1 Einleitung

Im vergangenen Jahrzehnt sind durch BMBF-Förderlinien im Bereich der Qualitätsentwicklung von Studium und LehreFootnote 1 vielfältige hochschuldidaktische Projekte und Stellen entstanden. Nach Ablauf der Förderphase 2020 wurden sie teilweise verstetigt. In diesem Kontext hat sich auch das berufliche Feld in der Hochschuldidaktik dynamisch entwickelt. Durch Projekte und Begleitforschung sind neue Tätigkeitsbereiche und Erkenntnisse entstanden (zur Übersicht vgl. Kordts-Freudinger et al. 2021). Gleichzeitig hat der erhöhte Personalbedarf vermehrt zur Einstellung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern ohne hochschuldidaktische Vorkenntnisse geführt. In der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd) zeigte sich diese Entwicklung in einer Auseinandersetzung mit Professionalisierungsfragen und Weiterbildung von hochschuldidaktisch Tätigen. Eine Bedarfserhebung der dghd zeigt, dass hochschuldidaktisch Tätige aus unterschiedlichen Fachkulturen stammen und überwiegend im Bereich der Qualität von Studium und Lehre praxisorientiert entwickelnd, analysierend und forschend arbeiten (Scholkmann und Stolz 2017). Für den von hochschuldidaktisch Tätigen selbst konstatierten Weiterbildungsbedarf gibt es keine institutionalisierte oder standardisierte Weiterbildung, die die Spezifika des beruflichen Feldes berücksichtigt (vgl. Brinker und Ellinger 2018, S. 198).

Im wissenschaftlichen Diskurs zur Professionalisierung der Hochschuldidaktik wird die zunehmende Differenz zwischen Selbstbild der Hochschuldidaktik und ihrer Außenwahrnehmung durch die Hochschulöffentlichkeit thematisiert. Dieses Selbstbild beruht auf einem erweiterten Verständnis hochschuldidaktischer Tätigkeit mit einer wesentlichen Funktion für die Organisationsentwicklung in Studium und Lehre, während Hochschuldidaktik für die meisten Lehrenden, Verantwortlichen der Hochschulleitung und der Hochschulpolitik mit ihrer reduzierten Außenwahrnehmung eine Servicefunktion zur Qualifikation von Lehrenden hat (zum Überblick über die Diskussion vgl. Merkt 2023, im Druck). Das im deutschen Diskurs thematisierte Phänomen der differierenden Innen- und Außenwahrnehmung wurde in internationalen Studien untersucht (vgl. Gosling 2008; Green und Little 2015; Stensaker 2018 und andere). Gosling benennt ein daraus resultierendes Dilemma. An hochschuldidaktische Arbeit werden insbesondere in geförderten Projekten, Erwartungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit auf die Qualitätsentwicklung von Studium und Lehre gestellt. Der organisationale Einfluss der Hochschuldidaktik hängt jedoch entscheidend davon ab, wie ihre Funktion von der Hochschulleitung definiert wird, d. h. welche Ressourcen und welche Beteiligung an Entscheidungsprozessen ihr zugestanden werden (Gosling 2008, S. 3). Da die Funktion von hochschuldidaktischen Einrichtungen selten strategisch definiert ist, sind die Arbeitsbedingungen von der jeweiligen Einstellung der in den Hochschulleitungen tätigen Personen abhängig. Eine Befragung von Verantwortlichen für Hochschuldidaktik an deutschen Hochschulen zeigt, dass diese mehrheitlich ein reduziertes Verständnis der Servicefunktion von Hochschuldidaktik haben (Merkt et al. 2022).

Das Phänomen der differierenden Wahrnehmungen wird im hochschuldidaktischen Diskurs im Zusammenhang mit individuellen und kollektiven Professionalisierungsprozessen diskutiert. In einer professionstheoretischen Analyse bestätigen Hodapp und Nittel der Hochschuldidaktik einen beachtlichen kollektiven Professionalisierungsschub, der jedoch noch nicht die Dynamik der Entwicklung eines Berufsfeldes oder einer Profession erreicht hat (Hodapp und Nittel 2019, S. 7). Weitere Arbeiten setzen sich mit theoretischen Überlegungen zur hochschuldidaktischen Professionalisierung auseinander (zum Überblick vgl. Merkt et al. 2021a). Diese Ausgangslage ist Anlass für unser Forschungsprojekt zur Professionalisierung hochschuldidaktisch Tätiger. Im Beitrag werden die Ergebnisse einer Teilstudie vorgestellt, in der das Phänomen der individuellen Professionalisierung unter dem Fokus der beruflichen Identität „eng an den Akteuren und an deren Alltagspraxis“ (Mey und Mruck 2011, S. 13) untersucht wurde. In Kap. 2 werden nach einer Einführung in Theorie (2.1) und Forschungsprozess (2.2) die mittels offener Kodierung gewonnen Kategorien beschrieben (2.3) und im Sinne der interpretierenden Theoriebildung zu einem sensibilisierenden Konzept weiterentwickelt (2.4). In Kap. 3 erfolgt eine Diskussion der Bedeutung für die Hochschuldidaktik und in 4 eine Einordnung der Ergebnisse für die Professionalisierung der Hochschuldidaktik.

2 Individuelle Professionalisierung hochschuldidaktisch Tätiger – empirische Ergebnisse

Im Forschungsprojekt HoDaProFootnote 2 des BMBF wurde untersucht, wie die Professionalisierung hochschuldidaktisch Tätiger mit dem Beitrag der Hochschuldidaktik für die Qualitätsentwicklung von Studium und Lehre zusammenhängt. Konkret wurde untersucht, wie sich hochschuldidaktische Professionalität in Abgrenzung zu beruflichem Handeln in der Hochschuldidaktik empirisch zeigt, wie individuelle Prozesse der Professionalisierung im Kontext einer Weiterbildung verlaufen und wie sie von der organisationalen Rahmung in Hochschulen beeinflusst werden.

2.1 Theoretische Konstrukte der Professionalisierung

Da hochschuldidaktische Tätigkeit im Kern aus pädagogischem Handeln der Weiterbildung in Hochschulen besteht, wurde zu Projektbeginn das Konstrukt der Professionalisierung in einem Rahmenmodell konkretisiert. Mit Bezug auf Konstrukte der individuellen Professionalisierung nach Stichweh, Oevermann und Schütze (vgl. Helsper 2021, S. 55–58) wurde der Begriff der pädagogischen Professionalität anhand der folgenden theoretischen Teilkonstrukte definiert: Gemeinwohlorientierung und vermittelnde Stellung, paradoxe Handlungsanforderungen, Berufsethos und professionelle Handlungsformate, ein Verständnis von Krisen als gesellschaftlicher Ort der Entstehung von Neuem und Ungewissheit des Handlungsergebnisses (vgl. Merkt et al. 2021b).

Durch die Corona-Pandemie erhielt der Aspekt der gesellschaftlichen Krisen besondere Relevanz und führte im Zusammenhang mit dem Anspruch des hochschuldidaktischen Handelns auf Organisationsentwicklung in Hochschulen zur Definition des organisationalen Lernens. Im Ansatz der Educational Governance (Altrichter 2018) wird organisationales Lernen definiert als das Lernen in, von und zwischen Organisationen (ebd., S. 450). Als Teilkonstrukte wurde die Handlungskoordination von Akteurskonstellationen im Mehrebenensystem Hochschule und die Professionalisierung hochschuldidaktisch Tätiger als Voraussetzung der Qualitätsentwicklung des Hochschulbildungssystems übernommen (vgl. Merkt et al. 2021b). Die theoretischen Konstrukte der pädagogischen Professionalisierung und des organisationalen Lernens gingen als sensibilisierende Konzepte in die Untersuchung ein (ausführlich vgl. Merkt et al. 2021b).

2.2 Forschungsdesign und Methodik

Zum Verständnis des Phänomens der individuellen Professionalisierung im organisationalen Rahmen von Hochschulen wurde eine qualitative Teiluntersuchung in Anlehnung an die Grounded Theory (Mey und Mruck 2011) durchgeführt. Sie war Ausgangspunkt für eine zweite qualitative Teilstudie, die sich mit der Entwicklung der individuellen Professionalisierung im Kontext einer einjährigen Pilotweiterbildung befasst. Ergänzt wird diese durch eine dritte Teilstudie, in der mittels einer standardisierten Befragung von Verantwortlichen für Hochschuldidaktik in Hochschulen die organisationale Rahmung von Hochschuldidaktik erhoben wird.

Die Datengrundlage der ersten Teilstudie bildeten leitfadengestützte episodische Interviews (vgl. Flick 2011) mit neun Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich für das Pilotprojekt „Weiterbildung“ beworben hatten. Auswahl der zu Interviewenden und Auswertungsreihenfolge der Interviews erfolgte nach maximaler Kontrastierung hinsichtlich beruflicher Erfahrungen, Tätigkeitsfeldern, fachlicher Herkunft sowie institutioneller Anbindungen. Zwei Mitglieder des Forschungsteams kodierten die Interviews auf Aspekte, die die Interviewten hinsichtlich ihrer eigenen Professionalisierung thematisierten. In iterativen Phasen fand ein stetiger Wechsel zwischen Erhebung, Auswertung und interpretierender Theoriebildung statt. Durch den Vergleich des Datenmaterials nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden wurde die Abstraktion von Kodes zu offenen Kategorien entwickelt. Kodiert wurde, welche Aspekte hochschuldidaktisch Tätige in Bezug auf ihre eigene berufliche Professionalisierung thematisieren. Nach der Kodierung jedes Interviews fanden Interpretationssitzungen in einem größeren Team statt (vgl. Mey und Mruck 2011, S. 24–26). Um zunächst die Bandbreite der Professionalisierung hochschuldidaktisch Tätiger mit diesem Sampling zu rekonstruieren wurden die Interviews in der ersten Auswertung nach relevanten Themen offen kategorisiert.

Der Schritt von der offenen Kodierung zur Dimensionierung axialer Kategorien erfolgt über sensibilisierende Konzepte, die im Forschungsprozess entwickelt werden und als „kategorialer Rahmen für die Interpretation, Beschreibung und Erklärung der empirischen Welt“ (Kelle 2011, S. 249) dienen. Dieser Rahmen muss jedoch auf Basis der Empirie ständig reflektiert und verändert werden, damit nicht wesentliche Aspekte des empirischen Phänomens im Forschungsprozess verloren gehen (ebd., S. 249–251).

2.3 Kategorien individueller Professionalisierung von hochschuldidaktisch Tätigen

Im erhobenen Datenmaterial wurde die individuelle Professionalisierung in eigenen Verortungen oder Suchbewegungen sichtbar, die sich auf die Einordung der eigenen Tätigkeit, das berufliche Zugehörigkeitsgefühl und berufliche Überzeugungen beziehen. Die Verortung und Einbindung in die Organisation und erlebte oder bewältigte Konfliktbereiche markieren die Wechselwirkungen zwischen der eigenen Tätigkeit und der organisationalen Rahmung. Ihnen wird teilweise mit Strategien der eigenen Professionalisierung begegnet.

Berufliche Orientierung in einem diffusen, sich ändernden Tätigkeitsfeld

„[…] wir gehören quasi zum Co-Rektorat für Studium und Lehre. Genau, und wir beschäftigen uns weitestgehend mit der Qualitätsverbesserung von Studium und Lehre und machen das über datenbezogene Erhebungen, Lehrveranstaltungsbewertung, also dieses ganze Quantitative. Dann eben aber auch […] die Verbesserung von Studium und den Lehrbedingungen […], das heißt die Hochschuldidaktik, liegt auch noch bei uns. Dann das Projekt, was ich bearbeite, zielt […] darauf ab, die Studieneingangsphase zu verbessern, dann liegt die Mediendidaktik bei uns, Teile des E‑Learning […]. Und ich werde im nächsten Jahr zwei weitere Projekte, vielleicht auch drei weitere Projekte […] betreuen. […] Dann kommt noch ein Projekt zur Datenkompetenz, da kann ich noch gar nicht so wahnsinnig viel zu sagen, weil da starte ich erst und habe mich noch nicht so richtig eingearbeitet […].“ (I5, Pos. 13–35)

Die meisten Interviewten berichten über vielfältige, häufig wechselnde Tätigkeiten mit unterschiedlichen Zuständigkeiten auf teilweise befristeten Stellen. Diese reichen von hochschuldidaktischer Qualifizierung, Qualitätsentwicklung und Evaluation bis zu Aufgaben im Servicebereich, in Personalentwicklung und Forschung. Benannt werden ebenso Entwicklungs- bzw. Strategiearbeit, Innovationen im Bereich Studium und Lehre, Tätigkeiten und Engagement in übergreifenden Netzwerken oder bundeslandspezifischen Verbünden, sowie Mediendidaktik und E‑Learning, die als Querschnittsaufgaben bezeichnet werden. Teilweise sind die Interviewten im operativen Verantwortungsbereich tätig, z. B. in der Leitung von hochschuldidaktischen Zentren, der Organisation von hochschuldidaktischen Programmen, des Marketings und der Akquise von Teilnehmenden. Sie thematisieren Aufgabenbündel mit unterschiedlichen Anforderungskriterien und Schnittstellen zu verschiedenen Verwaltungs- und Organisationsebenen der Hochschule. Einige haben mit Umstrukturierungen und unklaren Leitungsstrukturen zu tun. Die hohe Personalfluktuation aufgrund der befristeten Stellen wird mit Folgen für die Außenwahrnehmung der Hochschuldidaktik in der eigenen Organisation in Verbindung gebracht. In wenigen Fällen wird auch eine hohe Wertschätzung der Hochschuldidaktik in der Organisation, verbunden mit stabilen, langfristig etablierten Strukturen in unbefristeten Stellen geschildert.

Zugehörigkeitsgefühl zum beruflichen Feld

„Ich überlege gerade mal, weil ich tatsächlich sagen würde, dass ich in dem Bereich, in dem ich jetzt gerade arbeite, zwar Berührungspunkte mit dem hochschuldidaktischen Handeln habe, aber mich jetzt nicht unbedingt als [hochschuldidaktisch] Tätige bezeichnen würde.“ (I9, Pos. 167–170)

Fast alle Interviewten bezeichnen sich nicht als „hochschuldidaktisch Tätige“ oder „Hochschuldidaktiker“ bzw. „Hochschuldidaktikerin“. Es gibt Interviewte, die sich eher einer anderen Community zugehörig fühlen und deren Netzwerke nutzen (I1, I6). Andere Interviewte beschreiben, den Weg in die Hochschuldidaktik bewusst gewählt zu haben, würden sich selbst aber noch nicht als „Hochschuldidaktiker“ bzw. „Hochschuldidaktikerinnen“ oder „hochschuldidaktisch Tätige“ bezeichnen, da sie noch Unterstützungsbedarf für sich sehen (I8, I9). Zwei interviewte Personen berichten zudem, zufällig aus Mangel an Karrierepfaden in der eigenen Fachdisziplin, in die Hochschuldidaktik hineingeraten zu sein (I1, I4). Fast alle Interviewten beschreiben eine pädagogische Neigung oder sind durch die eigene Fachdisziplin pädagogisch sozialisiert. In einem Interview wird trotz starker Vorbehalte geäußert, die Hochschuldidaktik interessant zu finden. Dabei wird eine starke Identifikation mit der ursprünglichen, als ergebnisorientierte, zahlen- und faktenbezogen dargestellte Fachdisziplin deutlich. Dies erschwere der interviewten Person den Zugang zu einer sozialwissenschaftlichen Diskurskultur der Hochschuldidaktik (I4).

Berufliches Selbstverständnis und berufliche Überzeugungen

„Für uns ist eben schon wichtig, dass wir ein wissenschaftliches Selbstverständnis haben, dass wir nicht nur eine Serviceeinrichtung sind, sondern auch, dass wir sagen, wir haben unsere eigenen Leitprinzipien und versuchen das, was in wissenschaftlicher Forschung – in der Hochschulbildungsforschung – passiert, in unsere Workshops, in unsere Angebote mit einfließen zu lassen und dann eben dadurch den Lehrenden zur Verfügung zu stellen. Aber eben ohne zu behaupten, dass wir wissen, wie der Hase läuft […]. Also auch die Grenzen klarzumachen.“ (I3, Pos. 586–593)

Während in Bezug auf das eigene Handeln von fast allen Interviewten Erfolge geschildert werden (I1, I2, I3, I4, I5, I7, I8), zeigt sich bezüglich des beruflichen Selbstverständnisses eine große Spannweite. Fast alle Interviewten äußern Haltungen, Werte und Überzeugungen, die auf pädagogische oder bildungstheoretische Ansätze hinweisen. Erkennbar ist jedoch, dass Haltungen durch fachspezifische Sozialisationen beeinflusst und theoretische Bezüge oder Menschenbilder dieser Fachkulturen geprägt sind. Das Spektrum reicht von Effizienz und Messbarkeit als fachkulturelle Handlungslogik (I4) bis hin zu Beschreibungen des Kerns pädagogischen Handelns mit Bezug zu Zielen von Hochschulbildung (I2, I6). Neben diesen beiden Polen gibt es Interviewstellen, die sich auf handlungsorientierte hochschuldidaktische Praktiken beziehen. Dabei wird die hochschuldidaktische Qualifizierung von Lehrenden meist als Schlüssel für „gute Lehre“ gesehen und auf das eigene hochschuldidaktische Handeln sowie die eigenen Haltungen, Überzeugungen und Werte bezogen (I5, I6, I7). Benannte pädagogische Handlungspraktiken und Schlüsselbegriffe sind beispielsweise Teilnehmendenorientierung, Bedarfsorientierung, Selbstwirksamkeit, aktive Auseinandersetzung mit Lerngegenständen, Reflexion, Transparenz von Lernprozessen, Begegnung auf Augenhöhe und authentisches Rollenverhalten (I5, I6, I7).

Die Hochschuldidaktik wird in einem Interview als „generische Disziplin“ (I3) bezeichnet, die nicht alle Fachdidaktiken vereinen kann bzw. als „Querverstrebung“ (I1) zwischen verschiedenen Hochschulbereichen interpretiert. Aus Sicht der Interviewten ist Hochschuldidaktik des Weiteren nicht nur Service, sondern nutzt wissenschaftliche Erkenntnisse als Basis ihres Handelns (I3) und sollte die fachkulturellen Sozialisationen der Teilnehmenden berücksichtigen (I4).

Abhängigkeiten und Ressourcen in der Organisation erkennen

„Ich hatte sehr viele Vorgesetzte, wenn man es genau nimmt, also ich hatte eine direkte Vorgesetzte, die zuerst Abteilungsleiterin war, später dann Dezernatsleiterin. Ich war dem Prorektor für Forschung zugeordnet, […] ich habe dann auch das Thema Personal, also akademische Personalentwicklung als Zuständigkeitsbereich bekommen. Das waren dann Themen, die dann der Direktor direkt an der Hand hatte und rein verwaltungstechnisch war ich eigentlich dem Kanzler zugeordnet.“ (I1, Pos: 23–29)

Governance und Struktur, in denen sich die Befragten in ihren Einrichtungen bewegen, variieren stark. Interviewpassagen, die förderliche Rahmenbedingungen für die eigene Tätigkeit schildern, beziehen sich auf die Unterstützung und den Rückhalt durch Vorgesetzte, z. B. durch Werbung für Neuberufenenprogramme (I3). Hier werden Entscheidungsfreiräume (I1, I2, I3, I4, I5, I6) und Wertschätzung für die Ausgestaltung hochschuldidaktischer Programme und Formate sowie stabile und langfristige Sach- und Personalmittel beschrieben (I3). Die Interviewten berichten, in Gremien der Hochschule beteiligt zu sein (I1, I2, I3) und dort hochschuldidaktische Themen platzieren zu können. Auch werden gewachsene Strukturen beschrieben, in denen Hochschulleitungen und Fachbereichsleitungen Empfehlungen aussprechen und die Angebote an neue Lehrende, Tutorinnen und Tutoren kommunizieren (I2, I3).

Als hinderliche Faktoren werden eine diffuse Anbindung der Hochschuldidaktik, wechselnde Vorgesetzte (I4, I7, I8) und nicht eindeutig geregelte Verantwortlichkeiten genannt (I4, I9). Aufgaben und Zuständigkeiten der hochschuldidaktischen Stelle ändern sich und sind oftmals abhängig von Entscheidungen der Leitungsebene (I4, I7, I9). Damit verbunden ist, dass die finanzielle Ausstattung der Hochschuldidaktik-Stellen nicht nachhaltig gesichert ist und von Drittmittelförderungen abhängt (I4, I7, I9). Die unsichere Stellensituation wird als strukturelle Schwierigkeit erkannt, die eine eigene Professionalisierung in der hochschuldidaktischen Arbeit erschwert (I4, I9).

Ein Teil der Interviewten schildert eine fehlende Einbindung in Gremien und Strukturen der Hochschule sowie wenig Entwicklungs- und Gestaltungsspielraum (I5, I9). Geäußert wird, dass die Mitarbeit in Netzwerken und der Aufbau von Kooperationen durch unsichere Strukturen eingeschränkt und unverbindlich seien (I4, I5, I9). In einem Fall wird berichtet, dass die Hochschulleitung der Hochschuldidaktik wenig inhaltliche Wertschätzung entgegenbringt, aber deren Untersuchungsergebnisse für die Außenrepräsentation nutzt (I9).

Die Einarbeitung von neuen hochschuldidaktischen Mitarbeitenden wird oftmals als ungeregelt thematisiert. Aufgabenprofile werden häufig als unzureichend formuliert beschrieben, was eine Einarbeitung erschwert. Es wird geäußert, dass Weiterbildungen und der Besuch von Tagungen oft nur eingeschränkt möglich sind (I5, I9).

Gleichzeitig wird von einer hohen Erwartungshaltung an die Hochschuldidaktik von Seiten der Hochschulleitungen und Fachbereiche berichtet, verbunden mit der Forderung nach schnellen Konzepten und Lösungen, z. B. zur Digitalisierung während der Corona-Pandemie (I5). Akzeptanz und Annahme der hochschuldidaktischen Angebote werden als stark vom Fachbereich und den dort agierenden Personen abhängig beschrieben (I2, I4, I5).

Konfliktbereiche im beruflichen Feld

„[...] ist ja auch oft prekär, diese Arbeit. Also, sie ist toll und sie ist wertvoll und sie macht Spaß, sie bringt was. Danach sind die Studierenden glücklich, und ich finde, ich habe etwas Gutes gemacht. Aber das auch finanziell und ökonomisch auch nachhaltig so zu gestalten, das ist einfach noch ein anderes Problem.“ (I6, Pos. 634–639)

Das Spektrum in dieser Kategorie reicht von vorhandenem Problembewusstsein und analytischen Einschätzungen zur eigenen Position in der Organisation bis hin zu Frustrationen und fehlenden Lösungsstrategien. Im Interviewmaterial wird erkennbar, dass negative Aussagen zum einen auf strukturelle Rahmenbedingungen zurückzuführen sind. Zum anderen berichten die Interviewten von fehlender Legitimation und Selbstwirksamkeit hinsichtlich ihres beruflichen Handelns.

Thematisiert werden Konflikte im Umgang mit Handlungslogiken verschiedener Akteure in der Hochschule (I3). Die Verwaltung, so eine Aussage, folgt in ihrer Handlungslogik oft engen Spielräumen und ist durch festgelegte Prozesse und Regeln gerahmt. Das kollidiert mit der eigenen Arbeit, etwa wenn es um Flexibilität und Kurzfristigkeit in Projekten geht (I3). Weiterhin wird die Abgrenzung der eigenen Kompetenzen und Aufgabenbereiche zu anderen Bereichen als Konfliktlinie benannt (I3). Unterschiedliche Auslegungen der hochschuldidaktischen Akteurinnen und Akteure und der Hochschulleitung bezüglich hochschuldidaktischer Angebote und Intensionen führen – so die Darstellung – zu einem Zielkonflikt in der Umsetzung der Angebote (I5).

Geschildert wird, dass die Leitung einer hochschuldidaktischen Einrichtung eine stärkere Integration wissenschaftlicher Inhalte in neue hochschuldidaktische Konzepte von ihren Mitarbeitenden einfordert, begründet mit Legitimationsdruck von außen. Die interviewte Person äußert, dass ihr dafür die Ressourcen und ein konkretes Anforderungsprofil fehlen (I7).

In einem anderen Interview wird die eigene Arbeit als hochschuldidaktische Tätigkeit interpretiert; formal ist diese Stelle jedoch einem anderen Organisationsbereich zugeordnet und trägt eine andere Bezeichnung. Das führt zu Irritationen und unterschiedlichen Interpretationen bezüglich der Aufgaben und Zuständigkeiten (I1). Zudem werden Motivationsprobleme für Aufwand und Engagement bei einem auslaufenden Vertrag geschildert (I5). In einem anderen Fall wird der Spagat zwischen Erfüllung der Lehrverpflichtungen und die Überforderung durch die Bürokratie wie die Weiterfinanzierungsbeantragung der eigenen Stelle beschrieben (I4).

In einem Interview heißt es, die Hochschuldidaktik hätte keine Stellschrauben zur Einflussnahme auf Lehrende mit schlechter Lehre, da diese im System Hochschule keine Konsequenzen befürchten müssten (I2). Weiterhin wird geäußert, dass die Teilnahme an hochschuldidaktischen Angeboten nicht verpflichtend sei. Zudem würde niemand die Professionalität von Lehrenden bei schlechter Lehre anzweifeln (I2). Ergänzt wird, dass hochschuldidaktisch Tätige aufgrund ihres Status’ als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter oder Projektangestellte, keine Hebel hätten, um gute Lehre einzufordern (I2). In einem anderen Interview wird das Gefühl mangelnder Wertschätzung und fehlenden Vertrauens in die Kompetenzen hochschuldidaktischer Akteurinnen und Akteure durch Hochschulleitungen beschrieben (I4). Beklagt wird zudem die häufig fehlende inhaltliche Unterstützung der Entscheidungsebene bei der Umsetzung eines neuen Konzeptes (I1). Dabei sieht sich die interviewte Person auch Vorbehalten und Ablehnung gegenüber hochschuldidaktischen Angeboten ausgesetzt.

Verunsicherungen und Suchbewegungen in Bezug auf fehlende berufliche Selbstwirksamkeit kommen in Fragen zum Ausdruck wie: „Was ist eigentlich Professionalisierung?“ – „Was legitimiert mich dazu in diesem Bereich tätig zu sein?“ – „Warum bin ich dafür geeignet?“ – „Was ist mein Wirkungsbereich?“ – „Was kann ich steuern und was nicht?“ (I1, I2). Auch werden Unsicherheiten im Handeln aufgrund jungen Alters und fehlender Erfahrungen im Feld der Hochschuldidaktik beschrieben (I7).

Die Interviewten berichten, dass ihnen Argumentationen zur Begründung für ihr hochschuldidaktisches Handeln fehlten (I2). Sie beschreiben den großen Bedarf an Strategien im Umgang mit Teilnehmenden bezüglich ihrer Heterogenität im Allgemeinen, oder wenn sie „schwierig“ sind (I3, I7). Sie vermissen Ansatzpunkte, um gute Lehre an der Hochschule durchzusetzen (I2). Fehlende Überzeugungen und Unsicherheit führten in einer anderen Schilderung dazu, dass hochschuldidaktische Inhalte zugunsten anderer Fachkulturen aufgeweicht oder abgeschwächt werden (I5).

Einer freiberuflich tätigen Person mangelt es an Austauschformaten zur Vergewisserung des eigenen Handelns (I6). Für sie sind der Besuch von Weiterbildungen, Tagungen, Forschungstätigkeit und das Engagement in Fachcommunitys auf eigene Kosten ein großes Problem, denn finanzielle Zwänge und zeitliche Kapazitäten sind oft ein Hindernis (I6). Im Material finden sich Stellen, in denen Interviewte ein Bewusstsein für die Komplexität hochschuldidaktischer Tätigkeit zeigen und eigene pädagogische Defizite wahrnehmen (I1, I3). Es wird der Wunsch geäußert, die eigene Arbeit wissenschaftlich zu fundieren (I7).

Strategien der eigenen Professionalisierung

„Genau das habe ich versucht mit Weiterbildung, also beispielweise auch diese Moderationsgeschichte, zu sagen: OK, ich suche mir eine Weiterbildung, ich schaue mir Moderationstechniken an, habe aber gemerkt, das hilft mir nicht so dolle, und das, was mir wirklich geholfen hat, also mit dieser kritischen Situation, das ist jetzt nicht an der Person festgemacht, sondern eher an der Gesamtsituation. Das Beste, was ich machen konnte, war mir Lehraufträge suchen und selber in die Rolle der Lehrperson zu gehen, also quasi meine eigene Zielgruppe zu werden.“ (I7, Pos. 498–505)

Die Interviewten beschreiben, dass es neben individuellen Bildungsbestrebungen wie dem Bedürfnis nach persönlicher Weiterentwicklung auch um Nachweis und Legitimation der eigenen Arbeit gegenüber verschiedenen Hochschulakteuren geht (I4). Dabei werden Motive erkennbar, die auf bisher fehlende Erfahrungen und Unsicherheiten im hochschuldidaktischen Handeln schließen lassen (I2, I7). Intrinsische Suchbewegungen fungieren dabei als eine Art Antrieb der eigenen Professionalisierung. Fast alle Interviewten geben an, dass sie beim Einstieg in die hochschuldidaktische Tätigkeit und bei ihrer Weiterentwicklung von erfahrenen Kolleginnen bzw. Kollegen, Lehrenden und Mentorinnen bzw. Mentoren unterstützt wurden (I3, I5, I6, I7, I8, I9). Zudem wird die eigene Lehrerfahrung, sowohl in hochschuldidaktischen Workshops als auch in der Fachlehre, als entwicklungsfördernd beschrieben (I3, I7). Dies helfe dabei ein Verständnis für die Lehre zu erlangen und die Herausforderungen von Lehrenden nachvollziehen zu können; auch eigene wissenschaftliche Publikationen zur Vertiefung hochschuldidaktischer Fragestellungen seien ein Thema, um Argumentationen für eigenes hochschuldidaktisches Handeln entwickeln zu können (I2). Ein Großteil der Interviewten verweist auf die Bedeutung von Netzwerken und Communitys zum Anschluss an aktuelle hochschuldidaktische Diskurse zu erhalten oder auch als Möglichkeit des Austauschs mit Gleichgesinnten. So könne eine gegenseitige Unterstützung bei Herausforderungen und Konflikten im beruflichen Alltag erfolgen (I1, I6, I7). Gleichzeitig wird thematisiert, dass zeitliche Ressourcen fehlten, um solchen Aktivitäten stärker nachzugehen (I4, I6, I9). Die Bedeutung und Notwendigkeit von eigener hochschuldidaktischer Weiterbildung wird als wesentliche Strategie gesehen, um die eigene Stelle und das Aufgabenfeld zu legitimieren (I4, I8). Innerhalb der Einrichtung verweisen die Interviewten vereinzelt auf den Besuch von Weiterbildungen, um ihren Professionalisierungsanspruch gegenüber der Leitung nachzuweisen (I4). Weiterbildungen werden als Strategie gesehen, die eigene berufliche Selbstsicherheit weiterzuentwickeln.

2.4 Berufliche Identitätsentwicklung im Kontext der Organisation „Hochschule“

Die eingangs gestellte Frage war, wie die im ersten Abschnitt beschriebene Differenz zwischen Außenwahrnehmung und Selbstwahrnehmung der Hochschuldidaktik erklärt werden kann bzw. ob sich dieses Phänomen auf die berufliche Identitätsentwicklung von hochschuldidaktisch Tätigen auswirkt.

Ein relevanter wissenschaftlicher Bezugspunkt für die Erklärung dieser Wechselwirkungen ist das Konstrukt der individuellen und kollektiven Professionalisierung (Nittel und Seltrecht 2008). Das Konstrukt bietet eine Heuristik zur Interpretation der entwickelten Kategorien an. Hochschuldidaktisches Handeln – als pädagogisches Handeln definiert (vgl. Abschn. 2.1) – befindet sich im beruflichen Feld der Hochschuldidaktik, dem ein Professionalisierungsschub bescheinigt wird (Hodapp und Nittel 2019).

In Erweiterung professionstheoretischer Konzepte des pädagogischen Handelns (vgl. Helsper 2021), die auf einer empirischen Großstudie der Erwachsenenbildung beruhen, definieren Nittel und Seltrecht individuelle Professionalisierung als

„einen an das konkrete Individuum gebundenen Ausbildungs- und Reifeprozess, der nicht zwingend an eine wissenschaftliche Ausbildung gebunden sein muss, aber dennoch zu einem Statuserwerb und zu einer pädagogisch-professionellen Praxis sowie zu einem diesbezüglichen Selbstbild führt“ (Nittel und Seltrecht 2008, S. 124).

Nittel und Seltrecht gehen davon aus, dass sich neue Merkmale der Berufskultur aufgrund veränderter Anforderungsstrukturen im beruflichen Feld bilden, wenn dieses dynamischen Entwicklungen unterliegt. Für das berufliche Feld der Hochschuldidaktik wurde festgestellt, dass eine solche Dynamik bereits einen Professionalisierungsschub ausgelöst hat (Hodapp und Nittel 2019).

Als kollektive Professionalisierung definieren Nittel und Seltrecht soziale Prozesse, die von kollektiven Einheiten wie Berufsverbänden getragen werden und sich auf Formen der Selbstorganisation, Selbstverständigung und praxisorientierten Verwissenschaftlichung und auf Bestrebungen der Institutionalisierung, Verrechtlichung und Akademisierung des beruflichen Feldes richten. Nittel und Seltrecht (2008) kommen aufgrund ihrer empirischen Studie zum Ergebnis, dass die individuellen und kollektiven Prozesse, die im Feld der Erwachsenenbildung in der Nachkriegszeit stattgefunden haben, entgegen der bisherigen professionstheoretischen Annahmen nur lose gekoppelt waren (ebd., S. 134). Sie stellen jedoch auch fest, dass kollektive Prozesse nur indirekt aus Interviewmaterial unter Hinzuziehung weiterer Analysen erschließbar sind und dass das Verhältnis beider Prozesse zueinander bisher wissenschaftlich nicht diskutiert wird (ebd., S. 132).

In der genannten Studie der Erwachsenenbildung wurden Dimensionen individueller Professionalisierung rekonstruiert, die im Folgenden als Heuristik für die Interpretation der Kategorien genutzt werden (ebd., S. 134):

„Commitment oder biografische Identifikation mit der Berufsidee als Hinweis auf die Entwicklung einer fachlich fundierten beruflichen Identität“

Die Ergebnisse zeichnen ein fragmentiertes Bild hochschuldidaktischer Identitätsfacetten in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Im Interviewmaterial zeigt sich einerseits ein hohes Engagement und eine hohe Identifikation mit der Berufsidee der Hochschuldidaktik. Andererseits finden sich keine Aussagen dazu, ein Zugehörigkeitsgefühl zur beruflichen Gruppe hochschuldidaktisch Tätiger entwickelt zu haben. Teilweise wird die Zugehörigkeit als „noch nicht vorhanden“ bezeichnet.

Berufliche Teilidentitäten entwickeln sich am ehesten in konkreten Kontexten wie der Schreibdidaktik, von Fachdidaktiken, der akademischen Personalentwicklung oder des hochschuldidaktischen Bildungsmanagements. Sie werden von den Interviewten selbst jedoch teilweise nicht der Hochschuldidaktik zugerechnet.

Hinweise auf ein entwickeltes pädagogisch-professionelles Selbstbild

Die Wirksamkeit des eigenen Handelns wird in Bezug auf konkrete Situationen oft als erfolgreich beschrieben. Im Datenmaterial finden sich dagegen kaum Hinweise auf ein entwickeltes pädagogisch-professionelles Selbstbild. Stattdessen werden Aspekte thematisiert, die eher auf Prozesse der Deprofessionalisierung hindeuten. Die Interviewten thematisieren beispielsweise fehlendes Vertrauen in die Wirksamkeit ihres beruflichen Handelns, Zweifel an der eigenen Professionalität und dass ihnen Strategien fehlen, damit umzugehen. Sie äußern den Wunsch nach wissenschaftlicher Fundierung, stellen jedoch fest, dass es ihnen aufgrund institutioneller Rahmenbedingungen oder fehlender Ressourcen nicht möglich ist, sich diese anzueignen. Teilweise äußern die Interviewten, dass sie sich ihrer eigenen pädagogischen Defizite bewusst sind oder ihnen Erfahrungen im beruflichen Handeln fehlen.

Aneignung von fachpädagogischem und sozialwissenschaftlichem Wissen

Auf individueller Ebene werden Erfahrungen in der Lehre sowie das Verständnis pädagogischer und bildungstheoretischer Konzepte als wichtige Wissensgrundlagen eingeschätzt und teilweise zudem als eigener Bildungsbedarf thematisiert.

Im Interviewmaterial findet sich ein breites Spektrum von Aneignungsstrategien, aber auch von hinderlichen Rahmenbedingungen für die Aneignung fachpädagogischen Wissens. Teilweise können Interviewte dafür biografische Ressourcen oder berufliche Vorerfahrungen mobilisieren. Andere Interviewte thematisieren, dass ihnen der inhaltliche Zugang zur Hochschuldidaktik schwer fällt, da sie eine fachfremde Sozialisation oder kein pädagogisches Arbeitsumfeld mitbringen. Auch die Nutzung unterstützender Angebote im eigenen Arbeitsumfeld oder in Communitys und Netzwerken wird erwähnt.

Sozialwissenschaftlich relevantes Wissen ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die Bandbreite reicht von differenzierten Analysen und strategischen Vorstellungen über Beschreibungen von Konflikten und Dilemmata, für die Strategien des Umgangs damit fehlen, bis hin zu Interviews, in denen kein Bewusstsein für die eigene Positionierung innerhalb der Hochschule erkennbar ist. Für vorhandene Strategien wird vereinzelt auch thematisiert, berufliche Vorerfahrungen nutzen zu können.

Als wichtig für die eigene Weiterentwicklung und die Legitimation der eigenen Arbeit innerhalb der Hochschule werden eigene Weiterbildung und Studium wissenschaftlicher Arbeiten eingeschätzt. Ebenso genannt werden Tagungs- und Kongressteilnahmen auch mit eigenen Publikationen sowie die Durchführung von Erhebungen im eigenen Arbeitskontext, etwa Evaluationen oder die Mitarbeit an Drittmittelanträgen. Jedoch sind die Rahmenbedingungen dafür zum Teil nicht gegeben.

Orientierung an spezifischen Denkarten, zentralen Werten und dem Habitus

Die Interviews verdeutlichen eine Übernahme von Handlungsrepertoirs sowie spezifischen hochschuldidaktischen Praktiken von Vorbildern und Mentorinnen bzw. Mentoren des beruflichen Arbeitsumfelds und ihre Diskussion in Netzwerken und Communitys. Lehrerfahrungen werden auch hier als förderlicher Faktor benannt. Problematisch sind Sozialisationen in fachfremden, faktenbezogenen Fächern, die den Zugang zu einer sozialwissenschaftlichen Diskurskultur erschweren.

Fähigkeit, gesellschaftliches Mandat in Fachtermini zum Ausdruck zu bringen

Auf die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz der eigenen beruflichen Tätigkeit fällt den Interviewten die Formulierung eines gesellschaftlichen Mandats schwer. Ihre Arbeit beschreiben sie jedoch als wesentlich und wichtig im Kontext der Hochschulbildung. Die Nutzung von Fachtermini variiert von pädagogischen Schlüsselbegriffen und Handlungspraktiken bis zu Beschreibungen fachkulturell geprägter Menschbilder und bildungstheoretischer Konzepte.

Soziale und institutionelle Faktoren des beruflichen Kontexts

Auf institutioneller Ebene sind es die strukturellen Rahmenbedingungen der Stellen, die einen Einfluss auf die berufliche Entwicklung hochschuldidaktisch Tätiger haben – auch hinsichtlich der Möglichkeit zur Weiterbildung und Wissenschaftlichkeit, der Stellenanbindung an institutionelle Strukturen sowie Einbindung in relevante Gremien und Prozesse.

Befristete Stellenstrukturen mit unklarem Profil und diffusen, wechselnden Anbindungen und Aufgaben begünstigen Konflikte mit Handlungslogiken anderer Akteurinnen und Akteure. Teilweise werden hochschuldidaktische Tätigkeiten nicht so benannten Stellen zugeordnet und sind somit in der Hochschule nicht als solche sichtbar.

Definierte Stellenprofile, geregelte fachliche und verwaltungstechnische Verantwortung der Vorgesetzten und geregelte Zuordnung der eigenen Stelle zur internen Struktur der Hochschule sowie verlässliche finanzielle und zeitliche Strukturen sowohl hinsichtlich der eigenen Stelle als auch der entwickelten Formate und Maßnahmen erhöhen dagegen die Sichtbarkeit und Legitimation der eigenen Arbeit in der Hochschule.

Für die eigene – als notwendig erkannte – Weiterbildung und für wissenschaftliches Arbeiten werden oft fehlende Voraussetzungen thematisiert. Die Zuordnung hochschuldidaktischer Stellen zur Verwaltung erschwert die eigene Weiterbildung. Für wissenschaftliches Arbeiten (z. B. Tagungs- und Kongressteilnahmen) fehlen oftmals Zeit und Ressourcen. Eigene Untersuchungen oder Erhebungen und Publikationen sind nicht immer erwünscht. Die Förderung von Weiterbildung und wissenschaftlicher Tätigkeit, beispielsweise durch die Beteiligung an Drittmittelanträgen, Tagungsteilnahmen, Publikationstätigkeit und eigene Untersuchungen, erhöht jedoch die Legitimität und ermöglicht die berufliche Weiterentwicklung.

Soziale Faktoren – wie Verantwortlichkeiten, Erwartungen, Unterstützung von Vorgesetzten und deren Wertschätzung für hochschuldidaktische Expertise – fördern oder behindern (je nach Verbindlichkeit und Verlässlichkeit) Professionalisierungsprozesse und die berufliche Identitätsentwicklung. Ein stark kontrollierender Einfluss der Leitungsebene auf die hochschuldidaktische Tätigkeit ist mit wenig Entfaltungsspielraum verbunden. Vorbehalte der Leitungen gegenüber den hochschuldidaktisch Tätigen, Legitimationsdruck, hohe Erwartungshaltungen und wenig Unterstützung sowie fehlende Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten z. B. in Gremien der Hochschule bei gleichzeitig fehlenden Ressourcen zur Bearbeitung stellen erschwerende soziale Faktoren dar. Demgegenüber führt das Vertrauen der Vorgesetzten in die hochschuldidaktische Arbeit zur Anerkennung hochschuldidaktischer Expertise und eröffnet Gestaltungsspielräume. Das zeigt sich auch in der Einbindung in relevante Gremien und Prozesse. Die Anerkennung der Hochschuldidaktik als ein legitimer Akteur ermöglicht dann die Kooperation mit allen weiteren relevanten Akteuren der Qualitätsentwicklung in Studium und Lehre.

3 Bedeutung der Ergebnisse für die kollektive Professionalisierung hochschuldidaktisch Tätiger

Die vorliegende explorative Studie liefert zwar ein differenzierteres Verständnis – jedoch keine repräsentativen Ergebnisse zum Stand der Professionalisierung hochschuldidaktisch Tätiger, zumal die Teilnehmenden der Studie nur einen spezifischen Teil innerhalb dieser beruflichen Gruppe darstellen.

Befunde aus internationalen Studien bestätigen jedoch, dass dieses fragmentierte Bild beruflicher Identitätsfacetten und die Problematiken der beruflichen Identitätsentwicklung nicht nur für den deutschen Kontext gelten (zur Übersicht vgl. Rudenga und Gravett 2019). Auch international ist das Feld hochschuldidaktischer Praxis charakterisiert durch die Sozialisation in den unterschiedlichsten Disziplinen mit einer Vielzahl an Wegen in die Beruflichkeit ohne systematische und standardisierte Weiterbildung und ohne entsprechende Legitimationsnachweise, wenngleich die Notwendigkeit hochschuldidaktischer Tätigkeit in der Hochschulöffentlichkeit nicht in Frage gestellt wird (ebd.).

Untersuchungsergebnisse aus verschiedenen Studien (vgl. Green und Little 2015; Harland und Staniforth 2008) verweisen darauf, dass hochschuldidaktisch Tätige ihre berufliche Tätigkeit nicht als eigenes berufliches Feld im kognitiven Sinne einschätzen; sie sind in anderen Disziplinen sozialisiert und haben deshalb nie wirklich das Gefühl, in der Hochschuldidaktik als Beruf angekommen zu sein (vgl. Rudenga und Gravett 2019). Sie empfinden sich viel mehr als auf einem interdisziplinären Praxisfeld agierend, ohne geteilten und anerkannten Korpus an Grundlagenwissen. Sie erfüllen eine Reihe unterschiedlicher Rollenprofile in sich ständig ändernden neuen Situationen, die mit dem Begriff elastic practice charakterisiert wurde (vgl. Carew et al. 2008, zitiert nach Rudenga und Gravett 2019).

Eine US-amerikanische Studie zum so genannten Hochstapler-Phänomen („impostor phenomenon“, vgl. Rudenga und Gravett 2019) ergab, dass viele hochschuldidaktisch Tätige das Gefühl haben, zu Unrecht als qualifiziert und professionell gesehen zu werden und befürchten, die Erwartungen, die an sie gestellt werden, nicht erfüllen zu können.

In ihrem Konzept der losen Kopplung individueller und kollektiver Professionalisierung betonen Nittel und Seltrecht (2008, S. 141), dass die autodidaktische oder selbst initiierte Weiterbildung in der Erwachsenenbildung zu einem erheblichen individuellen Professionalisierungsschub im beruflichen Feld geführt hat, mit Rückwirkungen auf die kollektive Professionalisierung. Die Ergebnisse der vorliegenden qualitativen Studie geben erste Hinweise darauf, dass ähnliche Prozesse in der Hochschuldidaktik zu vermuten sind; umfassende empirische Studien stehen diesbezüglich noch aus.

4 Empfehlungen zur kollektiven Professionalisierung der Hochschuldidaktik

Aus den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung lassen sich, ergänzt durch die referierten internationalen Befunde und professionstheoretischen Hintergründe, erste Empfehlungen ableiten, wie das berufliche Feld der Hochschuldidaktik im Sinne einer kollektiven Professionalisierung weiterentwickelt werden könnte. Diese sind jedoch nicht wissenschaftlicher, sondern berufspolitischer Natur.

Die Entwicklung eines gemeinsam geteilten und zumindest von der Hochschuldidaktik selbst legitimierten Berufsbildes hochschuldidaktischer Tätigkeit wäre ein wichtiger Schritt. Dieses würde umfassen: ein wissenschaftlich begründetes berufliches Selbstverständnis und definierte Berufsrollen, eine definierte Qualifikations- und Weiterbildungsstruktur, die Klärung der Erwartungshorizonte für dieses berufliche Feld sowie formulierte Anforderungen an die Stellenstruktur und -anbindung in Hochschulen bzw. entsprechende Standards der Freiberuflichkeit. Als berufliches Feld der Erwachsenenbildung müsste die Hochschuldidaktik im professionstheoretischen Sinne darüber hinaus für sich selbst das gesellschaftliche Mandat klären, das sie in der Hochschulöffentlichkeit in Anspruch nehmen will.

Ein kollektiver Professionalisierungsprozess dieser Art könnte dem fragmentierten und problematischen Bild hochschuldidaktischer Professionalisierung ein durch die Fachcommunity legitimiertes kohärentes Berufsbild entgegensetzen, das nicht nur den hochschuldidaktisch Tätigen selbst, sondern auch den Verantwortlichen für Hochschuldidaktik in Hochschulen sowie der strukturellen Ausgestaltung hochschuldidaktischer Stellen und Einrichtungen Orientierung geben würde. Es fehlt jedoch nach wie vor eine breite empirische Datengrundlage zur Entwicklung von Berufsfeldern hochschuldidaktisch Tätiger in Deutschland.