Nichtmelanozytärer Hautkrebs ist nicht nur in Deutschland die Krebserkrankung mit den größten Inzidenzen und Prävalenzen. Wesentlich verantwortlich dafür ist die solare UV-Strahlung, sowohl im Beruf als auch in der Freizeit. Wie gefährdet man bei unterschiedlichen beruflichen und freizeitlichen Aktivitäten ist, lässt sich nur mit tätigkeitsbezogenen Expositionsdaten bestimmen. Diese liegen nun durch systematische Messungen im Rahmen der GENESIS-Projekte in einheitlicher Metrik vor und ermöglichen so eine hochdifferenzierte Herangehensweise an epidemiologische Betrachtungen von Dosis-Wirkungs-Beziehungen. Dies erlaubt eine retrospektive Überprüfung von Kriterien der BK-Nr. 5103, aber auch die prospektive Modellierung anderer möglicher Zusammenhänge.

Seit jeher halten sich Menschen im Freien auf, sowohl im Beruf als auch in der Freizeit. Zahlreiche Beschäftigte im Freien, ob in der Bauwirtschaft, Landwirtschaft oder in anderen Bereichen, sind unweigerlich der ultravioletten (UV) Strahlung der Sonne ausgesetzt, oftmals ganztägig und -jährig. Die UV-Strahlung der Sonne und unser täglicher Umgang mit ihr hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem immer zentraleren Thema herauskristallisiert. UV-Strahlung gehört zwar zu unserem täglichen Leben dazu, jedoch sind die mit einer zu hohen Exposition verbundenen gesundheitlichen Gefährdungen nachgewiesen und unstrittig.

UV-Strahlung ist ein gesichertes komplettes Humankanzerogen, das durch Tumorinduktion, -promotion und -progression gekennzeichnet ist, wie die Internationale Agentur für die Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer, IARC) schon 1992 veröffentlicht hat [32]. Hautkrebs durch UV-Strahlung hat sich zu einer Volkskrankheit entwickelt, welche die Gesundheit der Betroffenen und gleichermaßen die Sozialsysteme stark belastet. Der nichtmelanozytäre Hautkrebs (NMSC), der auch weißer Hautkrebs genannt wird, hat seinen Ursprung in der Epidermis und tritt hauptsächlich bei älteren Menschen auf. Beim weißen Hautkrebs wird zwischen verschiedenen Hautkrebstypen unterschieden, die zwar durch UV-Strahlung verursacht werden, dabei jedoch, so die Hypothese, unterschiedlichen Expositionsmustern unterliegen [2]. Das Basalzellkarzinom tritt etwa viermal so häufig auf wie das Plattenepithelkarzinom.

Das Basalzellkarzinom (BZK, auch Basaliom genannt) entsteht in der Basalzellschicht der Haut und den Wurzelscheiden der Haarfollikel. Es bildet praktisch keine Metastasen, kann aber in das umgebende Gewebe hineinwachsen und zudem Knochen und Knorpel befallen. Es stellt den weltweit häufigsten Hautkrebs in der Gruppe der Weißen zwischen 40 Jahren und 79 Jahren dar [10, 14, 20], verläuft aber selten lebensbedrohlich. Ursächlich ist wahrscheinlich in der Mehrzahl der Fälle eine hohe UV-Bestrahlung, aber auch Umwelt- und genetische Faktoren können die Entwicklung der Erkrankung begünstigen. Personen mit roten oder blonden Haaren, heller Augenfarbe, schneller Erythembildung nach UV-Exposition, schlechtem Bräunungsvermögen und Sommersprossen zeigen eine erhöhte Inzidenz [1, 33]. Stark in der Diskussion um den eigentlichen Mechanismus zur Auslösung eines BZK ist das Expositionsmuster. Es verdichten sich die Hinweise, dass es gerade intermittierende Expositionen sind, die zu BZK führen [2]. Darunter können Freizeitexpositionen gehören, aber auch bestimmte Muster während beruflicher Tätigkeiten. Bauer et al. (2011; [4]) haben mittels Review die verfügbare Literatur untersucht. Der gepoolte Odds-Ratio (OR) für den Zusammenhang zwischen Arbeit im Freien und dem Risiko, an einem BZK zu erkranken, beträgt 1,43 (mit einem 95 % Konfidenzintervall von 1,23 bis 1,66). Daraus kann geschlussfolgert werden, dass es einen Zusammenhang zwischen Arbeit im Freien und BZK-Risiko gibt, dieser ist jedoch bei anderen Entitäten höher und klarer. Demnach hat das BZK den Status der BK-Reife zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht erlangt.

Das Plattenepithelkarzinom (PEK, auch Spinaliom oder Stachelzellkarzinom genannt) mit dessen In-situ-Vorstufen, den aktinischen Keratosen (AK), ist der zweithäufigste bösartige Hauttumor. PEK entstehen im Wesentlichen in chronisch sonnenexponierten Arealen auf häufig deutlich lichtgeschädigter Haut und somit insbesondere im Gesicht oder auf dem Kopf. Bei PEK liegt ein relativ geringes Metastasierungsrisiko vor. Von den Geschlechtern sind Männer doppelt so häufig betroffen wie Frauen, zudem treten 80 % der Fälle in einem Alter von mehr als 60 Jahren auf. Darüber hinaus gibt es weitere risikoerhöhende Faktoren [3, 19, 22]. Der Zusammenhang zwischen der Einwirkung solarer UV-Strahlung und der Entstehung von PEK ist hinreichend geklärt. Schmitt et al. (2011; [23]) haben mittels Review alle Studien korreliert, die Aussagen zum Zusammenhang zwischen UV-Strahlungsexposition und der Entstehung von PEK enthielten. Der gepoolte OR für den Zusammenhang zwischen Arbeit im Freien und dem Risiko, an einem PEK zu erkranken, beträgt 1,77 (mit einem 95 % Konfidenzintervall von 1,40 bis 2,22). Dementsprechend konnte ein deutlicher Zusammenhang gefunden werden. Die Modellierung der Dosis-Wirkungs-Beziehung, die im Rahmen des Forschungsprojektes FB181 erfolgte, zeigte für PEK eine deutliche Zunahme des Erkrankungsrisikos bei UV-Expositionen oberhalb der 40. Perzentile [25]. Die Modellkurve zeigte in diesem Bereich ein exponentielles Verhalten. Das PEK ist somit ein klassisches Beispiel für einen Tumor, der durch kumulative Sonnenexposition hervorgerufen wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem UV-Lebenszeitkonto. Bei BZK war ein signifikanter Zusammenhang zwischen Höhe der UV-Exposition und der Gesamtexposition nur im Vergleich zwischen sehr hoch (>90. Perzentile) und sehr gering Exponierten (<20. Perzentile) zu erkennen. Die Modellkurve zeigte hier einen Risikoanstieg bis zum Erreichen der Verdopplungsdosis. Ab diesem Punkt war kein weiterer Risikoanstieg zu beobachten [24].

Der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (ÄSVB) hat die Beratungen zur Berufskrankheitenreife des NMSC durch Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Begründung zur BK-Nr. 5103 „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“ [7] abgeschlossen. Zum 1. Januar 2015 trat dann die neue Berufskrankheit durch eine Änderung der Berufskrankheitenverordnung (BKV) in Kraft [8].

Grundlage für die Expositionsbeschreibung in der Wissenschaftlichen Begründung sind die Studien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit den Projekten BMBF-07UVB54B, BMBF-07UVB54C/3 sowie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) mit dem Projekt F1777, die den epidemiologischen Zusammenhang zwischen der Entstehung von PEK und einer erhöhten beruflichen Exposition belegen. Im Rahmen dieser personendosimetrischen Untersuchungen zur individuellen, fotobiologisch effektiven solaren UV-Exposition wurde lediglich grob orientierend nach Berufstätigkeit, Freizeit und Urlaub differenziert. Insbesondere bei der Betrachtung der Exposition im beruflichen Umfeld fehlt den Studien die notwendige Breite: Hier wurden lediglich 7 Berufsgruppen, unterteilt in eine vermutete hohe, mittlere und geringe Exposition, unterschieden. Parallel zur Einführung der Wissenschaftlichen Begründung und der Berufskrankheit Nr. 5103 wurden durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung nicht zuletzt aus diesem Grund die Multicenter-Forschungsprojekte FB170 und FB181 gefördert. In Letztgenanntes floss ein Projekt des IFA mit ein, in dem der Vergleich zwischen der auf Basis der beruflichen Anamnese berechneten Bestrahlung und der im gleichen Zeitraum gemessenen Bestrahlung angestellt wurde. Bei der statistischen Analyse ergab sich, dass es nur einen sehr schwachen, mit Blick auf den Korrelationskoeffizienten kaum nachweisbaren Zusammenhang zwischen berechneter und gemessener Bestrahlung gab. Der Zusammenhang war aber als Hypothese erwartet worden, da sich beide Formen der Erhebung auf denselben Sachverhalt bezogen haben.

In diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass die bisher genutzten Referenzwerte für die berufliche und private Exposition, die in die Wissenschaftliche Begründung als Konvention eingeflossen sind, die Vielfalt der real gemessenen Expositionswerte nur unzureichend wiedergeben. Um eine nachvollziehbare Expositionsermittlung zu gewährleisten, sind demnach Kataster der versicherten und der nichtversicherten Exposition zwingend notwendig. Hinzu kommen noch technische Schwächen der Messmethode, auf der die bisherige Metrik in der Wissenschaftlichen Begründung basiert. Dies wird im Methodikteil weiter beschrieben.

Ziel der Forschungen des IFA war es daher, sowohl für die berufliche als auch für die nichtberufliche Exposition tätigkeitsbezogene Kataster aufzubauen, die in eine holistisch verwendbare UV-Metrik münden.

Methodik

Personendosimetrische Erfassung der UV-Exposition

Ein Blick in die Literatur zeigt, dass es bislang ein eher heterogenes Bild von UV-Strahlungsmessungen mit verschiedenen Messsystemen gibt. Die früher beispielsweise sehr häufig und großflächig eingesetzten Polysulfonfilm-Dosimeter (z. B. [6, 11, 12, 15, 16, 18]) werden bei aktuelleren Studien durch elektronische Geräte ersetzt. Dabei kommen sowohl am Handgelenk getragene uhrenähnliche Dosimeter zum Einsatz [29, 30] oder an der Brust oder anderen Körperstellen getragene elektronische Datenloggerdosimeter [9, 13], wie sie auch in dieser Arbeit verwendet werden. Relativ selten kommen Dosimeter mit biologisch aktiven Sporen zum Einsatz [26, 27]. Jede Messmethode hat gewisse Nachteile. Polysulfonfilm-Dosimeter, die Grundlage für die bisherige Metrik lieferten, lassen keine zeitliche Auflösung der Exposition zu, man erhält nur einen Gesamtwert über die Messzeit und ist darauf angewiesen, dass die Probanden das Dosimeter ausschließlich zum korrekten Zeitpunkt und auf die korrekte Weise tragen. Zudem ist der Polysulfonfilm gegenüber Strahlung mit Wellenlängen größer als 330 nm insensitiv, das bedeutet, dass der UV-A-Bereich de facto nicht gemessen wird und im Rahmen einer Kalibration der Messmethode gegen das Sonnenspektrum extrapoliert werden muss. Ähnliches gilt für Dosimeter mit biologisch aktiven Sporen. Elektronische Dosimeter bieten die Möglichkeit zeitlicher Auflösung bei Messungen sowie durch die Verwendung eines Beschleunigungssensors auch die Möglichkeit zur Kontrolle des (richtigen) Tragens, sind dafür in der Anschaffung aber teurer.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Wahl der Studienpopulation. In bisherigen Studien mit Polysulfonfilm-Dosimetern konnten nur lokal begrenzt kleine Probandenkollektive gewonnen werden [18], wodurch die Bildung eines verlässlichen Referenzwertes erschwert ist. Hinzu kam der tätigkeitsbezogene Ansatz insbesondere während der Messungen der nichtversicherten Expositionen (Freizeitexpositionen), der so gewählt wurde, dass eine Abhängigkeit von der Tagesgestaltung eines Probanden praktisch ausgeschlossen war.

Expositionsmessungen zum Katasteraufbau

Die Identifizierung der Unzulänglichkeiten bisheriger Studien und die daraus folgende Notwendigkeit des Generierens von detaillierten Daten zur UV-Exposition in Beruf und Freizeit als Erweiterung der bisher zur Verfügung stehenden Expositionsdaten führte zur Entwicklung des Messsystems GENESIS-UV. Dieses besteht aus insgesamt über 300 Messeinheiten, deren Herz elektronische Datenloggerdosimeter bilden. Die Verwendung elektronischer Dosimeter ermöglicht eine zeitaufgelöste Langzeitmessung der UV-Exposition. Zunächst wurde hier seit 2014 deutschlandweit die UV-Exposition bei beruflichen Tätigkeiten erfasst. Abb. 1 zeigt eine der in diesem Rahmen untersuchten Tätigkeiten.

Abb. 1
figure 1

Messung der solaren UV-Strahlung bei der Apfelernte

Die Expositionsdaten liegen aufgeschlüsselt nach Berufen vor (https://genesisauswertung.ifa.dguv.de/). Sie umfassen Messungen zu mehr als 250 Berufen und Subberufsgruppen sowie zu über 600 einzelnen Tätigkeiten. Hierzu haben etwa 1000 Probanden beigetragen, die das Dosimeter jeweils arbeitstäglich über 7 Monate trugen. Insgesamt sind auf diese Weise über 3 Mrd. Datensätze gesammelt worden. Die Probanden wurden mit Unterstützung der Unfallversicherungsträger rekrutiert. Dazu wurden zunächst Berufe ausgewählt, die mit einer vermeintlich hohen UV-Exposition verbunden wurden. In diesem Feld wurden dann die möglichen Probanden bezüglich ihrer Bereitschaft zur Mitwirkung direkt angesprochen und angeworben. Die Messungen, die im Zeitraum von April bis Oktober ausschließlich während der täglichen Arbeitszeit stattfanden, wurden zudem mit einer Aufwandsentschädigung vergütet. Im Laufe der Messungen stellte sich heraus, dass neben der im Vorfeld identifizierten Berufsgruppen noch weitere Berufe in die Messungen einbezogen werden mussten, da die bislang vorherrschende Meinung und Einschätzung über die Höhe der Exposition einzelner Gruppen fehlerhaft war. Ein Ethikvotum war für diese Messungen nicht notwendig, da es sich hier nicht um unmittelbare Forschung am Menschen handelte.

Auf Basis dieser Messungen kann zukünftig anstelle des bisherigen Referenzwertes für die berufliche Exposition derjenige Wert treten, der dem Beruf der versicherten Person entspricht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den gewonnenen Messdaten bereits einige Informationen in Bezug auf die Exposition enthalten sind, die bis dato als einzelne Faktoren in die Wittlich’sche Formel eingeflossen sind. Eine Gewichtung des Referenzwertes mithilfe der Wittlich’schen Formel [17, 31] ist zukünftig in der Regel nur noch dann notwendig, wenn sich individuelle Faktoren wie Arbeitszeiten wesentlich vom Profil des Katasterwertes unterscheiden.

Berufe sind in Subberufsgruppen unterteilt und durch Tätigkeitsprofile definiert, die eine eindeutige Identifikation anhand der charakteristischen Tätigkeiten erlaubt. Diese charakteristischen Tätigkeiten können als Module gesehen werden, die beliebig zusammengefügt werden können, um eine berufliche Tätigkeit adäquat zu modellieren. Mit diesem Baukastenprinzip können für Berufe, die bisher nicht im Rahmen der Messungen erfasst wurden, Analogieschlüsse herbeigeführt werden.

Auf Basis des Zeitverwendungsnachweises des Statistischen Bundesamtes [28] kann ermittelt werden, welche Aktivitäten in der Bevölkerung ausgeführt werden und welchen durchschnittlichen zeitlichen Anteil sie im gesamten Tagesverlauf bilden. Im Rahmen des seit 2019 laufenden Projekts „GENESIS-UV: Nicht-versicherte Zeiten“ wird die UV-Exposition bei verschiedenen Freizeitaktivitäten erfasst. Dazu wurden die Tätigkeiten identifiziert, die in Verbindung mit solarer Exposition stehen. Dieses Kataster wird zum Jahresende 2021 verfügbar sein, kann aber schon mit vorläufigen Daten verwendet werden, beispielsweise um die jährliche Gesamtexposition des „Durchschnittsdeutschen“ zu modellieren.

Berechnung nach der Wittlich’schen Formel

Seit der Einführung der Berufskrankheit mit der Nummer 5103 wird zur Berechnung der versicherten (i. A. beruflichen) Exposition standardmäßig der Algorithmus nach der Wittlich’schen Formel verwendet. Damit wird sichergestellt, dass ein für alle Fälle gleiches Verfahren verwendet wird. Das zugrunde liegende mathematische Modell basiert auf der Idee, von einer jährlichen Referenzbestrahlung \(H_{b}/a_{\mathrm{ref}}\)durch individuell einstellbare Faktoren Zu- oder Abschläge zu generieren, die dann zu der Exposition führen, die der Versicherte wahrscheinlich akquiriert hat. Das Verfahren ist in der internationalen Literatur im Detail beschrieben [31] sowie mit verschiedenen Handlungshilfen nachvollziehbar [17].

Zur Ermittlung, ob eine angezeigte Hautkrebserkrankung tatsächlich auf eine erhöhte Exposition im beruflichen Bereich zurückzuführen ist, werden im BK-Verfahren retrospektiv die nichtversicherte sowie die versicherte UV-Exposition berechnet.

Die nichtversicherte Lebenszeitexposition berechnet sich üblicherweise als Produkt aus dem Lebensalter (zum Zeitpunkt der Erstdiagnose) und dem Referenzwert für die durchschnittliche jährliche private Exposition. Es findet keine individuelle Betrachtung der verschiedenen Freizeitaktivitäten statt, es erfolgt die Verwendung eines als Konvention eingesetzten Wertes für alle Versicherten.

Zur Berechnung der beruflichen Exposition Hb wird der jährliche Referenzwert \(H_{b}/a_{\mathrm{ref}}\) mit der Wittlich’schen Formel gewichtet:

$$H_{b}/a=\Upsigma \underset{\textit{Zeitfaktoren}}{\underbrace{f_{AS}\cdot f_{b}\cdot f_{TZ}}}\cdot \underset{\textit{geographische}\,\textit{Faktoren}}{\underbrace{f_{\mathrm{Lat}}\cdot f_{\text{Hoehe}}\cdot f_{\text{Reflex}}}}\underset{\textit{persoenliche}\,\textit{Faktoren}}{\underbrace{\cdot f_{\text{Koerp}}\cdot f_{\text{Schutz}}}}\cdot H_{b}/a_{\mathrm{ref}}$$

Die Wittlich’sche Formel enthält verschiedene Faktoren über die die Informationen zu den individuellen beruflichen Voraussetzungen definiert und vereint werden. Die Faktoren lassen sich in 3 Gruppen einteilen:

  • Zeitfaktoren

    • Anzahl der geleisteten Arbeitsschichten fAS

    • Anteil der Arbeitszeit im Freien fb

    • Zeitraum der Arbeit im Freien fTZ

  • Geographische Faktoren

    • Breitengradfaktor fLat

    • Höhenfaktor \(f_{\mathrm{H"o he}}\)

    • Reflexionsfaktor fReflex

  • Persönliche Faktoren

    • Körperstellenfaktor \(f_{\mathrm{K"o rp}}\)

    • Einflussfaktor von Schutzmaßnahmen fSchutz.

Wie bereits in der Wissenschaftlichen Begründung zur BK-Nr. 5103 nachzulesen ist, handelt es sich in diesem Fall um eine komparative Berufskrankheit: Expositionen in versicherten (i. A. beruflichen) und nichtversicherten (i. A. nichtberuflichen) Zeiten werden miteinander in Relation gesetzt. Daher kommt sowohl der nichtversicherten als auch der versicherten Seite eine entscheidende Bedeutung zu. Es muss beidseitig eine gleichmäßige, möglichst differenzierbare Metrik angewandt werden.

Voraussetzung für die Anerkennung einer beruflichen Verursachung einer Hautkrebserkrankung im Sinne der BK 5103 ist der Nachweis, dass die berufliche Exposition mindestens 40 % der privaten Lebenszeitexposition beträgt.

Berechnungen nach neuer Metrik

Die neue Metrik lässt sich in Berechnungsbeispielen mit der ursprünglichen Metrik direkt vergleichen. Grundlage der Berechnungen ist die prinzipielle Vorgehensweise in der Berechnung von Verdachtsfällen einer BK-Nr. 5103: Berechnung der nichtarbeitsbedingten Exposition (Hp), Bildung des minimal notwendigen Anteils zur Anerkennung (Hb, min; 40 % der nichtarbeitsbedingten Exposition) und Berechnung der tatsächlichen beruflichen Lebenszeitbestrahlung (Hb).

Dem zuvor beschriebenen Rechenmechanismus zur Expositionsermittlung wurden die in Tab. 1 dargestellten Parameter eingebettet. Für die aktuell verwendete Metrik bedeutet dies, dass zunächst die Expositionsbedingungen genau geprüft und in den Zahlenwerten der Faktoren der Wittlich’schen Formel abgebildet werden müssen um den Referenzwert der beruflichen Exposition entsprechend der tatsächlichen Gegebenheiten zu skalieren. Für die neue Metrik kann der Referenzwert der Exposition aus dem Kataster der Messwerte entnommen werden.

Tab. 1 Parameter zur Berechnung der Exposition auf Basis der in der BK-Nr. 5103 geregelten Grundsätze

Im ersten Schritt wurden Berechnungen für ein stetiges Arbeitsverhältnis durchgeführt. Stetig bedeutet in diesem Fall, dass die gesamte Dauer der Berufstätigkeit lediglich ein einziger Beruf ausgeübt worden ist.

Im zweiten Schritt liegt der Blick auf Personen, die sich in wechselnden Arbeitsverhältnissen mit mehreren beruflichen Episoden befanden oder teilzeitbeschäftigt sind. Dort kann es beispielsweise in den verschiedenen Episoden der beruflichen Tätigkeiten zu erheblich unterschiedlichen Expositionen kommen. Daher muss die Exposition jeweils einzeln und berufsspezifisch berechnet werden. Berufliche Werdegänge können ausschlaggebend für BK-relevante Expositionen sein.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Berechnungen für ein stetiges Arbeitsverhältnis sind in Tab. 2 dargestellt. Es zeigt sich, dass sich die Expositionsermittlung mit Blick auf die Schlussfolgerungen nicht unterscheidet, wenn es um hohe und geringe Exposition handelt. Anders wird dies, wenn UV-Expositionen mittlerer Größenordnung (im Bereich um 150 SED jährlicher beruflicher UV-Bestrahlung, z. B. Städtereiniger und Baggerführer in Tab. 2) betrachtet werden oder eine detailliertere Betrachtung der Expositionsbedingungen notwendig wird. Dort kann es zu unterschiedlichen Bewertungen kommen.

Tab. 2 Expositionsermittlung für verschiedene Expositionsszenarien für ein stetiges Arbeitsverhältnis

Beispielgebend seien des Weiteren die Forstwirte genannt. Nach bisher üblicher Metrik käme eine Anerkennung als Berufskrankheit, ähnlich wie beim Baggerführer, nicht in Betracht, wenn man die üblichen Expositionsannahmen berücksichtigt. In der neuen Metrik käme eine Anerkennung hingegen in Betracht, da die Exposition laut realer Messungen offensichtlich im Wald und den angrenzenden Gebieten höher ist als bislang angenommen. Es gibt auch Beispiele, in der es sich in Bezug auf die Beurteilung einer möglichen Anerkennung gegenteilig verhält, wie z. B. bei Beschäftigten in der kommunalen Grünpflege, einer Subberufsgruppe der Gärtner oder beim Städtereiniger.

Ein Rechenbeispiel für eine Person mit wechselndem Arbeitsverhältnis zeigt Tab. 3. Dazu wurde das Beispiel der Fachkräfte für Abfallwirtschaft gewählt.

Tab. 3 Episodenberechnung am Beispiel der Fachkräfte für Abfallwirtschaft gemäß neuer Metrik

Zwei 55-jährige Personen wurden verglichen, deren beruflicher Werdegang sich nur darin unterscheidet, wie lange sie bei den einzelnen Subberufen tätig waren. Person A verbrachte 30 Jahre als Fahrer und Lader und wechselte dann noch für 5 Jahre auf den Wertstoffhof. Person B jedoch wechselt schon nach 25 Jahren. Im Ergebnis erkennt man, dass Person A nicht die Schwelle zur Anerkennung einer BK überschreitet, während Person B dies tut. Mit der alten Metrik wäre wegen fehlender Datenlage überhaupt keine verlässliche Bestimmung möglich, man bewegte sich deutlicher am Rande der Spekulation.

Diskussion

Die Einführung einer neuen Metrik zur retrospektiven Expositionsberechnung hat einen wesentlichen Einfluss auf zukünftige Expositionsbewertungen. Dabei beinhaltet der Bergiff „neue Metrik“ die detaillierten Expositionsdaten zur beruflichen und privaten UV-Exposition, die im Rahmen der GENESIS-UV-Messkampagnen gewonnen werden konnten und in Zukunft als Expositionskataster dienen werden. Somit ändern sich im Vergleich zur aktuell genutzten Berechnungsmethode in erster Linie die Referenzwerte der privaten und beruflichen Exposition. Gleichzeitig liefern die Daten bereits detaillierte Informationen über individuelle Faktoren in den verschiedenen Berufszweigen. Daher kann in vielen Fällen auf die Erfassung individueller Faktoren ganz oder zum Teil verzichtet werden.

Anhand der obigen Beispiele konnte gezeigt werden, dass die Messdaten für berufliche und private Expositionen innerhalb der neuen Metrik plausible Werte liefern und somit ein verlässliches Fundament bilden. Zudem wurde die Anwendbarkeit im BK-Verfahren belegt, indem Rechenbeispiele durchgeführt wurden, die gerade bei recht grober Betrachtung Übereinstimmung mit der alten Metrik zeigen. Das zeigt, dass die neue Metrik die alte ansatzlos ersetzen kann.

Die deutlichen Vorteile der neuen Metrik zeigen sich insbesondere bei detailreicheren beruflichen Expositionen, wie wechselnden Arbeitsverhältnissen oder Teilzeitexpositionen, wie sie im realen Berufsleben wesentlich häufiger vorkommen. Die neue Metrik lässt in diesen Fällen eine wesentlich differenziertere Bewertung zu und ist somit für die individuelle Expositionsermittlung wesentlich besser geeignet. Für die praktische Anwendbarkeit im Berufskrankeitenverfahren ergeben sich deutliche Vereinfachungen, Verbesserungen und eine erhebliche Steigerung der Verfahrensgerechtigkeit, sowohl für die diagnostizierenden Ärzte bei der Einschätzung und Beurteilung der gefährdenden Tätigkeit, als auch bei der dann folgenden Berechnung durch den Technischen Dienst der Unfallversicherungsträger. Die im Rahmen der GENESIS-UV-Messungen erfassten Expositionsdaten enthalten schon viele der wesentlichen Einflussfaktoren der Exposition, die üblicherweise für die Wittlich’sche Formel mühsam für jeden einzelnen Tätigkeitsabschnitt ermittelt werden müssen. Die Erfahrung zeigt, dass dies bei der Bearbeitung häufig zu Unklarheiten, Lücken und Unstimmigkeiten führt, die letztendlich in eine fehlerhafte Bewertung münden können. Somit wird in Zukunft nur noch ein Teil der Faktoren der Wittlich’schen Formel berücksichtigt werden müssen, z. B. bei beruflichen Auslandsaufenthalten, Teilzeittätigkeiten oder dem Einsatz von Schutzmaßnahmen. Da zu den Bestrahlungswerten für einen Beruf mehrere Probanden beigetragen haben, deren Tätigkeits- und somit Expositionsprofile sich voneinander unterscheiden können, ist in den Messwerten bereits eine natürliche Streuung enthalten. Schon die Messdaten selbst sind in der neuen Metrik deutlich verlässlicher, da sie das Verhalten der Probanden zum Teil nachvollziehbar machen sowie auf technisch deutlich ausgereifteren Geräten zeitaufgelöst gemessen wurden. Zudem tragen zu den Mittelwerten der einzelnen Berufs- und Subberufsgruppen deutlich mehr Messwerte bei, die zur statistischen Sicherheit beitragen. Da in der neuen Metrik für jede halbe Stunde eines Tages Werte vorhanden sind, ist eine genaue und ebenso differenzierte Berechnung der Exposition möglich.

Es wird deutlich, dass die bisher genutzte Metrik mit „einem Referenzwert für alle“ zum Teil nur unzureichend das reale Spektrum der Exposition im beruflichen Bereich wiedergeben kann, wie am Beispiel der Forstwirte erläutert. Jedoch sind auch dieser neuen Metrik Grenzen gesetzt. Nicht jeder Beruf oder jede Subberufsgruppe ist bis auf die Ebene der einzelnen Tätigkeiten differenzierbar, daher bestehen hier Möglichkeiten der Weiterentwicklung und Vervollständigung.

Eine vollständige Metrik auf rückführbare Grundsätze (Wirtschaftsverzeichnisse, Statistisches Bundesamt) ist für weitreichende Betrachtungen, die Auswirkungen auf rechtliche Sachverhalte wie Berufskrankheiten hat, von großer Bedeutung. Sie schafft nicht nur ein wissenschaftliches Fundament, sondern auch Rechtssicherheit bei der Bemessung von Expositionen in späteren Berechnungen zur Prüfung der Anerkennungsfähigkeit.

So erlaubt sie zum einen die Bildung eines gruppentypischen Mittelwerts (z. B. Abstufung des Freizeitverhaltens in unterdurchschnittlich, durchschnittlich und überdurchschnittlich), aber auch die individuelle Berechnung der Exposition, indem die Messwerte aus GENESIS-UV z. B. mit Zeitangaben kombiniert und gewichtet werden.

Ausblick

Der Verordnungsgeber hat in der Wissenschaftlichen Begründung zur BK-Nr. 5103 explizit beschrieben, dass die Studienlage zur beruflichen Verursachung von BZK durch UV-Strahlung weniger eindeutig ist, als dies bei PEK und aktinischen Keratosen der Fall ist. Das BZK zeigt zwar die generelle Geeignetheit, jedoch ist der Zusammenhang zwischen Expositionsmuster und Dosis als solcher noch nicht zweifelsfrei erwiesen. Aus diesem Grund ist das BZK bisher noch nicht zur Anerkennung als Berufskrankheit empfohlen.

Mögliche Ursachen sind im vermuteten Expositionsmuster zu suchen, weiterhin gibt es Hinweise, dass es gerade die Hochexponierten sind, die BZK durch UV-Strahlung entwickeln [5]. An der generellen Eignung gibt es kaum Zweifel, daher ist der Fokus auf die Expositionsmetrik wichtig. Mit den in dieser Arbeit vorgestellten Katastern ist sowohl eine extrem detaillierte Beschreibung von Expositionen möglich, zudem eine auf die gesamte Lebenszeit anwendbare uniforme Metrik geschaffen worden. Diese kann in Berechnungen zu Dosis-Wirkung-Beziehungen unter Zugrundlegung medizinisch validierter Modelle die Expositionsachse verlässlich darstellen. Da die Messdaten zeitlich hochaufgelöst vorliegen, lassen sich auch Kriterien für intermittierende bzw. kumulierte Expositionen finden und anwenden.

Eine Anpassung aktueller Studien auf diese neue Metrik ist empfehlenswert und wird auch schon international vorangetrieben, wie z. B. bei Studien im Rahmen des EU-geförderten Projekts EPHOR (https://www.ephor-project.eu/) oder den WHO/ILO Joint Estimates [21].

Unabhängig davon lassen sich anhand der Expositionswerte aus Beruf und Freizeit Erkenntnisse gewinnen, die einen wichtigen Beitrag in der Prävention, zur frühzeitigen und langfristigen Vermeidung von Hautschäden bilden. Durch die tätigkeitsspezifischen Messungen konnten neue Erkenntnisse in Bezug auf besonders exponierte Berufszweige, aber auch Tätigkeiten mit besonders hoher UV-Exposition gewonnen werden. Diese Erkenntnisse können sinnvoll z. B. zur Umsetzung von technischen und organisatorischen Maßnahmen genutzt werden.

Fazit

  • Expositionskataster erlauben die Identifikation gefährdender Tätigkeiten.

  • Die gesamte Lebenszeitexposition mit GENESIS-UV-Katastern ist auch individuell bestimmbar.

  • Eine Episodenberechnung ist einfach möglich.

  • Eine Teilzeitbeschäftigung ist präzise darstellbar.

  • Dosis-Wirkung-Beziehungen sind umfassend modellierbar.

  • Eine Grundlage für holistische Präventionsarbeit ist vorhanden.