1 Einleitung

Im Kontext Lebenslangen Lernens gewinnen Hochschulen als Lernorte Erwachsener zunehmend an Bedeutung, und zwar nicht nur mit Blick auf die sich ausdifferenzierende wissenschaftliche Weiterbildung an Hochschulen, sondern auch im Bereich der grundständigenFootnote 1 Studienangebote, die bei einigen Lernenden aus (bildungs-)biografischer Perspektive eine Form der Weiterbildung darstellen (vgl. Wissenschaftsrat 2019, S. 7). Dieser Bedeutungsgewinn zeichnet sich auch in den jüngsten Ergebnissen des Adult Education Survey (AES) ab, das eine entsprechende bildungsbiografische Perspektive auf die Teilnahme an hochschulischen Bildungsangeboten zugrunde legt (vgl. Widany et al. 2017). Im Jahr 2016 ordneten bereits 29 % der Personen, „die über eine formale Bildungsaktivität in Form eines Hochschulstudiums berichten, […] dieses einer zweiten Bildungsphase zu“, zudem waren diese deutlich häufiger berufstätig und verfügten bereits über einen beruflichen Ausbildungsabschluss im Gegensatz zu jenen, die das Studium als erste Bildungsphase einordneten (ebd., S. 173 ff.).Footnote 2 Im AES 2020 lag „die Quote der Teilnahme an formaler Bildung an Hochschulen im Jahr 2020 bei jeweils zwei Prozent und damit prägnant höher als in den Jahren 2016 und 2018“, wobei ein deutlicher Anstieg bei Studiengängen, die subjektiv der zweiten Bildungsphase zugeordnet wurden, sichtbar wird (BMBF 2021, S. 65 f.). Während dies noch anhand von Hochschultypen weiter differenziert wird und Universitäten den einzigen Zuwachs verbuchen (vgl. ebd., S. 66), bleiben die Art der Studiengänge (z. B. grundständig oder weiterbildend) sowie deren fachliche Ausrichtung offen.

Studiengänge als formale Bildungsmaßnahmen werden im AES separat und damit als Sonderbereich neben den Weiterbildungssegmenten betrieblich, individuell berufsbezogen und nicht berufsbezogen geführt (vgl. BMBF 2021). Dies hat aufgrund der kleinen Fallzahlen, die eine separate Erhebung der Weiterbildungsmotivation verhindern, primär pragmatische Gründe. Zugleich wird das Grundproblem der „ex-negativo-Bestimmung“ der Weiterbildungssegmente (Molzberger 2021, S. 10) im Kontext der in der Erwachsenenbildungswissenschaft tradierten „kategorialen Abgrenzung zwischen einer funktionalisierenden [beruflichen] vs. zweckfreien [allgemeinen, kulturellen und sozialen] Bildung“ (ebd., S. 9) offensichtlich: So klar lassen sich die Bereiche nicht abgrenzen, weder hinsichtlich der primären Weiterbildungsmotivation noch hinsichtlich der primären Zweckbestimmung der Bildungsmaßnahmen. Wenn wissenschaftliche Weiterbildung als dritte Form des Weiterbildungssektors zwischen allgemeiner und beruflicher Weiterbildung aufgefasst wird, „zu denen sie prinzipiell in einem komplementären, nicht in einem substituierenden Verhältnis steht“ (ebd., S. 11), stellt sich die Frage, wie grundständige Studiengänge, die aus bildungsbiografischer Perspektive als Weiterbildung gedeutet werden und dabei häufig auf berufliches Erfahrungswissen treffen, in diesem Zusammenhang zu bestimmen sind.

Der folgende Beitrag greift die Frage nach allgemeinen und beruflichen Bildungspotentialen grundständiger Studiengänge auf und diskutiert diese im Kontext pädagogischer Professionalisierung in thematisch breit qualifizierenden pädagogischen Studiengängen.Footnote 3 Ziel des Beitrags ist es, durch die theoretisch-systematische Erschließung des grundständigen Studiums als Lernort berufserfahrener Erwachsener neue (Forschungs‑)Perspektiven auf die Zentralkategorie Bildung zu öffnen, die über die dichotome Unterscheidung von beruflicher und allgemeiner Bildung hinausgehen.

Die exemplarische Vertiefung in das Themenfeld der pädagogischen Professionalisierung lässt sich in dreierlei Hinsicht begründen: Zum einen kann angenommen werden, dass grundständige pädagogische Studiengänge aufgrund des hohen Professionalisierungsbedarfs in pädagogischen Berufsfeldern (vgl. Helsper 2021), der Vielfältigkeit an beruflichen Tätigkeitsfeldern (vgl. Nittel 2011) und der vergleichsweise geringen Einkommensverhältnisse, die hochpreisige wissenschaftliche Weiterbildungsangebote ausschließen, häufig als individuell-berufsbezogene Weiterbildung absolviert werden. Zum anderen sind pädagogische Studiengänge seit ihrer Etablierung in den 1960er-Jahren verstärkt als Orte der Vermittlung zwischen Theorie und Praxis, bzw. zwischen Wissenschaft und Beruf(lichkeit), kontrovers diskutiert worden. Und nicht zuletzt weist das hierfür zu vermittelnde Fachwissen Besonderheiten auf, die eine Neurelationierung von allgemeiner und beruflicher Bildung in diesem Zusammenhang nahelegen. Dabei sei darauf verwiesen, dass sich die folgenden Ausführungen schwerpunktmäßig auf thematisch breit aufgestellte grundständige pädagogische Studiengänge (B. A. Bildungs- bzw. Erziehungswissenschaft(en), Pädagogik) beziehen, wie sie im Kerncurriculum Erziehungswissenschaft skizziert werden (vgl. DGfE 2004) und zumindest auf Bachelorebene noch immer die deutsche Studienlandschaft dominieren (vgl. Grunert et al. 2020, S. 26).

Der Beitrag gliedert sich in fünf Abschnitte. In einem ersten Schritt werden im überblickartig gestalteten Forschungsstand zentrale Forschungsstränge und -ergebnisse im Themenfeld (Weiter‑)Bildung und Professionalisierung im (pädagogischen) Studium skizziert und gegenübergestellt (Abschn. 2). Nachfolgend wird die Verortung von Hochschulbildung im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung mit Blick auf historische und aktuelle Zielvorstellungen zu (Persönlichkeits‑)Bildung, Beruf und Beschäftigungsfähigkeit diskutiert (Abschn. 3). Daran anschließend wird das Konzept der pädagogischen Professionalisierung im Kontext der Implementierung pädagogischer Studiengänge skizziert (Abschn. 4) und die allgemein- und berufsbildenden Bildungspotentiale pädagogischer Studiengänge auf Grundlage inhaltlich-curricularer Vorgaben reflektiert (Abschn. 5). Der Beitrag schließt mit einem Fazit (Abschn. 6) ab, das zentrale Thesen zusammenfasst, Ansatzpunkte für eine weitere theoretische und empirische Bearbeitung des (pädagogischen) Studiums als Ort der Professionalisierung und Bildung Erwachsener aufzeigt sowie hochschuldidaktische Implikationen aufgreift.

2 (Pädagogische) Studiengänge als Orte der (Weiter‑)Bildung und Professionalisierung – Stand der Forschung

Während die quantitative Bedeutung von pädagogischen Studiengängen als Orte der Weiterbildung und Professionalisierung Erwachsener bisher wie aufgezeigt kaum auf Basis entsprechender Zahlen skizziert werden kann, ist das Themenfeld (Weiter‑)Bildung und Professionalisierung im (pädagogischen) Studium inhaltlich bereits intensiver erforscht worden. Hierbei lassen sich grob drei Forschungsstränge differenzieren, die für eine weitere Betrachtung aufschlussreich sind:

  1. 1.

    die sich im Zuge der Einführung der pädagogischen Studiengänge entwickelnde Forschung um die Themen pädagogische Professionalisierung, Theorie und Praxis in der Pädagogik sowie pädagogische Wissensformen,

  2. 2.

    internationale Forschung zur Entwicklung von kritischem Denken und reflexivem Lernen im Kontext von Hochschulbildung allgemein,

  3. 3.

    Forschung zur Professionalisierung von Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildnern im Studium als eine Art Nahaufnahme.Footnote 4

Sehr knapp lassen sich die Zugänge und Ergebnisse der drei Forschungsstränge wie folgt zusammenfassen:

  1. 1.

    Die in diesem Zusammenhang entstandenen Forschungsarbeiten stammen primär aus den 1980er bis 1990er-Jahren, haben einen Fokus auf (West‑)Deutschland und berücksichtigen berufserfahrene Lernende nicht, bzw. nicht explizit. Der fehlende Praxisbezug des Studiums und die damit verbundene mangelhafte Berufsvorbereitung sind Themen der Forschung (Sturzenhecker 1993), der Sinn des Studiums wird in Frage gestellt. Zugleich gerät im Zuge der Verwendungsforschung (Drerup 1987) und pädagogischen Professionalisierungsforschung (vgl. u. a. Dewe 1991) der Mehrwert von wissenschaftlichem pädagogischem Wissen in den Fokus. Aus diesen Forschungszugängen lässt sich bereits ein (scheinbarer) Widerspruch mit Blick auf die Bedeutung wissenschaftlichen Wissens erkennen. Etwas außerhalb dieser Zugänge finden sich z. B. Untersuchungen zu Deutungsmustern im Umgang mit Praktika im Studium (Egloff 2002) oder zu Biografie und Studium (Schweppe 2006).

  2. 2.

    International bzw. konkreter im anglo-amerikanischen Raum wird die Frage des Bildungswerts von Hochschulbildung vor allem unter den Schlagworten critical thinking und reflective learning empirisch untersucht. Ohne konkreten Bezug zum Lernen Erwachsener geben die Beiträge in Davies und Barnett (2015) Aufschluss darüber, wie kritisches Denken im Studium empirisch gefasst werden kann. Unter dem Begriff des „reflective learning“ untersucht Cendon (2016, 2020) die Lernprozesse und -ergebnisse berufserfahrener Lernender in Weiterbildungsstudiengängen. Basierend auf Zugängen von Dewey, Schön und Moon fasst sie Eckpunkte eines Modells des reflective learnings zusammen (vgl. Cendon 2016, S. 313). Empirisch erarbeitet wird, dass auf Ebene der Meta-Reflexion ein gesteigertes Selbstbewusstsein und mehr Sicherheit in beruflichen Handlungssituationen erkannt werden, die die Möglichkeit der Distanzierung gegenüber alltäglichen Situationen bietet (vgl. ebd., S. 315), was auf eine Verbundenheit von berufsbezogenen und persönlichen Bildungszielen hinweist. So „stellt die Reflective Practice […] einen wichtigen Ansatzpunkt für das Herstellen von Bezügen zwischen der beruflichen Praxis und der Theorie dar. Doch die Beschreibungen und Einschätzungen […] zeigen ein Maß an kritischer Auseinandersetzung nicht nur mit ihrer beruflichen Welt, sondern auch mit sich selbst und dem Wissen, das sie sich angeeignet haben.“ (Cendon 2020, S. 238).

  3. 3.

    In der Erwachsenenbildung wurde die Rolle des erwachsenenpädagogischen Studiums für die (Weiter‑)Entwicklung von erwachsenenpädagogischer Professionalität genauer untersucht. Unter dem – bisher ausschließlich in diesem Teilbereich der Pädagogik verwendeten – Begriff der „Akademischen Professionalisierung“ (Schüßler und Egetenmeyer 2018) wurden u. a. Absolventinnen und Absolventen befragt (Schüßler 2012) und Studienmotive und Erwartungen erfragt (von Hippel und Schmidt-Lauff 2012). Im Rahmen des spezifisch für die wissenschaftliche Weiterbildung entwickelten Konzepts der „Interaktionalen Professionalisierung“ (Jütte et al. 2012) untersuchen Meyer et al. (2019) weiterbildende Studiengänge im Bereich der Erwachsenenbildung anhand von Interviews mit Studierenden u. a. hinsichtlich ihres Einflusses auf die Entwicklung professionellen Wissens. In diesem Bereich konnte in dem thematisch am breitesten aufgestellten Studiengang „Erwachsenenbildung/Weiterbildung“ im Gegensatz zu fachlich spezifischeren Studiengängen kein Mehrwert herausgearbeitet werden (vgl. ebd., S. 36), was den Bedarf weiterer Forschung aufzeigt.

Insgesamt scheint die Bedeutung des Hochschulstudiums für die pädagogische Professionalisierung im Sinne einer Herausbildung bzw. weiteren Förderung berufsbezogener Handlungsfähigkeit noch relativ unbestimmt. Zugleich scheinen auch allgemeinbildende, fachübergreifende Wirkungen eines Studiums auf. Während die Forschungsarbeiten im Kontext der pädagogischen Professionalisierungsforschung die Frage von Vorerfahrungen ausklammern und die Praxisrelevanz des Studiums eher verhalten diskutiert wird, verweist die Hochschulbildungsforschung auf besondere Potenziale von hochschulischem Lernen im Bereich der kritischen Reflexion im beruflichen Umfeld und darüber hinaus. Die im Teilbereich der Erwachsenenbildungsforschung erarbeiteten Ergebnisse letztlich regen zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der Thematik auch im Bereich der breitqualifizierenden grundständigen pädagogischen Studiengänge an. Nachfolgend wird erarbeitet, wie sich pädagogische Studiengänge hinsichtlich ihrer Positionierung zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung charakterisieren lassen und welche Besonderheiten sie diesbezüglich aufweisen.

3 Ziele des Hochschulstudiums zwischen Arbeitsmarkt, Beruf und Bildung

Prägend für das deutsche Bildungssystem ist die programmatische Trennung „zwischen einer praxisfernen höheren Allgemeinbildung und einer bildungsfernen Berufsbildungspraxis“ (Baethge 2006, S. 20), die als „das deutsche Bildungs-Schisma“ charakterisiert wurde (Baethge 2006). Diese Differenzierung wurde durch das neuhumanistische Bildungsideal „zementiert“ (ebd., S. 20), das die persönlichkeitsentfaltende, ganzheitliche und zweckfreie höhere Bildung als Zielhorizont zulasten (vermeintlich spezialisierter) Berufsbildung auslegte (vgl. Humboldt 1993a [1809], S. 218). Universitäten kommt in diesem Konzept die Funktion zu, „innerlich die objective Wissenschaft mit der subjectiven Bildung“ zu verknüpfen (Humboldt 1993b [1809], S. 258), was durch den Einklang der drei Pole „personale Bildung, Teilhabe an Wissenschaft [und] Befähigung zu praktischem gesellschaftlichem Handeln […] und [dem] darin formulierte[n] Anspruch auf ganzheitliches Verstehen der Welt, allseitige Entwicklung der persönlichen Kräfte, Reflexivität“ gelingen solle (Huber 1983, S. 118).

Realhistoriographisch lassen sich bereits in der Umsetzung der neuhumanistischen Universitätskonzepte Brüche in der vermeintlichen Zweckfreiheit des Studiums nachzeichnen (vgl. Tenorth 2010). Auch die eng verzahnte Entwicklung von Professionen und Universitäten (vgl. Stichweh 2014) deutet darauf hin, dass das Studium schon länger auch ein Ort der berufsbezogenen Bildung war. Die These, dass die Bologna-Reform zu einer Vernachlässigung der allgemeinen Bildung zugunsten beruflicher bzw. arbeitsmarktbezogener Ziele geführt habe, kann daher mit Blick den historisch geprägten „Doppelcharakter“ (Lenz 1910, S. 66) des Aufgabenprofils von Hochschulen relativiert werden (vgl. Wissenschaftsrat 2015, S. 42 f.).

Die Bologna-Reform hat jedoch zweifelsohne zu einer stärkeren gesellschaftlichen und bildungspolitischen Wahrnehmung des Qualifizierungsauftrags von Hochschulen beigetragen. In der Folge entwickelte sich der Begriff employability insbesondere im deutschsprachigen Kontext zu einem „kontrovers diskutierten – und zunehmend ideologisch geprägten – Leitbegriff“ (ebd., S. 51), wobei dessen Bezüge zwischen Arbeitsmarkt- bzw. Beschäftigungsfähigkeit und konkreter Berufs(-feld)vorbereitung changieren. Georg (2010, S. 229) stellt die „Aufgabenzuweisung der ‚Berufsqualifizierung‘“ als „wichtigste Besonderheit der deutschen Hochschulreform“ heraus, die über das europäische gesetzte Ziel hinausreicht und in der Einordnung des Bachelorstudiums als „erster berufsqualifizierender Abschluss […] [und] Regelabschluss eines Hochschulstudiums“ (KMK o.J.) festgehalten wird. Im Hochschulqualifikationsrahmen (HQR) ist der Bezug zur beruflichen Einsetzbarkeit von hochschulisch erworbenem Wissen konkreter ausgeführt, als es die Dublin-Deskriptoren z. B. für den Bachelorabschluss tun und dabei explizit in einer Fußnote darauf verweisen, dass der Begriff „professional“ eben nicht Beruflichkeit im klassischen Sinne, sondern eher erwerbsarbeitsbezogen aufzufassen sei (vgl. Bologna Working Group 2005, S. 194). So wird im HQR im Abschnitt „Wissenschaftliches Selbstverständnis/Professionalität“ die Entwicklung eines „berufliche[n] Selbstbild[s], das sich an Zielen und Standards professionellen Handelns in vorwiegend außerhalb der Wissenschaft liegenden Berufsfeldern orientiert“ als ein Lernergebnis des Bachelor-Studiums gesetzt (KMK 2017, S. 7). Dabei soll „das eigene berufliche Handeln mit theoretischem und methodischem Wissen“, sowie berufliche „Entscheidungen verantwortungsethisch“ begründet werden und das „berufliche […] Handeln kritisch in Bezug auf gesellschaftliche Erwartungen und Folgen“ (ebd.) reflektiert werden.

Diese vermeintlich stark ausgeprägte Berufsorientierung von Bachelor- (und etwas geringfügiger auch Master‑) Studiengängen bricht sich aber nicht zuletzt an der Breite, wenn nicht sogar Undefinierbarkeit von beruflichen Tätigkeitsfeldern, die sich häufig nicht in konkreten Berufsbezeichnungen erschöpfen. Dies gilt – trotz der inhaltlichen Ausdifferenzierung einiger pädagogischer Studiengänge (vgl. Grunert et al. 2020, S. 26) – noch weitgehend für den Bereich der Pädagogik und seine Teilbereiche (vgl. Nittel 2011). Vor diesem Hintergrund kann nach der „Arbeitsmarktrelevanz hochschulischer Studienangebote“ (Wissenschaftsrat 2015, S. 52) gefragt werden, die sich grundsätzlich an der transparenten Beschreibung der Kompetenzen von Absolventinnen und Absolventen orientiert und durch ihre inhaltliche Breite bzw. geringe Spezifität eine Beschäftigung in mehreren bzw. sich schnell wandelnden Tätigkeitsfeldern ermöglichen.

Für den aktuellen Diskurs scheint die Definition von drei zentralen Dimensionen „im Raum hochschulischer Bildungsziele: (Fach‑)Wissenschaft, Persönlichkeitsbildung und Arbeitsmarktvorbereitung“ (Wissenschaftsrat 2015, S. 40) diskutierbar. Hierbei ist die Entkopplung von (Fach‑)Wissenschaft und Arbeitsmarktvorbereitung prägnant: Während (Fach‑)Wissenschaft die „Auswahl, Anwendung und Anpassung fachspezifischer Theorien und Methoden“ und der Befähigung „zum selbständigen und kritischen Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen“ (ebd.) umfasst, beinhaltet das Ziel der Arbeitsmarktvorbereitung die Entwicklung von „überfachliche[n] Kompetenzen, wie Urteilsvermögen, Reflexionsfähigkeit oder auch Erfahrungen in Projekt- und Zeitmanagement“ (ebd., S. 41). Ein (engerer) Berufs(-feld)bezug des Studiums wird damit weitgehend zurückgewiesen, und Fachwissen wird nicht in erster Linie als (Ausbildungs‑)Wissen für eine zukünftige berufliche Tätigkeit betrachtet, sondern es stellt sich – zugespitzt betrachtet – im Gegenteil eher in den Dienst allgemeiner Bildungsziele, wobei auf Wechselwirkungen zwischen den Dimensionen sowie der Mehrfachzuordnung einzelner Qualifikationsziele zu den Dimensionen hingewiesen wird.

Stellt man diese Zielbestimmungen der eingangs zitierten Position von Huber (1983) gegenüber, der zwischen den Polen „Personale Bildung“, „Wissenschaft“ und „Praxis“ im Kontext von Hochschulbildung unterscheidet, wobei letztere sowohl Berufspraxis als auch allgemeine gesellschaftliche Praxis umfasst (vgl. ebd., S. 128), tritt die Verschiebung zu einer stärker arbeitsmarktbezogenen Orientierung im Kontext der Hochschulstrukturreform zumindest auf programmatischer Ebene deutlich hervor.

Zugleich lassen sich in allen drei skizzierten Perspektiven – dem neuhumanistisch fundierten Zugang von Huber, dem HQR sowie dem Ansatz des Wissenschaftsrats – zentrale Charakteristika von Hochschulbildung herausarbeiten: es geht um die Entwicklung von Reflexivität und einer kritischen Haltung gegenüber der Praxis sowie die Fähigkeit, Entscheidungen mit Wissen zu begründen.

Eine systematische Übersicht, die diese Aspekte begrifflich ausdifferenziert, operationalisiert und in die diskutierten Bezugshorizonte der allgemeinen bzw. persönlichen und beruflichen bzw. erwerbsarbeitsbezogenen Bildung einordnet, legt Barnett (1997) vor. Ausgehend von der Feststellung, dass kritisches Denken angesichts der Herausforderungen moderner Gesellschaften nicht mehr alleiniges Ziel von Hochschulbildung darstellen kann, da die Aspekte der kritischen Selbstreflexion und Handlungsfähigkeit zunehmend wichtiger werden, entwickelt Barnett das Konzept des Kritischen Seins als übergeordnetes Ziel von Hochschulbildung (vgl. Barnett 1997, S. 6 f.). Im „Curriculum for Critical Being“ (Barnett 1997, S. 102 ff.) wird die Entwicklung eines kritischen Seins anhand von zwei Achsen differenziert: erstens durch die Objekte von Kritikalität, die grundsätzliche menschliche Interessen repräsentieren und dabei eine Nähe zu Poppers (1972) Dreiteilung erkennen lassen, aber über diese hinausgehen (vgl. Barnett 1997, S. 69). Es handelt sich hierbei um die Bereiche des formalen Wissens, des Selbst und der Welt und die hier jeweils auftretenden Formen von Kritikalität als kritische Urteilsbildung, kritische Selbstreflexion und kritische Handlungen (vgl. ebd.). Die zweite Achse bilden die vier Ebenen von Kritikalität, die von begrenzten operativen Fähigkeiten und Reflexivität über die Neugestaltung von Traditionen bis hin zu transformatorischer Kritik reichen (vgl. Barnett 1997, S. 89). Aus der Gegenüberstellung der Achsen ergibt sich eine Matrix (siehe Tab. 1). Interessant ist, dass die unteren beiden Ebenen von Kritikalität einen deutlichen Bezug zu berufs- bzw. arbeitsmarktrelevanten Kompetenzen aufweisen, wie sie etwa der HQR formuliert, wohingegen die oberen beiden Ebenen stärker die im Neuhumanismus formulierten Ziele von allgemeiner, persönlichkeitsentwickelnder Hochschulbildung abbilden. Das Modell stellt damit auch für den Professionalisierungsdiskurs eine interessante Perspektive dar, indem es Schön’s (1983) Konzeption des reflective practitioners um die notwendige gesellschaftliche und theoretisch-wissensbasierte Fundierung ergänzt (vgl. Barnett 1997, S. 133).

Tab. 1 Ebenen, Bereiche und Formen Kritischen Seins. (Eigene Darstellung und Übersetzung nach Barnett 1997, S. 103)

Damit ist ein Zielhorizont für Hochschulbildung skizziert, der sowohl allgemeine als auch berufsbezogene Bildungsziele mit dem Fokus auf Kritikalität und Reflexivität ausdifferenziert, aber, bis auf die Bezüge in Cendon (2020), im deutschen Diskurs bisher keine (Merkt 2021) oder nur am Rande (vgl. Huber und Reinmann 2019, S. 37) Berücksichtigung fand.

4 Pädagogische Professionalisierung – Ausbildung für die reflektierte Praxis

Die Bezüge zwischen Hochschulbildung und Arbeitswelt lassen sich etwas breiter auch unter dem Aspekt der Professionalisierung betrachten, der sowohl Fragen der Lernziele im Studium als auch die Entwicklung von Berufsfeldern umfasst. So unterscheidet Helsper (2021) im Bereich der pädagogischen Professionalisierung unter Rückgriff auf Nittel (2000, 2006) zwischen der individuellen Professionalisierung als „(berufs-)biographische Herausbildung von Wissensbeständen, Orientierungen, Motiven und Praxen als individuelle Voraussetzung für die Ermöglichung von Professionalität“ (Helsper 2021, S. 55), und der Professionalisierung aus gesellschaftlich-institutioneller Perspektive, die u. a. die Institutionalisierung von beruflichen Bildungsprozessen wie z. B. die Einrichtung von Studiengängen und die Etablierung bzw. Sicherung von organisatorischen Rahmenbedingungen umfasst (vgl. ebd., S. 57). Die Einführung des Diplomstudiengangs Pädagogik Ende der 1960er-Jahre in Deutschland (vgl. Otto und Rauschenbach 2002) kann daher aus gesellschaftlich-institutioneller Perspektive als Meilenstein in der pädagogischen Professionalisierung betrachtet werden.

Unmittelbar verbunden mit der Einrichtung eines neuen Studiengangs ist die Definition der Lernziele und die hierfür zu vermittelnden Inhalte und ihre didaktische Umsetzung. Das Curriculum stellt damit das Bindeglied zwischen gesellschaftlichen bzw. beruflichen Anforderungen und den individuell zu entwickelnden professionellen Fähigkeiten im Studium dar. Diese Überlegungen greift das Konzept der akademischen Professionalisierung auf, das wesentlich von Schüßler und Egetenmeyer im Feld der erwachsenenpädagogischen Professionalisierung geprägt wurde und zwischen gesellschaftlichen, individuellen und strukturellen (curricularen) Faktoren unterscheidet (vgl. Schüßler und Egetenmeyer 2018).

Eine zentrale Frage – und mit Blick auf die Einführung des Diplomstudiengangs Pädagogik der Ausgangspunkt langjähriger (inner-)disziplinärer Selbstverständigungsversuche – ist dabei, was der Mehrwert eines Studiums gegenüber einer beruflichen Ausbildung sein könne und wie dieser inhaltlich zu bestimmen sei. Das in der 1968 von der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) verabschiedeten Rahmenordnung für den Diplomstudiengang Pädagogik etablierte „Qualifikationsprofil des Diplom-Pädagogen als wissenschaftlich gebildeten und reflektierenden Praktikers“ (Züchner 2012, S. 276), wurde als Illusion zurückgewiesen (Lüders 1987) und die Frage „Was lernt man eigentlich im Erziehungswissenschaftlichen Studium?“ (Horn 1999) mit Blick auf das „Theorie-Praxis-Verhältnis“ (Vogel 1999) diskutiert. Das Ringen um einen stärkeren Bezug des Studiums zur beruflichen Praxis war in den Erziehungswissenschaften damit den Überlegungen zur Hochschulreform voraus und prägte den innerdisziplinären Diskurs seit Einführung des Studiengangs.

Eine wesentliche Leistung dieser Diskurse stellt die Herausstellung und Modellierung von pädagogischer Professionalität im Spannungsfeld von beruflich-praktischen Anforderungen und Wissensbeständen einerseits und hochschulisch vermitteltem systematisch-wissenschaftlichen Wissen andererseits dar. Dewe et al. (1992) unterscheiden hier „zwischen praktischem Handlungswissen […] mit permanente[m] Entscheidungsdruck“, „systematische[m] Wissenschaftswissen […], das einem gesteigerten Begründungszwang unterliegt“ und professionellem Wissen, das als ein eigenständiger Bereich dazwischen liegt (ebd., S. 81)

Auch Oevermann (1996, S. 80) sieht in der „wissenschaftlich zu begründende[n] Problemlösung“ ein zentrales Merkmal professionalisierten (pädagogischen) Handelns. Dieses entfaltet sich in seinem strukturtheoretischen Zugang in Wechselwirkung von drei „funktionalen Foci“: der (1) „Aufrechterhaltung und Gewährleistung einer kollektiven Praxis von Recht“, (2) „von leiblicher und psychosozialer Integrität des einzelnen“ und der (3) „methodisch explizite[n] Überprüfung von Geltungsfragen und -ansprüchen unter der regulativen Idee der Wahrheit“, die als „Kritik […] und […] methodische[n] Sicherung dessen, was Wahrheit ist, zum eigenlogischen Problembereich“ definiert wird (ebd., S. 88). Damit wird dezidiert auf die pädagogischen Handlungen inhärente Spannung zwischen Individuum und Gesellschaft abgehoben, deren Bearbeitung angesichts „zunehmender gesellschaftlicher Differenzierung und Rationalisierung [sowie der Ausdifferenzierung der, E. G.] Entwürfe von Normalität und ihre[r] Begründungen“ (ebd.) einer wissenschaftlich-kritischen Fundierung bedürfen. Helsper (2021) differenzierte darauf Bezug nehmend jüngst die wissenschaftlich vermittelten Aspekte pädagogischen Professionswissens aus. Pädagogisches Professionswissen wird spezifiziert als wissenschaftlich basiertes Begründungswissen, kritisches Reflexionswissen und rekonstruktives, Sinn erschließendes Fall- und Diagnosewissen, welches im Studium durch die „Herausbildung einer forschenden-reflexiven erkenntniskritischen Haltung“ entwickelt werden solle (vgl. Helsper 2021, S. 136 f.). Hierdurch unterscheidet sich der deutschsprachige Professionalisierungsdiskurs von anderen Zugängen, die das implizite Wissen (Polanyi 1966; Neuweg 2015) oder die reflexive Praxis (Schön 1983) von Könnern und Praktikerinnen als Alleinstellungsmerkmal professionellen Handelns hervorheben. Die Schwerpunktsetzung auf wissenschaftlich fundiertes Wissen als unerlässlicher Beitrag zur Professionalisierung ist jedoch nicht unbegründet:

Es „limitiert […] die Handlungsoptionen und dient zugleich als Konturierungsfolie […]. Für den praktisch Handelnden besteht auf diese Weise die Möglichkeit, einen Routinierungs- und Reflexionsgewinn zu erzielen, der ihm ein höheres Maß an Entlastung und Distanz erlauben kann. In diesem Sinne zeichnet sich der wissenschaftlich (aus-)gebildete Berufspraktiker gegenüber den mit Bildungsprozessen befassten Alltagspraktikern durch Reflexionswissen aus, das ihm erlaubt zu wissen, was er tut.“ (Dewe 2002, S. 25).

Damit wurden Zielhorizonte eines pädagogischen Studiums für pädagogische Tätigkeiten skizziert, die die Notwendigkeit einer wissenschaftlich fundierten Ausbildung aufzeigen und in Anbetracht der vielen kritischen Stimmen zu legitimieren suchen. Zugleich bleibt die Frage offen, wie entsprechende Studiengänge konkret inhaltlich zu gestalten sind und wie das im Studium zu erwerbende wissenschaftliche Wissen definiert werden kann.

5 Bildung und Professionalisierung im pädagogischen Studium

Seit der Einführung des Diplomstudiengangs Pädagogik stellt die Balancierung von „fachlich-disziplinärem Wissen“ und „professionell-tätigkeitsbezogenen Wissensformen“ (Otto und Rauschenbach 2002, S. 26), und damit „das Verhältnis von speziellen handlungsfeldbezogenen und universellen Fragestellungen im Feld von Erziehung und Bildung“ (Ludwig und Grunert, 2018, S. 202) einen zentralen Diskussionspunkt der Studienganggestaltung dar. Dem ursprünglichen Qualifikationsziel des „wissenschaftlich gebildeten und reflektierenden Praktiker[s]“ (Züchner 2012, S. 276) entsprechend ging es eben nicht nur um die Vermittlung breiten akademischen Fachwissen einerseits und der Befähigung zur Aufnahme einer qualifizierten Erwerbsarbeit andererseits, wie es etwa der Wissenschaftsrat (2015) allgemein formuliert und für einige Studienfächer sicherlich galt und weiterhin gilt. Die Pädagogik als „anwendungsorientierte Wissenschaft“ (DFG 1990, S. 6) verfolgt die „Idee einer praktischen Wissenschaft“ und das damit verbundene Ziel, die Praxis zu verbessern (Baumert und Roeder 1990, S. 120; Heid 1987). Der Pädagogik als Disziplin wird in diesem Sinne die Aufgabe zugewiesen, „nicht nur eine Theorie über eine bestimmte Praxis“, sondern explizit auch „eine Theorie für die Praxis“ zu sein (Prange 1991, S. 136). Fachwissen und berufsrelevantes Wissen sind hierbei über einen Grundkanon pädagogischen Berufsfeldwissens miteinander verknüpft, der sich in Kerncurricula nachzeichnen lässt.

Das Kerncurriculum Pädagogik im Jahr 1968 von der neu gegründeten DGfE sah für alle pädagogischen Studiengänge die Einführung in die fünf Problembereiche a) Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter, b) Erziehen, c) Lehren, Lernen, Unterricht, d) gesellschaftliche und psychische Voraussetzungen von Erziehung und Unterricht, e) Entstehung, Wirkung und Binnenstruktur pädagogischer Institutionen vor (vgl. DGfE 1968, S. 388). Innerhalb dieser Problembereiche sollte zugleich die Einführung in hermeneutische und empirische Methoden, in die pädagogische Theoriebildung sowie in die Fragestellung der vergleichenden Erziehungswissenschaft unter Berücksichtigung der vier Gesichtspunkte (u. a. Ziele und Inhalte, Personen, Prozesse und Bedingungen) erfolgen (vgl. ebd., S. 389). Im Kerncurriculum 2004 (DGfE 2004) finden sich diese Schwerpunkte innerhalb der vier vorgeschlagenen Studieneinheiten: 1. Grundlagen der Erziehungswissenschaft, 2. Gesellschaftliche, politische und rechtliche Bedingungen von Bildung, Ausbildung und Erziehung […], 3. Bildungsforschung und forschungsmethodische Grundlagen und 4. Einführung in erziehungswissenschaftliche Studienrichtungen ähnlich wieder, zudem werden als Ziele Kompetenzen festgehalten wie z. B. die Fähigkeit, Voraussetzungen erziehungswissenschaftlichen Wissens zu problematisieren, planerische und organisatorische sowie pädagogisch-diagnostische Fähigkeiten (vgl. ebd., S. 1).

Interessant ist, dass beide Rahmenordnungen das (Handlungs‑)Feld der Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft recht breit aufspannen und dabei (im Curriculum von 1968) explizit auf unterschiedliche Fachbereiche (darunter auch die Erwachsenenbildung) sowie Perspektiven wie organisationale und bildungspolitische Rahmungen eingehen. Das Ziel der Berufsvorbereitung war demnach seit der Einführung der allgemeinen pädagogischen Studiengänge schon wenig konkret auf bestimmte berufliche Tätigkeiten zugeschnitten. Dieser Aspekt wird im Kerncurriculum 2004 noch einmal explizit diskutiert: So bedeute die „Professionsorientierung des erziehungswissenschaftlichen Studiums […] nicht die Vorwegnahme beruflicher Fertigkeiten [und die] Differenz zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und berufspraktischem Handlungswissen darf nicht verwischt werden […], um technologisch verkürzte Vorstellungen der Theorie-Praxis-Beziehung zu vermeiden.“ (DGfE 2004, S. 2). Thematisch breitgefächerte pädagogische Studiengänge haben damit insgesamt das Ziel, auf eine (wenn auch weit gefasste) Berufspraxis vorzubereiten und gehen damit über das vom Wissenschaftsrat (2015) skizzierte Ziel der unspezifischen Arbeitsmarktvorbereitung hinaus, wenngleich sie in Anbetracht des „Spektrums pädagogischer Berufskulturen in seiner ganzen Breite“, deren „soziale Einheit“ jeweils weitgehend unbestimmt ist (Nittel 2011, S. 40), keine konkrete berufsspezifische Vorbereitung vorsehen.Footnote 5

Betrachtet man die skizzierte inhaltliche Ausgestaltung pädagogischer Studiengänge wiederum mit Blick auf die Dichotomie allgemeine vs. berufliche Bildung, lässt sich das (hypothetische) Paradox starker Berufsfeldbezug bei hohem Allgemeinbildungspotential beschreiben. Denn pädagogischen Studiengängen kann gerade aufgrund ihres starken Berufsfeldbezugs auf verschiedenen Ebenen ein hohes Bildungspotential, das sich nicht nur an beruflicher Verwertbarkeit orientiert, zugesprochen werden.

Zum einen gilt für pädagogische Studiengänge wie für alle Studiengänge allgemein, dass sie zur Entwicklung eines kritischen Seins beitragen, das sich insbesondere in den oberen Ebenen des Modells von Barnett (1997) verorten lässt: Ein Studium ist damit per se auch allgemeinbildend, indem etwa durch die Einführung in (trans-/inter-)disziplinäres Denken, Forschungsmethoden und wissenschaftliches Arbeiten kritisches Denken über die Genese und Reproduktion von Wissen angeregt wird. Dies wird in ähnlicher Weise auch vom Wissenschaftsrat (2015) skizziert. Dabei verlaufen die Grenzen zwischen allgemeiner persönlichkeitsbildender Bildung und akademischer (d. h. im Studium angeregter) Professionalisierung fließend. Zugespitzt könnte man schlussfolgern, dass erst der allgemeinbildende Charakter des Studiums jene Qualitäten entstehen lassen, die für akademische Professionalisierung charakteristisch sind, und sich der (vermeintliche) Berufs(-feld-)bezug des Studiums allein durch die beruflichen Tätigkeitsfelder, in denen diese dann angewendet werden (sollen), ergibt. Dies könnte dann als akademischer Gegenpart zu klassischen Konzepten der Berufsbildung gesehen werden, die allgemeine Persönlichkeitsbildung im Medium von Berufsbildung skizzieren (vgl. Kerschensteiner 1926; Blankertz 1963).

Zum anderen aber ist auch das berufsfeldbezogene Fachwissen der Pädagogik selbst gewissermaßen allgemeinbildend. So verfügt die Pädagogik über spezifisches „Verfahrenswissen“, gefasst als „Didaktik als Lehre von den Formen der Erziehung“ (Prange 2007, S. 25), bzw. etwas allgemeiner in Form von „wissenschaftliche[n] Theorien über Bildungsprozesse“ (Kurtz 2007, S. 136), die „in Reflexionswissen, sozusagen in das allgemeine Welt- und Selbstverständnis, in das Wissen des Wissens“ (Prange 2007, S. 25) eingebettet sind. Damit agiert die Pädagogik als wissenschaftliche Disziplin „unter dem Primat des Funktionsaspekts im Gewand eines umfassenden Reflexionswissens“ (Prange 2007, S. 28). Anders formuliert: Die Erziehungswissenschaft bietet als Reflexionswissenschaft einen eigenen Zugang zum umfassenden Verständnis der Welt (bzw. des Selbst und des Wissens) und verhandelt dabei im Konkreten zudem noch die Fragen von Lernen und Bildung und ihrer gesellschaftlichen Rahmung. Pädagogik studieren heißt demnach, die Welt aus einer bestimmten Perspektive zu verstehen und zugleich Bildungsbiografien und Lernprozesse zu reflektieren – als erwachsene Studierende wie auch als erfahrener Praktiker.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Im Kontext Lebenslangen Lernens verschwimmen die Grenzen zwischen Erstausbildung und Weiterbildung, aber auch zwischen akademischer und beruflicher Bildung zunehmend (Elsholz 2014). Damit verlagern sich zugleich (inner-)disziplinäre Feldzugänge und es scheinen Synergiepotentiale auf, die einer weiteren Bearbeitung bedürfen. So fallen das Lernen an Hochschulen und die damit verbundenen Bildungspotentiale längst nicht mehr nur in das Territorium der Hochschuldidaktik, Berufsbildungsforschung oder der Allgemeinen Erziehungswissenschaft, sondern geraten zunehmend in der Erwachsenenbildung als bedeutende Lern- und Entwicklungskontexte Erwachsener in den Blick. Aufgezeigt wurde, dass grundständigen pädagogischen Studiengängen mit Blick auf die Gruppe der berufserfahrenen Studierenden ein hohes berufsbezogenes und allgemeines Bildungspotential zugeschrieben werden können.

Insgesamt scheint die weitere theoretische und empirische Beschreibung des Studiums als Ort der Professionalisierung und Bildung berufserfahrener Erwachsener aussichtsreich. Hierfür wären zum einen Erhebungen zu beruflichen Erfahrungen und Studienmotivationen von Studierenden in grundständigen pädagogischen Studiengängen weiterführend, die Aussagen zum Stellenwert dieser Studiengänge im Kontext der individuellen pädagogischen Professionalisierung Erwachsener – ggf. auch differenzierend nach Studienschwerpunkten und Hochschultypen – ermöglichen. Zum anderen scheint die weitere empirische und theoretische Bearbeitung des Lehrens und Lernens an Hochschulen, die über die dichotome Abgrenzung von berufsbezogener bzw. arbeitsmarktbefähigender Hochschulbildung einerseits und allgemeiner, persönlichkeitsentfaltender Bildung andererseits hinausgeht, lohnenswert. Ein zentraler Bezugspunkt einer solchen Herangehensweise kann in den noch weiter auszuarbeitenden Konzepten von Reflexivität und Kritikalität als Zielhorizonte von Hochschulbildung gesehen werden. Hier könnte die Rolle von Berufserfahrungen im Kontext hochschulischer Lernprozesse genauer betrachtet werden. Zu diskutieren bleibt, inwiefern analog zur in der Berufsbildung gesetzten Formel Bildung im Medium des Berufs in diesem Zusammenhang von Professionalisierung im Medium von (Hochschul‑)Bildung gesprochen werden könnte, wie in diesem Beitrag formuliert – oder ob sich diese hypothetische Gegenüberstellung nicht vielmehr in der Entgrenzung von Berufs- und Allgemeinbildung erschöpft.

Aufgezeigt wurde, dass der Bereich der pädagogischen Professionalisierung im Studium in diesem Zusammenhang eine Besonderheit aufweist, die für eine vertiefte Auseinandersetzung besonders interessant erscheint: So verpflichten sich Studiengänge in der auf die Praxis bezogenen Wissenschaft Pädagogik einem deutlichen Praxis- und Berufsfeldbezug, wobei ebendieser Praxisbezug durch die hieran gebundenen Fachinhalte ein hohes Allgemeinbildungspotential hat. Diese übergreifende Einschätzung gilt es jedoch in Anbetracht der inhaltlichen Ausdifferenzierung pädagogischer Studiengänge (vgl. Grunert et al. 2020) und der Vielfalt an Hochschultypen (vgl. BMBF 2021, S. 66) weiter zu konkretisieren.

Basierend auf den skizzierten theoretischen Perspektiven und den im Forschungsstand aufgezeigten empirischen Erkenntnissen können bereits einige Eckpunkte für die didaktische Weiterentwicklung von grundständigen Studiengängen herausgearbeitet werden, die vor dem Hintergrund des wachsenden Anteils berufserfahrender Studierender zukunftsweisend sein können. Hierzu gehört zentral die stärkere Integration von Formen des Forschenden Lernens (vgl. Huber und Reinmann 2019), die die ursprüngliche Idee der „Bildung durch Wissenschaft“ im Medium von praxisrelevanten Fragestellungen aufgreifen (Wissenschaftsrat 2015, S. 12), und dabei sowohl berufs- bzw. arbeitsmarktvorbereitend als auch der weiteren Professionalisierung von Praktikerinnen und Praktikern dienlich sind. Im Bereich der pädagogischen Studiengänge ist das tradierte Problem des Theorie-Praxis-Konflikts (Vogel 1999) dabei neu zu betrachten: So könnte der Bezug zur Praxis stärker in die didaktischen Konzepte integriert werden, indem mit den (Berufs‑)Erfahrungen der Studierenden gearbeitet wird. Die (pädagogische) Praxis ist vermutlich längst da – die erziehungswissenschaftlichen Theorien auch. Jetzt gilt es, beide Seiten stärker aufeinander zu beziehen, um das hohe Bildungs- und Professionalisierungspotential pädagogischer Studiengänge noch besser auszuschöpfen. Hierfür sind wiederum bessere Rahmenbedingungen in der Hochschullehre, die eine angemessene (Lehr‑)Betreuung ermöglichen, unerlässlich (Wissenschaftsrat 2015).