1 Ausgangssituation und Problemaufriss

Das Spezifikum des Weiterbildungsbereichs besteht im Unterschied zu anderen Bildungsbereichen darin, dass es sich in der Regel um freiwillige Teilnahme handelt und es keine starren curricularen Vorgaben gibt, sondern die Programme und Angebote erst entwickelt und konzeptioniert werden. Vor diesem Hintergrund stellt die Gewinnung von Zielgruppen für Weiterbildungsangebote eine zentrale Herausforderung der Weiterbildungspraxis dar und ist eine klassische Aufgabe des Weiterbildungspersonals.

Die Relevanz des Themas Teilnehmendengewinnung wird noch gesteigert durch die Selektivität der Weiterbildungsbeteiligung (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2021) und den vielfach zitierten „Matthäus-Effekt“ (Bremer 2007), der im Rahmen der Diskurse um Weiterbildungsbeteiligung, Bildungsferne, Bildungsbenachteiligung, Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit problematisiert wird. So haben vor allem öffentlich geförderte Weiterbildungsanbieter, wie die Volkshochschulen, den Auftrag, „Bildung für alle“ anzubieten und auch sogenannte „bildungsferne Gruppen“ zu erreichen. Da diese Gruppen durch klassische, schriftsprachfokussierte Teilnehmendenwerbung über die Programmhefte kaum gewonnen werden, bedarf es passender Ansprachestrategien, welche die Besonderheiten der jeweiligen Zielgruppe berücksichtigen (vgl. Mania 2018). In diesem Zusammenhang werden verstärkt sozialraumorientierte und aufsuchende Ansätze diskutiert (vgl. Mania 2021; Bremer et al. 2015a).

Die Herausforderung der Teilnehmendengewinnung betrifft insbesondere Inhaltsbereiche der Weiterbildung, die aufgrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen als relevant gelten, bzw. die auf diagnostizierte Bildungsbedarfe zu einzelnen Kompetenzen zielen. In diesen Inhaltsbereichen der Weiterbildung tritt die Diskrepanz zwischen gesellschaftlich diskutierten Bedarfen und tatsächlichen Teilnahmequoten an Weiterbildungsangeboten zumeist stark hervor. So rückte Alphabetisierung und Grundbildung als Programmbereich der Erwachsenenbildung in den letzten Jahrzehnten stärker in den Fokus der Bildungspolitik und -forschung. Dies lässt sich auf die Weltalphabetisierungsdekade sowie daraus hervorgehende Forschungsaktivitäten zurückführen. Große Aufmerksamkeit im Hinblick auf die Bildungsbedarfe im Bereich Grundkompetenzen ist auf der Grundlage der Daten der beiden LEO Level One-Studien (vgl. Grotlüschen und Buddeberg 2020; Grotlüschen und Riekmann 2012) entstanden. Demnach verbleiben von den deutschsprechenden Erwachsenen im Jahr 2018 12,1 % (6,2 Mio.) auf einem niedrigen Niveau der Lese- und Schreibkompetenz und werden als „gering Literalisierte“ bezeichnet. Seit Beginn der Alphabetisierungsarbeit besteht die Herausforderung der Weiterbildungspraxis darin, die anvisierte Zielgruppe für Alphabetisierungs- und Grundbildungsangebote über passende Angebotsformate und innovative Formen der Ansprache zu gewinnen (vgl. Projektträger im DLR e. V. 2011). So werden neue Inhaltsbereiche wie die arbeitsorientierte (vgl. Koller et al. 2020; Frey und Menke 2021; Lernende Region – Netzwerk Köln e. V. 2021) oder finanzielle Grundbildung (vgl. DIE 2019; Tröster und Bowien-Jansen 2019) konzeptioniert.

Innerhalb des Weiterbildungsdiskurses gibt es für das Themenfeld der Teilnehmendengewinnung jedoch keine etablierte Kategorie bzw. keinen einheitlichen Terminus. So wird zwar differenziert zwischen Adressatinnen und Adressaten als „diejenigen Personen, die Erwachsenenbildung erreichen soll“, Zielgruppen, wenn Adressatinnen und Adressaten durch „gemeinsame soziostrukturelle Merkmale“ (Faulstich und Zeuner 1999, S. 99 zit. n. Hippel und Tippelt 2011, S. 802) beschrieben werden können und Teilnehmenden, also diejenigen, die zu einem Angebot gekommen sind. Diese Unterscheidung wird jedoch nicht systematisch übernommen bzw. wurden Diskurse in der Vergangenheit teils anders geführt (vgl. Poeggeler 1982), sodass verschiedene Begriffe wie Teilnehmendengewinnung bzw. Teilnehmergewinnung (vgl. Tröster et al. 2018a), Zielgruppenerreichung (vgl. Sladek et al. 2006), Bildungsmarketing (vgl. Geissler 1991), Werbung (vgl. Hülsmann und Ambos 2010) oder zuletzt Ansprachestrategien (vgl. Mania und Thöne-Geyer 2018) verwendet werden. Im Folgenden wird im Rahmen des Beitrags der Begriff Teilnehmendengewinnung verwendet, wenn der soeben beschriebene Themenbereich gemeint ist. Der Begriff „Ansprachestrategien“ fokussiert entsprechend die spezifischen Praktiken, Wege und Zugänge des pädagogischen Personals, um (neue) Zielgruppen bzw. Adressatinnen und Adressaten für Weiterbildungsangebote zu gewinnen.

Es liegen bisher keine Überblicksarbeiten vor, die den Diskussions- und Forschungsstand zu diesem Themenbereich darstellen und systematisieren. Der Beitrag zielt daher auf die Bestandsaufnahme und Systematisierung zum Themenbereich Teilnehmendengewinnung und Ansprachestrategien. Aufgrund der spezifischen Bedeutung der Teilnehmendengewinnung im Programmbereich Alphabetisierung und Grundbildung bzw. ausgehend von den Besonderheiten der Zielgruppe der gering literalisierten Erwachsenen wird dieser Bereich in dem vorliegenden Beitrag fokussiert. Es werden somit folgende Fragen zugrunde gelegt: Welche thematischen Stränge des Diskurses zur Teilnehmendengewinnung in der Weiterbildung lassen sich herausstellen? Welche Strategien und Konzepte zur Ansprache existieren im Weiterbildungsbereich? Welche spezifischen Ansprachestrategien gibt es in der Alphabetisierung und Grundbildung? Methodisch wird auf das Vorgehen eines systematischen Literaturreviews zurückgegriffen. Die Ergebnisse werden zunächst für die Weiterbildung allgemein dargestellt und anschließend für den Inhaltsbereich Alphabetisierung und Grundbildung spezifiziert. In einem abschließenden Fazit werden Schlussfolgerungen gezogen und Forschungsdesiderata formuliert.

2 Ziel des Beitrags und methodisches Vorgehen

Der Beitrag verfolgt das Ziel, einen Überblick über den Diskussions- und Forschungsstand bezüglich Teilnehmendengewinnung in der Weiterbildung zu geben. Da das Thema jedoch für die verschiedenen Inhaltsbereiche wie Politik, Gesundheit, Sprachen unterschiedliche Ausgangspunkte und Herausforderungen beinhaltet, wird im Rahmen des Beitrags nach der Skizzierung der Teilnehmendengewinnung in der Weiterbildung allgemein, der Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung fokussiert, um die Besonderheiten bei der Gewinnung von Teilnehmenden in diesem Feld und die spezifischen Ansprachestrategien herauszustellen. Infolgedessen wird eine Systematisierung der thematischen Stränge angestrebt, auf welche in der einschlägigen Literatur vorrangig Bezug genommen wird. Dazu wird auf das methodische Vorgehen des (systematischen) Literaturreviews zurückgegriffen (vgl. Newman und Gough 2020; Ressing et al. 2009; Victor 2008; Zawacki-Richter et al. 2020). Ein Literaturreview bietet das methodische Repertoire, um „vorliegende Studien eines Forschungsgebietes systematisch zusammenzufassen“, um somit „den aktuellen Forschungsstand zu einer bestimmten Thematik anhand vorliegender Literatur aufzuarbeiten und zu verdichten“ (Döring und Bortz 2016, S. 895). Hinsichtlich der konkreten Durchführung eines Literaturreviews lassen sich verschiedene Formen der Zusammenfassung von Publikationen anführen, was zu einer Vielfalt von Begriffszuordnungen führt (vgl. Herbrechter et al. 2018; Newman und Gough 2020; Ressing et al. 2009). Mit Blick auf die bevorzugt verwendeten Arten von Reviews wird ersichtlich, dass insbesondere zwischen narrativen (vgl. Döring und Bortz 2016), systematischen (vgl. Goeze und Stodolka 2019; Newman und Gough 2020, S. 7; Ressing et al. 2009; Sahlender und Schrader 2017; Schrader et al. 2020) sowie integrativen Verfahren (vgl. Herbrechter et al. 2018) unterschieden werden kann. Während die grundsätzlichen Prozessschritte bei der Durchführung der benannten Reviewarten in der Regel ähnlich ablaufen, offenbaren sich mit Blick auf die konkreten Forschungsfragen und die Zielsetzungen Differenzen bei der Aggregation und Analyse der Daten sowie hinsichtlich der Aussagekraft der Ergebnisse (vgl. Herbrechter et al. 2018; Newman und Gough 2020; Victor 2008). Insbesondere systematische Reviews erlangen besondere Aufmerksamkeit, da sie sich durch ein intersubjektiv nachvollziehbares und kontrolliertes Vorgehen auszeichnen, was das Vorkommen von Bias bezüglich der Literaturauswahl reduzieren soll, um die Aussagekraft der Ergebnisse zu stützen (vgl. Koller 2021). Mit Blick auf das übergeordnete Untersuchungsziel, die leitenden Forschungsfragen, die vorab definierte und begründete Suchstrategie sowie die Prozessschritte bei der Durchführung der Literaturanalyse, folgt die vorgenommene Analyse den Prinzipien eines systematischen Reviews. Neben der Berücksichtigung grundlegender Leitlinien zum Aufbau systematischer Literaturreviews (vgl. Döring und Bortz 2016; Ressing et al. 2009), wird vorrangig an die Überlegungen von Newman und Gough (2020) sowie Victor (2008) angeknüpft.

Für die Literaturrecherche wurde die Datenbank Fachinformations-System Bildung (FIS Bildung; Fachportal Pädagogik) genutzt. Auf diese wird innerhalb der Disziplin der Erwachsenenbildung bevorzugt zurückgegriffen (vgl. Koller 2021; Goeze und Stodolka 2019; Herbrechter et al. 2018), da dort Ergebnisse mehrerer deutschsprachiger Datenbanken zusammengeführt bzw. verknüpft werden.

Den Ausgangspunkt des Reviews stellt die bereits erwähnte Begriffsvielfalt im Hinblick auf die Aufgabe der Teilnehmendengewinnung dar. Die Herausforderung bei der Recherche bestand darin, passende Suchbegriffe zu wählen, um die Vielfalt des Diskussions- und Forschungsfeldes zu diesem Themenbereich angemessen zu berücksichtigen. Daher wurde im Zeitraum von Mai bis Juli 2021 eine Vielzahl von Suchstrategien und Suchwortkombinationen geprüft und keine Begrenzung bezüglich der Veröffentlichungsjahre vorgenommen (vgl. Goeze und Stodolka 2019, S. 357; Herbrechter et al. 2018, S. 90).

Im ersten Schritt erfolgte die Definition des allgemeinen Geltungs- bzw. Anwendungsbereichs, um den Umfang und die Reichweite der Aussagen des Literaturreviews bereits zu Beginn des Vorhabens eingrenzen zu können (vgl. Newman und Gough 2020; Victor 2008). Anschließend wurde unter Einbezug der bisherigen Kenntnis des Forschungsfeldes und des Gegenstandsbereichs eine einführende Orientierungsrecherche mit verschiedenen Suchbegriffen wie „Ansprachestrategien“, „Zielgruppen-“, „Teilnehmenden-“, „Teilnehmergewinnung“, „Ansprache“, „Aufsuchen“ usw. durchgeführt, um die Eignung der Begriffe im Hinblick auf Trefferanzahl, Genauigkeit und Passung zum Untersuchungsziel zu überprüfen (siehe Tab. 1). Diese Recherche erzielte jedoch nur wenige und sehr unterschiedliche Treffer, was die Vorannahme bestätigt, dass bisher kein etablierter Begriff für den Gegenstandsbereich verfügbar ist. Um eine nachvollziehbare Ableitung von Suchbegriffen für die Literaturrecherche vorzunehmen, wurde daran anschließend auf die Systematik des Forschungsmemorandums für die Erwachsenen- und Weiterbildung (vgl. Arnold et al. 2000) zurückgegriffen, weil sie Themenbereiche und -schwerpunkte der Disziplin identifiziert, ordnet und benennt. Ausgehend von den dort genannten fünf zentralen Forschungsfeldern, dazugehörigen Forschungsschwerpunkten und typischen Fragestellungen wurden solche Suchbegriffe ausgewählt, welche dezidiert das Thema Gewinnung von Teilnehmenden für organisierte Weiterbildung berühren: Bedarfsermittlung, Angebotsentwicklung, Angebotsplanung, Bildungsplanung, Bildungsmanagement, Marketing, Zugang, Teilnehmerorientierung (siehe Tab. 1). Um die Vielzahl der Treffer zu reduzieren, wurde nach der ersten Sichtung eine Präzisierung des Suchbegriffs Bildungsplanung zur Programmplanung vorgenommen. Die systematische Recherche wurde schließlich anhand von 18 Suchbegriffen durchgeführt und umfasste insgesamt 3395 Literaturangaben.

Tab. 1 Suchbegriffe des Literaturreviews

Hinsichtlich eines intersubjektiv nachvollziehbaren Vorgehens wurde bereits vor Durchführung der Literaturrecherche ein Leitfaden im Sinne eines Protokolls entwickelt, der eine Auflistung der gewählten Suchwortkombinationen, konkrete Anleitungen zur Eingabe in die Datenbank FIS Bildung, sowie Ein- und Ausschlusskriterien (ebenfalls als Selektionskriterien bezeichnet) bezüglich der Auswahl geeigneter Publikationen und deren Eintragung in die Ergebnisdatenbank enthielt (vgl. Döring und Bortz 2016, S. 900; Newman und Gough 2020, S. 6). Die Definition der Selektionskriterien erfolgte in Orientierung an der Balance zwischen Sensitivität und Spezifität (vgl. Victor 2008, S. 3).

Im Rahmen eines mehrstufigen Reduktionsverfahrens wurden zunächst jeweils alle ausgewählten Suchbegriffe (Eingabe in „FREITEXT“) als Einschlusskriterien gefasst, während die Ausschlusskriterien dann zum Tragen kamen, wenn in der Regel eine Trefferzahl von > 350 vorlag. In solchen Fällen wurde im ersten Schritt eine Eingrenzung über die Sprache („deutsch“) und im zweiten über das Schlagwort „WEITERBILDUNG“ vorgenommen. Angesichts unvollständiger Trefferlisten bei der Verwendung von „UND/ODER“-Kombinationen, entschieden sich die Autorinnen nach stichprobenartiger Überprüfung der Suchbegriffe für den ausschließlichen Gebrauch von „UND“-Verknüpfungen. Die Auswahl relevanter Quellen erfolgte sodann anhand der Sichtung von Titel und Abstract (im Fall nicht vorhandener Abstracts wurde eine Überprüfung der Schlagworte oder des Inhaltsverzeichnisses vorgenommen), wobei der Bezug zum übergeordneten Thema der Ansprachestrategien/Teilnehmendengewinnung eindeutig erkennbar sein musste. Dies ermöglichte die Aufnahme von Publikationen, selbst wenn der Suchbegriff, bspw. „Bedarfsermittlung“, nicht im Titel vorkam, jedoch ein Bezug zum allgemeinen Thema ersichtlich war. Aufgrund der Diffusität und Vielfalt der Begriffsverwendungen sowie aus forschungspragmatischen Gründen bezieht sich die Literaturrecherche auf die deutsche Weiterbildungslandschaft. Eine Übersicht über die Ein- und Ausschlusskriterien für die Recherche bietet Tab. 2.

Tab. 2 Ein- und Ausschlusskriterien des Literaturreviews

Nach der Entfernung der Duplikate und der Sichtung der Volltexte erfolgte eine erneute Testung der Selektionskriterien. In einem letzten Prüfungsschritt wurden einzelne Publikationen im Sinne der Ergänzung um „verdeckte Fundstellen“ (Goeze und Stodolka 2019, S. 358) basierend auf eigenen Kenntnissen des Forschungsfeldes in die Recherche aufgenommen. So konnten auch einschlägige Quellen berücksichtigt werden, die beispielsweise in der Datenbank anders verschlagwortet waren. Der finale Literaturkorpus umfasste schließlich 315 Publikationen.

Anlässlich eines ersten Überblicks über den Forschungsstand wurde der finale Literaturkorpus anschließend einer Systematisierung nach Inhaltsbereichen der Erwachsenenbildung (vgl. Tippelt und von Hippel 2018; Zeuner und Faulstich 2009) unterzogen. Im Sinne eines ersten Zwischenfazits wird deutlich, dass sich der ermittelte Literaturkorpus (n = 315) zur übergeordneten Thematik von Ansprachestrategien in der Weiterbildung als sehr heterogen herausstellt und eine Vielzahl von unterschiedlichen Publikationstypen, inhaltlichen Themen und Forschungsschwerpunkten beinhaltet.

Die vorgenommene Auswahl der Suchbegriffe, die Charakteristika der Datenbank und das konkrete Vorgehen bei der Literaturanalyse führen dazu, dass ggf. nicht alle relevanten Publikationen berücksichtigt wurden. So kann es z. B. sein, dass Publikationen, die in Teilen des Volltexts Bezüge zur Fragestellung aufweisen, aufgrund der Angaben zu Titel, Schlagworten und Abstract nicht gefunden wurden. An dieser Stelle sei noch einmal auf das Ziel dieses Aufsatzes verwiesen, welches nicht darin besteht, alle Publikationen zum Thema Teilnehmendengewinnung aufzufinden und zu erfassen, sondern einen Überblick über thematische Stränge vorzunehmen und diese für einen ausgewählten Inhaltsbereich zu konkretisieren.

3 Ergebnisse des Literaturreviews

Nachfolgend werden daher zunächst jene Veröffentlichungen mit Bezug zur Gewinnung von Teilnehmenden im Feld der Weiterbildung mittels inhaltlicher Kategorien sortiert und relevante Erkenntnisse anhand exemplarischer Titel vorgestellt. Daran anschließend wird auf die spezifischen Ansprachestrategien im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung eingegangen. Da innerhalb der recherchierten Artikel häufig mehrere Bezüge hergestellt werden und somit Überschneidungen zwischen den thematischen Strängen vorkommen, sind Mehrfachzuordnungen möglich.

3.1 Themenschwerpunkte im Bereich Weiterbildung

3.1.1 Bildungsmanagement und Bildungsmarketing

Im Themenbereich Bildungsmanagement finden sich vor allem einführende oder überblickshafte Arbeiten zum Begriffs- und Handlungsfeld des Bildungsmanagements (vgl. Apel 1997; Decker 2000; Merk 2006), Lehrbücher (vgl. Griese und Marburger 2011), Handbuchartikel (vgl. Meisel 1994) und einführende Artikel (vgl. Harney 2002; Robak 2018) umreißen das Feld in seiner eher allgemeinen Bedeutung für die Weiterbildung. Exemplarisch seien hier die Charakterisierung des Spannungsverhältnisses zwischen Pädagogik und Management (vgl. Meisel und Sgodda 2018, S. 1458) oder auch eine organisationspädagogische Einordnung eines „reflexiven Managements“ (Behrmann 2006) benannt. Das reflexive Management findet sich ebenfalls in einem der zwei Titel zum Inhaltsbereich der wissenschaftlichen Weiterbildung (vgl. Franken 2019). Weiterhin werden konkrete Vorgehensweisen deutlich, wie Vernetzung (vgl. Faulstich 2003) und Kooperation (vgl. Düsseldorff et al. 2005). Diese bilden Anforderungen an die Weiterbildungseinrichtungen und das Leitungspersonal und können auf dieser institutionellen Ebene als Möglichkeit der Ansprache bzw. der Anbahnung von Ansprachepraktiken eingeordnet werden.

Das Bildungsmarketing bzw. das Weiterbildungsmarketing stellt nach Meisel (2001) einen von fünf Managementaufgabenbereichen dar. Die Treffer der Recherche waren dementsprechend häufig sowohl mit Marketing als auch mit Bildungsmanagement verschlagwortet. Bildungsmarketing wird hier als eigener Begriff herausgestellt, da er sich durch eine hohe Trefferzahl als Schwerpunkt innerhalb der Zuordnung abhebt. Der Begriff Bildungsmarketing „evoziert sowohl die Vorstellung von Gewinn-, ja Profitmaximierung als auch das Ideal von Innovation und Professionalität in der Praxis der EB“ (Möller 2011, S. 13). Ähnliche Auseinandersetzungen bilden sich in der Recherche ab. Es zeigen sich folgende Themen innerhalb des Bildungsmarketings als Unterkategorien: Bedarfsanalysen (vgl. Gerhard 1994; Seitter 2020), Werbung (vgl. Hofmann 1995; Künzel und Böse 1995), Preisgestaltung (vgl. Arenberg 2013) und Öffentlichkeitsarbeit (vgl. Krähling 2019; von Rein 2000). Diese Bereiche können als konkrete Ansprachestrategien betrachtet werden, bzw. bereiten diese unter Marketinggesichtspunkten vor. Außerdem ist die Unterkategorie der „Teilnehmergewinnung“ im Sinne einer Marktorientierung zu benennen, wobei dieser Begriff vor allem in den 1980er-Jahren auftaucht (vgl. Mader 1982; Poeggeler 1982) und mittlerweile möglicherweise im Begriff des Bildungsmarketings aufgegangen ist. Ebenso bilden im Bereich Bildungsmarketing wie beim Bildungsmanagement einführende und überblickshafte Arbeiten eine Unterkategorie. Als expliziter Forschungsschwerpunkt zeigt sich das Milieumarketing. Dabei werden soziale Milieus als Analyseeinheit entlang der Verortung von sozialer Lage und Grundorientierungen begriffen. Jedoch wird dieser Schwerpunkt auch bildungspraktisch eingeordnet und es wird u. a. nach Möglichkeiten des Zielgruppenmarketings (vgl. Reich-Claassen und Tippelt 2010) gefragt.

3.1.2 Programmplanung und Angebotsentwicklung

Die Programmplanung und Angebotsentwicklung bildet einen weiteren Themenschwerpunkt. Auch hier finden sich einführende Arbeiten, die auf Begriffsklärungen und das Handlungsfeld der Programmplanenden in der Weiterbildung abzielen (vgl. Fleige et al. 2018; Gieseke 2003, 2008; von Hippel 2011; Reich-Claassen und von Hippel 2009). Darunter lassen sich Modelle des Programmplanungshandelns verorten, z. B. das Modell der Wissensinseln von Gieseke (2003, S. 57), in welchem die Ansprache und Gewinnung von Teilnehmenden als Wissensinsel „Zielgruppengewinnung“ expliziert wird. Die jeweiligen Wissensinseln werden im Kontext des „Angleichungshandelns“ (Gieseke 2003, S. 57) thematisiert. Dabei wird die Herausforderung der Vermittlung und Ausbalancierung zwischen „äußeren (Qualifikations‑)Anforderungen, Zielen des Trägers/der Einrichtung, Kompetenzen der Lehrenden sowie Bedarfen, Bedürfnissen und Bildungsvoraussetzungen der potenziellen Teilnehmenden“ (Reich-Claassen und von Hippel 2018, S. 1414) in den Mittelpunkt des pädagogischen Handelns von Programmplanenden gestellt. Ausgehend von einer organisationstheoretischen Perspektive wird die Entwicklung von Ansprachestrategien im Kontext von Planungskulturen (vgl. Dollhausen 2008, S. 13) betrachtet. Es finden sich zudem Titel, die begrifflich stärker auf die Angebotsentwicklung (vgl. Reiber et al. 2016; Wittpoth 2007) abheben, auch wenn die Begriffskonstellationen um die Planung und Entwicklung von Programmen und Angeboten zumeist als Begriffspaar auftauchen. Es ergibt sich eine Schnittstelle zum Themenbereich Zielgruppenarbeit (vgl. von Hippel 2018), da diese auch auf die allgemeine Berücksichtigung der Anforderungen der Adressatinnen und Adressaten bei der Programm- und Angebotsentwicklung zielt. Dadurch wird auch hier der Begriff der Lebenswelt, welche es bei der Planung zu berücksichtigen gilt, herausgestellt (vgl. Kaiser 1990). Zudem wird die Programm- und Angebotsentwicklung in weiteren spezifischen Feldern relevant, wie in der Weiterbildungsberatung, welche in Zusammenhang mit bedürfnisorientierter Angebotsplanung (vgl. Braun und Ehrhardt 1981) und bedarfsorientierter Programmplanung (vgl. Krüger 1981) gebracht wird. Besonders spielt sie jedoch den Titeln nach in der wissenschaftlichen Weiterbildung eine wichtige Rolle, auch unter einem Zielgruppenbezug (vgl. Schemmann und Seitter 2014).

3.1.3 Zielgruppenarbeit

Der Schwerpunkt der Zielgruppenarbeit hat zwar eine begriffliche Nähe zum Zielgruppenmarketing oder der Teilnehmendengewinnung, hebt sich jedoch von diesen ab. Die Zielgruppenarbeit verweist auf die pädagogische Tätigkeit und die pädagogischen Prinzipien (vgl. Schiersmann 1995), nach denen die pädagogische Arbeit ausgerichtet wird. Unter diesen Prinzipien versammelt sich die „Teilnehmerorientierung“, welche als Begriff im Titel vor allem in den 1980ern (vgl. Harney und Krieg 1983; Schlutz 1981) Anwendung findet. Aber auch „Zielgruppenorientierung“, die ab Mitte der 1990er begrifflich verstärkt auftritt und sich bis ins Jahr 2020 (vgl. Kafka 2020) zieht, jedoch auch schon durch Mader (1982) und Schäffter (1981) thematisiert wurden. Außerdem finden sich die Begriffe „Lebensweltorientierung“ (Mader 1991) und „Alltagsweltorientierung“ (vgl. Buschmeyer 1981) in den Titeln bzw. Abstracts, sodass deutlich wird, dass Teilnehmendengewinnung das professionelle Handeln, speziell in didaktischen Zusammenhängen (vgl. Beywl 2020; Forneck 1987), fokussiert. Diese Ausrichtung lässt sich ebenfalls an Beschreibungen ausgewählter Ansprachestrategien erkennen, welche zur Gewinnung bestimmter Gruppen beitragen sollen. Hier zeigt sich zentral die aufsuchende Bildungsarbeit (vgl. Bremer et al. 2015a), die zumeist mit der Sensibilisierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Vernetzung im Sozialraum einhergeht und in den vorliegenden Texten ebenfalls mit Weiterbildungsberatungssettings verbunden ist (vgl. Beyer 2013; Kühnapfel 2008).

3.2 Themenschwerpunkte und ausgewählte Befunde im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung

Der im Folgenden vorgestellte Literaturkorpus umfasst jene Publikationen, die im Rahmen der beschriebenen Literaturrecherche dem Programmbereich der Alphabetisierung und Grundbildung zugeordnet wurden. Bei den Veröffentlichungen handelt es sich in der Regel um Projekt- und Erfahrungsberichte, konzeptionelle Überlegungen sowie explorative, größtenteils qualitative Arbeiten.

3.2.1 Bildungsmarketing

Mit Beginn der Alphabetisierungsarbeit in Deutschland in den 1970er-Jahren (vgl. Abraham und Linde 2018) wird die Gewinnung von potenziellen Teilnehmenden im Kontext von Marketing thematisiert. Bereits 1985 weist Hillebrand in Form eines Erfahrungsberichtes auf die notwendige „Öffentlichkeitsarbeit fuer die Kurse ‚Lesen und Schreiben von Anfang an‘ an der VHS Frankfurt a. M.“ (vgl. Hillebrand 1985) hin. Schon zu diesem Zeitpunkt verdeutlicht er die Relevanz parallellaufender unterschiedlicher Wege zur Bewerbung der Alphabetisierungsmaßnahmen an Volkshochschulen. Anhand von Beispielen aus der Praxis wird die Ansprache anhand üblicher „Werbemittel“, wie dem „Lehrplan“ (nach heutiger Bezeichnung das Programmheft), Briefaktionen und lokalen Presseberichten, dem Einbeziehen von Kontaktpersonen wie „Verwandte, Bekannte, Kollegen, Vorgesetzte, Mitarbeiter des Arbeitsamtes, des Sozialamtes, der Gewerkschaften, der Bewährungshilfe“ (Hillebrand 1985, S. 58) sowie Werbemöglichkeiten über Rundfunk und Fernsehen erläutert. Der prinzipiell jeder Bürgerin und jedem Bürger zugängliche Lehrplan, die Vergabe von Infomaterialien an Teilnehmende selbst und insbesondere das Bestreben der hauptberuflichen Mitarbeitenden der Volkshochschule einen „möglichst persönlichen Kontakt“ (Hillebrand 1985, S. 61) mit den Redakteurinnen und Redakteuren und Journalistinnen und Journalisten herzustellen, erweisen sich als „günstig“, um Kurse erfolgreich zu bewerben (vgl. Hillebrand 1985, S. 59).

Auch nach knapp 25 Jahren setzt man nach wie vor auf „multimedial ausgerichtete Kampagne[n]“, um Erwachsene mit Lese- und Schreibschwierigkeiten zu erreichen (Helten 2010, S. 26). Dementsprechend richtet sich die Werbekampagne im Rahmen des Projektes iCHANCE explizit an eine junge Zielgruppe im Feld der Alphabetisierung und knüpft an altersgruppentypische Motivationsaspekte wie Führerscheinprüfung, Ausbildung oder Freundschaft an, um zielgruppenspezifische Informations- und Werbematerialien zu konzipieren und zu erproben (vgl. Helten 2010, S. 27). Die letztliche Teilnahme an einem entsprechenden Bildungsangebot stellt jedoch nicht das einzige Ziel dieser Werbemaßnahmen dar. Vielmehr zielt die Kampagne mittels verschiedener Ansätze darauf ab, neben den potenziell Teilnehmenden ebenso deren persönliches Umfeld und die Öffentlichkeit im Gesamten anzusprechen und darüber hinaus eine Sensibilisierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und prominenten Botschafterinnen und Botschaftern zu bewirken. Sensibilisierung als pädagogische Aufgabe setzt somit bereits im Bereich des Bildungsmarketings, speziell in der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, ein. Indem es neben der eigentlichen Vermittlung von schriftsprachlichen Kompetenzen in der Alphabetisierungsarbeit also auch immer um Öffentlichkeitsarbeit, „Zielgruppenanalyse, Teilnehmeransprache und Motivation“ (Helten 2010, S. 28) gehe, hebt Helten (2010) die Schnittstellen und Bezugnahme zum Marketingdiskurs hervor, um potenzielle Lernende bestmöglich ansprechen zu können.

3.2.2 Programmplanung und Angebotsentwicklung

Innerhalb der Kategorie Programmplanung und Angebotsentwicklung wird die Entwicklung spezifischer Ansprachestrategien im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung als Bestandteil des pädagogischen Handelns von Programmplanenden bzw. den jeweiligen Fachbereichsleitungen in den Weiterbildungseinrichtungen gesehen (vgl. Brödel und Siefker 2012, S. 148).

Anhand von „Ankündigungstexte[n] in der Alphabetisierungsarbeit“ aus dem Volkshochschulbereich untersuchen beispielsweise Brödel und Siefker (2012) die „Zielgruppensteuerung in einem doppelt gelagerten Weiterbildungssystem“. Mittels der Unterscheidung von freier Alphabetisierungsarbeit und migrations-politisch gesteuerter Alphabetisierungsarbeit analysieren sie die Textgestaltung und Anspracheformen zielgruppenbezogener Angebotstypen (vgl. Brödel und Siefker 2012, S. 151). Kursankündigungen werden dabei als „Inbegriff von pädagogischen Handlungsentscheidungen“ (Brödel und Siefker 2012, S. 150) verstanden.

Aufgrund der Besonderheiten der Zielgruppe, die eine Ansprache „jenseits von verschriftlichten Programmankündigungen“ (Mania und Thöne-Geyer 2018, S. 11) erfordert, ergänzen Mania und Thöne-Geyer (2018) das Modell der Angebotsentwicklung nach Schlutz (2006) für den Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung um die Kategorie der „Ansprachestrategien“. Ausgehend von empirischen Daten aus Gruppendiskussionen mit Programmplanenden werden folgende konkrete Ansprachepraktiken genannt: Medien und öffentliche Kampagnen, öffentliche Veranstaltungen, Sensibilisierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, mündliche Weiterempfehlung sowie Zugänge über (Beratungs‑) Angebote. Für die Angebotsentwicklung und -realisierung spielt die Orientierung an den lebensweltlichen Anwendungs- und Nutzungskontexten der Lernenden eine zentrale Rolle. Die Spezifika der Angebotsentwicklung werden entlang der Besonderheiten der Angebotsformate, Anforderungen an die Lehr-Lern-Materialien und Kursleitenden sowie mögliche Kooperationen thematisiert (vgl. Mania und Thöne-Geyer 2018).

Die Ansprache und Gewinnung von Teilnehmenden als Bestandteil der Programm- und Angebotsentwicklung und als Kernaufgabe von Programmplanenden wurde für den Inhaltsbereich finanzielle Grundbildung im Rahmen des Projekts CurVe (vgl. Mania und Tröster 2015) ausgearbeitet und konkretisiert. Dabei wird insbesondere auf „mündliche Kommunikationskanäle und persönliche, direkte Ansprache“, die „Ansprache der Betroffenen über Dritte“ sowie die Entwicklung entsprechender Qualifizierungs- und Sensibilisierungsangebote sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen Erwachsenen- und Weiterbildung sowie Sozialer Arbeit eingegangen (Mania und Tröster 2015, S. 83).

3.2.3 Zielgruppenarbeit: Ansätze sozialräumlicher und aufsuchender Bildungsarbeit

Die Kategorie Zielgruppenarbeit gruppiert Literatur, welche ausgehend von den Besonderheiten der heterogenen Zielgruppe der gering Literalisierten lebensweltliche bzw. alltagsorientierte Ansätze und spezifische Ansprachestrategien, wie sozialräumliche bzw. aufsuchende Bildungsarbeit, thematisiert. Hier ergibt sich eine Schnittmenge zur Kategorie Programmplanung und Angebotsentwicklung. Die Veröffentlichungen lassen sich dadurch kennzeichnen, dass die beschriebenen Strategien und Ansätze an ähnlichen Ausgangsproblematiken ansetzen. Zum einen wird auf die Problematik der „doppelten Verankerung von Bildungsdistanz“ zwischen potenziellen Lernenden und Bildungseinrichtungen verwiesen (vgl. Kemner et al. 2020, S. 12; Mania und Tröster 2015; Schneider et al. 2011). Damit wird betont, dass „nicht nur die Individuen (…) Distanz zu institutionalisierter (Weiter‑)Bildung“ haben, „sondern umgekehrt hat auch die institutionelle Weiterbildung soziale und kulturelle Distanz zu diesen Adressat/inn/en“ (Bremer et al. 2015b, S. 17). Pape (71,72,a, b) arbeitet beispielsweise heraus, inwiefern „Habitus-Milieu-Diskrepanzen“ die Kursteilnahme beeinflussen und leitet Perspektiven zur Gewinnung von Teilnehmenden ab. Zum anderen wird betont, dass in der Alphabetisierung und Grundbildung „alternative“ (Mania und Thöne-Geyer 2018, S. 11) und „innovative“ (Schneider et al. 2011) Formen der Ansprache genutzt werden müssen, die an Ansätze aufsuchender bzw. sozialräumlicher Arbeit anknüpfen. Über die Alltags- und Lebensweltorientierung und den Wandel von einer „Komm-Struktur“ zu einer „Geh-Struktur“ können vorhandene Barrieren reduziert werden (Mania und Tröster 2015, S. 84). Dies lässt sich darauf zurückführen, dass bei „klassische[r] Werbung mit Programmheften, über Online-Datenbanken oder in Zeitungen […] der Fokus also auf schriftsprachlicher Kommunikation liegt“ (Mania und Tröster 2015, S. 83), was der tatsächlichen Erreichbarkeit und der erfolgreichen Ansprache der Betroffenen im Wege steht. Als Spezifikum lässt sich festhalten, dass insbesondere die persönliche und mündliche Ansprache vor Ort – also die direkte und unmittelbare Interaktion mit den Grundbildungsadressatinnen und -adressaten selbst – am effektivsten zu sein scheint (vgl. Buddeberg 2015; Fingerhut 2018; Kemner et al. 2020; Pfaff und Dölle 2011; Tröster et al. 2018a). Insgesamt wird jedoch auf die Vielfalt und gleichzeitige Anwendung verschiedener Ansprachestrategien gesetzt, um der Heterogenität der Zielgruppe gerecht zu werden (vgl. Mania und Thöne-Geyer 2018, S. 11).

Ausgehend von der Bedeutung vertrauensvoller Beziehungen sowie vertrauter, alltäglicher Settings für die Ansprache und Gewinnung neuer Teilnehmender für die Alphabetisierungs- und Grundbildungsangebote wird die Bedeutung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren als Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Eingebundenheit Kontakt zu potenziellen Lernenden haben, herausgestellt. Dabei handelt es sich um Schlüsselpersonen (vgl. Wagner 2011), Gatekeeper (vgl. Popp und Sanders 2011), Brückenmenschen und Vertrauenspersonen (vgl. Bremer et al. 2015b; Tröster et al. 2018b). Als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren können dabei beispielsweise Kursleitende (vgl. Pachner und John 2011), JobPaten (vgl. Schulte-Hyytiäinen 2010), Ehrenamtliche (vgl. Fingerhut 2018) oder Mitarbeitende aus der Sozialberatung, von Jobcentern und Arbeitsagenturen und von Sparkassen und Banken fungieren (vgl. Tröster et al. 2018a). Ergänzend dazu ist das mitwissende Umfeld gering Literalisierter, wie Familienmitglieder, Angehörige, Kolleginnen und Kollegen oder Bekannte (vgl. Buddeberg 2015; Riekmann et al. 2016) zu nennen.

So werden Sensibilisierungsschulungen für das Personal in spezifischen Einrichtungen (vgl. Kemner et al. 2020; Pfaff und Dölle 2011), Fortbildungskonzepte für ausgewählte Gruppen von Ansprechpersonen (vgl. Fingerhut 2018; Klein et al. 2011); Sensibilisierungsworkshops ausgewählter Inhaltsbereiche wie der finanziellen Grundbildung (vgl. Tröster et al. 2018a) oder sozialintegrative Beratungs‑, Bildungs-, oder Unterstützungsangebote (vgl. Ernst et al. 2009) konzipiert. Allen Ansätzen ist gemeinsam, dass auf die sozialräumliche Vernetzung und Kooperation vor Ort gesetzt wird, um neue Adressatinnen und Adressaten über (neue) Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und neue Lernorte zu gewinnen. Die Maßnahmen sind allesamt darauf ausgelegt, die adressierten Ansprechpersonen, bspw. Mitarbeitende in Jobcentern, Beratungsfachkräfte, Erzieherinnen und Erzieher oder Quartiersmanagerinnen und -manager, unter Einbezug ihres Kontextes, in ihrer Wahrnehmung und ihrem Einfühlungsvermögen zu schulen, um die Zielgruppe gering Literalisierter erkennen und mittels verschiedener „zielgruppenadäquater Kommunikationskanäle und Medien“ (Mania und Tröster 2015, S. 85) sensibel ansprechen zu können.

4 Fazit und Ausblick

Der Beitrag bietet einen Überblick über die thematischen Stränge zur Teilnehmendengewinnung in der Weiterbildung und fasst den Diskussionsstand zu spezifischen Ansprachestrategien in der Alphabetisierung und Grundbildung zusammen. Die Ergebnisse eines Literaturreviews sind dabei abhängig von den gewählten Suchbegriffen und der genutzten Datenbank, sodass kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht.

Mit Blick auf die vorgestellte Literatur wird deutlich, dass das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Zum einen kann aus der institutionellen, organisationstheoretischen und professionellen Perspektive diskutiert werden, welche Anforderungen sich für das pädagogische Personal bzw. das professionelle Handeln ergeben und welche konkreten Aufgaben und Fortbildungsbedarfe damit verbunden sind. Zum anderen können aus der Perspektive der Adressatenforschung, die Bedarfe und Bedürfnisse, Lebenswelten und Zugangswege der spezifischen Zielgruppen bzw. potenziellen Teilnehmenden fokussiert werden und daraus Konsequenzen für passende Ansprachestrategien seitens der Weiterbildungseinrichtungen abgeleitet werden.

So zeigt sich die Teilnehmendengewinnung erstens als Aufgabe des Bildungsmanagements bzw. des Bildungsmarketings, indem es inhaltlich etwa um Bedarfsanalysen, Werbung, Preisgestaltung, Vernetzung oder Öffentlichkeitsarbeit geht. Zweitens wird Teilnehmendengewinnung als eine der Aufgaben von Programmplanenden im Rahmen von Programm- und Angebotsentwicklung in der Weiterbildung gesehen. Hier werden die Anforderungen an das pädagogische Handeln vor dem Hintergrund der unterschiedlichen institutionellen Rahmenbedingungen und der Vermittlung und Ausbalancierung unterschiedlicher Interessen und Perspektiven herausgestellt. Drittens lässt sich Zielgruppenarbeit als weiterer Schwerpunkt benennen, der vor allem auf die pädagogischen Prinzipien wie die Teilnehmendenorientierung, Lebensweltorientierung oder Alltagsweltorientierung und das professionelle Handeln in konkreten Lehr-Lern-Settings sowie aufsuchende Ansprachestrategien abhebt. Im Hinblick auf Forschungsbedarfe mangelt es an Studien zur Relevanz und den spezifischen Herausforderungen und Strategien der Teilnehmendengewinnung in unterschiedlichen Feldern der Weiterbildung, wie Sprachen, Politik, Kultur in Abhängigkeit etwa vom Anbietertyp, der Umwelt sowie regionaler Rahmenbedingungen. Teilnehmendengewinnung wird in den vorgestellten Publikationen zudem meist als Teil- oder Nebenaspekt behandelt. Außerdem stellt sich die Frage, welche intra- und interorganisationalen Abstimmungs- und Koordinationsaufgaben sowie Vernetzungsaktivitäten mit der Entwicklung von Ansprachestrategien für bestimmte Adressatinnen und Adressaten, bzw. Zielgruppen einhergehen. Die Bedeutung und Art der Zusammenarbeit von Leitungskräften, Programmplanenden und Lehrenden sowie ihre jeweilige besondere Perspektive auf die Teilnehmendengewinnung sind als weitere Forschungsdesiderata zu nennen.

Die jeweiligen thematischen Schwerpunkte wie Bildungsmanagement, Programmplanung und Angebotsentwicklung und Zielgruppenarbeit finden sich auch grundsätzlich wieder, wenn der Programmbereich Alphabetisierung und Grundbildung bzw. die Zielgruppe der gering literalisierten Erwachsenen fokussiert wird. Bei der Beschreibung konkreter Ansprachepraktiken wird auf Konzepte der sozialraumorientierten, bzw. -aufsuchenden Bildungsarbeit Bezug genommen, die im Rahmen einer Vielzahl von Projekten der Weltalphabetisierungsdekade und der Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung und Kultusministerkonferenz 2016) gefördert wurden. Aufgrund der schwierigen Erreichbarkeit der Zielgruppe für organisierte Weiterbildung über klassische – zumeist schriftliche – Kommunikationskanäle bedarf es multipler Ansprachewege sowie innovativer bzw. lebensweltorientierter Zugänge. Dabei wird insbesondere die persönliche und mündliche Ansprache vor Ort über Multiplikatorinnen und Multiplikatoren hervorgehoben. Dies setzt interorganisationale und interdisziplinäre Vernetzung sowie sozialräumliche Kooperation voraus. Es ist jedoch nicht geklärt, welche Ressourcen Programmplanende für die Programm- und Angebotsentwicklung im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung zur Verfügung haben. Ausgehend von Volkshochschulen als den quantitativ bedeutsamsten Träger der Angebote in diesem Bereich (vgl. Christ et al. 2019) zeichnet sich ab, dass die Fachbereichsleitungen für Alphabetisierung und Grundbildung in Abhängigkeit von der Größe und vom Profil der Volkshochschule zumeist weitere Fachbereiche wie Sprachen, Schulabschlüsse, aber auch Gesundheit, Arbeit und Beruf verantworten müssen.

Die für die Alphabetisierung und Grundbildung beschriebenen Ansprachestrategien basieren zumeist auf konzeptionellen Überlegungen, Projekt- und Erfahrungsberichten, die in der Regel nicht umfassend evaluiert wurden. Daher fehlt es an Forschungsarbeiten, welche die Ansprachestrategien der Weiterbildungsanbieter in diesem Inhaltsbereich systematisch erfassen und im Hinblick auf die Erfolgskriterien und Wirksamkeit analysieren.