1 Einleitung

Spätestens seit den 1990er-Jahren und im Zuge der Durchsetzung der „neuen Steuerung“ vieler Bildungsorganisationen durch die Vergabe von Leistungsverträgen müssen Bildungseinrichtungen ihren Erfolg nicht nur pädagogisch, sondern verstärkt auch wirtschaftlich legitimieren (vgl. Röbken 2008). Als Disziplin, die bereits in den 1970er-Jahren antrat, um zwischen pädagogischer und ökonomischer Rationalität im Sinne gelingender Lernprozesse zu vermitteln, gewann das Bildungsmanagement – zunächst noch sektorenspezifisch als Weiterbildungsmanagement (Senzky 1974) oder Schulmanagement (Frommberger 1970) – eine zunehmende Bedeutung: In Stellenausschreibungen für Leitungskräfte wurden ökonomische Kenntnisse erwartet. Die Anzahl deutschsprachiger Fachpublikationen zum Thema Bildungsmanagement, die über das Fachinformationssystem Bildung dokumentiert worden sind, ist von ca. 25 Beiträgen im Jahr 1990 auf 976 Beiträge im Jahr 2000 angestiegen, verdoppelte sich noch einmal bis ins Jahr 2010 und liegt aktuell bei 2607 (FIS Bildung Literaturdatenbank des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, Stand: 17.10.2016). Zudem sind ab der Jahrtausendwende bis heute über 50 Masterstudiengänge des Bildungsmanagements im deutschsprachigen Raum entstanden (vgl. Krüger 2016). Management ist für (Weiter-)Bildungseinrichtungen zu einem wesentlichen Begründungszusammenhang geworden, um eine ausreichende Ressourcenausstattung zu erlangen. Das Verständnis davon, was unter „Bildungsmanagement“ zu verstehen ist bzw. welche Bestandteile Bildungsmanagement-Wissen enthält, ist dabei nicht festgelegt. Vielmehr erweiterte sich dieser Sammelbegriff im Laufe der Jahrzehnte erheblich. Ging beispielsweise Felfe (1993, S. 61) mit „Finanzierung“, „Organisation“, „Marketing“ und „Führung“ noch von vier vergleichsweise grob umrissenen Handlungsfeldern des Bildungsmanagements aus, so entstanden später feingliedrigere Gestaltungsbereiche (vgl. Behrmann 2006) und Rahmenmodelle (vgl. Müller 2007), die deutlich größere Aufgabenbereiche unter dem Begriff des Bildungsmanagements subsumieren.

Fragt man, welches Wissen heute von einer Bildungsmanagerin oder einem Bildungsmanager erwartet wird, so lohnt ein Blick in die Curricula der Bildungsmanagement-Studiengänge. Was dort als „offizielle Bildungsmanagement-Lehre“ beschrieben wird, hat – so die im Folgenden begründete These – maßgeblichen Einfluss auf die Erwartungshaltungen, mit denen Leitungskräfte in der Praxis konfrontiert werden. Von der Studie, d. h. von der Analyse der Modulhandbücher der Bildungsmanagement-Studiengänge im deutschsprachigen Raum, wurde also erwartet, ein genaueres Bild davon zu erhalten, welchen gesellschaftlichen Deutungsmustern Bildungsmanagerinnen und Bildungsmanager in der Praxis aktuell begegnen.

2 Theoretischer Rahmen und Vorstellung der Forschungsfrage

Die Theoriebezüge der hier zusammengefassten Studie (Krüger 2016) liegen in den Axiomen der neueren Wissenssoziologie, gemäß derer die menschliche Wirklichkeitskonstruktion auf der Basis kollektivierter Wissensbestände geschieht. Nach Berger und Luckmann (2013) sind es vor allem (1) Rollen, unter anderem Berufsrollen, (2) symbolische Sinnwelten wie beispielsweise wissenschaftliche Legitimationstheorien sowie (3) primäre und sekundäre Sozialisationsinstanzen, die gemeinsame Wirklichkeitskonstruktionen stützen und modifizieren. Objektivierte Wissensbestände gliedern die Wirklichkeit in unterscheidbare Handlungssituationen, die sich in zeitlich überdauernde Handlungsfelder – oder „Ausschnitte der Alltagswelt“ (Berger und Luckmann 2013, S. 44) – einteilen lassen. Diese Strukturen erzeugen überdauernd immer wieder ähnliche Aufgabengefüge und Handlungsanforderungen. In diesen Handlungsfeldern bilden Einzelakteure ihr subjektives Wissen aus. Sie entwickeln Deutungen darüber, in welcher Situation sie sich befinden, welche Aufgaben vorliegen, welches Problemlösungswissen sie einsetzen können und warum es „gut und richtig“ wäre, genau dieses Wissen zu nutzen. Indem einzelne Subjekte dieses Wissen teilen und objektivieren, bauen sie ihre objektive Welt allmählich aus und kontinuierlich um.

Nach dieser bekannten Dynamik hat sich im deutschsprachigen Raum mindestens seit den 1970er-Jahren auch das Bildungsmanagement-Wissen als ein Sonderwissen institutionalisiert und wird seither innerhalb konkreter Handlungsfelder weiter modifiziert. So wird Bildungsmanagement-Wissen durch spezifische Berufsrollen getragen und aktualisiert. Daneben gibt es im deutschsprachigen Raum seit mindestens 45 Jahren einen wissenschaftlichen Diskurs, der als ein wesentlicher Legitimierungsvorgang des Bildungsmanagement-Wissens aufgefasst werden kann. Nicht zuletzt durch die Existenz von 51 Bildungsmanagement-Studiengängen im deutschsprachigen Raum ist belegt, dass auch innerhalb der dritten Kategorie, den gesellschaftlichen Sozialisationsstrukturen, gewichtige Stützen des Bildungsmanagement-Wissens vorhanden sind. Durch die Einrichtung von Qualifizierungsangeboten zum Thema Bildungsmanagement, innerhalb derer die Bildungsmanagement-Studiengänge nur einen Anteil ausmachen, etablierte sich für das Bildungsmanagement-Wissen eine „eigene[.] Pädagogik“ (Pfadenhauer 2005, S. 12), die das Wechselspiel zwischen subjektiver und objektiver Wirklichkeitskonstruktion absichert.

Die drei „Parteien“, die den Wissensbestand über Bildungsmanagement prägen, wurden bislang in sehr unterschiedlichem Ausmaß ergründet. Als ein erstes Handlungsfeld, das einen eigenständigen Wissensbestand ausbildet, kann der wissenschaftliche Diskurs um Bildungsmanagement abgegrenzt werden. Das wissenschaftliche Reflexionswissen, das in jenem Feld ausgeprägt wird, lässt sich noch vergleichsweise leicht rekonstruieren, da es in versprachlichter und medial gebundener Form vorliegt. Ausgehend von einer Programmatik des Schulmanagements (Frommberger 1970) und einem Plädoyer für Weiterbildungsmanagement (Senzky 1974), also Vorschlägen zur Abweichung von bestehenden Wissens- und Handlungsstrukturen, entstand über die Jahrzehnte hinweg ein ausdifferenziertes, sektorenübergreifendes, wissenschaftliches Gebäude, das zahlreiche Handlungsansätze für eine große Anzahl von Anwendungssituationen bereithält und zudem vielzählige Gründe nennen kann, warum und in welcher Hinsicht diese Handlungsansätze die „richtigen“, die „angemessenen“ oder die „professionellen“ sind. Innerhalb der zunächst sektorenspezifisch geführten Diskurse wurde die Management-Metapher kontinuierlich um zusätzliche Problemlösungsansätze angereichert. Auch die Anwendungsbezüge dieses Wissensbestandes wurden erweitert und abstrahiert. Daneben wandelte und verallgemeinerte sich auch die dem Wissensbestand zugrunde gelegte Wissenslegitimation. Beispiele für einzelne Stationen dieses Prozesses lassen sich für die Sektoren der allgemeinen und der betrieblichen Weiterbildung in den Beiträgen von Arnold und Wiegerling (1983), Merk (1992), Felfe (1993), Geißler (1994), Schäffter (1998), Nuissl (1998), Zech und Ehses (1999), Gieseke (2000), Grüner (2000), Meisel (2001), Gonschorrek (2003), Arnold (2003), Göhlich (2005), Behrmann (2006), Diesner (2008) und Miroschnik (2010) identifizieren.

Ein zweites Handlungsfeld kann als Anwendungsfeld oder Praxisfeld des Bildungsmanagements bezeichnet werden. Der Wissensbestand, der hier ausgeprägt wird, ist das Rollen- und Expertenwissen der als Bildungsmanagerinnen oder Bildungsmanager handelnden Akteure. Er wurde seit den 1990er-Jahren durch mehrere Studien fallbezogen und schlaglichtartig erhoben, so dass heute zu der Frage, auf welcher Wissensbasis die Praktiker des Bildungsmanagements ihre Handlungen koordinieren, mindestens in den Sektoren Schule, Weiterbildung und Hochschule zahlreiche instruktive Erhebungen vorliegen. In Relation zum oben genannten wissenschaftlichen Reflexionswissen ist das Rollen- und Expertenwissen vergleichsweise „bodenständig“. Es ist nicht medial gebunden und kann zum Teil nicht verbalisiert werden. Mit den Konzepten der Berufsrollenidentität (Wissinger 1996), der Berufsauffassung (Languth 2006), des beruflichen Selbstverständnisses (Warwas 2009), den persönlichen Leitungsstrategien (Sauer-Schiffer 2000), der Funktionsauslegung (Schlüter 2012) oder den Handlungsmodi von Leitungshandeln (Robak 2004) liegen allerdings bereits zahlreiche sektorenspezifische Operationalisierungen jener Wissensbasis vor, die sich für Bildungsmanagerinnen und Bildungsmanager im Anwendungsfeld als handlungsleitend erweist. Die Aufzählung ist nur exemplarisch zu verstehen.

Das dritte Handlungsfeld, das didaktische Feld, das Prozesse der Wissensinternalisierung und der Rolleneinübung umfasst, prägt ebenfalls einen eigenen Wissensbestand aus: das Lernwissen. Allerdings ist der Beitrag des didaktischen Feldes zur Institutionalisierung des gesamten Bildungsmanagementwissens im Allgemeinen wie auch die Ausformung des Lernwissens im Besonderen noch kaum erschlossen. Dabei gilt:

[A]ls gesamtgesellschaftliches Phänomen sind die drei Komponenten nicht etwa im Sinne einer Aufeinanderfolge in der Zeit vorzustellen. Sie sind vielmehr simultan für die Gesellschaft und alle ihre Teile charakteristisch, so daß jede Analyse, die nur eine oder zwei ins Auge faßte, nicht ausreichte (Berger und Luckmann 2013, S. 139).

Die Forschungsfrage der vorgestellten Studie lautet daher: Durch welche Formen des Lernwissens prägen Bildungsmanagement-Studiengänge im deutschsprachigen Raum den gesamten Wissensbestand „Bildungsmanagement“? Die Analyse zielt darauf ab, aufzuzeigen, was aus wissenssoziologischer Perspektive unter „Bildungsmanagement“ zu verstehen ist. Der verwendete Begriff „Form“ schließt dabei an Luhmann an (1991). Die Form beschreibt also die spezifische Art der Unterscheidungen, die ein Studiengang durch sein Lernwissen markiert. Auf der Grundlage einer induktiven Kategorienbildung wurde erschlossen, welche inhaltlichen Unterscheidungen (Lehrcluster) jeder Studiengang im Sinne einer Binnendifferenzierung ausbildet und durch welche Kodierregeln sich diese Unterscheidungen sichtbar machen lassen.

3 Bestimmung des Forschungsgegenstandes

Die drei genannten Handlungsfelder operieren gemäß ihrer eigenen Funktionslogik, die sich durch ihre spezifischen Relevanzstrukturen ergeben. Die in ihnen ausgeprägten Wissensbestände bilden, in Abhängigkeit von ihren Kontextbedingungen, eigenständige Formen aus und tendieren – wie jede Form des Expertenwissens – zur Selbstreferenz (vgl. Pfadenhauer 2005). Die Felder und die in ihnen entstehenden Wissensformen lassen sich wie folgt spezifizieren.

3.1 Das Anwendungsfeld und das Rollen- und Expertenwissen

Das Differenzkriterium für das Anwendungsfeld Bildungsmanagement ist die Wirksamkeit des Wissens. Das Feld umschließt alle Situationen, in denen Probleme durch eine Expertin oder einen Experten für Bildungsmanagement-Wissen gelöst werden können (oder eine Lösung zumindest möglich erscheint). Das Anwendungsfeld endet, wo Situationen vorliegen, in denen das Bildungsmanagement-Wissen nicht geeignet ist, um praktische Probleme zu lösen, und stattdessen Wissen benötigt wird, das andere Experten erfordert. Das Anwendungsfeld kann als ein Feld spezifiziert werden, innerhalb dessen die Akteure einem Entscheidungszwang unterliegen (vgl. Dewe 2014). Das Bildungsmanagement-Wissen, das im Anwendungsfeld ausgeformt wird, ist das Rollen- und Expertenwissen der jeweiligen Akteure. Mit Unterkofler (2009) kann dieses Wissen in ein Handlungswissen und in ein Reflexionswissen unterteilt werden. Das gesamte Wissen liegt teilweise implizit oder explizit vor und integriert sowohl erfahrungsgeneriertes Wissen als auch habitualisiertes wissenschaftliches Wissen. Das Anwendungsfeld lässt sich weiter unterteilen. Beispielsweise kann es sektorenspezifisch untergliedert werden (vgl. Gessler 2009). Alle Anwendungsfelder haben weiterhin gemein, dass sie eine ökonomische und eine pädagogische Rationalität (vgl. Gütl und Orthey 2006) im Handlungsvollzug, also in der problemlösenden Wissensanwendung, kombinieren.

3.2 Wissenschaftliches Reflexionsfeld und wissenschaftliches Wissen

Das Reflexionsfeld Bildungsmanagement umschließt alle Kommunikationen, in denen Bildungsmanagement wissenschaftlich begründet wird, und endet dort, wo Bildungsmanagement nicht begründet wird. Es grenzt sich beispielsweise von Kommunikationsformen ab, in denen kein Bildungsmanagement-Wissen, sondern ein anderes Wissen begründet wird (von anderen Wissenschaftlern) oder von Kommunikationen, bei denen keine methodologische Begründung stattfindet, also auch keine Wissenschaft betrieben wird. Das Differenzkriterium dieses Handlungsfeldes ist also die Begründung des Wissens.

Das Bildungsmanagement-Wissen, das im wissenschaftlichen Reflexionsfeld ausgeformt wird, ist das wissenschaftliche Wissen (vgl. Eirmbter-Stolbrink 2011, S. 37–38). Es wird ausgebildet und erweitert, indem es mit wissenschaftlichen Methoden erschlossen und zu außeralltäglichen Sinnwelten (Begriffen, Theorien, Modellen) in Bezug gesetzt wird. Insgesamt wird das Wissen dadurch auf ein „höhersymbolisches“ (Dewe 2014, S. 178) Niveau gehoben. Dabei kann es, wie im Fall des Bildungsmanagements, dazu kommen, dass zuvor getrennt gedachte Wissensbereiche, wie z. B. die Ökonomie und die Pädagogik, aufeinander bezogen werden und ein neues Reflexionsfeld begründet wird. Innerhalb dieses Reflexionsfeldes werden dann möglicherweise neue Unterscheidungen getroffen, die im Vergleich zu dem Wissen innerhalb des Anwendungsfeldes andersartig sind. Es entsteht ein Wissensbestand, der dem Akteur im Anwendungsfeld neue Differenzierungen anbietet und ihm damit einen alternativen Blick auf sein Handlungsfeld ermöglicht.

3.3 Das Lehr-Lernfeld und das Lernwissen

Das Differenzkriterium des Lehr-Lernfeldes ist die Ermöglichung des Aufbaus eines Bildungsmanagement-Wissens. Das Feld beginnt, wo der Aufbau eines Bildungsmanagement-Wissensbestandes bei einer lernenden Person direkt oder indirekt ermöglicht und aktiv gefördert wird, und endet dort, wo der Aufbau eines anderen Wissens aktiv ermöglicht wird (und ein anderes Lehr-Lernfeld beginnt) oder gar kein Wissensaufbau ermöglicht wird, da kein didaktisches Handeln stattfindet. Das Wissen, das sich innerhalb dieses Handlungsfeldes ausbildet, ist das didaktische Wissen, das seinerseits wiederum in mindestens drei Wissensbestände untergliedert werden kann:Footnote 1

  • das Wissen über die Gestaltung der institutionellen Rahmenbedingungen von Lernprozessen (obere Ebene),

  • das Lernwissen (mittlere Ebene) und

  • das Lehrwissen (untere Ebene).

In dieser Differenzierung ist der Begriff des Lernwissens dem schulischen Kontext entlehnt, in dem er zur Beschreibung von „Strategien des Unterrichtens, die die Lehrmittel nahelegen“ (Tröhler und Oelkers 2005, S. 98), herangezogen wird. Übertragen auf den hochschulischen Kontext beschreibt das Lernwissen jenes Wissen, das im Rahmen eines bestimmten Studiengangs erlernt werden soll und im Modulhandbuch dieses Studiengangs festgelegt worden ist.

Dass auch das Lernwissen als ein eigenständiger Wissensbestand anzusehen ist und nicht etwa nur eine Spiegelung einer der bereits erwähnten Wissensbestände darstellt, kann folgendermaßen verdeutlicht werden: Zunächst führt die Bildungsmanagement-Lehre „nur“ in bereits bestehende Wissensbestände ein. Als „Bildungsmanagement“ gelehrt wird entweder ein Wissen, das als wirksam erlebt wurde (z. B. durch Erfahrungsberichte lehrender Praktikerinnen und Praktiker) und/oder Wissen, das theoretisch begründet werden kann. In dem Maße aber, in dem das Anwendungs- und Reflexionswissen auf einfache Formeln gebracht und didaktisch reduziert wird, bildet sich ein Lehrfundament heraus, das durchaus Selbstreferenzen ausformen kann. Gelehrt wird dann beispielsweise auch, was in gegebener Zeit vermittelbar ist, bei den Lernenden gut ankommt oder was unter gleichbleibenden Bedingungen abgeprüft werden kann. Durch den Prozess der „Sedimentierung“ (Berger und Luckmann 2013, S. 71) kommen weitere Differenzkriterien ins Spiel, die weder mit dem ursprünglichen Kriterium der erlebten Wirksamkeit noch mit dem der wissenschaftlichen Begründbarkeit vollständig deckungsgleich sein können. Das Wissen wird nach eigenen Regeln des Lehrens und der „Lernfortschritts-Überprüfbarkeit“ tradiert.

3.4 Einfluss des Lernwissens auf das Rollenhandeln der Praktiker

Obwohl in allen drei Handlungsfeldern von „Bildungsmanagement“ gesprochen wird, entwickelt sich das jeweils so benannte Wissen nach jeweils eigenen Regeln fort und bildet spezifische Differenzierungen aus. Zugleich allerdings wirken die Wissensbestände wechselseitig aufeinander ein. So kommt beispielsweise dem Lernwissen der Bildungsmanagement-Studiengänge ein Einfluss auf das Rollen- und Expertenwissen der Bildungsmanagerinnen und Bildungsmanager im Praxisfeld zu, der im Folgenden exemplarisch skizziert werden soll, um die Relevanz der empirischen Erhebung des Lernwissens zu verdeutlichen.

Der „fernwirkende Hebel“, durch den das Lernwissen auf das Handeln der Praktiker einwirkt, beginnt mit einem „Management umfassenden Zuspruch“, den Anbieter von Bildungsmanagement-Studiengängen leisten müssen, da Reputation die maßgebliche Einheit ist, in der Hochschulen und ihre Subeinheiten ihre Erfolge messen (vgl. Knust und Hanft 2009). Anbieter von Studiengängen verankern Bildungsmanagement aktiv als „permanente Lösung für permanente Probleme“ im gesellschaftlichen Wissensvorrat und nutzen dabei ihre gesellschaftlich zugesprochene Deutungshoheit in Fragen der Weitergabe bzw. der Generierung von Expertenwissen. Nolens volens konstruieren sie ein gemeinsames öffentliches Bild der offiziellen Bildungsmanagement-Lehre und beleben es durch die Veröffentlichung ihrer Modulhandbücher bzw. über die Vermarktung ihrer Studiengänge. Stärker als über ihre einzelfallbezogenen Abweichungen kommunizieren die Studienganganbieter dieses Bild über ihre curricularen Gemeinsamkeiten. Auf diese Weise nehmen sie Einfluss auf jene sozialen Deutungsmuster, die sich auf das professionelle Handeln in der Gestaltung von Rahmenbedingungen gelingenden Lernens beziehen.

Deutungsmuster stellen Orientierungshilfen dar, die es uns ermöglichen, möglichst rasch auch in jenen Situationen entscheidungs- und handlungsfähig zu werden, in denen wir uns nicht detailliert auskennen. Sie prägen unsere Erwartungen und unser Bild von einer Handlungssituation noch bevor wir handeln (vgl. Plaß und Schetsche 2001). Dieses Vorverständnis dessen, was in einer Situation „eigentlich zu tun wäre“, bezieht sich dabei nicht nur auf unser eigenes Handeln, sondern schließt auch Erwartungshaltungen gegenüber anderen Personen ein, die ebenfalls in dieser Situation aktiv sind. Soziale Deutungsmuster beinhalten also auch Urteile darüber, ob ein konkret vorgefundenes Handeln anderer Menschen mit dem zu erwartenden Handeln übereinstimmt.

Entsprechend ihrer Funktion werden Deutungsmuster professioneller Rahmengestaltung von Lernprozessen auch an Bildungsmanagerinnen und Bildungsmanager herangetragen bzw. zur Beurteilung ihres Handelns herangezogen. Dennoch gilt: Wie Leitungspersonen in Einrichtungen der frühkindlichen Bildung, in Schulen, Volkshochschulen und anderen Bildungsorganisationen ihre Probleme wirklich lösen und wie diese Problemlösestrategien im Einzelfall tatsächlich zu bewerten sind, ist von außen kaum zu beurteilen. Dies führt allerdings dazu, dass sich der Maßstab für die Beurteilung des Leitungshandelns umso stärker an einer vergleichsweise abstrakten Vorstellung von dem orientiert, wie im Handlungsfeld eigentlich und im Allgemeinen gehandelt werden sollte.

Sich an den Ansprüchen der Umwelt zu orientieren und ihnen (tatsächlich oder zumindest symbolisch) zu entsprechen, ist für jede Organisation überlebensnotwendig. Die Kenntnis der relevanten Deutungsmuster ist dabei als Teil des individuellen Rollen- und Expertenwissens der handelnden Expertinnen und Experten anzusehen (vgl. Unterkofler 2009). Gerade wenn Bildungsorganisationen sich materiell nicht eigenständig alimentieren und daher auf besonders umfassende Zustimmung angewiesen sind, ist ein Anknüpfen auch an diffuse Erwartungsfelder besonders wichtig.

Was als Bildungsmanagement offiziell gelehrt wird, so kann man zusammenfassend sagen, kann also auch dann das Handeln einer Bildungsmanagerin oder eines Bildungsmanagers im Anwendungsfeld prägen, wenn diese Person keinen Bildungsmanagement-Studiengang besucht hat. Das Lernwissen übt auch dann seinen Einfluss aus, was verdeutlicht, dass dem Forschungsgegenstand eine gewisse Relevanz zukommt, wenn man verstehen will, wie der Wissensbestand Bildungsmanagement gesellschaftlich konstruiert wird.

4 Methodischer Aufbau der empirischen Studie

In die Untersuchungsgruppe aufgenommen wurden alle Studiengänge, die

  • den Begriff „Bildungsmanagement“ oder eine sektorenspezifische Ableitung dieses Begriffes („Schulmanagement“, „Weiterbildungsmanagement“, „Hochschulmanagement“ etc.) im Titel führen oder

  • den Anspruch vertreten, (unter anderem) explizit für ein Leitungshandeln in Bildungseinrichtungen oder Bildungsabteilungen zu qualifizieren oder

  • das Organisationslernen in den Mittelpunkt stellen.

Zudem mussten die Angebote zu einem Master-Abschluss führen und innerhalb Deutschlands, Österreichs oder der deutschsprachigen Schweiz angeboten werden. Für die Zusammenstellung der Angebote wurden in einem ersten Schritt Studienportale und Datenbanken von Akkreditierungsagenturen nach festgelegten Suchbegriffen durchsucht. Für den Erhebungszeitraum, das Sommersemester 2013, konnten zunächst 112 Angebote identifiziert werden, die durch eine genauere Analyse der Studienordnungen und Zielgruppenbeschreibungen auf 51 Studiengänge eingegrenzt worden sind. Diese Angebote wurden in einem zweiten Schritt hinsichtlich ihrer Rahmendaten (Länderzugehörigkeit, ECTS-Anzahl, forschungs- oder anwendungsorientierte Grundausrichtung, Sektorenbezug usf.) spezifiziert.

Durch eine anschließende qualitative Inhaltanalyse der Modulhandbücher jener Angebote, konnten im dritten Schritt die insgesamt 1025 Modulbeschreibungen nach Maßgabe ihrer inhaltlichen Ähnlichkeit kategorisiert und die Kategorien durch Kodierregeln eindeutig definiert werden. Nach dem Verfahren der induktiven Kategorienbildung (vgl. Mayring 2010) sind nach insgesamt vier Materialdurchgängen 28 überlappungsfreie Kategorien entstanden, die 90 % des untersuchten Materials systematisieren können; 10 % der untersuchten Modulbeschreibungen sind von geringer Aussagekraft gewesen und eigneten sich nicht für die Kategorienbildung. Im Durchschnitt wurden jeder Kategorie 37 Module zugeordnet. Um einen besseren Überblick zu erhalten, wurden die Kategorien zu 17 Haupt- bzw. Summenkategorien gebündelt, die durch ihre Zuordnung zu einer Makro-, Meso- und Mikrohandlungsebene weiter systematisiert werden konnten. Die ursprüngliche Kategorienbildung ist dabei nicht aufgehoben worden. Die Modulbeschreibungen mit geringer Aussagekraft wurden zu gleichen Anteilen jenen Kategorien zugeordnet, denen sie am ehesten entsprachen. Das letztlich entstandene Raster beschreibt über seine Kodierregeln 97 % des Lernwissens aller Bildungsmanagement-Studiengänge im deutschsprachigen Raum.

Im vierten Schritt wurden die entstandenen inhaltlichen Unterscheidungen, im Folgenden operationalisiert als „Lehrcluster“, für jeden Bildungsmanagement-Studiengang quantifiziert, das heißt es wurde anhand der ECTS-Punkte, die das Modulhandbuch des jeweiligen Studiengangs für jedes seiner Module ausweist, ermittelt, wie groß die Anteile der Lehrcluster am Gesamtangebot des einzelnen Studiengangs sind. Pflichtmodule gingen dabei vollständig in die Profilbestimmung ein. Wahlpflichtmodule eines Studiengangs wurden unter Berücksichtigung der Anzahl der Wahlalternativen gewichtet.

Das gebildete Durchschnittsprofil aller Bildungsmanagement-Studiengänge konnte anschließend genutzt werden, um die Besonderheiten der Einzelprofile (hohe Abweichungen innerhalb einer Kategorie gegenüber dem Durchschnitt) zu visualisieren. Im Rahmen von Experteninterviews wurden 20 Studienganganbieter mit dem ermittelten Profil ihres Studiengangs konfrontiert und um eine Einschätzung gebeten, ob das ermittelte Bild mit ihrer Selbstwahrnehmung des Studiengangs übereinstimmt.

Um die Varianz des ermittelten Durchschnittsprofils weiter aufzulösen, wurde im fünften Schritt zunächst das Lehrcluster mit der größten Varianz innerhalb der Gesamtgruppe ermittelt. Die Studiengänge wurden gemäß ihrer Ausprägung innerhalb dieses Lehrclusters in zwei Teilgruppen unterteilt. Zur Teilung der beiden Subgruppen wurde ein Grenzwert bestimmt und begründet. Anschließend wurden alle Lehrcluster der beiden Teilgruppen durch Mann-Withney-U-Tests (vgl. Bortz und Döring 2006) paarweise miteinander verglichen und es wurde festgehalten, welche Lehrcluster sich hinsichtlich der Muster ihrer Rangreihen signifikant voneinander unterscheiden. Für die Lehrcluster, die einen solchen Unterschied markierten, wurde das relative Gewicht (gemessen am Durchschnittsprofil der jeweiligen Teilgruppe) ermittelt und aufaddiert. Wenn das Gesamtgewicht dieser Lehrcluster in beiden Teilgruppen mindestens 50 % betrug, konnte davon gesprochen werden, dass die Unterschiede zwischen den beiden Teilgruppen größer waren als ihre Gemeinsamkeiten. Wenn dies der Fall war, wurden die Teilgruppen als unterschiedliche „Typen des Lernwissens“ identifiziert. Das Procedere ist stufenweise für weitere Lehrcluster wiederholt worden, bis die hinzukommenden Teilgruppen keine ausreichend großen Unterschiede mehr aufwiesen, um begründet separiert werden zu können.

Im sechsten Schritt wurden die Rahmendaten der Studiengänge mit den Inhaltsdaten korreliert, um festzustellen, ob sich (wiederum signifikante und relevante) Unterschiede im Lernwissen beispielsweise zwischen deutschen und schweizerischen oder zwischen ECTS-starken und ECTS-schwachen Studiengängen ausfindig machen ließen.

5 Ausgewählte Ergebnisse

Tab. 1 zeigt die Liste jener Studiengänge, die die genannten Kriterien erfüllten und in die Untersuchungsmenge aufgenommen wurden (Ergebnis zu Schritt 1). Für das Bezugssemester Sommer 2013 kann die Liste als vollständig angesehen werden, wie durch eine unabhängige Studie von Huber und Schneider (2015) bestätigt wurde.

Tab. 1 Die Bildungsmanagement-Studiengänge im deutschsprachigen Raum (Sommersemester 2013)

Abb. 1 zeigt das Kriterienraster, innerhalb dessen 97 % des Lernwissens der Studiengänge verortet werden können. Die Lehrcluster wurden entsprechend ihrer inhaltlichen Nähe zueinander gruppiert und den Handlungsebenen zugeordnet (Ergebnis zu Schritt 3). Die rechte Seite der Abbildung zeigt das Durchschnittsprofil der Studiengänge als sichtbare Form (Ergebnis zu Schritt 4). Grau hinterlegt ist der Bereich, in dem jeweils 67 % der Einzelausprägungen verortet sind.

Abb. 1
figure 1

Die allgemeine Form des Lernwissens der Bildungsmanagement-Studiengänge im deutschsprachigen Raum als Profillinie

Aus Abb. 1 geht hervor, was gegenwärtig im deutschsprachigen Raum und im Rahmen eines Bildungsmanagement-Studiengangs „offiziell gelernt werden soll“. Es lässt sich erkennen, welche Handlungsansätze in der Regel in den Wissensbestand integriert werden und welche Referenzen ausgebildet werden.

Die Grundform des Lernwissens kann in drei Teilen beschrieben werden:

  • Etwa drei Zehntel des Lernwissens entfallen auf die explizite Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Arbeits- und Reflexionsweisen sowie auf die Gestaltung des Transfers von wissenschaftlichem in anwendungsbezogenes Wissen (und umgekehrt). Vor allem die betreute Anfertigung der Master-Thesis prägt diesen Teilbereich als konstitutives Strukturelement (Kategorie „wissenschaftliches Arbeiten, gesamt“).

  • Vier Zehntel der Grundform entfallen auf die Reflexion der Meso-Handlungsebene, auf die Gestaltung organisationaler Rahmenbedingungen für gelingende Lehr-Lernprozesse. Dieser Ausschnitt lässt sich weiter unterteilen in die Bausteine der personalen und der strukturellen Führung. Dabei fällt auf, dass Bildungsmanagement-Studiengänge in der Regel die personale Führung fast doppelt so stark gewichten wie die strukturelle Führung. Bildungsmanagement legt also in der Deutung dieses Anforderungsfeldes und in der Bestimmung des für diese Aufgabenstellung geeigneten Problemlösungswissens einen Fokus auf die Führung des Menschen durch den Menschen.

  • Die verbleibenden drei Zehntel des Lernwissens verteilen sich auf kleinere Elemente, maßgeblich das Praktikum, die Reflexion der Makro- und der Mikro-Handlungsebene, und verorten oder begründen die bereits genannten Bausteine des wissenschaftlichen Arbeitens, der personalen und der strukturellen Führung in einem größeren Kontext.

In einer ersten, näheren Betrachtung konnte die gemeinsame Grundform in vier Inhaltstypen des Lernwissens aufgelöst werden (Ergebnisse zu Schritt 5). Das Differenzkriterium dieser ersten Perspektive war dabei die Ausprägung der inhaltlichen Ähnlichkeit der Profile der Studiengänge. Vier Typen konnten signifikant voneinander unterschieden werden:

  • forschungsstarke Studiengänge,

  • Leadership-Studiengänge,

  • managementstarke Studiengänge und

  • Allrounder-Studiengänge.

Sichtbar wurde ein forschungsstarker Typ (N = 11) des Bildungsmanagement-Lernwissens, der erziehungswissenschaftlich geprägt ist, die Hälfte seines Lernwissens im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens ausweist und in vergleichsweise geringem Umfang die Meso-Handlungsebene berücksichtigt. Obwohl bei diesem Typ ein vergleichsweise kleiner Anteil auf die personale Führung entfällt, ist der Anteil dreimal größer als der Anteil der strukturellen Führung. Neben der Einführung in die Erziehungswissenschaft setzt der forschungsstarke Typ einen zusätzlichen Akzent auf die Lehr-Lernebene. Abstriche macht er beim Praktikum.

Ebenfalls erkennbar wurde ein Leadership-Typ (N = 8), bei dem 50 % des Lernwissens im Bereich der personalen Führung liegt und darüber hinaus die Auseinandersetzung mit Fragestellungen der Evaluation betont werden. Das wissenschaftliche Arbeiten und die kleineren Bausteine des „einrahmenden Drittels“ (Praktikum, Makro- und Mikrohandlungsebene) werden in Studiengängen dieses Typs weniger berücksichtigt.

Managementstarke Studiengänge (N = 7) weisen im Vergleich zur Allrounder-Form fast dreimal so große Anteile ihres Lernwissens im Bereich der strukturellen Führung aus. Im Vergleich zu den anderen Inhaltstypen des Lernwissens ist der Anteil deutlich größer. Entsprechend werden die kleineren Bausteine in Studiengängen dieses Typs weniger stark gewichtet. Auch der Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens fällt in Programmen des managementstarken Typs kleiner aus als bei allen anderen Inhaltstypen.

Letztlich wurde aus dieser ersten Perspektive auch deutlich, dass es eine große Menge an Allrounder-Studiengängen (N = 25) gibt, die in ihrer Form die Gewichtungen der Grundform aufnehmen (oder umgekehrt die Grundform entscheidend prägen). Der Allrounder-Typ verwendet drei Zehntel seines Lernwissens auf das wissenschaftliche Arbeiten (inklusive der Masterarbeit) und liegt damit knapp über den Leadership- und den managementstarken Programmen. Die Meso-Ebene ist etwas kleiner als in der Grundform, dafür fällt das „rahmende Drittel“ etwas größer aus. Dieser Umstand liegt maßgeblich darin begründet, dass der Allrounder unter allen Inhaltstypen die größten Praktika ausweist.

Alle Inhaltstypen außer dem Allrounder zeichnen sich also dadurch aus, dass sie im Vergleich zur gemeinsamen Grundform inhaltliche Schwerpunkte setzen. Sie bündeln noch größere Anteile des Lernwissens auf jeweils einen der drei Bausteine, die in der durchschnittlichen Form am stärksten ausgeprägt sind. Der Allrounder führt dagegen vergleichsweise breit in den Wissensstand ein.

Aus einer zweiten Perspektive, die nicht die Inhaltsbeschreibung, sondern die Rahmendaten als Differenzkriterium aufnimmt, werden Zusatz- und Grundqualifikationen sichtbar (Ergebnisse zu Schritt 6). Zusatzqualifikationen zeichnen sich durch eine anwendungsorientierte Ausrichtung, einen unterdurchschnittlichen Stundenumfang und einen überdurchschnittlichen Preis aus. Zudem können sie häufig in Teilzeit studiert werden. Die genannten Merkmale korrelieren stark miteinander. Grundqualifikationen bilden hinsichtlich dieser Merkmale den Gegenpol (oft forschungsorientiert, überdurchschnittlicher ECTS-Wert, unterdurchschnittlicher Preis, häufig nur in Vollzeit angeboten). Vor dem Hintergrund dieser Differenzierung werden wiederum signifikante Unterschiede des Lernwissens sichtbar:

  • Grundqualifikationen bieten im Vergleich zu den Zusatzqualifikationen das Anderthalbfache im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens an. Da die Masterarbeit in beiden Teilgruppen gleich stark gewertet wird, übertreffen Grundqualifikationen ihren Komplementärtyp im Lehrcluster „wissenschaftliches Arbeiten ohne Master-Thesis“ sogar um das Viereinhalbfache.

  • Die auf den Weiterbildungsmarkt ausgerichteten Studiengänge bieten auf der Meso-Ebene 1,7 Mal mehr an als die Grundqualifikationen. Insgesamt ist bei den Zusatzqualifikationen die Meso-Ebene dadurch stärker ausgeprägt als der Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens, während es sich bei den Grundqualifikationen genau umgekehrt verhält.

  • Auch die Binnengewichtung der Meso-Ebene fällt bei beiden Typen unterschiedlich aus. Bei den Zusatzqualifikationen ist der Baustein der personalen Führung 1,5 Mal größer als der Baustein der strukturellen Führung. Bei den Grundqualifikationen ist der Baustein der personalen Führung fast dreimal so groß wie sein Nachbarcluster.

  • Das „rahmende Drittel“ fällt bei den Grundqualifikationen etwas größer aus, was neben weiteren Differenzierungen vor allem auf den Umfang der Angebote zur Einführung in die Erziehungswissenschaft zurückgeführt werden kann. Diese werden hier stärker gewichtet als bei den Zweit- oder Drittqualifikationen. Die Praktika werden in beiden Teilgruppen etwa gleich stark gewichtet.

Letztlich ist noch eine dritte Perspektive aufschlussreich, da erneut signifikante Unterschiede des Lernwissens erkennbar werden. Diese Perspektive nimmt die Differenzierung zwischen internationalen und inländisch orientierten Bildungsmanagement-Studiengängen als Leitdifferenz auf (weiteres Ergebnis aus Schritt 6).

  • Im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens bieten internationale Studiengänge weniger an als national orientierte. Das gilt auch, wenn man die unterschiedliche Gewichtung der Masterarbeit berücksichtigt.

  • Auf der Meso-Handlungsebene weisen die länderübergreifenden Programme größere Anteile aus als die nationalbezogenen. Im Vergleich zu der Komplementärgruppe setzt der internationale Typ einen zusätzlichen Akzent auf das interkulturelle Lernen und macht vor allem im Bereich der Organisationsentwicklung Abstriche.

  • Das letzte Drittel der kleineren Lehrcluster fällt in beiden Teilgruppen fast gleich groß aus. Der internationale Typ setzt Akzente im Bereich der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Makro-Strukturen. Der inländische Typ fokussiert stärker die Einführung in die Erziehungswissenschaft sowie die Mikro-Ebene.

Weitere Perspektiven, die durch die Unterteilung der Gesamtgruppe in Länder oder Bildungssektoren eingenommen werden können, führen vereinzelt wiederum zu signifikant unterschiedlichen Typen. Es kann ein „schweizerischer Typ“ und ein „Typ frühkindliche Bildung“ des Bildungsmanagement-Lernwissens identifiziert werden. Diese Typen sind statistisch signifikant, unterscheiden sich aber nicht ausreichend von den bereits gebildeten Typen. So entspricht der schweizerische Typ nahezu vollständig dem Typus weiterbildender Studiengang, während der Typ frühkindliche Bildung dem forschungsorientierten Studiengangtyp sehr nahe kommt.

6 Fazit

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie bestätigen zunächst den postulierten Institutionalisierungsprozess des Bildungsmanagement-Wissens in beeindruckender Weise. Abb. 2 zeigt das exponentielle Wachstum, welches das Segment der Master-Studiengänge im Bereich des Bildungsmanagements seit der Jahrtausendwende erfahren hat. Der Anteil der als Grundqualifikation ausgelegten Programme ist dabei innerhalb der Gesamtgruppe der Angebote kontinuierlich gewachsen (Abb. 3) und deutet dadurch ebenfalls auf eine Sedimentierung des Bildungsmanagement-Wissens hin.

Abb. 2
figure 2

Entwicklung der Gesamtzahl an Bildungsmanagement-Studiengängen

Abb. 3
figure 3

Relative Anteile der Qualifikationsformen am Gesamtangebot der Bildungsmanagement-Studiengänge

In den Wissensbestand wird also häufiger „hineinsozialisiert“. Dies geschieht zunehmend in einer grundständigen Form und in wachsendem Maße in Verbindung mit einem Verweis auf allgemeinere Anwendungsbezüge wie der Vergleich der sektorenübergreifenden Angebotsentwicklung mit der Entwicklung der sektorenspezifischen Studiengänge zeigt (Abb. 4).

Abb. 4
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Anzahl der Studiengänge in den unterschiedlichen Sektoren im Zeitverlauf

Die Studie zeigt, dass von einem gemeinsamen Lernwissen im Bereich Bildungsmanagement ausgegangen werden kann. Dieses Lernwissen wird über curriculare Gemeinsamkeiten von Bildungsmanagement-Studiengängen postuliert und übt dadurch Einfluss auf die gesellschaftliche Repräsentanz des Bildungsmanagement-Wissens aus. Die Wissensbasis, die derzeit als Bildungsmanagement etikettiert wird, kann über ein einheitliches Kategorienraster mit einer Deckungsgleichheit von 97 % abgebildet werden. Die Menge der einzelnen Wissensbausteine sowie ihre durchschnittliche Gewichtung lassen sich in Abb. 1 im Überblick ablesen. Die unterhalb dieser gemeinsamen Form signifikant unterscheidbaren Typen des Lernwissens legen nahe, dass beispielsweise eine Absolventin eines forschungsstarken Bildungsmanagement-Studiengangs Praxisprobleme nicht gleichermaßen bearbeiten wird wie ein Absolvent eines Leadership-Programms. Auch die sektorenspezifischen Ergebnisse zeigen, dass sich innerhalb der Studiengänge durchaus unterschiedliche Herangehensweisen herausbilden. So ist beispielsweise der Leadership-Typ innerhalb schulspezifischer Angebote leicht überrepräsentiert. Dies kann als Reflex auf die große Bedeutung des Themas der personalen Führung in der Literatur des Schulmanagements interpretiert werden.

Die ermittelten Formen des Lernwissens bestätigen und differenzieren zugleich das Bild dessen, was genau unter Bildungsmanagement zu verstehen ist. Im Unterschied zu anderen Konstruktionen dieses Wissensbestandes kann für das Lernwissen nicht nur bestimmt werden, welche Bausteine zu der Wissensbasis gezählt werden, sondern auch welcher quantitative Umfang den einzelnen Handlungsansätzen zugesprochen wird. Bildungsmanagement, so wird deutlich, findet trotz vielfältiger Bezüge zu anderen Handlungsebenen auf der Meso-Ebene der organisationalen Gestaltung von Rahmenbedingungen des Lernens statt. Auf dieser Ebene ist es wiederum die personale Führung, die den Hauptanteil der Wissensbasis ausmacht. Im Spiegel der Bildungsmanagement-Masterstudiengänge ist Bildungsmanagement im Kern also eine Führung des Menschen durch den Menschen.

Die erneute Erhebung des Lernwissens nach fünf Jahren der Ersterhebung kann Aufschluss darüber geben, wie sich der formal festgeschriebene Wissenskanon weiter entwickelt, woraus sich Änderungen in den Erwartungshaltungen an Bildungsmanagerinnen und Bildungsmanager ableiten lassen. Durch die Anwendung der gewonnenen Kategorien auch auf Bildungsangebote unterhalb des Master-Niveaus ließe sich das Bild dessen vervollständigen, was derzeit insgesamt als weitergebenswürdiges Wissen subsumiert wird. Vergleiche des deutschsprachigen Lehrkanons mit vergleichbaren Studiengängen aus anderen Sprachräumen lassen möglicherweise kulturelle Unterschiede in der Konstruktion der Leitungsrolle von Bildungsorganisationen sichtbar werden. Anbieter von Bildungsmanagement-Studiengängen können die Studie und das entwickelte Kategoriensystem möglicherweise schon jetzt als Reflexionsinstrument ihres Angebotes nutzen.