Trotz ungünstiger körperlicher Voraussetzungen hat es der Mensch verstanden, sich weitestgehend an die klimatischen Gegebenheiten seines Lebensumfeldes anzupassen, indem bspw. warme Räumlichkeiten aufgesucht werden oder adäquate Schutzkleidung getragen wird. Allerdings ist es häufig nicht möglich, die kalte Umgebung zu verlassen, oder die Schutzkleidung reicht nicht aus, um einen gesunden Wärmehaushalt sicherzustellen. Hiervon besonders betroffen sind Menschen, die beruflich im Freien oder in technisch gekühlten Räumen tätig sind (bspw. Hochseefischer, Bauarbeiter, Forstarbeiter, Landwirte sowie Beschäftigte in der Lebensmittelindustrie). Bei allen beruflich kälteexponierten Menschen ist der maximal mögliche Schutz vor Kälte herzustellen und im Falle eines bevorstehenden oder bereits eingetretenen Schadens optimal zu handeln.

Physiologische Grundlagen zur Kältearbeit

Körperkerntemperatur

Der Mensch ist als homoiothermes Lebewesen auch bei starken äußeren Temperaturschwankungen stets bestrebt, eine nahezu konstante Körperkerntemperatur sicherzustellen. Voraussetzung hierfür ist, dass Wärmebildung und Wärmeabgabe im Gleichgewicht zueinanderstehen, was wiederum durch komplexe Mechanismen geregelt wird. Nach Gekle und Singer [1] existieren erhebliche interindividuelle Schwankungen bei der „normalen“ Körperkerntemperatur, da 95 % der Bevölkerung eine am Morgen gemessene Temperatur von 36,3 bis 37,1 °C aufweisen. Zudem sind selbst unter normalen Umgebungsbedingungen in Abhängigkeit der Lokalität am Körper Unterschiede von 0,2 bis 1,2 K feststellbar [2]. Weitere Einflussfaktoren auf die Körperkerntemperatur sind die körperliche Aktivität, zirkadiane Schwankungen, die auf den Hell-Dunkel/Schlaf-Wach-Rhythmus zurückzuführen sind sowie bei Frauen der Menstruationszyklus [1]. Kommt es zu einem Über- oder Unterschreiten festgelegter Toleranzgrenzen der Körperkerntemperatur, entsteht eine pathologische Hyperthermie oder Hypothermie. Nach Behrends et al. [3] wird die Hypothermie in fünf verschiedene Stadien unterteilt. Während der milden Hypothermie (Stadium I, 32 bis 35 °C) setzen sich autonome Regulationsmechanismen in Gang, die ein weiteres Absinken der Körperkerntemperatur verhindern sollen. Zu den autonomen Regulationsmechanismen gehört die Veränderung der peripheren Durchblutung (bei Kältestress Vasokonstriktion), die willkürliche Muskelkontraktion und in bisher noch nicht gänzlich erforschten Grenzen die zitterfreie Thermogenese (Abb. 1). Bereits in Stadium I können Verwirrtheit und Desorientiertheit sowie ein unangemessenes Verhalten (bspw. „paradoxal undressing“) auftreten. Alle anderen Stadien der Hypothermie werden im Abschnitt „Handlungsempfehlungen in Notfallsituationen“ vorgestellt und diskutiert.

Abb. 1
figure 1

Autonome und verhaltensbasierte Regulationsmechanismen auf reizinduzierte Temperaturveränderungen des menschlichen Körpers. (Nach Groos [25])

Hautoberflächentemperatur

Die Haut ist als die den menschlichen Körper umgebende Schicht dem Umgebungsklima direkt oder lediglich durch Kleidung geschützt ausgesetzt und daher in besonderem Maße bei Kälteexpositionen gefährdet. Dabei kann das Absinken der Hautoberflächentemperatur zu unangenehmen Kälteempfindungen, Kälteschmerzen bis hin zu Taubheitsgefühlen führen, aber auch temporäre oder dauerhafte Schäden sind nicht auszuschließen [4, 5]. Das Risiko eines Kälteschadens bspw. in Form lokaler Erfrierungen an der Dermis hängt auch von verschiedenen individuellen Faktoren ab, wie etwa vorhandenen peripheren vaskulären Erkrankungen, früheren Kälteschäden, psychischen Erkrankungen, Alkoholkonsum, Medikamenteneinnahme und dem Wasserhaushalt. Aber auch die Umweltbedingungen, zu denen die Expositionsdauer, die Windgeschwindigkeit, die Feuchtigkeit und der Kontakt mit kalten Oberflächen gehören, spielen eine wichtige Rolle [6,7,8]. Tab. 1 beschreibt die Auswirkungen unterschiedlicher Hautoberflächentemperaturen auf die manuelle Leistungsfähigkeit sowie die Funktion und Empfindung [9]. Ein Absinken der Hautoberflächentemperatur unter +8 °C ist unbedingt zu vermeiden, da nach Lehmuskallio [5] die Gefahr besteht, dass der Kälteschmerz und eine Nervenblockade dafür sorgen, dass eine bevorstehende Erfrierung nicht mehr wahrgenommen wird. Eintretende Erfrierungen lassen sich in 4 Kategorien einteilen, wobei Schweregrad I und II meist erst nach einigen Stunden und Schweregrad III und IV erst nach Tagen bis Wochen feststellbar sind. Erfrierungen 1. Grades sind bereits in der Kälte an lokalem Kribbeln und Schmerzen erkennbar, die später in ein Taubheitsgefühl übergehen. In der Wärme kommt das Tastgefühl begleitet von Kribbeln und Schmerzen zurück, wobei sich zusätzlich eine rötliche Schwellung einstellt. Die betroffene Hautstelle stellt ihren ursprünglichen Zustand erst nach einigen Wochen wieder her, wobei die Haut immer noch schuppig und spröde wirken kann. Bei Erfrierungen 2. Grades sind auch tiefere Hautschichten betroffen, wenngleich die Symptome in einer stärkeren Ausprägung den Symptomen der Erfrierung 1. Grades ähneln. Nach einer Wiedererwärmung bilden sich (blutige) Blasen, die von einem roten, ödematösen Bereich umgeben sind. Die Haut kann sich innerhalb von 2 Wochen unter Krustenbildung und der anschließenden Neubildung berührungsempfindlicher Haut von der Erfrierung erholen. Bei Erfrierungen 3. Grades bildet sich eine Nekrose der Dermis oder tieferer Hautschichten wobei selbst Bänder, Sehnen, Muskeln, Nerven und Knochen betroffen sein können. An der betroffenen Hautstelle bildet sich in Wärme eine feuchte Gangrän, die chirurgisch-operativ entfernt werden muss. Erfrierungen 4. Grades sind mit denen 3. Grades vergleichbar, allerdings sind zusätzlich tiefere Hautschichten betroffen [5].

Tab. 1 Auswirkungen der Hautoberflächentemperatur auf die betroffenen Bereiche. (Nach Risikko [9])

Hautprobleme in Folge von Kälteexpositionen sind auch auf Erkrankungen in Folge abnormer Empfindlichkeit gegenüber Kälte zurückzuführen. Zu Letzterem gehören Erkrankungen wie das Raynaud-Syndrom, Akrozyanose, Kälteurtikaria und Perniones (Frostbeulen).

Weitere gesundheitliche Risiken

Bei Kältearbeit sollten geeignete Maßnahmen nach dem TOP(Technik – Organisation – PSA)-Prinzip dazu beitragen, dass ein Absinken der Körperkerntemperatur unter das Stadium I verhindert wird. Dennoch können auch immer wiederkehrende Kälteexpositionen zu Gesundheits- und Leistungsbeeinträchtigungen führen [10, 11], die sich in einer Minderung der mentalen und physischen Leistungsfähigkeit widerspiegeln [12, 13]. Beispielsweise mindert eine Abkühlung der Muskulatur die physische Leistungsfähigkeit, was wiederum in einer Minderung der funktionellen Eigenschaften Leistung, Kraft und Geschwindigkeit resultiert. Nach Pilcher et al. [14] beeinflusst eine kalte Arbeitsumgebung die mentalen Fähigkeiten in den Bereichen Orientierung, Sicherheit, Entscheidungsfindung, Arbeitsproduktivität sowie Verhalten in Notfallsituationen.

Arbeitsbedingte Kälteexpositionen können neben einer Beeinträchtigung der physischen und mentalen Leistungsfähigkeit auch die Gesundheit des Arbeitnehmers kurz- und langfristig gefährden. So kommt es häufig zu muskuloskeletalen Beschwerden [15, 16] und Erkrankungen der Atemwege [17]. Von Letzterem sind insbesondere Menschen betroffen, die bereits durch chronische Atemwegserkrankungen (z. B. Asthma, chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen) oder durch Rauchen vorbelastet sind [18, 19]. Des Weiteren erhöht verstärktes Einatmen kalter und trockener Luft, bspw. durch körperlich schwere Arbeit die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten kältebedingter Atemwegserkrankungen [20]. Nach Hassi et al. [11] können Kälteexpositionen neben muskulären Beschwerden und Atemwegserkrankungen auch kardiovaskuläre Erkrankungen, Durchblutungsstörungen und Hauterkrankungen hervorrufen. Es ist allerdings auch zu beachten, dass Kältestress durch bereits bestehende kardiovaskuläre Erkrankungen sowie arterielle und venöse Insuffizienzen verschärft werden kann [21].

Arbeits- und Pausenzeiten

Die tägliche Höchstarbeitszeit und die Mindestruhepausen sind im Arbeitszeitgesetz [22] festgelegt, wobei die darin gesetzten Grenzen für das Arbeiten in kalter bzw. tiefkalter Umgebung nicht als geeigneter Maßstab angesehen werden darf. Denn im Sinne des präventiven Gesundheitsschutzes und zur Gewährleistung eines schädigungslosen Einsatzes der Beschäftigten ist in Abhängigkeit der Umgebungstemperatur eine Begrenzung der maximalen Kälteexpositionszeit und die Gewährung einer minimalen Erholzeit zwingend notwendig, wenngleich es aktuell noch an eindeutigen und praxisrelevanten Vorgaben und Regeln mangelt. So greift auch die Berufsgenossenschaftliche Regel BGR 500, Abschn. 2.35 [23] erst bei Umgebungstemperaturen unter −25 °C. Ohnehin ist die darin festgelegte maximale Expositionsdauer von 2 h und einer anschließenden 15-minütigen Aufwärmpause als kritisch anzusehen, da weder die Beschaffenheit noch die Temperatur des Aufenthaltsbereichs nicht näher definiert ist und die Zeit zum Be- und Entkleiden sowie der Gang zum Aufwärmbereich bereits in der Aufwärmzeit enthalten sind. In der DIN 33403‑5 [24] wiederum werden in Abhängigkeit von 5 Kältebereichen Arbeits- und Pausenzeiten empfohlen (Tab. 2), die insbesondere für die Kältebereiche II und IV nach Groos [25] als praktikabel erachtet werden. Grundsätzlich gilt aber, dass bei Kältearbeit lange, zusammenhängende Kälteexpositionszeiten mit langen, zusammenhängenden Aufwärmpausen zu kombinieren sind, die jedoch vor der letzten Kälteexpositionszeit stattfinden müssen.

Tab. 2 Empfohlene Kälteexpositions- und Aufwärmzeiten nach DIN 33403‑5 [24]

In der DIN 33403‑5 [24] wird zudem für die Pausenräume von Kältearbeitern eine Raumtemperatur von mindestens +21 °C empfohlen. Des Weiteren sollen die Umkleide- und Aufwärmräume zugluftfrei sein. Die Aufwärmung nach einer Kälteexposition kann bspw. auch durch die Einrichtung von Warmluftgeräten, Wärmeplatten zur Wiedererwärmung der Hände und Füße, einer Möglichkeit, die Kälteschutzkleidung abzulegen und das Angebot warmer Getränke verbessert werden. Für Arbeitnehmer, die in den Kältebereichen III bis V beschäftigt sind, sollte zur Trocknung und Erwärmung der Kälteschutzkleidung, -stiefel und -handschuhe eine Trocknungseinrichtung installiert werden.

Kälteschutzkleidung

Die persönliche Schutzausrüstung in Form von Kälteschutzkleidung stellt insbesondere dann eine geeignete Maßnahme dar, wenn die Gefährdung durch niedrige Umgebungstemperaturen weder auf technische noch organisatorische Weise ausgeschlossen werden kann. Dabei muss die Kälteschutzkleidung wie jede Schutzausrüstung den Grundsätzen der Unschädlichkeit entsprechen. Des Weiteren ist ein korrektes Anlegen durch den Anwender zu erleichtern und der Sitz soll unter Berücksichtigung der Umgebungseinflüsse sowie Bewegungen und Stellungen des Nutzers für die vorgesehene Gebrauchszeit beibehalten werden. Bei der Materialauswahl ist auf einen geringen Wasserdampfwiderstand und/oder hohe Luftdurchlässigkeit zu achten, damit das durch die thermische Belastung induzierte Unbehagen auf ein Minimum herabgesetzt wird. Es ist aber auch eine hinreichende Isolation gegen Kälte zu gewährleisten, wobei immer die optimale statt die maximale Bekleidungsisolation zu wählen ist, da das möglicherweise auftretende Schwitzen die Isolation der Kleidung durch die Feuchtigkeitsaufnahme in zunehmendem Maße beeinträchtigt. Die Norm DIN EN ISO 11079 [26] gibt hierbei in Abhängigkeit von der operativen Temperatur und bestimmten Aktivitätsniveaus Richtwerte für den Mindestisolationswert (IREQmin) und dem Wert, bei dem thermische Neutralität erreicht wird (IREQneutral) heraus. Diese Werte liegen allerdings weit unter den Isolationswerten der üblicherweise in der Praxis getragenen Kälteschutzkleidung, weshalb die Ermittlung des IREQneutral gemäß den Verfahren aus der DIN EN ISO 11079 [26] als äußerst kritisch angesehen werden muss [25]. Weitere Schwachstellen im Normenwerk finden sich auch in den Prüfverfahren bestehender Kälteschutzanzüge, die beispielsweise das Schwitzen nicht berücksichtigen, oder in den Testverfahren für Kälteschutzschuhe, wonach sogar eine offene Sandale als kälteisolierender Schuh zertifiziert werden könnte [25].

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen

Zu den Aufgaben von Arbeits- und Betriebsmedizinern gehören Vorsorgeuntersuchungen und Beratungen der individuellen Arbeitssituation, die Auswertung der Diagnostik und die Dokumentation. Weitere Aufgabe ist die Beratung des Arbeitgebers, da diese eine Fürsorgepflicht haben und somit für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer verantwortlich sind. Im Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (ArbSchV) besteht die Verpflichtung, alle Arbeitsplätze, zu evaluieren [27]. Das beinhaltet auch das Arbeiten bei Kälte im Freien und das Raumklima in Innenräumen.

Für Kältearbeit ist die G21 vorgesehen [28]. Diese ist Pflicht für Personen, die bei Umgebungstemperaturen von unter −25 °C arbeiten, ansonsten aber auch auf Wunsch des Arbeitsnehmers durchzuführen. Der Untersuchungsumfang beinhaltet eine ärztliche Untersuchung und Labor, bei Bedarf auch ein EKG und einen Lungenfunktionstest. Nachuntersuchungen finden je nach Temperatur alle 3 und 12 Monate statt. Bei Temperaturen kälter als −45 °C erfolgt die 1. Nachuntersuchung nach 3 Monaten, dann alle 6 Monate weiter. Bei Temperaturen zwischen −45 °C bis −24 °C ist die 1. Nachuntersuchung nach 6 Monaten Pflicht und dann alle 12 Monate weiter [29].

Bei Arbeitnehmern mit bestimmen Erkrankungen sollte die Eignung für das Arbeiten am Kältearbeitsplatz besonders kritisch beurteilt werden: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen, Erkrankungen von Haut, Nervensystem, Gelenke und Nieren sowie Suchtkranke [28]. Hierbei könnte sich die chronische Erkrankung verschlechtern oder zu Notfallsituationen führen.

Handlungsempfehlungen in Notfallsituationen

Offensichtliche Gefahren für Kältearbeiter sind Erfrierungen und Unterkühlungen bei nicht vorhandener oder nicht ausreichender Kälteschutzkleidung. Dagegen sind Notfallsituationen selten und treten eher bei Unfällen oder akuten Erkrankungen auf (z. B. eingeschränkte Beweglichkeit durch Unterkühlungen oder Erfrierungen, unbeobachtete Synkope oder andere Bewusstlosigkeit im Kältebereich bzw. Unfälle im Kältebereich mit Verweilung des Betroffenen im Kältebereich). Nachfolgend sind notfallmedizinische Maßnahmen nach Truhlář et al., Frimmel sowie Durrer und Brugger [30,31,32] aufgeführt. Des Weiteren sind die klinischen Symptome und die Therapiemaßnahmen in Tab. 3 dargestellt.

Tab. 3 Einteilung und Management der Hypothermie nach Behrends et al. [3]

Die Therapie ist abhängig vom Grad der Unterkühlung, da sich die Symptome unterscheiden können und der Sauerstoffbedarf reduziert wird. Bei 28 °C ist der Sauerstoffverbrauch um 50 % und bei 22 °C um 75 % reduziert. Die Hypothermie kann somit Herz und Gehirn im Falle eines Kreislaufstillstands schützen [33].

Im Stadium I (Körperkerntemperatur [KKT] 32–35 °C) ist das Bewusstsein meistens klar. Es besteht ein Kältezittern. Puls- und Atemfrequenz sind erhöht. Somit sollte der Betroffene aus der kalten Umgebung geborgen werden, da auch für die Ersthelfer Gefahr der Unterkühlung besteht. Eine aktive Bewegung ist noch sinnvoll. Warmgetränke sollten angeboten werden. Im Stadium II (KKT 28–32 °C) ist der Patient somnolent, also eingetrübt, aber erweckbar. Die Atmung ist abgeflacht. Herzrhythmusstörungen mit Herz-Kreislauf-Stillstand können bereits in diesem Stadium auftreten. Das Risiko steigt mit der Schnelligkeit der Unterkühlung. Der Patient sollte nicht mehr aktiv bewegt werden, um einen sog. Bergungstod zu vermeiden. Dabei ist die Flimmerschwelle des hypothermen bradykarden Herzens erniedrigt. Durch Bewegung wird kälteres peripheres Blut mit wärmerem zentralem Blut vermischt werden, was Kammerflimmern auslösen kann. Bei dem Stadium III liegt die KKT zwischen 24 und 28 °C. Der Betroffene ist soporös bei erhaltender Spontanatmung und träger Pupillenlichtreaktion. Bei minimalen oder fehlenden Lebenszeichen sollte mindestens 1 min lang nach Lebenszeichen gesucht werden. Bei schwerer Hypothermie ohne erfassbare Vitalfunktionen liegt i. d. R. eine KKT von unter 24 °C vor. Fehlen Verletzungen, die nicht mit dem Leben vereinbar sind, muss unbedingt eine Reanimation eingeleitet werden. Der Abbruch der Reanimationsmaßnahme unterliegt dem ärztlichen Personal. Der Tod durch Unterkühlung sollte erst nach einer Wiedererwärmung festgestellt werden: „Nobody is dead until warm and dead.“ (Stadium V). Erst bei einer Körperkerntemperatur von 34 °C sollte diskutiert werden, ob eine laufende Reanimation bei weiterhin fehlendem ROSC („return of spontaneous circulation“) abgebrochen werden soll. Fallberichte belegen ein gutes neurologisches Outcome nach stundenlanger Reanimation hypothermer Patienten. Dabei wurde berichtet, dass Patienten mit einem hypothermiebedingten Kreislaufstillstand mit einer Kerntemperatur von 13,7 °C [34] und einer prolongierten Wiederbelebung von 6,5 h [35] ohne relevante neurologische Schäden überlebt haben. Bedingen Umstände keine kontinuierliche Wiederbelebung, wird eine intermittierende Reanimation empfohlen. Bei einer KKT von <28 °C (oder unbekannter Temperatur) sollte eine Reanimation 5 min erfolgen, im Wechsel mit ≤5 min Pause. Bei einer KKT <20 °C empfiehlt das Review 5 min Reanimation im Wechsel mit ≤10 min Pause [36].

Was ist weiterhin zu beachten? Es kann eine hypothermiebedingte Steifigkeit des Thorax vorliegen. Wechseln Sie sich regelmäßig, ggf. nach jedem Zyklus mit der Thoraxkompression ab oder nutzen sie mechanische Thoraxkompressionsgeräte [37]. Es darf nur maximal dreimal defibrilliert werden. Bleibt die Defibrillation erfolglos, Reanimation nicht abbrechen, sondern Fortführung bis zur Wiedererwärmung. Es ist zu beachten, dass die Wiedererwärmung langsam erfolgen soll. Bei einer zu raschen Erwärmung kann es zu einem Wiedererwärmungskollaps kommen kann. Die Aufwärmung kann präklinisch passiv, aktiv oder extern und innerklinisch intern erfolgen. Bei Hypothermie Stadium I empfiehlt sich eine passive Aufwärmung (z. B. Aluminiumfolie, Wolldecken, Kopfbedeckung und eine warme Umgebung). Bei Hypothermie Stadium II–IV wird die Anwendung von chemischen Wärmeelementen (z. B. selbsterhitzende Wärmedecke oder -weste) am Stamm empfohlen.

Währenddessen muss auf eine ausreichende Volumentherapie geachtet werden. Adrenalin wirkt in der Regel erst bei einer Körperkerntemperatur von über 30 °C. Des Weiteren ist auch die Wirksamkeit von Amiodaron bei schwerer Hypothermie reduziert. Das Intervall der Medikamentengabe sollte länger gehalten werden; empfohlen werden alle 6–10 min.

Fazit für die Praxis

  • Es ergeben sich besondere arbeitsschutz- und arbeitsmedizinische Vorsorgemaßnahmen bei Kältearbeiten, um ein Absinken der Hautoberflächentemperatur unter +8 °C zu vermeiden.

  • Inter- und intraindividuelle Schwankungen der Körperkerntemperatur sind zu beachten. Somit ergeben sich individuelle Arbeitsschutzmaßnahmen, z. B. bei der Auswahl der persönlichen Kälteschutzkleidung.

  • Arbeitsbedingte Kälteexpositionen können die physische und mentale Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Dem Arbeitgeber sollte bewusst sein, dass Kälteexpositionen eine kurz- und langfristige Gefährdung der Gesundheit des Arbeitnehmers darstellt.

  • Bei Kältearbeitsplätzen mit Temperaturen von unter −25 °C ist die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung G21 Pflicht!

  • Es ergeben sich spezielle notfallmedizinische Gegebenheiten und Maßnahmen, die bei hypothermen Patienten beachtet werden sollten.