Die Hochschulbildung ist in Polen einer jener Gesellschaftsbereiche, in dem sich nach dem demokratischen Umbruch des Jahres 1989 ein riesiger quantitativer und qualitativer Wandel vollzogen hat. Die Öffnung des Bildungsmarktes für höhere Bildungsabschlüsse hatte zur Folge, dass Dutzende neue, sowohl öffentliche als auch private Hochschulen entstanden sind, was in der Folge zu einer Vervielfachung der Studentenzahl geführt hat. Die Mehrheit dieser Studierenden hätte im „alten“ System nicht studieren können – nicht zuletzt aufgrund mangelnder Plätze in Vollzeitstudiengängen. Auch individuelle Gründe, wie geringer Ehrgeiz oder fehlende Motivation, spielten hier sicher eine Rolle. Aus statistischen Daten geht hervor, dass sich ausgehend vom Jahre 1990, als insgesamt ca. 400.000 Polen zum Studium eingeschrieben waren, die Anzahl der Studierenden auf das mehr als Vierfache erhöhte. Im Jahre 2013 studierten in Polen 1,67 Mio. Personen. Die Studierenden stellten insgesamt 4,27 % aller Einwohner des Landes dar, was in der Altersgruppe von 19 bis 24 Jahren – das sind die „traditionellen“ Studierenden – sogar 57 % der Bevölkerung ausmachte. In der Altersgruppe der 25- bis 30-Jährigen stellen die Studierenden fast ein Zehntel dar. Und in der Gruppe der über 30-jährigen Personen beträgt dieser Anteil 1,1 %. Es lässt sich zudem feststellen, dass in den letzten Jahren (ab dem Studienjahr 2009/2010) die Zahl der Studierenden spürbar zurückgeht, auch wegen der demografischen Entwicklung (vgl. Choy 2002, S. 1).Footnote 1

Somit befinden sich unter den Studierenden Personen, die sofort nach dem Sekundarschulabschluss ein Vollzeitstudium aufgenommen haben, in dessen Verlauf von ihren Eltern oder anderen Personen unterhalten werden und keine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Diese Gruppe kann man als „traditionelle Studierende“ bezeichnen. Diese Personen richten ihren Fokus aufgrund der oben genannten Lebenssituation voll und ganz auf die mit dem Studium verbundenen Aktivitäten. Laut Schätzungen des amerikanischen National Center for Education Statistics bilden solche Studierenden knapp ein Viertel der Gesamtbevölkerung (vgl. ebd., S. 1). Unter den Studierenden gibt es auch solche, die mindestens eine der oben genannten Bedingungen nicht erfüllen. Obwohl sie heute eine große Mehrheit darstellen, wird für sie der Begriff „nicht-traditionelle Studierende“ (non traditional students, nontraditional undergraduates) verwendet.

Diesen Begriff hat zum ersten Mal Patricia K. Cross im Jahre 1981 in einer Arbeit, die dem steigenden Anteil der Erwachsenen in der formalen Bildung in den USA gewidmet wurde, verwendet.Footnote 2 Seit dieser Zeit wird er in Forschungskreisen aus verschiedenen Bereichen sowohl im angelsächsischen Kulturkreis als auch in anderen Kulturen verwendet.Footnote 3 In Polen haben Ewa Kurantowicz und Adrianna Nizińska von der Niederschlesischen Hochschule (Dolnośląska Szkoła Wyższej Edukacji) im Rahmen des RANLHE-Projektes (Retention and Access: Experiences of Non-Traditional Learners in Higher Education)Footnote 4 in Zusammenarbeit mit ausländischen Hochschulen Untersuchungen zu diesem Thema durchgeführt. Im Vergleich zu westlichen Ländern ist dieser Forschungsschwerpunkt ein weitgehend unbekannter Bereich.

An dieser Stelle ist es sinnvoll, die Kriterien zu bestimmen, nach denen Personen zur Gruppe der nicht-traditionellen Studierenden zugeordnet werden. Laut dem zitierten Dokument der NCSE gehören zu dieser Gruppe Studierende, die mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllen:

  • ein verspäteter Studienbeginn in Bezug auf den Abschluss der Sekundarschule (in einem anderen Kalenderjahr als dem Jahr der Erlangung des Reifezeugnisses),

  • Fernstudium innerhalb eines Studienjahres,

  • Erwerbstätigkeit von mindestens 35 Stunden pro Woche,

  • finanzielle Unabhängigkeit,

  • Unterhalt von anderen Personen als Ehefrau bzw. Ehemann,

  • alleinerziehende Mutter bzw. alleinerziehender Vater (vgl. Choy 2002, Kap. 3).

Unter polnischen Bedingungen ist die überwiegende Mehrzahl von Studierenden an privaten Hochschulen diesem Typus zuzurechnen. Hierbei ist auch anzumerken, dass sich die „Nicht-Traditionalität“ des Studiums von Personen, die lediglich eines der Kriterien erfüllen, bis hin zu solchen, die alle Kriterien erfüllen, abstufen lässt.Footnote 5

Das Forscher-Team von der Hochschule Olsztyn hat im Rahmen des zunehmenden Interesses an der Politik der Erweiterung der Teilnahme an der Hochschulbildung in europäischen Ländern im Jahre 2013 ein Forschungsprojekt zu Bildungschancen von nicht-traditionellen Studierenden der Hochschule Olsztyn und ihren Kindern realisiert (vgl. Marzwewski und Wawrzyniak 2014). Das Schlüsselproblem dieser Politik ist die Gewährleistung von gleichem, gerechtem Zugang zur Hochschulbildung sowie die Unterstützung des Lernens von Studierenden, die unterrepräsentierten oder sozial ausgegrenzten Gruppen zuzuordnen sind. Daher liegt der Fokus des Projekts auf der Erforschung von Faktoren, die den Zugang zum Studium, die Aufrechterhaltung der Ausbildung (retention) sowie den Zustand des vorzeitigen Studienabbruchs (drop-out) der nicht-traditionellen Studierenden an der Hochschule Olsztyn verstärken oder beschränken.

Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt darin, die Wechselbeziehung von Lernen und Anerkennung zu erkunden. Ich verfolge die Forschungsfrage: Welche Rolle spielt die Kategorie der Anerkennung im Prozess der Konstruktion individueller Bildungsidentität von Studierenden? Diese Forschungsfrage impliziert folgende vier Untersuchungsfragen:

  1. 1.

    Welche Faktoren (und mit welcher Intensität) beeinflussen den Zugang zur Hochschulbildung, das Verbleiben im Bildungssystem und das Erreichen des Studienabschlusses bei nicht-traditionellen Studierenden?

  2. 2.

    Was bedingt und motiviert nicht-traditionelle Studierende an der Hochschule Olsztyn zur Vermehrung von Wissen, zu vollem und bewusstem Studieren sowie der Annahme neuer Bildungsherausforderungen?

  3. 3.

    Welche Faktoren stärken oder schwächen die Entwicklung der Bildungsidentität nicht-traditioneller Studierender?

  4. 4.

    Welche Faktoren, angesiedelt im Bereich des täglichen Lebens der Studierenden, beeinflussen die Dialektik des Lernens in struktureller, kultureller und individueller Perspektive?

Ich bin diesen Untersuchungsfragen im Zusammenhang mit der Arbeit des Forscherteams in Olsztyn nachgegangen. Dabei konnten entsprechende Fragen in den dort entwickelten Fragebogen aufgenommen werden, die eine Diagnose der Bedeutung von Anerkennung ermöglichten. Die Fragen zu Lernen und Anerkennung waren offen gestellt. Dies ließ ausführlichere Aussagen über biografische Lern- und Bildungsprozesse als Antwort zu. In dem Fragebogen wurden insgesamt zwölf Fragen zur Datenerhebung für die vier genannten Untersuchungsfragen aufgenommen. Sie wurden, um nur einige Beispiele zu nennen, folgendermaßen formuliert: Was bedeutet Studieren für Sie? Warum haben Sie sich für das Studium entschieden? Wer hat Sie zum Studieren motiviert? Wer hat Sie beim Studieren unterstützt? Welche Beziehungen haben Sie während des Studiums geknüpft? Was bedeuten diese Beziehungen für Sie? Wie schätzen Sie Ihre Investition in das Studium ein? Wer würdigt diese Investition außer Ihnen? Wie bewertet Ihr Umfeld Ihre Studienleistung? Wird die Hochschulausbildung Ihre berufliche, familiäre bzw. soziale Lage verändern?

Die empirische Analyse der Aussagen der Studierenden erfolgte mittels der phänomenografischen Rekonstruktion der Kategorien der Anerkennung im Lernprozess (vgl. Marton und Booth 1995). In aufeinanderfolgenden Schritten fanden die Ausdifferenzierung der Kategorien sowie deren Fokussierung statt. Danach erfolgte der Vergleich der ermittelten Aussagen. Im letzten Schritt wurden die ermittelten Kategorien der Anerkennung auf die Theorie von Honneth (2012) bezogen. An dieser Untersuchung haben nicht-traditionelle Studierende des zweiten und dritten Studienjahres eines Bachelor-Studiengangs sowie des zweiten Studienjahres eines Masterstudiengangs teilgenommen. Insgesamt haben 320 Personen den Fragebogen ausgefüllt.

Für das Konstruieren der Bildungsidentität von nicht-traditionellen Studierenden ist Anerkennung eine wesentliche Kategorie. Honneth platziert diese Regel im Bereich der Axiologie und versteht sie als eine Grundlage, die unsere rationelle Reaktion auf axiologische Eigenschaften darstellt, die wir in menschlichen Subjekten dank der Integration mit der „zweiten Natur unserer Lebenswelt“ zu bemerken gelernt haben (vgl. Honneth 2012). Anerkennung eines anderen Menschen ist als ein moralisches Handeln zu beschreiben, denn dieses Handeln erst definiert den Wert der anderen Personen. Dieses Handeln fokussiert nicht auf eigene Absichten, sondern auf evaluative Eigenschaften von anderen Personen. In diesem Falle muss man zwischen ebenso vielen Formen des moralischen Handelns unterscheiden, wie es Werte in den menschlichen Subjekten anzuerkennen gibt (ebd., S. 212).

Mit anderen Worten: Damit ein Mensch eine Beziehungsebene mit sich selbst („Identität“) schaffen kann, ist es erforderlich, eigene Kenntnisse und Leistungen intersubjektiv anzuerkennen. Dies ist ein Fundament eines moralischen Bewusstseins des Individuums und der Gesellschaft als Ganzes. Menschen entwickeln ihre Moral im Kontext der positiven und negativen Rückmeldungen, die sie von anderen Menschen im Lauf ihres Strebens um Anerkennung erhalten. Honneth beweist, dass dieses Streben um Anerkennung – hervorgehend aus dem Bedarf an Selbstwertgefühl, dessen Quelle Erfahrungen auch von Missachtung und fehlender Wertschätzung sind – zu einer sozialen Entwicklung und Integration beiträgt.

Da soziales Leben verschiedene Arten der Anerkennung mit sich bringt, von denen jede in verschiedenen Erfahrungen der zwischenmenschlichen Interaktion und verschiedenen moralischen Ansprüchen verwurzelt ist, konzentriert sich Honneth insbesondere auf drei Arten der Anerkennung, die er mit normativen oder utopischen Ambitionen der kritischen Theorie zu verbinden versucht.

  1. 1.

    Selbstvertrauen, dessen Quelle Liebe und Zuwendung sind,

  2. 2.

    Selbstachtung, deren Quelle der Bereich des Rechts (Gleichheit vor dem Gesetz, Menschenwürde, Bewahrung der Autonomie) ist,

  3. 3.

    Selbstwertgefühl, dessen Quelle der Bereich gesellschaftlicher Zusammenarbeit (Beitrag zum Sozialleben) ist (vgl. Fraser et al. 2005, S. 162).

Im Kontext dieser These interessiert mich die dritte Stufe der Anerkennung, also der Bedarf nach Anerkennung für die Arbeit, die ein Individuum verrichtet, d. h. für seine Fähigkeiten und Leistungen. Honneth bezeichnet diese Art der Anerkennung als „den Respekt vor sich selbst“. Dies bedeutet, dass ein Individuum ein Bewusstsein dafür hat, dass seine Arbeit durch Andere wahrgenommen wird und dadurch Ansehen gewinnt. In diesem Fall wird die Selbstachtung dank derer gestärkt, die dem Individuum Respekt für seine Leistungen zollen. Nicht ohne Bedeutung ist hierbei der Grad, in welchem eine Gemeinschaft den Beitrag des Individuums zu schätzen weiß. Diese Gemeinschaft kann z. B. die Familie oder eine schulische, örtliche oder regionale Gemeinschaft, aber auch der Staat sein.

In unserem Fall wird der Anerkennungsbedarf der nicht-traditionellen Studierenden fokussiert, die diese für den Arbeitsaufwand beim Lernen für den Erhalt des Abschlussdiploms einer Hochschule einfordern können. Die ausgewählten Gesichtspunkte dieser Forschung beweisen, dass heutige Studienerfahrungen weitaus positiver sind als noch vor einigen Jahren, sowohl hinsichtlich des Engagements im Bereich des Lernens als auch des Aufbaus von gesellschaftlichen Beziehungen. Über den Verbleib im Bildungssystem und die Aufnahme des Studiums entscheiden eigene Ambitionen der Studierenden, beeinflusst durch die Unterstützung der Familie. Ein wichtiges Element ist hierbei die Befriedigung, die dank der eigenen Entwicklung und individueller Bedürfnisse erzielt wird.

Für über die Hälfte der befragten Studierenden ist das Studieren zu einer Quelle von Befriedigung geworden, also von Freude und Zufriedenheit. Eine beträchtliche Bedeutung hat für die Studierenden das Studieren im Kontext einer eventuell anknüpfenden Beschäftigung. Die Studierenden sehen nämlich ihre Chancen in einer höheren Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt, die mit dem Erhalt eines Hochschul-Diploms untrennbar verbunden ist. Ein wichtiger Faktor dafür, dass die untersuchten Teilnehmer studieren, sind ihre eigenen Interessen, was bedeutet, dass sie durch den Studiengang oder die Hochschule ihre Interessen verfolgen und weiterentwickeln können. Viele von ihnen nehmen auch deswegen ein Studium auf, weil sie ausschließlich etwas für sich selbst tun wollen, etwas früher Verlorenes, u. a. die zeitliche Verschiebung der Entscheidung über das Studium, wiedererlangen wollen oder die Lust verspüren, sich zu beweisen, dass man „nicht abgeschrieben wurde“. Diese Motivation kann sich auch auf die zuvor erwähnte Befriedigung auswirken. Es hat sich dabei auch gezeigt, dass die Unterstützung der Eltern eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung für eine Weiterbildung gespielt hat. Aufgrund der Untersuchungen sieht man deutlich die Rolle, die hierbei die Mütter spielten, die in diesem Bereich die Bedeutung des Einflusses der Väter beträchtlich übertroffen haben.

Die Aufnahme des Studiums kann als eine wichtige Probe der Wiederherstellung verlorenen Selbstvertrauens und der durch frühere Bildungserfahrungen verletzten Selbstsicherheit sowie des Selbstwertgefühls gesehen werden. Ein wichtiges kontextbezogenes Element, in dem die Studierenden die verlorenen Elemente der Anerkennung wiederherstellen konnten, war auch die Lern-Atmosphäre während des Unterrichts an der Hochschule. Die Studierenden richten große Aufmerksamkeit darauf und betonen damit verbundene Aspekte des Lern-Umfelds: freie Meinungsäußerung, Anreiz zur wohlüberlegter Denkweise und zum Handeln, Schaffen eines Raumes für Äußerungen und Treffen von mit dem eigenen Willen übereinstimmenden Entscheidungen. Als Folge daraus erlangten die Studierenden während der zwei bzw. fünf an der Hochschule Olsztyn verbrachten Jahren ein starkes Selbstwertgefühl sowie die Erfahrung von eigener Wirkungsmächtigkeit und Selbstständigkeit (zurück). Diese Eigenschaften wurden durch ihre Identität als „lernende Personen“ bestätigt. Die Studierenden deklarieren nämlich das Interesse an weiterer Fortbildung nach dem Abschluss des derzeitigen Studiums (z. B. während postgradualer Studiengänge). Die Herausforderung für die Regional- und Landesbildungspolitik ist also, ein besonderes Augenmerk auf die Qualität und den Zugang zu diesen Bildungsformen sowie auf den konkreten Bedarf an effizienter Organisation des Weiterbildungssystems zu legen.

Der Wert der intersubjektiven Anerkennung als einer der wichtigsten Werte im Prozess der Hochschulbildung wird daran erkennbar, dass die überwiegende Mehrheit der Studierenden die Kraft des Lernens als eine Steigerung des Vertrauens, des Selbstwertgefühls und des Respekts sowohl im privaten als auch öffentlichen Leben wahrnimmt.

Die biografischen Äußerungen von nicht-traditionellen Studierenden verweisen auf die Bedeutung der Anerkennung von Anderen, aber auch auf die persönlichen und sozialen Konsequenzen einer Störung oder Infragestellung von Formen der Anerkennung, wie sie durch Honneth beschrieben wurden. Eine ungestörte Anerkennung ist ein Wert, den das Individuum für den Aufbau einer einheitlichen „Ich-Struktur“ und eines wirksamen Handelns in der Welt braucht. Die Äußerungen zeigen auch, dass die biografischen Rahmungen oft eine Voraussetzung für eine erneute Aufnahme von Bildungsprozessen im Erwachsenenalter darstellen (vgl. Elliot 2011, S. 212). Eine besondere Bedeutung für nicht-traditionelle Studierende hat die Neuformierung bzw. Umformung ihrer Bildungsidentität durch biografische Erfahrungen, die dem Individuum die Chance geben, die Lebensqualität durch Wiedererlangung von Anerkennung und Selbstwertgefühl zu erhöhen. Dies wird durch das allgemeine, d. h. gesellschaftliche Bildungs- sowie durch das ganz konkrete, institutionelle Lern-Umfeld begünstigt.

Die Nutzung der theoretischen Konzepte von Honneth, die die Bedeutung von Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl im Prozess der Herausbildung besserer Beziehungen des Individuums zu seiner (Um-)Welt und seinem Selbstbild betonen, erscheint begründet. Außerdem scheint es einen starken Zusammenhang zwischen der persönlichen Erfahrung der Steigerung des Selbstbewusstseins und der Entwicklung der Identität zu geben, der sich durch den Anstieg der Selbst-Anerkennung (self-recognition) entwickelt. Dass das Selbstbewusstsein gestärkt und Studierende in der Hochschulwelt ausgezeichnet werden können, zeigt auch das gesellschaftliche Ausmaß dieses Prozesses: Die Gemeinschaft bzw. Peer-Group verleiht durch die Anerkennung von akademischen Qualifikationen ihrem Respekt für das Individuum Ausdruck, legitimiert dessen Handeln und trägt somit aktiv zum Wachstum gesellschaftlicher Solidarität und gemeinsamer Verbindungen im Lebensumfeld bei. Dies ist ein individueller und sozialer Prozess der Ausformung von Identität (vgl. Kurantowicz 2011, S. 16–17 f.).

Die Erfahrungen von nicht-traditionellen Studierenden offenbaren neue Felder der Interpretation und generieren neue Fragen im Bereich ethisch-moralischer Dimensionen von Bildungsprozessen in Bezug auf die Anerkennungstheorie von Honneth. Die Ergebnisse der Forschungen weisen nämlich nicht darauf hin, ob das Streben nach Anerkennung durch Lernen bzw. Studieren Ausdruck früher erfahrener Missachtung und gesellschaftlicher Demütigung ist. Es ist auch nicht offensichtlich, ob sich eine so persönliche und gleichzeitig abstrakte Erfassung von menschlichen Bedürfnissen, wie es das Bedürfnis nach Anerkennung ist, auf die Realitäten einer sich globalisierenden Gesellschaft übertragen lässt. Es könnte auch so sein, dass nur manche, von Ausschluss bedrohte Gruppen in der Gesellschaft eine besondere Form der öffentlichen Anerkennung verlangen, was die Validität einer allgemeingültigen Theorie des Strebens nach Anerkennung nach Honneth infrage stellen würde. Mit anderen Worten: Die Umwandlung von Demütigung in ein Streben nach Anerkennung und Gerechtigkeit kann nur unter besonderen persönlichen und politischen oder kulturellen Umständen zutage treten. Dadurch wäre die durchgeführte Forschung lediglich in ihrem lokalen Kontext zu betrachten. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die als moralisches Handeln verstandene Anerkennung eine verhältnismäßig neue Richtung der Forschungen vorschlägt, die nach vertiefenden Untersuchungen verlangt, um die Erfahrung von Selbstvertrauen, dem Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten und subjektiver Wirkungsmächtigkeit besser zu verstehen.