen (z. B. Umgangsregeln, Elemente der Gesprächsführung, Situationsanalyse) erfassen. Deklaratives Fachwissen, erfahrungsbasiertes, oder selbstreflexives Wissen wird nicht gemessen.

Das Instrumentenportfolio von Bülow (2018) wurde im Rahmen eines Bachelorstudiengangs in Bildungswissenschaften/Lebenslangem Lernen erprobt, weshalb eine Anwendbarkeit im Weiterbildungsbereich naheliegt.

4.4 Die Tübinger Beratungskompetenzskala (TBKS; Bauer und Weinhardt 2014)

Die TBKS basiert auf der englischen Counseling Skills Scale (CSS) von Eriksen und McAuliffe (2003) und dient der hoch-inferenten Fremd- und Selbstbeurteilung der psychosozialen Beratungskompetenz (Bauer und Weinhardt 2014). Für das Konstrukt Beratungskompetenz werden sechs Subdimensionen i. S. von Beratungsaufgaben angenommen: Interesse und Anerkennung zeigen, Exploration fördern, Sitzung vertiefen, Veränderungen planen und initiieren, Therapeutische Beziehung entwickeln und Sitzung gestalten. In der Langzeitstudie KES (Bauer und Weinhardt 2014) bewerten geschulte Raterinnen und Rater das videografierte Beratungsverhalten von Studierenden der Erziehungswissenschaft. Die internen Konsistenzen der Subdimensionen 1–4 sind mit Werten zwischen α = 0,757 und α = 0,861 als gut zu bewerten (Weinhardt und Kelava 2016). Die Dimensionen 5 und 6 werden jeweils mit einem Item erfasst. Auch die Interraterübereinstimmungen sind im guten Bereich. Auf einer übergeordneten Ebene verglichen Weinhardt und Kelava (2016) darüber hinaus verschiedene Strukturgleichungsmodelle und argumentieren schließlich für eine zweifaktorielle Struktur, indem sie zwischen einem Generalfaktor und einem Methodenfaktor unterscheiden.

Beratungswissen wird lediglich implizit über das (selbst) beobachtete Beratungsverhalten erfasst. Dabei beziehen sich alle Items auf prozedurales Wissen.

Insbesondere die Subdimensionen 3 und 5 enthalten therapeutische Kompetenzfacetten und müssten für einen Einsatz im Weiterbildungsbereich modifiziert werden.

4.5 Das Inventar zur Beratungskompetenz in der Sozialen Arbeit (IBK; Steger und Lätsch 2019)

Das IBK von Steger und Lätsch (2019) dient der Selbstbeurteilung der Beratungskompetenz von Fachpersonen in der sozialen Arbeit. Der Fragebogen basiert auf dem Practice Skills Inventory (PSI; O’Hare 2016) sowie selbst konstruierten Items in Anlehnung an die Wirkfaktoren in Therapie und Beratung nach Grawe (1995). Explorative und konfirmatorische Faktorenanalysen legen fünf Dimensionen des Konstrukts nahe: Emotionale Unterstützung, Vernetzung, Lösungshilfe, Bewältigungshilfe und Klärungshilfe. Die internen Konsistenzen liegen mit Werten zwischen α = 0,73 und α = 0,88 im guten Bereich.

Wissen wird nicht unmittelbar erfasst. Geht man aber wiederum davon aus, dass Beratende bei der Einschätzung der eigenen Kompetenzen auch ihr Wissen beurteilen, so wird die Dimension des prozeduralen Wissens am breitesten abgedeckt (z. B. Phasen von Veränderungsprozessen, Priorisierung von Themen, Interaktionswissen, Entwicklung von Problemlösungsstrategien). Weniger Items beziehen sich indirekt auf Wissen über das Handlungsformat Beratung (z. B. über Leistungen anderer Institutionen) und auf Fachwissen (z. B. über Informationsquellen). Selbstreflexives Wissen wird nicht abgefragt, sondern vielmehr – wie generell bei Selbsteinschätzungen – vorausgesetzt.

Da das Instrument für die soziale Arbeit konzipiert wurde, müsste es für einen Einsatz in der Weiterbildungsberatung modifiziert werden. Einige Items beziehen sich auf die Emotionsregulation bei Klientinnen und Klienten. Dies dürfte in Weiterbildungsberatungen weniger relevant sein, außer u. U. bei Lernschwierigkeiten in der Lernberatung.

4.6 Die Counselor Competencies Scale-Revised (CCS-R; Lambie et al. 2018)

Das von Lambie et al. (2018) vorgestellte Instrument ist eine überarbeitete Version der Counselor Competencies Scale (CCS; Swank et al. 2012). Es dient der Fremdbeurteilung der psychosozialen Beratungskompetenz während des Studiums im Fach Beratung („counselor education“; Lambie et al. 2018, S. 2). Dozierende bewerten damit die Studierenden und sollen u. a. verhindern, dass Personen, die für eine Beratungstätigkeit ungeeignet sind, diesen Beruf ergreifen. Die Bewertung der Beratungskompetenz umfasst auf Basis von Beobachtungen eingeschätzte Fähigkeiten, Voraussetzungen und Verhalten der Studierenden. Lambie et al. (2018) identifizierten zwei Dimensionen des Konstrukts (counseling skills and therapeutic conditions sowie counseling dispositions and behaviors). Nach einigen Modifizierungen des Modells wurden für beide Dimensionen sehr gute interne Konsistenzen von α = 0,94 erreicht. Während die Übereinstimmung der Beurteilenden (ICC) für die erste Dimension bei 0,91 lag, wurde für die zweite Dimension lediglich ein Wert von 0,56 erreicht.

Beratungswissen wird nicht unmittelbar erfasst. Einige der zu beurteilenden Verhaltensaspekte setzen prozedurales (Interaktions‑)wissen voraus (z. B. Fragen stellen, Paraphrasieren, Ziele setzen). Das Halten an ethische Richtlinien setzt zudem deren Kenntnis voraus, was dem Wissen über das Handlungsformat Beratung zugerechnet werden kann. Es werden aber auch Aspekte abseits von Beratungswissen berücksichtigt, wie Empathie und Mitgefühl.

Hinsichtlich einer Übertragbarkeit auf den Weiterbildungskontext muss einschränkend erwähnt werden, dass einige Items aus der ersten Dimension deutlich therapeutische Bezüge aufweisen. Zudem werden in manchen Items insbesondere studienbezogene Aspekte, wie bspw. die zuverlässige Erledigung von Aufgaben, beurteilt (Lambie et al. 2015).

5 Fazit und Ausblick

Zunächst ist anzumerken, dass die Befunde dieses Beitrags vor dem Hintergrund seiner Limitationen zu sehen sind. So erheben unsere Aufarbeitungen professioneller pädagogischer Beratung und der Dimensionen von Beratungswissen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sind lediglich als Systematisierungsvorschläge zu begreifen. Hinsichtlich des Literaturreviews ist weiterhin anzumerken, dass Instrumente, die nicht publiziert sind, nicht in das Review aufgenommen wurden. Trotz seiner Limitationen liefert der Beitrag einen ersten systematischen Überblick über die Konzeptualisierung und Operationalisierung von Wissen in Instrumenten der Beratungskompetenzerfassung und leistet einen Beitrag für die zukünftige Erfassung des Beratungswissens von Weiterbildungspersonal.

Insgesamt zeigt sich, dass Beratungswissen in den Instrumenten überwiegend implizit erfasst wird. Der Test zum theoretischen Beratungswissen (Bülow 2018) stellt eine Ausnahme dar, wobei hier vornehmlich Wissen über das Handlungsformat Beratung erhoben wird. Deklaratives Fachwissen wird generell kaum berücksichtigt, was u. a. daran liegen könnte, dass es hier beratungsformatspezifischer Differenzierung bedarf. Für Lernberatung wird z. B. Wissen über Lernbarrieren oder für Qualifizierungsberatungen auch ein Wissen über Finanzierungsinstrumente notwendig. Hinsichtlich prozeduralen Wissens können einige der Instrumente Hinweise liefern, da der Beratungsprozess häufig im Mittelpunkt steht und sich auf diese Wissensdimension am ehesten durch gezeigtes oder kommentiertes Verhalten schließen lässt. Ansätze, bei welchen die Befragten eigene oder fremde Beratungssituationen kommentieren und somit ihr Verständnis und ihre Interpretation des jeweiligen Verhaltens verbalisieren, dürften insbesondere für die schwer zu erfassenden Dimensionen des erfahrungsbasierten und des selbstreflexiven Wissens geeignet sein.

Spezifisch auf den Weiterbildungsbereich beziehen sich das Instrumentenportfolio von Bülow (2018) sowie der darin enthaltene Selbsteinschätzungsbogen von Schwanzer und Frei (2014). Das Portfolio von Schiersmann et al. (2017) richtet sich an Beratungen in Bildung, Beruf und Beschäftigung, worin Weiterbildungsberatung grundsätzlich eingeschlossen ist. Die Einsetzbarkeit wäre allerdings noch empirisch zu prüfen.

Generell lässt sich feststellen, dass anhand der untersuchten Instrumente häufig nur indirekt auf Beratungswissen geschlossen werden kann. Ein psychometrisches Instrument, welches primär Beratungswissen mit seinen verschiedenen Dimensionen erfasst, wäre daher wünschenswert. Dieses könnte inhaltlich auf den kognitiven Ressourcen des nfb-Kompetenzprofils aufbauen. Für eine inhaltliche Validierung und Schärfung dieser sowie für die Konstruktion eines Instruments, das speziell im Weiterbildungsbereich einsetzbar ist, könnte man zunächst eine Delphi-Studie durchführen, in welcher Wissensfacetten von Expertinnen und Experten im Hinblick auf ihre Relevanz für die Weiterbildungspraxis und die Repräsentation des Konstrukts Beratungswissen und seinen Dimensionen bewertet werden (Moosbrugger und Kelava 2020). Indem den Befragten in mehreren Erhebungsschleifen die Gesamtergebnisse zurückgemeldet werden, lässt sich in Delphi-Studien ein Konsens über die (zukünftige) Relevanz der einzelnen Facetten erreichen (Döring und Bortz 2016). Darüber ließe sich ergänzend auch einschätzen, inwiefern mit Blick auf die Digitalisierung von Beratung zusätzliche Wissensfacetten zu ergänzen oder bestehende Wissensfacetten zu spezifizieren sind. Diesbezüglich wäre denkbar, dass sowohl Wissen über Online-Beratungsformate (z. B. Potenziale und Grenzen der Video-Beratung), Fachwissen über digitale Entwicklungen (z. B. Veränderungen von Berufsbildern) als auch prozedurales Wissen (z. B. über den Umgang mit digitalen Medien in Face-to-Face-Beratungen) zunehmend relevant wird (Stanik und Maier-Gutheil 2020).

Für die Validierung eines solchen Instruments ebenso wie der übrigen hier vorgestellten Instrumente sollten zukünftig die Zusammenhänge mit den Ergebnissen von Beratung untersucht werden. Letztere könnte man z. B. anhand des erlebten Nutzens von Beratung oder anhand der Weiterbildungsteilnahme, Arbeitszufriedenheit oder des Einkommens erheben (Käpplinger et al. 2014).

Instrumente, für welche ausreichend Hinweise auf eine valide Interpretierbarkeit der Befunde vorliegen, können dann in der Praxis für die Kompetenzbilanzierung im Rahmen individueller Professionalisierungsbestrebungen oder für die Personalauswahl und -entwicklung in Beratungseinrichtungen eingesetzt werden.