Im Rettungsdienst (RD) sind Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht nur im besonderen Maße physischen, sondern auch psychischen Belastungen ausgesetzt [15, 20, 32]. Das Tätigkeitsfeld reicht von Krankentransporten bis hin zur Patientenversorgung bei Großschadenseinsätzen und bringt somit eine große Bandbreite von arbeitsbedingten psychischen und physischen Gefährdungen mit sich. Umfassend wurden bisher in Studien die Folgen von psychischen Belastungen im RD in Bezug auf das Einsatzgeschehen untersucht, oftmals mit dem Fokus auf psychische Beanspruchungsfolgen und Erkrankungen. Hierbei standen besonders die Depression, das Burnout-Syndrom und die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) im Fokus [6, 10, 14]. Es werden jedoch auch zunehmend psychische Belastungen im RD betrachtet, die sich aus dem Arbeitsalltag auf der Wache ergeben und immer mehr auch Fragen der Arbeitsorganisation, Aspekte der sozialen Unterstützung und Führung in den Mittelpunkt rücken [17, 33]. Ein wichtiger Aspekt der psychischen Gesundheit ist laut der WHO-Definition auch der Erhalt und die Förderung von Wohlbefinden [39]. Zentral ist hierbei die Tatsache, dass Wohlbefinden nicht nur die Abwesenheit von psychischen Erkrankungen bedeutet, sondern als wesentlich weitreichender zu verstehen ist. Das Wohlbefinden umfasst auch Lebenszufriedenheit, Engagement, Motivation und Arbeitsplatzzufriedenheit eines Menschen [3].

Eine gesunde und leistungsfähige Belegschaft im RD ist im besonderen Maße wichtig, um die Notfallversorgung zu gewährleisten. Aktuell steht der RD jedoch Entwicklungen gegenüber, die diesen Auftrag erschweren können. Der Fachkräftemangel in Deutschland hat Auswirkungen auf den RD [21, 32]. Zusätzlich zeigte eine Befragung des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst e. V. aus dem Jahr 2016 in einer Stichprobe aus 3878 Einsatzkräften, dass eine hohe Personalfluktuation und geringe Arbeitsplatzzufriedenheit vorlagen. Knapp 29 % der befragten Personen wollten dabei den RD komplett verlassen [9]. Mit Blick auf die zu erwartende Steigerung des Arbeitsaufkommens durch erhöhte Einsatzzahlen in den nächsten Jahren können diese Zahlen durchaus als besorgniserregend bewertet werden [4, 30]. Schon allein im Zeitraum von 1994 bis 2013 ergab sich eine Verdopplung der registrierten Einsätze des RD und damit eine Steigerungsrate um 5 % jährlich [34]. Zurückzuführen ist dies auf strukturelle Veränderungen im Gesundheitssystem, aber auch auf den demografischen Wandel in Deutschland [34]. Dabei wird die Gesamtbevölkerung immer älter und multimorbider, gleichzeitig fehlen jüngere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im RD, die nachkommen. Konzepte des altersgerechten Arbeitens werden zukünftig ein wichtiger Aspekt für die Gesundheitsförderung der Belegschaft im RD sein [24, 26]. Damit Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen langfristig im RD arbeiten können und dies auch wollen, müssen Bewältigungsverhalten gegenüber arbeitsbezogenen Belastungen und Arbeitsengagement im RD mehr in den Fokus gerückt werden [11].

Fragestellung

Die Erfassung des subjektiven Wohlbefindens ist ein wichtiger Aspekt, um eine mögliche Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit aufzuzeigen. Bis jetzt sind keine Studien bekannt, die das Wohlbefinden im deutschen Rettungsdienst im Zusammenhang mit dem AVEM (arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebnismuster) in einer so großen Stichprobe untersucht haben. Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster, welche mit dem gleichnamigen Fragebogen AVEM erhoben werden können, geben Auskunft über Ressourcen und Bewältigungsmuster von Probanden und Probandinnen. Ableitend daraus wurde die folgende Forschungsfrage untersucht:

  • Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Grad des subjektiven Wohlbefindens und dem arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster?

Hypothetisch wird erwartet, dass die befragten Einsatzkräfte mit gesundheitsförderlichem Bewältigungsmuster (G und S) ein besseres Wohlbefinden nachweisen als die Risikomuster (A und B). Bis jetzt sind keine Studien bekannt, die das Wohlbefinden im deutschen Rettungsdienst im Zusammenhang mit dem AVEM in einer so großen Stichprobe untersucht haben.

Methodik

Ausgewertet wurden Daten aus einer deutschlandweiten Online-Umfrage, die im Rahmen des 2018 durchgeführten GERD-Projekts („Gesundheit von Einsatzkräften im Rettungsdienst“) erhoben wurden. Die Bekanntgabe der Befragung wurde in der Zeitschrift Rettungsdienst veröffentlicht. Die Stichprobe repräsentiert 508 gültige Datensätze aus den standardisierten Fragebögen, mit einem Durchschnittsalter der Einsatzkräfte von 32,8 ± 9,16 Jahren. Insgesamt waren unter den Teilnehmern 430 Männer (84,6 %) und 78 Frauen (15,4 %) vertreten. Von den befragten Personen gaben 53,7 % an, Notfallsanitäter zu sein, gefolgt von 27,8 % Rettungsassistenten und 18,5 % Rettungssanitätern.

Minimal sollte eine befragte Person 3 Dienstjahre im RD absolviert haben, um mit einbezogen zu werden (Einschlusskriterium).

Die Teilnahme an der Online-Umfrage war für die Einsatzkräfte anonym und freiwillig. Ein positives Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg lag vor (Reg.-Nr. 61/13 vom 14.08.2018).

Messinstrumente

WHO-5-Index

Der World Health Organization Well-Being Index (WHO-5) ist ein Fragebogen, der nur aus 5 Items besteht und trotzdem ein valides Screening-Instrument für Depression, Burnout und psychisches Wohlbefinden darstellt [8, 25, 37]. Auf einer 6‑stufigen Likert-Skala können Antworten von 0 (zu keinem Zeitpunkt) bis 5 (die ganze Zeit) ausgewählt werden. Dabei beziehen sich die Fragen auf Ereignisse in den letzten 2 Wochen. Die Antworten werden dann als Summe in Form des Indexwerts (0 bis 25 Punkte) angegeben. Ergebnisse, welche kleiner als 13 Punkte sind, deuten auf ein geringes, eine Ausprägung über 13 Punkten auf ein gutes Wohlbefinden hin. Der Indexwert kann nicht nur als Spanne von 0 bis 25 angegeben werden, sondern auch in eine Prozentzahl von 0 bis 100 % umgewandelt werden.

Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster

Als weiteres Messinstrument wurde der AVEM-Fragebogen von Schaarschmidt und Fischer verwendet [29]. Dieser ermöglicht eine Aussage über das individuelle Bewältigungsverhalten und die Ressourcen im Kontext arbeitsbezogener Belastungen. Mit Hilfe von 11 Dimensionen kann der AVEM einen Einblick in die einzelnen Aspekte dieses Verhaltens und Erlebens geben. Die Dimensionen werden 3 Kategorien zugeordnet (Arbeitsengagement, Widerstandsfähigkeit und arbeitsbezogene Emotionen), wobei die Dimension Distanzierungsfähigkeit 2 Kategorien angehört (Tab. 1). Für die einzelnen Bereiche wird kein Score errechnet.

Tab. 1 AVEM-Kategorien und die dazugehörigen AVEM-Dimensionen. (Nach [29])

Die befragten Personen können so anhand ihrer Ausprägungen in den 11 Dimensionen mittels Cluster-Analyse (Prozedur Quick Cluster mit fallweisem Ausschluss der Datensätze, Aktualisierung der Clusterzentren durch gleitende Mittelwertbildung nach jeder Fallzuordnung) in gesundheitsgefährdende Risikomuster (A, B) und gesundheitsfördernde (G, S) AVEM-Muster eingeordnet werden [29]. Die Musterzuordnung richtet sich nach dem jeweiligen erreichten Prozentrang, der eine Zuordnung erlaubt. Dabei werden reine Mustertypen mit einem Prozentrang von > 95 %, akzentuierte mit > 80 % und ≤ 95 % und tendenzielle Muster ab > 50 % und ≤ 80 %, mit keinem 2. Muster > 30 % angegeben. Für die Auswertung werden solche Personen, die nur eine tendenzielle Ausprägung oder gar keine Zuordnung haben, nicht miteinbezogen.

Die einzelnen Muster sind mit spezifischen Ausprägungen in den 11 AVEM-Dimensionen assoziiert und können so Interventionsbereiche und Beanspruchungssituationen aufzeigen.

Gesundheitsbeeinträchtigende Muster

Das A‑Muster beschreibt Personen mit übermäßigem Arbeitsengagement, verringerter Distanzierungsfähigkeit und einem negativen Lebensgefühl. Sie zeichnen sich durch eine überhöhte Verausgabung im Beruf aus.

Beim B‑Muster geht man von einem Burnout-ähnlichen Erscheinungsbild aus. Sie neigen zu reduzierter Distanzierungsfähigkeit und negativen arbeitsbezogenen Emotionen. Sowohl das A‑ als auch das B‑Muster werden als gesundheitsgefährdend eingestuft. Hier ist ein Interventionsbedarf erkennbar, um Gesundheitsbeeinträchtigungen abzuwenden.

Gesundheitsförderliche Muster

Personen mit G‑Muster zeichnen sich durch hohe Werte bei Arbeitsengagement und Lebenszufriedenheit, in Kombination mit ausreichender Distanzierungsfähigkeit, aus. Diese Muster-Ausprägung ist wünschenswert und zeigt ein besonders gutes Bewältigungsverhalten gegenüber arbeitsbezogener Belastung.

Dagegen steht das S‑Muster für „Schonungsverhalten“ und beschreibt einen Zustand mit wenig Engagement, kombiniert mit ausgeprägter Distanzierungsfähigkeit. Dieses Muster weist im Gegensatz zum B‑Muster positive Werte in der Dimension Lebenszufriedenheit auf. Hier kann von einem Motivationsproblem bezüglich der Arbeit ausgegangen werden. Diese Personen sind nicht unbedingt interventionsbedürftig, es sollten jedoch die Gründe für die Motivationseinschränkung eruiert werden.

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS Version 26 (Statistical Package of Social Science, IBM, NY, USA). Das Signifikanzniveau wurde auf 5 % festgelegt. Hierbei werden Werte in nicht signifikant (p ≥ 0,05), signifikant (p < 0,05*), sehr signifikant (p < 0,01**) und höchst signifikant (p < 0,001***) eingeteilt. Nach der Prüfung der Daten auf die Normalverteilung, wurde eine Entscheidung für einen parametrischen bzw. nichtparametrischen Test getroffen. Mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests wurden kategoriale Variablen ausgewertet. Des Weiteren wurden Korrelationsanalysen nach Spearman bzw. Pearson durchgeführt. Für Gruppenvergleiche (mit mehr als 2 Gruppen) wurde im Wesentlichen der Kruskal-Wallis-Test angewendet, bei signifikanten Ergebnissen folgten diesem Post-hoc-Tests mit Bonferroni-Korrektur. Abschließend wurden mehrfaktorielle Varianzanalysen durchgeführt, die im Ergebnis auch Aussagen zur Effektstärke der verschiedenen Faktoren liefern, indem für jeden das partielle Eta-Quadrat berechnet wird. Für ein η2 < 0,06 wird ein kleiner Effekt, 0,06 > η2 < 0,1 als mittlerer Effekt und η2 > 0,14 als starker Effekt interpretiert.

Ergebnisse

Insgesamt wurden n = 508 Fragebögen ausgewertet, von denen n = 381 einem AVEM-Muster zugeordnet werden konnten. In der Gesamtstichprobe waren 430 (84,6 %) der befragten Personen männlich und 78 (15,4 %) weiblich. Die Einsatzkräfte waren durchschnittlich 32,8 ± 9,16 Jahre alt und gaben an, 11,4 ± 8,08 Jahre im RD beschäftigt gewesen zu sein. Bei der Einsatzfrequenz während des Dienstes konnten im Mittel 6,2 ± 2,20 Einsätze in 12 h ermittelt werden. Die AVEM-Muster-Stichprobe (n = 381) bestand aus 326 (85,6 %) Männern und 55 (14,4 %) Frauen (pχ2 = 0,481). Die Abweichungen der soziodemografischen Daten in der deskriptiven Statistik der AVEM-Muster-Stichprobe von der Gesamtstichprobe waren gering und können in Tab. 2 eingesehen werden.

Tab. 2 Deskriptive Daten der Gesamtstichprobe (n = 504) und der AVEM-Muster-Stichprobe (n = 381)

AVEM-Muster und Wohlbefinden

Von den 381 befragten Personen, die einem AVEM-Muster zugeordnet werden konnten, wies die Mehrzahl ein gesundheitsförderliches Muster (G: n = 159; S: n = 88) auf. Knapp ein Viertel aller Einsatzkräfte gab dagegen die gesundheitsgefährdenden Muster A (n = 65) und B (n = 69) an (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

AVEM-Muster-Verteilung der Gesamtstichprobe (n = 508)

Darüber hinaus fielen bei der Betrachtung des Wohlbefindens signifikante Unterschiede zwischen den Personen mit unterschiedlicher AVEM-Musterausprägung auf (p < 0,001***, Tab. 3). Einsatzkräfte mit G‑Muster zeigten hierbei ein höchst signifikant besseres Wohlbefinden als solche mit gesundheitsgefährdenden Mustern A und B. Personen mit S‑Muster-Ausprägung hatten ein signifikant besseres Wohlbefinden als solche mit Risikomuster B.

Tab. 3 Vergleich des subjektiven Wohlbefindens von AVEM-Mustern

Die Auswertung der Gesamtstichprobe (n = 508) ergab, dass 83,9 % (426) der Einsatzkräfte ein gutes Wohlbefinden angaben und 16,1 % (82) ein geringes Wohlbefinden. Auch der Mittelwert von 17,5 ± 4,81 Punkten (entspricht 69,8 ± 19,25 %) zeigt ein positives Wohlbefinden für die Mehrheit der befragten Personen an (Tab. 3).

Der signifikante Einfluss konnte auch bei der Varianzanalyse unter zusätzlicher Berücksichtigung von Alter, Dienstjahren und Einsatzfrequenz mit Bestimmung des partiellen η2 (p < 0,001***, η2 = 0,102) nachgewiesen werden. Dabei zeigen die Kovariablen keinen bzw. einen schwachen Effekt (Alter: p = 0,345, η2 = 0,003; Dienstjahre p = 0,249, η2 = 0,004; Einsatzfrequenz: p = 0,080, η2 = 0,009).

Wohlbefinden im Zusammenhang mit Alter, Dienstjahren und Einsatzfrequenz

Die mittels Korrelationsanalyse nach Spearman Rho untersuchten Zusammenhänge zwischen den Variablen Alter (ρ = −0,039), Dienstjahren (ρ = −0,073) und Einsatzfrequenz (ρ = 0,112; p < 0,05) zum subjektiven Wohlbefinden waren sehr gering und nur in Bezug auf die Einsatzfrequenz signifikant.

Diskussion

Positiv zu bemerken sind aus dieser Online-Befragung die hohen Werte von subjektivem Wohlbefinden sowohl in der Gesamtstichprobe im RD, als auch in der Stichprobe der Einsatzkräfte mit AVEM-Muster-Zuordnung. Im Vergleich mit Daten aus einer Umfrage der DAK (durchgeführt kurz vor Einsetzen der Corona-Pandemie in Deutschland) wird dies nochmals besonders deutlich. So gaben unter den mehr als 7000 erwerbstätigen Befragten beider Geschlechter im WHO-5-Fragebogen einen Durchschnittswert von 51 % (Männer: 53 %; Frauen 50 %) an [23]. In dieser Befragung gaben die befragten Personen dagegen durchschnittlich einen Wert um die 69,8 % an. Selektionsprozesse durch die Berufswahl könnten diese hohen Zufriedenheitswerte erklären [13]. Trotz der sehr positiven Ergebnisse sollten die Personen mit geringem Wohlbefinden nicht vernachlässigt werden. Die Autoren Eiche et al. (2019) konnten in einer Umfrage im deutschen RD Zusammenhänge zwischen erniedrigtem Wohlbefinden und Symptomen einer PTBS nachweisen. Gutes subjektives Wohlbefinden könnte die Vulnerabilität für PTBS im RD senken [10].

Die Auswertung der Zusammenhänge von Wohlbefinden und AVEM-Mustern zeigte deutlich, dass Rettungsdienstmitarbeiter und -mitarbeiterinnen mit gesundheitsförderlichen AVEM-Muster (G und S) signifikant höhere Werte für das subjektive Wohlbefinden angaben als solche mit gesundheitsbeeinträchtigenden AVEM-Muster (A und B). Somit wurde unsere aufgestellte Hypothese bestätigt. Gerade die gesundheitsförderlichen Muster (G und S) geben definitionsgemäß hohe Werte in der Dimension Lebenszufriedenheit an. Das könnte eine Erklärung sein, warum die Personen mit dem Muster G ihr subjektives Wohlbefinden besser einschätzen. Das B‑Muster dagegen zeichnet sich durch Eigenschaften aus, die Burnout-Symptomen ähnlich sind, und sehr geringen Lebenszufriedenheitswerten. Tatsächlich bekräftigen Ergebnisse einer Studie von Thielmann et al. (2015), dass die B‑Muster-Ausprägung signifikant mit dem Risiko eines Burnouts korreliert [36]. Hierbei soll nochmal darauf aufmerksam gemacht werden, dass der WHO-5-Fragebogen sich in der klinischen Praxis als valides Instrument erwiesen hat, um Depression und Burnout zu screenen [8, 22, 37].

Für das ebenfalls gesundheitsförderliche S‑Muster gilt im Vergleich zu Personen mit G‑Mustern jedoch eine Einschränkung. Die Einsatzkräfte mit dem S‑Muster wiesen nur signifikant besseres Wohlbefinden als solche mit A‑Muster auf. Bekannt ist, dass das A‑Muster sich durch übermäßiges Arbeitsengagement auszeichnet [29]. Hier könnte sich durchaus abzeichnen, dass auch Motivation, Engagement und Arbeitszufriedenheit Teilaspekte des subjektiven Wohlbefindens sind [3]. Gerade das S‑Muster zeichnet sich als Schonungsmuster zwar durch hohe Lebenszufriedenheit, jedoch auch durch eine reduziertes Arbeitsengagement aus. Letztlich sollte eine S‑Musterausprägung somit ebenfalls Interventionen zur Gesundheits- bzw. Motivationsförderung bedingen. Im Unterschied zu dem S‑Muster zeigen die Personen mit G‑Muster hohe Werte beim Arbeitsengagement auf [29].

Für die Variablen Alter bzw. Dienstjahre und Wohlbefinden ergaben sich in der Korrelationsanalyse keine signifikanten Zusammenhänge. Es ist jedoch anzumerken, dass man hier einen „healthy worker effect“ in Betracht ziehen könnte. Hierbei kann angenommen werden, dass die Einschätzung der Situation verzerrt ist, da Mitarbeitende mit schlechtem Wohlbefinden und eventuellen Gesundheitsbeeinträchtigungen frühzeitig aus dem RD ausgeschieden sind und nicht an dieser Studie teilgenommen haben [1, 11]. Ein Hinweis hierauf könnte die bereits erwähnte hohe Fluktuation des Personals im RD sein [9, 31]. Gerade ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im RD zu halten und eine Abwanderung in andere Berufe zu verhindern, wird eine Herausforderung der nächsten Jahre werden. Die Erhebung des Wohlbefindens kann hier sicherlich ein hilfreicher Indikator sein, um frühzeitig seitens des Arbeitgebers zu reagieren. Mit Angeboten zur lebenszyklusorientierten Arbeitsgestaltung können die Einsatzkräfte im RD z. B. in Phasen der Familienplanung verstärkt unterstützt werden [4, 14]. Aber auch Aspekte wie Weiterbildungsmöglichkeiten und die Evaluation von Führung im Betrieb können hier Interventionsfelder seien, die langfristig eine gesundheitsförderliche Arbeitsumgebung schaffen und auch zur Förderung des Arbeitsengagements beitragen [2].

Genauso wie das Alter und die Dienstjahre stellt die Einsatzfrequenz eine Variable dar, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. Heringshausen et al. (2010) konnten bereits zeigen, dass Einsatzkräfte ab 4 Einsätzen innerhalb von 8 h, ein signifikant niedrigeres Wohlbefinden angaben als Kollegen und Kolleginnen, die 3 oder weniger Einsätze leisten mussten [16]. In den Ergebnissen dieser Umfrage konnte die grundsätzliche Annahme, dass mehr Einsätze mit geringerem Wohlbefinden zusammenhängen, nicht bestätigt werden. Es wird von einigen Autoren eine sehr starke Identifikation vom Rettungsdienstpersonal mit der Einsatztätigkeit beschrieben, die dieses Ergebnis erklären kann [7, 19]. Dabei kann angenommen werden, dass die Arbeit während der Einsätze als Selbstwirksamkeitserfahrung wahrgenommen wird und die damit verbundenen Belastungen von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als selbstverständlich akzeptiert werden [7]. Eine höhere Anzahl von Einsätzen trägt zudem auch zu routinierterem Arbeiten und Teambildung bei [12, 35, 38]. So kann mehr Erfahrung auch zu einem entspannteren und sichereren Arbeiten der Einsatzkräfte beitragen, was nicht zuletzt auch die Patientenversorgung positiv beeinflusst [18, 28]. Dennoch sollte auch darauf hingewiesen werden, dass Einsätze in ihren Anforderungen sehr unterschiedlich ausfallen können. So kann die Fokussierung allein auf die Einsatzfrequenz als Form der Arbeitsintensität davon ablenken, dass es verschiedene Arten von Einsätzen gibt, die das Rettungsdienstpersonal im besonderen Maße beanspruchen und damit das Wohlbefinden beeinflussen können [5].

Damit Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch in Zukunft im RD arbeiten wollen, ist die Frage nach dem Wohlbefinden somit nicht nur allein für die Gesundheitsförderung von Bedeutung, sondern könnte sich auch mit Blick auf die hohe Fluktuation als hilfreich erweisen. Eine Studie von Roth et al. (2019) im deutschen RD hat gezeigt, dass 45,9 % mit dem aktuellen Arbeitsplatz und 30,8 % sogar mit ihrer Berufswahl unzufrieden waren [27]. Das Wohlbefinden kann unkompliziert und schnell mit dem WHO-5-Fragebogen erhoben werden. Fragen nach dem Bewältigungsmuster (AVEM) können eine hilfreiche Ergänzung sein, da sich hier auch der Umgang der befragten Personen mit arbeitsbezogenen Belastungen ausdrückt und individuelle Interventionsbereiche für die Gesundheitsförderung aufzeigt.

Limitationen

Es ist wichtig zu betonen, dass die Herausforderungen im RD durch die Corona-Pandemie in Deutschland durch die Daten dieser Studie nicht abgebildet werden können, da diese Befragung aus dem Jahr 2018 stammt.

Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch den „healthy worker effect“ die Einschätzung zum Wohlbefinden und der vorherrschenden Bewältigungsmuster positiv ausfällt. Die Fragen im WHO‑5 beziehen sich auf Ereignisse in den letzten 2 Wochen, die eventuell nicht den Zeitraum mit den höchsten Einsatzzahlen mitberücksichtigt haben. Es ist bekannt, dass die Einsatzfrequenz unterschiedlich stark variieren kann. Ein Verfahren, welches das Wohlbefinden über einen längeren Zeitraum erfasst, wäre in zukünftigen Studien zu bevorzugen. Weitere Forschungsprojekte zum Thema Altersstruktur und Fluktuation im RD sind notwendig, da diese Studie lediglich eine Querschnittsstudie ist und keine Ursache-Wirkungs-Beziehungen untersuchen kann.

Fazit für die Praxis

  • Das Wohlbefinden ist eine wichtige Ressource und hängt mit Lebenszufriedenheit und Engagement im Beruf zusammen.

  • Die Erhebung des subjektiven Wohlbefindens kann im RD einfach und unkompliziert innerhalb weniger Minuten mit dem WHO-5-Fragebogen durchgeführt werden.

  • Da der Fragebogen das subjektive Wohlbefinden innerhalb von 2 Wochen abfragt, wird empfohlen, diesen nur bei hauptberuflich tätigem Rettungsdienstpersonal anzuwenden.

  • Da Rettungsdienstmitarbeiter mit dem Risikomuster A und B ein schlechteres subjektives Wohlbefinden zeigten, ist zu empfehlen, besonders diese Personengruppen bei Präventionsmaßnahmen zu berücksichtigen.