Das Thema Anerkennung, Validierung und Zertifizierung von Kompetenzen bewegt seit einigen Jahren den Bildungsbereich. Während im Bereich der Berufsausbildung und Hochschulbildung die Entwicklung von Instrumenten und Verfahren zur Feststellung und Messung von Lernleistungen im Vordergrund steht (exemplarisch Nickolaus und Seeber 2013; Hanft und Müskens 2013), konzentriert sich die Diskussion in der Erwachsenen- und Weiterbildung stärker auf die Anerkennung non-formal und informell erworbener Kompetenzen (Strauch et al. 2009; Gnahs 2010). Im gegenwärtigen Diskurs zur Kompetenzanerkennung wird die Anerkennung von Kompetenzen entweder auf die Güte der Verfahren zur Kompetenzfeststellung oder auf die arbeitsmarkt- bzw. bildungssystembezogene Verwertbarkeit bezogen. Damit ist die Gefahr verbunden, erwachsenenpädagogische Formate der Kompetenzanerkennung auf eine evaluierende bzw. bewertende Funktion engzuführen und die pädagogische Dimension aus dem Blick zu verlieren. Eine besondere Bedeutung für den Anerkennungsprozess kommt den Personen zu, die Kompetenzvalidierungen durchführen. In den aktuellen europäischen und nationalen bildungspolitischen Strategien zur Validierung von non-formal und informell erworbenen Kompetenzen besteht eine der Zielsetzungen in der Professionalisierung dieser Personen (Rat der Europäischen Union 2012; BMB und BMWFW 2017). Das Projekt „wba innovativ Wissenschaftliche Begleitung“ untersucht in diesem Kontext am Beispiel der Weiterbildungsakademie Österreich (wba), welche Kompetenzen von den Akteurinnen und Akteuren eingebracht werden müssen, um Anerkennungsprozesse durchführen und steuern zu können. In diesem Beitrag werden erste Ergebnisse der empirischen Studie zur Validierungspraxis vorgestellt. Es erfolgt zunächst eine Darstellung des Forschungskontextes inklusive der zugrunde liegenden theoretischen Perspektiven und dem daraus abgeleiteten methodischen Vorgehen. Darauf aufbauend werden anhand eines Textbeispiels aus dem empirischen Material die professionellen Aushandlungsprozesse der Akteure herausgearbeitet. Abschließend werden die ersten Ergebnisse der empirischen Untersuchung theoretisch eingeordnet sowie hinsichtlich der Anforderungen an Validierungsfachkräfte im Feld der Erwachsenenbildung diskutiert.

1 Forschungskontext und -zugang

Im Rahmen eines in Österreich laufenden ESF- und BMBWF-geförderten Kooperationsprojekts (2015–2018) des Arbeitsbereichs Erwachsenen- und Weiterbildung des Instituts für Erziehungs- und Bildungswissenschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz und des Österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung wird unter anderem die Validierungspraxis des wba-Kompetenzanerkennungsverfahrens untersucht. Ziel dieses Verfahrens ist die Anerkennung von für die Erwachsenenbildungstätigkeit relevanten Kompetenzen. Es handelt sich um einen anforderungsorientierten summativen Validierungsansatz, der auf den Erwerb eines Zertifikats („Zertifizierte Erwachsenenbildner/in“) abzielt, für das es keine Entsprechung im formalen Bildungssystem gibt (Schneeberger et al. 2009). Die Kompetenzfeststellung erfolgt im Rahmen einer Standortbestimmung (STOB) durch die Zuordnung von Nachweisen zu einem vorgegebenen Qualifikationsprofil, welches aus Anforderungen im Handlungsfeld Erwachsenenbildung abgeleitet und festgelegt wurde. Methodisch kommt dabei eine Kombination von Dokumenten- und Performanzprüfung (Annen 2012, S. 144 f.) zur Anwendung. Es werden sowohl direkte Nachweise (NW), die den Kandidatinnen und Kandidaten unmittelbar zuzurechnen sind, als auch indirekte Nachweise als Bestätigung der Arbeitserfahrung und Kompetenzen der Kandidaten von dritter Seite anerkannt. Ergänzende Nachreichungen von Nachweisen durch die Kandidaten sind möglich. Die Performanzprüfung findet im Rahmen einer Zertifizierungswerkstatt (ZWS) durch ein Assessment sowie einen Multiple-Choice-Wissenstest (MC-Test) statt. Die nachstehende Abbildung gibt einen Überblick über die Struktur des wba-Kompetenzanerkennungsverfahrens, dessen Beurteilungsprozesse sich am wba-Qualifikationsprofil und den darin festgelegten Kompetenzen und Wissensbeständen orientieren (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Struktur des wba-Kompetenzanerkennungsverfahrens (eigene Darstellung)

Das wba-Kompetenzanerkennungsverfahren ist ein individuelles Verfahren, das auf einzelfallbezogenen Entscheidungen basiert. Die personenbezogenen Bewertungen der eingebrachten Nachweise erfolgen durch die wba-Mitarbeitenden, die auch die Begleitung und Beratung der Kandidatinnen und Kandidaten während des gesamten Anerkennungsprozesses durchführen. Die anerkennende Instanz ist der unabhängige Akkreditierungsrat, der sich aus fünf Expertinnen und Experten unterschiedlicher Bereiche zusammensetzt. In einem mehrstufigen Prozess wird auf Grundlage der geprüften Unterlagen und des Assessments ein Beschluss über die Vergabe von Abschlüssen getroffen (Gruber 2017).

Das Forschungsprojekt „wba innovativ Wissenschaftliche Begleitung“ zielt auf eine begründete Weiterentwicklung der aktuellen Bewertungs- und Validierungspraxis der wba ab. Dazu bedarf es unter anderem einer Analyse des Ist-Standes der Validierungspraxis der wba. Dabei waren folgende Fragestellungen leitend:

  1. 1.

    Welches Wissen und welche Erfahrungen werden bei der Validierungs- bzw. Anerkennungspraktik der wba eingesetzt? Welche Expertise wird deutlich?

  2. 2.

    Welchen Handlungsprinzipien wird bei der Bewertungs- und Validierungspraxis gefolgt?

1.1 Theoretische Perspektiven

Der Untersuchung der Frage, welche Kompetenzen und welches Wissen die Mitarbeitenden der wba benötigen, um die eingereichten Nachweise für erwachsenenbildnerische Kompetenz bewerten und validieren zu können, liegt die These zugrunde, dass die derzeitige Form der Kompetenzbewertung der wba über ein ausschließlich regelgebundenes Handeln hinausgeht und auf einer Verschränkung von regelgeleitetem Handeln, Expertise und Erfahrung beruht.

Expertise wird üblicherweise als eine Bezeichnung dafür verwendet, dass eine Person in einem bestimmten Gebiet über herausragende Eigenschaften und Fähigkeiten verfügt, die häufig schon angeboren sind im Sinne von Talenten. Die US-amerikanischen Psychologen Ericsson und Charness (1994) setzten diesen Zugängen mit ihren Forschungen ein alternatives Verständnis entgegen, demgemäß Expertise nicht primär eine persönliche Eigenschaft oder Fähigkeit, sondern vielmehr eine spezifische Form des Handelns ist. Unter Expertisehandeln (expert performance) verstehen sie eine reproduzierbare, sich wiederholt zeigende exzellente Leistung von Personen in einem Gebiet des alltäglichen Handlungszusammenhangs, die durch fokussierte Aktivitäten bzw. Trainings erlernbar ist (Ericsson und Charness 1994, S. 726). Am Beispiel von Schachspielenden konnten sie zeigen, dass sich Expertisehandeln insbesondere durch das erfolgreiche Antizipieren zukünftiger Situationen aufgrund einer genauen Analyse der gegebenen Situation auszeichnet. Die nachstehende Abbildung zeigt, inwieweit sich die mentalen Prozesse durchschnittlicher Spielerinnen und Spieler – „Club Player“ (links) – von jenen von Expertinnen und Experten (rechts) bei der Situationsbewertung und Planung des nächsten Zugs unterscheiden: Club Player konstruieren die Auswirkungen einzelner Züge Schritt für Schritt, um sich auf diesem Weg ein Bild der Situation zu machen; Experten hingegen berücksichtigen eine größere Anzahl an alternativen Optionen und analysieren einige davon wesentlich genauer als die Club Player. Sie schenken den kritischen Aspekten des folgenden Zugs größere Aufmerksamkeit und antizipieren zukünftige Ereignisse erfolgreicher (ebd., S. 734 ff.) (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Expertisehandeln am Beispiel von SchachspielerInnen (Quelle: Ericsson und Charness 1994, S. 734)

Die von Ericsson und Charness rekonstruierten Denkprozesse der genauen Analyse und Antizipation zukünftiger Ereignisse führen zu unterschiedlichen und teilweise widersprüchlichen Handlungsoptionen, die einen komplexen Abwägungsprozess erfordern, um in der konkreten Situation Entscheidungen treffen und handlungsfähig bleiben zu können. Aus Perspektive einer interaktionistischen Professionalitätstheorie stellen sich solche Abwägungsprozesse als professionelle Aushandlungsprozesse im Umgang mit „paradoxe[n] Problembündelungen, die auf dem notwendigen Widerstreit divergierender Orientierungstendenzen bei der Bewältigung von Klientenproblemen … beruhen“ (Schütze 2000, S. 50), dar. Diese Paradoxien werden von Schütze auf die „unaufhebbaren Kernprobleme kommunikativer Interaktion und Welterkundung“ (ebd.) zurückgeführt, die sich aus der Interaktion zwischen professionellen Akteuren und Klienten sowie dem zu erkundenden Problembereich ergeben. Schütze beschreibt für den Bereich des professionellen Handelns im Sozialwesen eine vorläufige Liste an Paradoxien. Für den Forschungsgegenstand der Validierungspraxis sind vor allem vier der von ihm genannten Problemkomplexe von Interesse. Dazu gehören auf der Ebene der Fallbearbeitung die Notwendigkeit, für den konkreten Fall soziale und biografische Prozesse zu prognostizieren, ohne über eine ausreichende empirische Basis zu verfügen, und der mögliche Widerspruch zwischen der biografischen Ganzheitlichkeit eines Falls und der Expertenspezialisierung. In Bezug auf die Beziehungsebene wird das von ihm als „pädagogisches Grunddilemma“ bezeichnete Spannungsfeld zwischen der professionellen Unterstützungsleistung und der Stärkung der Selbsthilfekompetenzen der Klientinnen und Klienten relevant. Hinsichtlich der Verfahrensebene thematisiert er das Dilemma zwischen der Sicherheit durch Orientierung an Routineverfahren und der gleichzeitig damit verbundenen Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten.

Diese „unaufhebbaren Dauer- und Kernprobleme des professionellen Handelns“ können nach Schütze nicht gelöst, sondern müssen in der konkreten Situation „umsichtig im Sinne von Gratwanderungen bearbeitet werden“ (ebd., S. 65). Schütze betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung eines bewussten und offenen Umgangs mit diesen Widersprüchen im Gegensatz zu „Umgehungsstrategien“ oder der „Verabsolutierung einer der beteiligten Widerstreitsseiten“ (ebd., S. 51). Stattdessen ist es erforderlich, dass sich die professionellen Akteure „offen in systematischer kritischer Selbstvergewisserung und -reflexion“ (ebd., S. 90) mit diesen unauflöslichen Paradoxien professionellen Handelns auseinandersetzen, um so Fehlertendenzen bewusst kontrollieren zu können. Nachfolgend wird dargestellt, wie sich diese theoretische Perspektive zu den Paradoxien professionellen Handelns in Bezug auf die Interpretation des vorliegenden empirischen Materials zur Validierungspraxis von Akteuren in der Kompetenzanerkennung übertragen und erweitern lässt.

1.2 Methodisches Vorgehen

Um die Bewertungs- und Anerkennungspraxis der wba zu erforschen, wurden vor der systematischen Untersuchung explorative Vorarbeiten durchgeführt. Dabei wurde deutlich, dass die Mitarbeitenden in Bezug auf den professionellen Funktionskontext der Kompetenzanerkennung komplex integrierte Wissensbestände und Handlungsorientierungen einsetzen, die einerseits kommunikativ und reflexiv verfügbar sind. Andererseits spielen auch implizite und vorreflexive Wissensbestände in der Anerkennungspraxis eine große Rolle. Daher wurde für die Erhebung der Daten zur Anerkennungspraxis nicht die Methode der Experteneninterviews gewählt, sondern die von Ericsson und Charness (1994) verwendete Methode des „Lauten Denkens“.

„Lautes Denken“ bezeichnet eine Forschungsmethode zur Erfassung mentaler Prozesse während der Bearbeitung einer Aufgabenstellung. Im Unterschied zum Experteninterview zeichnet sich die Methode dadurch aus, dass sie Einblicke in mentale Prozesse und das Problemlöseverhalten zum Zeitpunkt des Handlungsvollzugs ermöglicht (Frommann 2005). Die Methode zielt auf die Erfassung handlungssteuernder Kognitionen und kann sowohl zur Untersuchung strukturierter Lern- und Problemlösesequenzen als auch zur Analyse weniger strukturierter Verhaltensprozesse verwendet werden (Konrad 2010, S. 480 ff.). Die Stärken der Methode liegen einerseits in der Möglichkeit der Kontextualisierung – die Erhebung der Forschungsdaten kann integriert in den Arbeitskontext der Untersuchungsteilnehmenden eingebunden werden – und zudem in der starken Handlungsperspektive und der ausgeprägten Prozessbezogenheit – verbale Protokolle ermöglichen es, Informationen über Handlungsprozesse zu geben. Kritische Anmerkungen zur Methode des Lauten Denkens zielen vor allem auf die unzureichende Verbalisier- und Artikulierbarkeit von kognitiven Prozessen höherer Ordnung sowie unbewusster automatisierter Prozesse ab (ebd., S. 485 f.). Generell erweist sich die Methode des Lauten Denkens aber trotz der Kritik vor allem zur Erhebung von Kognitionen im Kontext von Handlungen als sinnvolles Verfahren. Insbesondere die Tiefe, Vielfalt und Komplexität von im Rahmen des Lauten Denkens artikulierten Denkprozessen spricht für eine Auswertung im Sinne der interpretativen qualitativen Sozialforschung (Charters 2003, S. 74 ff.).

Die Übertragung der Methode des Lauten Denkens auf den vorliegenden Forschungskontext eröffnet die Möglichkeit, Prozesse während der Kompetenzanerkennung zu dokumentieren und anschließend zu analysieren. Durch die lautsprachlichen Äußerungen der eigenen Gedanken sollen einerseits routinierte Abläufe deutlich werden und zudem Abweichungen von diesen Routinen identifiziert werden. Der Fokus liegt dabei auf dem Problemlöseverhalten und den dafür unmittelbar verwendeten Begründungen und Erklärungen. Für die Datenerhebung wurde die parallele Bearbeitung eines „Vergleichsportfolios“ durch mehrere wba-MitarbeiterInnen im Rahmen der Standortbestimmung ausgewählt – ein Prozess, der regelmäßig als ein internes Qualitätssicherungsverfahren durchgeführt wird. Die Bearbeitung des „Vergleichsportfolios“ bietet neben der Erhebung der Wissensbestände zusätzlich die Möglichkeit, das Problemlöseverhalten bei der gleichen Aufgabenstellung bei mehreren Mitarbeiterinnen separat zu erfassen. Ergänzend wurden die anschließende Teamsitzung sowie die Sitzung des Akkreditierungsrates zur Besprechung des Vergleichsportfolios aufgezeichnet, welche jedoch in diesem Beitrag nicht weiter ausgeführt werden. Die fünf Bearbeitungen des Vergleichsportfolios, die eine Dauer von insgesamt 10,5 h umfassen, wurden auf Audiodatei aufgezeichnet und für die Auswertung transkribiert.

Die Auswertung dieser Daten folgte dem interpretativ-rekonstruktiven Paradigma, bei dem das Sinnverstehen der verbalisierten Handlungen und die Rekonstruktion der Anerkennungspraktiken sowie der handlungsleitenden Wissensbestände und Haltungen im Fokus stehen. Methodisch wurde dazu im ersten Schritt auf die inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse zurückgegriffen, die sich nicht auf den manifesten Textinhalt beschränkt, sondern auch latente Bedeutungsgehalte berücksichtigt und sich dazu eignet, Themen zu identifizieren und zu systematisieren sowie wechselseitige Relationen zu analysieren (Kuckartz 2012). Im Vordergrund stand dabei nach einer explorativen Phase eine Systematisierung der Dimensionen und Prinzipien, die bei der Anerkennungspraxis der wba handlungsleitend sind – im Folgenden als Expertisedimensionen und Haltungen bezeichnet. Ergänzt wurde die Datenauswertung durch Sequenzanalysen der Abläufe von Handlungsschritten und Entscheidungen während des Bearbeitungsprozesses, um die mentalen Prozesse zu rekonstruieren.

2 Erste Ergebnisse

Das empirische Material wurde aus einer professionstheoretischen Perspektive hinsichtlich der Validierungspraxis der Akteurinnen und Akteure untersucht. Die fallübergreifende Analyse der fünf Transkripte zeigt, dass sich die Herangehensweisen und Abläufe bei der Aufgabenbearbeitung sowie die Strategien beim Lösen von Problemen zwischen den wba-Beraterinnen zum Teil unterschieden, dass aber Auffälligkeiten in gleicher oder ähnlicher Weise erkannt bzw. benannt wurden. Alle wba-Beraterinnen analysierten bei ihren Prüf- und Entscheidungsprozessen sowohl die einzelnen Nachweise des Portfolios als auch das gesamte Portfolio in seiner Aussagekraft. Dabei setzten sie komplex integrierte Wissensbestände und Handlungsorientierungen in Bezug auf den professionellen Funktionskontext der Kompetenzanerkennung ein. Sie berücksichtigten zeitgleich unterschiedliche Aspekte, bspw. unterschiedliche formale und inhaltliche Kriterien und schenkten kritischen Aspekten größere Aufmerksamkeit. Zur Verdeutlichung der Ergebnisse wird nachfolgend die Rekonstruktion der Kategorien und Handlungsprozesse anhand einer Passage aus dem empirischen Material illustriert. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus einem Einzelprotokoll der Datenerhebung mittels der Methode des Lauten Denkens. Die Probandin sichtet ein Kompetenzportfolio und beurteilt die einzelnen Nachweise hinsichtlich ihrer Relevanz und Anrechenbarkeit für das dem Bewertungsprozess zugrunde liegende Qualifikationsprofil. In dem ausgewählten Ausschnitt steht ein Nachweis für eine non-formale Weiterbildung zur Anwendung von Kompetenzmessverfahren in der Beratungspraxis im Mittelpunkt. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass die Probandin entsprechend der Methode des Lauten Denkens ihre eigenen Gedankenprozesse spontan und möglichst unreflektiert beschreibt. Die Einordnung und Interpretation dieser Beschreibungen erfolgt anschließend durch die Auswertung und Interpretation des empirischen Materials.

[…] das ist auch nicht ganz eindeutig, das ist akkreditiert für Beratungskompetenz aber da wird es in einem großen Teil auch um Kompetenzmessverfahren gehen und Kompetenzmessverfahren ist ein sehr spezifisches Thema das eher schon […] in die Pädagogik und in die Bildungswissenschaft rein reicht aber es ist halt als Beratung akkreditiert. Ich lass es mir einmal auf der Seite und überleg mir ob das ned vielleicht ein bisschen für Pädagogik anerkannt werden könnte Grundlagen der Pädagogik bildungstheoretische Kompetenz heißt das bei uns und da schauts oft ein bisschen schlecht aus und ich kann mir vorstellen dass es bei ihr schlecht ausschaut als Soziologin in dem Bereich – das wäre aber auf jeden Fall etwas Spezifisches was ich mit dem Akkreditierungsrat besprechen muss […] ja da ist jetzt meine eigenständige Leistung […] (B, Z. 97–106).

Gleich zu Beginn wird von der Probandin darauf hingewiesen, dass der Inhalt bzw. Titel des Nachweises für eine eindeutige Zuordnung nicht ausreichend ist. Dieser Feststellung widerspricht zunächst die anschließende Einordnung als ein akkreditierter Nachweis, der im Sinne einer Pauschalanerkennung automatisch einen bestimmten Kompetenzbereich des Qualifikationsprofils zugeordnet werden könnte. Die Probandin bezieht jedoch auch die fachliche Zuordnung zu einem weiteren Bereich in ihre Überlegungen ein, welche sich nicht aus dem Nachweis für die akkreditierte Weiterbildung ableitet. Sie begründet diese Relativierung der „automatisierten“ Zuordnung mit Bezug auf das Gesamtportfolio und dem formalen Abschluss des/der Kandidat/in, aus welchem sie Tendenzen für die Nachweisbarkeit bestimmter Kompetenzbereiche ableitet. Hier wird bereits ein umfangreiches Erfahrungswissen in Bezug auf die erforderlichen Kompetenzen entsprechend dem Qualifikationsprofil und ihrer Nachweisbarkeit durch formale Abschlüsse deutlich. Der individuelle Selbstvergewisserungsprozess wird durch einen Hinweis auf die erforderliche Abstimmung mit dem Akkreditierungsrat auf einer übergeordneten Ebene des Austauschs und der Qualitätssicherung ergänzt. Abschließend werden die Überlegungen der möglichen Zuordnung zu einem weiteren Kompetenzbereich fachlich mit Bezug zum aktuellen Diskurs in der Erwachsenenbildung plausibilisiert und auf die eigene, individuelle Expertise hingewiesen, die zu einem späteren Zeitpunkt mit der fachlichen Ausbildung begründet wird.

In diesem Textausschnitt wird deutlich, wie auf unterschiedliche Dimensionen von Expertise zurückgegriffen wird, um eine eindeutige und nachvollziehbare Zuordnung des Nachweises vorzunehmen. Das zunächst explizit formulierte Wissen zu den Vorgaben des Anerkennungsverfahrens in Bezug auf Nachweise von akkreditierten Weiterbildungen (Verfahrensexpertise) wird durch das Erfahrungswissen im Hinblick auf das Gesamtprofil relativiert. Der Inhalt des Nachweises wird zusätzlich zu dem Wissen um eine „automatisierte“ Anerkennung auf weitere Möglichkeiten der Zuordnung geprüft (Inhaltsexpertise). Eine alternative Anerkennung wird im Rückgriff auf die fachliche Expertise im Feld der Erwachsenenbildung begründet (Feldexpertise), jedoch die damit verbundene Entscheidung nicht getroffen, sondern an den Akkreditierungsrat als nächste Entscheidungsinstanz weitergegeben (Verfahrensexpertise). Im Zuge der Auswertung der weiteren Laut-Denken-Protokolle wurde deutlich, dass bei den Entscheidungs- bzw. Problemlösungsprozessen im Rahmen der Kompetenzbewertungen und -anerkennungen der wba von allen Beteiligten wiederholt auf ähnliche Formen der Expertise zurückgegriffen wird. Auf Basis der empirischen Daten und ergänzt um theoretische Überlegungen und Literaturstudien zum Expertiseverständnis (Ericsson und Charness 1994), zu diagnostischer Kompetenz von Weiterbildnern (Strauch et al. 2009, S. 33 ff.) und zum Feld der Erwachsenenbildung (Gruber und Lenz 2016) wurde das Expertisehandeln der wba-BeraterInnen anhand folgender drei Dimensionen unterschieden:

  • Verfahrensexpertise umfasst Wissen und Erfahrungen zu Validierungsverfahren im Allgemeinen sowie zum wba-Verfahren im Speziellen inklusive der zugehörigen Problemlöse- und Entscheidungsfähigkeit;

  • Inhaltsexpertise bezeichnet das Vermögen, die in Zeugnissen, Bestätigungen, Kompetenzbeschreibungen etc. angeführten Inhalte von Lehr/Lernprozessen hinsichtlich der von der wba geforderten Kompetenzen beurteilen zu können;

  • Feldexpertise meint (Fach- und Erfahrungs‑)Wissen über das Handlungsfeld, auf welches das Validierungsverfahren ausgerichtet ist – im vorliegenden Fall der Zertifizierung von Erwachsenen- und Weiterbildnern ist es das Feld der Erwachsenenbildung. Sie umfasst Wissen zu den Institutionen der Erwachsenenbildung und zur Anbieterlandschaft in Österreich, zu den Angeboten und zur Angebotsstruktur, zum Berufs- und Beschäftigungsfeld der Erwachsenenbildung, zu rechtlichen Grundlagen und zur Steuerung der Erwachsenenbildung in Österreich, zu internationalen Entwicklungen und Strukturen sowie zu historischen Entwicklungen und gegenwärtigen Tendenzen und Perspektiven der Erwachsenenbildung.

Die Dimensionen Verfahrens‑, Inhalts- und Feldexpertise sind vor allem als analytische Kategorien zu verstehen, da sie – wie die Laut-Denken-Protokolle belegen – in der Kompetenzvalidierungspraxis vielfach überschneidend und komplementär eingesetzt werden.

Zusätzlich zu den unterschiedlichen Dimensionen von Expertise zeigen sich im empirischen Material jedoch auch grundlegende Haltungen, welche die beschriebenen Abwägungsprozesse auslösen oder steuern. Dies wird zu Beginn des Textausschnitts deutlich, in welchem als Grund für die über die „automatisierte“ Anerkennung hinausgehenden Überlegungen das Gesamtportfolio des Kandidaten bzw. der Kandidatin für die Beurteilung herangezogen wird. Die Probandin entscheidet nicht nur auf Grundlage des einzelnen vorliegenden Nachweises, sondern ordnet diesen in die gesamte Bildungs- und Berufsbiografie ein, welche über den Lebenslauf dokumentiert wird. Gleichzeitig orientiert sie ihre Handlungs- und Entscheidungsschritte an einer wertschätzenden Haltung gegenüber der individuellen Person und der Zielsetzung einer bestmöglichen Anerkennung der vorhandenen Kompetenzen. Diese grundlegende Orientierung wird nachfolgend als pädagogische Haltung bezeichnet. Unter einer pädagogischen Haltung wird das Handlungsprinzip eines wertschätzenden und anerkennenden Umgangs mit vielfältigen Bildungswegen verstanden sowie eine ganzheitliche Sicht auf individuelle Kompetenzprofile. Sie manifestiert sich in einem breiten Sichtbarmachen von Kompetenzen bzw. Nachweisen, also dem Aufzeigen möglichst vieler Nachweise, auch in Fällen, wo einzelne Kompetenzbereiche auch mit weniger, dafür zeitlich umfangreicheren Kompetenzerwerbsnachweisen belegt werden könnten. Die ganzheitliche Sichtweise wird zudem in den Bezugnahmen auf den Lebenslauf bei der Beurteilung von Nachweisen und in Gesamteinschätzungen deutlich.

Demgegenüber lassen sich in dem Textausschnitt jedoch auch Handlungsschritte und Abwägungsprozesse hinsichtlich der dem Qualifikationsprofil angemessenen Nachweisbarkeit und der fachlichen Begründung der Entscheidungen rekonstruieren, die sich aus einem prüfenden Anspruch an die Validierungspraxis ableiten. Der Nachweis wird zunächst hinsichtlich seiner Aussagekraft und Relevanz für die Kompetenzbereiche geprüft. Aus dem Vergleich der Transkripte wird deutlich, dass auch eine Prüfung der Nachweise hinsichtlich formaler Kriterien (Unterschrift, Datum etc.) stattfindet, die jedoch nur bei Unregelmäßigkeiten oder Auffälligkeiten in den Laut-Denken-Protokollen beschrieben und daher in dieser ausgewählten Textstelle nicht weiter thematisiert wird. Der prüfende Zugang zeigt sich dagegen deutlich in den Abwägungsprozessen bei den alternativen Zuordnungsmöglichkeiten. Die Entscheidung wird fachlich begründet und zusätzlich der Akkreditierungsrat zur Absicherung mit einbezogen. Die prüfende Haltung wird in dem gesamten empirischen Material im Nachforschen, Erkunden, Eruieren und Sich-Versichern bezüglich der Portfolios insgesamt, einzelner Kompetenznachweise und Eingaben ins wba-Onlineprofil, aber auch kritischen Abklären und Kontrollieren der Kompetenzportfolios, Nachweisdokumente und Eingaben hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit und Korrektheit deutlich.

Die dargestellten Aushandlungsprozesse können als eine Pendelbewegung bzw. ein Abgleich zwischen einer prüfenden und einer pädagogischen Handlungsorientierung beschrieben werden (Abb. 3). Die Begriffe „prüfend“ und „pädagogisch“ wurden hier gewählt, um ein Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen Tendenzen in der Validierungs- und Bewertungspraxis aufzuzeigen. Beide Begriffe verweisen dabei jedoch nicht zwangsläufig auf sich ausschließende Praktiken, sondern können sich in der Praxis auch überschneiden. Relevant für die Analyse ist jedoch das in den Begriffsbeschreibungen enthaltene Spannungsfeld aus kriteriengeleiteter Bewertung und dem wertschätzenden Sichtbarmachen von Kompetenzen. Mit Bezug auf Schütze können die beschriebenen Aushandlungsprozesse zwischen den zunächst widersprüchlichen Anforderungen als professionelles Handeln rekonstruiert werden, das im Gegensatz zu einer Verabsolutierung eines bestimmten Zugangs steht (Schütze 2000, S. 21). Dies würde erfolgen, wenn beispielsweise eine rein prüfende Haltung vorgeschrieben und durchgehend in der Anerkennungspraxis konsequent verfolgt wird.

Abb. 3
figure 3

Kompetenzanerkennung als professioneller expertisegestützter Aushandlungsprozess auf Basis einer pädagogischen und prüfenden Haltung (eigene Darstellung)

3 Diskussion der Ergebnisse

Die bisherigen Forschungsergebnisse zur Validierungspraxis der wba verweisen einerseits auf eine spezifische Expertise, die von den Validierungsfachkräften eingebracht wird. Sie wird nicht nur als kognitives Wissen verstanden, sondern als eine spezifische, auf multioptionalen und antizipierenden Denkprozessen basierende Handlungsform (Ericsson und Charness 1994), und umfasst die drei Dimensionen der Verfahrens‑, Inhalts- und Feldexpertise. Andererseits zeigt sich bei der Auswertung der Laut-Denken-Protokolle, dass dem Handeln der Validierungsfachkräfte neben der erwähnten Expertise auch eine spezifische Disposition oder Haltung zugrunde liegt. Wie auch Schrittesser (2012) betont, stellt Expertise „zwar eine erforderliche, jedoch keine hinreichende Voraussetzung für Professionalität“ (ebd., S. 173) dar. Die anhand der Laut-Denken-Protokolle rekonstruierte Haltung zeichnet sich sowohl durch einen prüfenden als auch durch einen pädagogischen Zugang aus. Die prüfende Haltung manifestiert sich im detaillierten und kritischen Nachforschen, Erkunden, Eruieren der Glaubwürdigkeit und Korrektheit der Kompetenznachweise und des Portfolios insgesamt. Die pädagogische Haltung berücksichtigt in einer ganzheitlichen Sichtweise die Individualität und Einzigartigkeit von Kompetenzentwicklungsprozessen. Sie zeigt sich, entgegen gängigen Vorstellungen, wonach formative Validierungsverfahren stärker subjekt- und entwicklungsorientiert, summative Zugänge hingegen an vorgegebenen Anforderungen und Standards ausgerichtet sind, auch im summativen Validierungsverfahren der wba. Fragt man nach Bezugspunkten für diese pädagogische Haltung im Rahmen eines kompetenzüberprüfenden und -anerkennenden Verfahrens, kommen zwei Aspekte in den Blick – ein kompetenztheoretischer und ein epistemologischer.

So verweist die handlungswirksame pädagogische Orientierung zum einen auf ein spezifisches Kompetenzverständnis. Generell kommt der Lernergebnis- und Kompetenzorientierung in Validierungsverfahren ein zentraler Stellenwert zu, die jeweils zugrunde liegenden Kompetenzverständnisse sind jedoch vielfältig und mehr oder weniger detailliert ausgewiesen (Kaufhold 2006). Die wba versteht unter erwachsenenbildnerischer Kompetenz „das Ensemble von Kenntnissen, Fertigkeiten, Haltungen usw. sowie von reflexivem Vermögen bis hin zu selbständigem und selbstverantwortlichem Handeln im Berufsfeld Erwachsenenbildung“ (wba 2016, S. 3). Sie bedient sich damit eines ganzheitlichen Kompetenzverständnisses, das die Eigensinnigkeit und Unerreichbarkeit des Einzelnen sowie die Pluralität an Lern- und Bildungswegen ebenso aufgreift und berücksichtigt wie die prinzipielle Zukunfts- und Gestaltungsoffenheit kompetenten Handelns. Kompetenz ist in diesem Sinne, im Unterschied zu beobachtbarer und überprüfbarer Performanz, nicht ausschließlich normativ an den vorgegebenen Standards orientiert, sondern auch an einer möglichen Überschreitung gegebener Verhältnisse, also an imaginären Bezugspunkten, wie etwa jenem der Autonomie, Selbstverantwortung und Emanzipation. Kompetenz als Potenzialbegriff (Gnahs 2010, S. 23) weist dann in einem pädagogischen Sinne über das konkret Gegebene hinaus – und kann im Kontext von Validierungspraktiken sowohl zur (möglichen) Begründung als auch Zieldefinition für einen pädagogischen Zugang beitragen.

Zum anderen verweist die pädagogische Orientierung der Validierungsfachkräfte auf epistemologische Prämissen von Kompetenzanerkennung. In Sinne der Kant’schen Frage „Was kann ich wissen“ gerät dabei in den Fokus, was empirisch an Kompetenzen „nachgewiesen“ werden kann, und was sich einer begründeten Erkenntnis entzieht und eines Horizonts des Möglichen bedarf. Dabei wird eine empirische Gewissheit mittels methodisch kontrollierter Objektivierung infrage gestellt und um die Theorieabhängigkeit von Erkenntnis über eine reflexive Bezugnahme auf potenziell Mögliches erweitert (Schäfer 2007). Insbesondere die Unerreichbarkeit und Unverfügbarkeit sowie soziale Unterworfenheit des Subjekts, aber auch die Konstrukthaftigkeit und Potenzialität des Kompetenzbegriffs verweisen dann auf ein Spannungsfeld zwischen einer Orientierung am empirisch Gegebenen und am (zukünftig) Möglichen, welches sich in der Validierungspraxis zwischen den paradoxalen Zugängen einer prüfenden und einer pädagogischen Haltung aufspannt (Tab. 1). Dabei ist die prüfende Haltung an Qualitätsanforderungen von Objektivität und Reliabilität orientiert, im konkreten Fall des wba-Validierungsverfahrens wäre das etwa ein wiederholter und identischer Umgang mit Kompetenznachweisen. Die pädagogische Haltung hingegen richtet sich an der Spezifik des jeweiligen Einzelfalls und der prospektiven Möglichkeiten zu Selbstwerdung und Autonomie aus, was im Hinblick auf den Umgang mit Kompetenznachweisen auch eine begründete Einzelfallentscheidung bedeuten kann, die dem gängigen Umgang mit einem spezifischen Kompetenznachweis widerspricht. Als „pädagogisch“ wird dieser Zugang insofern verstanden, als er sich – wie Schäfer darlegt – „gegen technologische, empiristische und naiv-metaphysische Zumutungen“ stellt und an einem „provokanten Reflexionshorizont [festhält], der das Wirkliche und das Mögliche weder gegeneinander stellt, noch miteinander identifiziert“ (Schäfer 2007, S. 157).

Tab. 1 Epistemologisches Spannungsfeld einer prüfenden und pädagogischen Haltung (eigene Darstellung)

Insgesamt weisen die sowohl prüfende als auch pädagogische Haltung der Validierungsfachkräfte auf ein Spannungsfeld hin, das im Hinblick auf die Professionalisierung dieses (zukünftigen) Berufsfelds, wie sie etwa in bildungspolitischen Strategien verfolgt wird (BMB und BMWFW 2017, S. 19), bedeutsam ist. Dieses Spannungsfeld stellt eine der grundlegenden Konstitutionsaufgaben der summativen Validierung dar, „die ein nicht-deskriptives, idealisierendes Leistungsfundament aufweisen und sich auf grundsätzlich dilemmatische Schwierigkeiten beziehen, die nicht gelöst, sondern nur bearbeitet werden können“ (Schütze 2000, S. 89). Im Rahmen von Validierungsverfahren, die auf die Anerkennung von Kompetenzen anhand vordefinierter Standards abzielen, ist professionelles Handeln demnach eingebettet in ein Spannungsfeld zwischen der Anforderung, Nachweise individueller Kompetenzen dem vorgegebenen Qualifikationsprofil objektiv und reliabel zuzuordnen, und dem gleichzeitigen Anspruch, die individuelle Bildungs- und Berufsbiografie valide zu berücksichtigen. In der Validierungspraxis sind diese widersprüchlichen Anforderungen abwägend einer angemessenen Lösung zuzuführen und Validierungsfachkräfte gefordert, sich systematisch und kritisch selbstvergewissernd und selbstreflektierend mit dieser Paradoxie auseinanderzusetzen. Gerade wenn Validierung nicht als routinisierter Verwaltungsakt verstanden wird, sondern auch pädagogische Anforderungen erfüllen soll (Schmid und Brantschen 2016), bedarf es neben eines routinisierten expertisegestützten Handelns und objektiv prüfenden Zugangs auch einer spezifischen Haltung, die der Unverfügbarkeit und Eigensinnigkeit des Subjekts sowie der Pluralität an Lern- und Bildungswegen gerecht wird (s. auch Schäffter und Schicke 2016).

Perspektivisch stellt sich die Frage, ob die Validierung bzw. Kompetenzanerkennung neben Lehre, pädagogischer Beratung, Bildungsmanagement und Bibliothekswesen ein weiteres zentrales Tätigkeitsfeld in der Erwachsenen- und Weiterbildung darstellt und als spezifisch erwachsenenpädagogisches Feld entwickelt werden soll. Wenn Validierung als Praxis des Anerkennens von Kompetenzen für künftiges kompetentes Handeln verstanden wird und nicht auf ein bürokratisches Bewertungshandeln reduziert werden soll, sprechen insbesondere ein handlungsoffener und selbstverantwortungsbezogener Kompetenzbegriff sowie ein reflektierter epistemologischer Erkenntniszugang dafür, durch pädagogische Zugänge der Validierung Möglichkeitsbedingungen für Kompetenzentwicklung, Eigenverantwortung, Emanzipation und damit Bildung zu schaffen. Dafür bedarf es spezifischer Kompetenzen der Fachkräfte, die im Rahmen der vorliegenden Studie als Verfahrens‑, Inhalts- und Feldexpertise sowie als professionelle Aushandlung zwischen einer prüfenden und einer pädagogischen Handlungsorientierung dargestellt wurden.