Ein Sägekettenriss kann viele Ursachen haben, wie beispielsweise mikroskopisch kleine Risse der Sägekette oder den für die Kette sehr beanspruchenden Schneidevorgang im Hartholz. Von einem Kettenschuss infolge eines Risses der Sägekette wird bei der mechanisierten Holzernte immer wieder berichtet [1, 3, 12, 15]. Oft werden dabei Teile weggeschleudert, die ohne auf einen Menschen oder eine Maschine zu treffen im Wald zu liegen kommen. Solche beschleunigten Kettenteile können sogar in die Reifen von Arbeitsmaschinen eindringen [6].

Ein Kettenschuss (Abb. 1b) tritt typischerweise in der Nähe des Antriebs des Schneidesystems auf, kann aber auch im Bereich der Führungsschienenspitze erfolgen (Abb. 1a, b). Kettensägenteile bewegen sich gewöhnlich in der Ebene der Führungsschiene fort, können aber ebenso in andere Richtungen abgelenkt werden. Für den Maschinisten entsteht vor allem dann eine Gefährdung, wenn die Schwertspitze in Richtung Fahrerkabine zeigt (Abb. 1c).

Abb. 1
figure 1

a Aufbau der Schneideeinrichtung inklusive Sicherheitseinrichtungen. A Antriebsrad, B Kettenfänger, C Kettenschussschutz, D äußere Montageplatte, E Schwenkarmbefestigung, F Richtung der Kettenbewegung, G Schienennut, H Führungsschiene, I innere Montageplatte. b Ablauf eines Kettenschusses: Die Sägekette reißt, das freie Ende bewegt sich von der Bruchstelle weg. Wird die Sägekette nicht durch Schutzeinrichtungen aufgehalten, kann das Kettenende durch die peitschenartige Bewegung stark beschleunigen. Am Höhepunkt dieser Bewegung können sich Kettenglieder lösen und mit hoher Geschwindigkeit weggeschleudert werden. c Mögliche Fortbewegungsrichtungen der Kettenteile. (Quelle: Mechanical Timber Harvesting Handbook, S. 1, 2 und 8)

Zu den möglichen Risiken, die Kettenschüsse bedingen, zählen laut BC Forest Safety Council (2011; [1]):

  • unsachgemäße Kettenspannung – zu lockere Sägekette,

  • unsachgemäße Instandhaltung und Reparatur,

  • abgenützte oder beschädigte Antriebsräder, Führungsschienen und/oder Sägeketten,

  • unsachgemäße Führungsschienen- und Kettenschmierung.

Durch einen Kettenschuss besteht sowohl für den Maschinenführer als auch für andere im Nahbereich der Maschine arbeitende Waldarbeiter sowie Drittpersonen die Gefahr von Unfällen mit ernsthaften Verletzungen bis hin zur Todesfolge [1, 3, 12, 15, 21].

In Österreich und Deutschland sind einige Beinaheunfälle mit Prozessoren auf Mastseilgeräten bekannt, bei denen ein Kettenschuss durch die 12 mm starke Polycarbonatscheibe der Bedienkabine aufgehalten wurde [5, 8]. Auch die ebenso dimensionierte Polycarbonatscheibe eines sog. „Harvesters“ in den USA hielt dem Kettenschuss stand [15].

In Schweden wurde von Beinaheunfällen, bei denen weggeschleuderte Kettenglieder die Frontscheibe der Kabine durchdrungen haben und (am Maschinisten vorbei) durch die hintere Kabinenscheibe wieder ausgetreten sind, berichtet [6]. In Kanada wurde bei zwei Kettenschussvorfällen die Frontschreibe der Kabine durchdrungen. In einem Fall blieben Kettenteile im Computer hinter dem Kopf des Maschinenführers [1], im anderen Fall in der 8 mm starken seitlichen Stahlplatte der Kabine stecken [21].

Kasuistik

Auffindesituation

Der 24 Jahre alte Maschinist wurde durch seinen Kollegen auf der Plattform vor der Bedienkabine (Abb. 2a) liegend aufgefunden. Er hatte sich bei der Waldarbeit mit einem Mastseilgerät verletzt und seinen Kollegen noch selbst per Funk alarmiert. Nach der Auffindung durch seinen Kollegen verlor er dann aber rasch das Bewusstsein; jegliche Reanimationsmaßnahmen blieben erfolglos.

Abb. 2
figure 2

Fotodokumentation des Unfallorts. a Position des Prozessorkopfes beim Riss der Sägekette – die Führungsschiene zeigt direkt Richtung Bedienkabine (Pfeil), Endlage des Maschinisten (X) b Die Türe der Bedienkabine ist geöffnet und mit einem Expander-Spannseil gegen Zufallen gesichert (hervorgehobener Bereich), Endlage des Maschinisten (X). c Detail des Prozessorkopfes. Ausrichtung der Sägekette (Pfeil)

Gerichtsmedizinische Untersuchungsbefunde

Die äußere Leichenschau hatte einen ca. 1,5 × 1 cm großen Hautdefekt an der rechten Brustkorbvorderseite ergeben, welcher zunächst nicht genauer zugeordnet werden konnte.

Bei der gerichtlich angeordneten Obduktion war hier in Projektion auf den rechten Brustbeinrand, unmittelbar fußwärts der Drosselgrube, ein ca. 1,5 × 1 cm messender, ovaler Hautdefekt mit vertrockneten Wundrändern (Abb. 3a, b) festzustellen. In korrespondierender Lokalisation fanden sich eine Durchdringung des Brustbeins, ein schlitzförmiger Wanddefekt der Vena brachiocephalica (Kopf-Arm-Vene) im Bereich der Einmündung in die Vena cava superior (obere Hohlvene), eine Durchdringung des rechten Lungenoberlappens sowie eine schlitzförmige Durchdringung der Muskulatur des vierten Zwischenrippenraums rechts und des rechten Schulterblatts oberhalb der Schulterblattgräte. Im Obergrätenmuskel des rechten Schulterblatts fand sich dann ein 16,55 × 12,65 mm × 1 mm messendes Kettenstück mit der Aufschrift „Stihl“ (Abb. 3c, d). Eine Pneumothoraxprobe verlief an der rechten Brusthöhle positiv; es ergaben sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer Gasembolie.

Abb. 3
figure 3

Fotodokumentation des Unfallopfers und der gerissenen Sägekette. a Kettenschussdefekt am Brustkorb. b Detailaufnahme des Hautdefekts. c Sägekette mit defektem, weggeschleudertem Glied. d Detailaufnahme des bei der Obduktion aufgefundenen Kettenglieds

Todesursächlich war ein Verbluten nach innen infolge einer Blutung aus der eröffneten Vene und der durchdrungenen Lunge in die rechte Brusthöhle von insgesamt 3000 ml. Die inneren Organe zeigten sich blutarm mit Hervortreten der Organeigenfarbe. Die histologischen Untersuchungen der Organproben ergaben keine todesursächlich relevanten Befunde.

Ein immunologisches Screening auf gängige Drogen und häufig missbräuchlich eingenommene Medikamente im Urin und im Schenkelvenenserum verliefen ebenso wie eine Alkoholbestimmung negativ.

Rekonstruktion des Unfalles/technische Untersuchung

Es gab insgesamt zwei Lokalaugenscheine durch einen technischen Sachverständigen. Die verfahrensgegenständliche Forstmaschine wurde wenige Tage nach dem Vorfall am Unfallort in Augenschein genommen. Zudem wurde die Sägekette des betroffenen Prozessors asserviert und eine weitere Maschinenbesichtigung durchgeführt. Im Rahmen dessen erfolgte eine Fotodokumentation, und es wurden detailliertere Informationen über den Prozessor und die Arbeitsvorschriften gesammelt.

Am Tag des Vorfalls war der Maschinist mit der Rückung und Aufarbeitung von Fichten- und Eschenbäumen beauftragt. Er bediente das Mastseilgerät „Syncrofalke 4 to“ mit dem Prozessor „Woody H 60“. Sein Kollege hängte die Baumstämme an und führte andere Tätigkeiten mit der Motorsäge aus.

Am späten Nachmittag bearbeitete der später Verstorbene einen 40–50 cm starken Eschenbaum. Er beabsichtigte, mit der Sägekette des Prozessors einen Trennschnitt durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt zeigte die Führungsschiene der Sägekette direkt in Richtung der Bedienkabine, in der er selbst bei offener Kabinentür saß. Die Distanz zwischen Prozessorkopf und dem Sitz in der Bedienkabine betrug etwa 5,30 m. Die Kabinentür wurde mit einem Expander-Spannseil zur Seite hin, offenstehend, fixiert (Abb. 2b).

Während des Schneidevorgangs riss die Sägekette, und Teile davon wurden mit hoher Geschwindigkeit und Energie weggeschleudert. Ein Kettenteil (Abb. 3c, d) traf den Maschinisten im Bereich des Oberkörpers und durchschlug den Brustraum. Er war hierauf noch in der Lage, den etwa 20 m vom Mastseilgerät entfernt arbeitenden Kollegen per Funk um Hilfe zu bitten. Dieser rannte in Richtung des Mastseilgeräts, fand allerdings nur noch seinen auf der Plattform vor der Bedienkabine zusammengebrochenen Kollegen auf.

Diskussion

Im aktuellen Fall war der Hautdefekt an der Brust und auch die fortgesetzte Durchsetzung des Brustkorbes hinsichtlich des Erscheinungsbilds durchaus geeignet, als Projektileinschuss mit Schusskanal fehlinterpretiert zu werden. Auch das Inspizieren der Kleidung war im aktuellen Fall nicht zielführend und brachte nicht den nötigen Aufschluss, da die Zerstörung des Stoffs ebenfalls von einem Projektil einer Schusswaffe hätte stammen können. Durch die Obduktion konnte die Frage der Entstehung des Hautdefekts jedoch zweifelsfrei beantwortet werden. Somit war auch die Zuordnung der Befunde zum Ablauf des Unfalls möglich. Durch die Gesamtheit der gerichtsmedizinischen Befunde und der technischen Begutachtung durch den Sachverständigen konnte das Unfallgeschehen lückenlos rekonstruiert werden.

In der medizinischen Literatur ist nur ein vergleichbarer Fall durch Sidlo et al. [17] beschrieben, bei dem es zu einer Kopfpenetration durch ein Kettenstück einer Trennscheibe gekommen war. Darüber hinaus kommt es vorwiegend im Rahmen eines direkten Kontakts mit Sägeblättern oder Kettensägen, häufig in suizidaler Absicht [2, 7, 11, 20] oder im Rahmen von Tötungsdelikten [11, 16], zu Verletzungen.

Unter Laborbedingungen wurden für gelöste Kettenteile Geschwindigkeiten von 180 bis 310 m/s gemessen [1, 14]. Gemäß Literatur erreicht ein durch die Luft fliegender Kettenzahn etwa die Masse eines 9 mm Kugelgeschosses und auch dessen kinetische Energie [13].

Um maximalen Schutz zu erlangen, sollten Maschinen mit Sägeketten daher mit angemessenen Sicherheitseinrichtungen ausgestattet sein.

Eine sägekettenbasierte Schneideeinrichtung (Abb. 1a) besteht aus Antriebsrad, Führungsschiene und Sägekette. Der Kettenfänger verhindert, dass eine aus der Führungsnut geratene Sägekette aus der sog. Sägebox geworfen wird.

Ein moderner Kettenschussschutz hat zwei Funktionen:

  • Zum einen muss die Energie einer gebrochene Sägekette, die mit der Sägebox in Kontakt kommt, aufgenommen werden, wodurch das Risiko wegschleudernder Sägeteile bei einem Kettenriss reduziert wird.

  • Zum anderen wird durch die Erweiterung der Sägebox erzielt, dass die Sägekette (oder Teile davon) die Sägebox nicht verlassen.

Das Kettenschussrisiko [9] kann außerdem durch Schutzsysteme, welche die Sägekettenteile blocken oder ableiten, vermindert werden. Weggeschleuderte Sägeteile sind allerdings schwer zu blockieren, weshalb zusätzliche kettenschusssichere Schutzscheiben wohl die effektivste Methode darstellen, um Maschinenführer zu schützen. Harvester und Prozessoren benötigen zum Schutz des Maschinisten vor herabfallenden Steinen und wegschleudernden Ästen sowie vor Kettenschuss eine bruchsichere Scheibe, die die Rundumsicht möglichst nicht einschränkt. Die hierfür eingesetzten Polycarbonat-Schutzscheiben zeichnen sich durch hohe Schlagzähigkeit, Festigkeit und optische Qualität aus. Aus diesen Gründen sind sie schon lange Stand der Technik bei Holzerntemaschinen mit sägekettenbasierten Schneideeinrichtungen [10].

Derzeit verwendet „Komatsu Forest“ als einziger Harvesterhersteller 17mm starke Polycarbonat-Frontscheiben mit gehärteter Oberfläche [4]. Die Marktführer „John Deere“ und „Ponsse“ statten ihre Harvester standardmäßig mit 12mm starken Polycarbonatscheiben aus. Auch bei Mastseilgeräten mit integrierten Prozessoren ist diese Sicherheitsglasstärke Stand der Technik. In Kanada müssen nach dem 1. Mai 2019 hergestellte sägekettenbasierte Holzerntemaschinen mit 32 mm starken Polycarbonatscheiben ausgestattet sein oder die Anforderungen eines „Level 1 Outdoor Use Ballistics Tests of ANSI/UL“ erfüllen.

Schwedische Kettenschussuntersuchungen (Svensk Maskinproving [SMP] in Umeå) mit verschiedenen Schutzscheibentypen (Scheibenstärke und Anzahl der Lagen) ergaben [3], dass fünflagige 19mm starke Verbundscheiben aus Polycarbonat geeignet sind, das Durchdringen von Kettenteilen sicher zu verhindern (Tab. 1).

Tab. 1 Von SMP auf Schutz vor Kettenschuss getestete Sicherheitsverglasungen (ISO/CD 21876, 2015)

In siebenlagigen Verbundscheiben mit einer Stärke von 32 mm blieben die Kettenschüsse in einer Tiefe von 18 mm stecken [3]. Auch die deutsche Firma KRD Sicherheitstechnik GmbH ließ ihre Verbundscheiben von SMP testen. Bei einer von den meisten Herstellern empfohlenen maximalen Kettengeschwindigkeit von 48 m/s drang das Kettenglied in eine 17,2 mm starke Scheibe ein, durchdrang diese aber nur teilweise und blieb stecken [4]. Die fünflagige KASIGLAS®Compound Clear Verbundscheibe mit einer Stärke von 20,4 mm wurde bei Temperaturen von −25 °C bzw. +35 °C getestet; bei keinem Versuch durchschlugen Kettenteile die Verbundscheibe [19]. Bei der überhöhten, aber in der Praxis möglichen Kettengeschwindigkeit von 58 m/s durchschlug ein Kettenglied eine 15,2 mm starke Scheibe komplett, sodass eine solche offenbar keinen vollständigen Schutz bietet.

Im gegenständlichen Fall durchsetzte ein Teilglied einer gerissenen Sägekette den Brustkorb inklusive des Schulterblatts bis zum Obergrätenmuskel. Nach Rekonstruktion des Ablaufs dieses Arbeitsunfalls wäre dieser möglicherweise durch den Maschinisten verhinderbar gewesen, wenn beim Sägeschnitt die Führungsschiene des Prozessors nicht Richtung Bedienkabine gezeigt hätte. Ob eine geschlossene Kabinentüre in der Lage gewesen wäre, das Teilglied gänzlich zu stoppen, bleibt nach der bestehenden Daten- und der Literaturrecherche fraglich. Zumindest wäre eine Abbremsung oder Ablenkung möglich gewesen, wodurch auch die Energie beim Auftreffen auf den Körper bereits erheblich abgeschwächt gewesen wäre.

Der vorgestellte Fall verdeutlicht die Notwendigkeit der genauen Abklärung der Umstände von Arbeitsunfällen zur Prävention und unterstreicht die Wichtigkeit einer adäquaten Unterweisung der Bediener von Maschinen bzw. Arbeitsgeräten, um solche Unfälle künftig verhindern zu können.

Fazit

  • Der Fall verdeutlicht die Notwendigkeit der Abklärung der Umstände von Arbeitsunfällen zur Prävention und die Wichtigkeit einer Unterweisung der Bediener von Maschinen bzw. Arbeitsgeräten.

  • Die Obduktion ist zur genauen Rekonstruktion von Arbeitsunfällen und zur Abgrenzung zu Gewalt durch fremde Hand unerlässlich.

  • Das Einhalten von sicherheitstechnischen Vorschriften (v. a. der Bedienungsanleitung) und die Inanspruchnahme von Schutzeinrichtungen ist zum Erhalt der Arbeitssicherheit unbedingt erforderlich.

  • Eine Anpassung der Stärke und Lagen von Schutzscheiben (Polycarbonatverglasung mit >19 mm Stärke) gegenüber dem derzeitigen Stand der Technik wäre im Sinne der Arbeitssicherheit zweckmäßig.