Einleitung und Ausgangslage

Das OPCAT-Durchführungsgesetz beauftragt die Volksanwaltschaft und ihre Kommissionen, „den Ort einer Freiheitsentziehung zu besuchen und zu überprüfen“. Psychiatrische Abteilungen zählen somit zu den Kernbereichen dieses Prüfauftrages, da Freiheitsentziehung – dem Unterbringungsgesetz entsprechend – einen Teil des psychiatrischen Alltags darstellt. Dies trifft vollinhaltlich auch für kinder- und jugendpsychiatrische Abteilungen und im weiteren Sinne auch auf sozialpädagogische Einrichtungen zu, da sie Träger des Vollzugs jugendhilferechtlicher Maßnahmen sind.

Für alle derartigen Einrichtungen wurde durch das Inkrafttreten des OPCAT-Gesetzes im Jahre 2012 eine völlig neue Situation geschaffen: Kommissionen der Volksanwaltschaft kommen zu unangekündigten Monitoringbesuchen und überprüfen die Alltagspraxis. Diese Besuche beruhen auf verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Bestimmungen vor dem Hintergrund eines Zusatzprotokolls zur UN-Antifolter-KonventionFootnote 1, über dessen Einhaltung ein UN-Subkomitee wacht.Footnote 2 Da weder in Wohneinrichtungen der Jugendhilfe noch in kinderpsychiatrischen Krankenhausabteilungen ein direkter Bezug zum Titel der UN-Konvention („Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung“) ersichtlich ist, erscheint es wenig erstaunlich, dass die Monitoringbesuche vorerst skeptisch betrachtet wurden. Der Begriff des „Nationalen Präventionsmechanismus“ (NPM), der sowohl auf der UN-Ebene als auch in den erläuternden Bemerkungen zum österreichischen OPCAT-Gesetz verwendet wird, betont den präventiven Charakter des Monitorings, der mit der Tätigkeit dieser Einrichtungen wesentlich besser kompatibel ist. Ein Blick in die Geschichte [1, 3, 4, 7] macht jedoch deutlich, dass zu den Begriffen „grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ in der Vergangenheit durchaus ein realer Bezug bestand. Die „Periode der Anstalten“ [5] war geprägt durch Einrichtungen, die dem Typus der „totalen Institution“ [11] entsprachen. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat zu grundlegenden Wandlungen geführt. Die Kinder- und Jugendhilfe stützt sich heute auf kleine Wohneinheiten, die in den Alltag des städtischen (und auch ländlichen) Lebens integriert sind; die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist (mit großer Verspätung) seit 2007 ein eigenständiges medizinisches Sonderfach mit eigenen (ambulanten und stationären) Versorgungsstrukturen [6]. Dennoch ist die externe Evaluation des Alltagsbetriebs dieser Einrichtungen anhand menschenrechtlicher Standards ein wesentliches Element der Qualitätssicherung. Nach vier Jahren der praktischen Umsetzung soll in diesem Beitrag über die Erfahrungen berichtet werden.

Methode

Der Erfahrungsbericht stützt sich auf die Auswertung der BesuchsprotokolleFootnote 3 der 6 Kommissionen der Volksanwaltschaft (aus ganz Österreich), die im Anschluss an einen Kommissionsbesuch von jenen Mitgliedern der interdisziplinär zusammengesetzten Kommission, die am Besuch beteiligt waren, kooperativ erstellt, vom Kommissionsleiter finalisiert und freigegeben und an die Volksanwaltschaft übermittelt werden. Der Protokollinhalt ist ein freier narrativer Fließtext, der – dem Protokollformular folgend – eine systematische Gliederung aufweist. Da eine quantitative Auswertung dieser Protokolle nicht sinnvoll ist, erfolgte die Evaluation der Protokolle auf der Grundlage der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring [13]. Die Haupt- und Subkategorien wurden induktiv (im Sinne der zusammenfassenden Inhaltsanalyse) aus den Protokolltexten gewonnen. Aus dem Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie liegen 20 Besuchsprotokolle aus der Zeitperiode 2012–2016 vor, die zur Gänze in die Evaluation einbezogen wurden. Im Kinder- und Jugendhilfebereich liegen aus dem Zeitraum 2015–2016 insgesamt 176 Protokolle vor, aus denen 40 BesuchsprotokolleFootnote 4 so ausgewählt wurden, dass ein typischer Querschnitt der verschiedenen Einrichtungstypen dargestellt wird. Aufgrund der Heterogenität der Einrichtungstypen in diesem Bereich musste auf eine Kategorienbildung verzichtet und eine überblicksmäßige Darstellungsform gewählt werden.

Grundlagen des menschenrechtlichen Monitoring

Die Menschenrechte, die von den Vereinten Nationen in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (AEMR, 1948) sowie vom Europarat in der „Europäischen Menschenrechtskonvention“ (EMRK, 1950) formuliert wurden, gelten für Kinder und Jugendliche gleichermaßen wie für alle anderen Menschen. Die „Kinderrechtekonvention“ (UN-KRK, 1989) – eine kinderspezifische Weiterentwicklung der AEMR – wurde von Österreich 1992 ratifiziert. Sie definiert als „Kind“ grundsätzlich alle Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sofern die Volljährigkeit nach anzuwendendem Recht nicht früher eintritt. Knapp 20 Jahre später trat ein Verfassungsgesetz in Kraft, das wesentliche Teile der UN-KRK übernommen hat – das BVG Kinderrechte [9]. Damit hat Österreich einen verfassungsrechtlichen Schutz der Kinderrechte geschaffen.

Neben diesen rechtsverbindlichen internationalen und nationalen Bestimmungen existiert eine Vielzahl von „soft rules“, die von verschiedenen internationalen Gremien und Organisationen formuliert wurden:

  • Der UN-Kinderrechte-Ausschuss publiziert regelmäßig Kommentare (general comments) zur KRK, die wichtige Interpretationsleitlinien enthalten. Weiters veröffentlicht er in den sog. „concluding observations“ seine Beobachtungen über den Stand der Umsetzung der Kinderrechte in den einzelnen Ländern.

  • Die regelmäßige Überprüfung der Umsetzung des Europäischen Übereinkommens zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe obliegt einem Komitee des Europarates, dem CPT,Footnote 5 das über seine periodischen Staatenbesuche Berichte publiziert und Standards entwickelt.Footnote 6

  • Die World Medical Association hat 1998 (und neuerlich 2009) in einem Dokument (Declaration of Ottawa on Child Health 1998) [16] die Bedingungen zusammengefasst, die für eine optimale Entwicklung von Kindern notwendig sind.

  • Eine internationale NGO – Defence for Children International (DCI) – arbeitet z. B. in Kooperation mit dem CPT an der konsequenten Umsetzung der Kinderrechte (vgl. Pracitcal Guide: Monitoring places where children are deprived of liberty – [10])

Diese (und weitere) Prinzipen und Regeln stellen – ebenso wie bereichsspezifische Gesetze (UbG, Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz) – die Grundlage der Monitoring-Tätigkeit der Kommissionen dar. Das Unterbringungsgesetz (UbG) enthält keine Altersbegrenzungen oder altersspezifischen Regelungen und gilt daher auch für Kinder- und Jugendliche. Allerdings resultieren bei Minderjährigen aus den Bestimmungen des ABGB zur Obsorge spezifische Bedingungen für die Anwendung des UbG, die im Einzelfall auch die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers einschließen können. Diese Aspekte, die nur am Rande Inhalt des NPM-Monitoring sind, verweisen auf komplexe Zusammenhänge, die nicht in diesem Beitrag zu behandeln sind (s. [2]b; [8]).

Im Sinne des Präventionsauftrages wird die Beurteilungsbasis über die Rechtsnormen hinaus auch auf die Berücksichtigung von Kriterien der Betreuungsqualität erweitert. Diese Vorgangsweise stützt sich auf die Erkenntnis, dass z. B. quantitative oder qualitative Defizite im Personalbereich (oder auch im Raumangebot) sehr leicht zum Anlass einer Einschränkung von Freiheitsrechten werden könnenFootnote 7. Auch hier dienen sowohl gesetzliche Bestimmungen (z. B. im Krankenanstaltengesetz KAKuG) als auch verbindliche Richtlinien (z. B. Qualitätskriterien des Österreichischen Strukturplan Gesundheit) als Grundlage der Beurteilung. Wenn derartige Bestimmungen fehlen, werden auch fachspezifische Qualitätsstandards herangezogen, die beispielsweise als Konsensus-Statements von Fachgesellschaften formuliert werden.

In diesem Sinne stellt auch die wechselseitige Kooperation zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie einerseits und Kinder- und Jugendhilfe andererseits ein relevantes Qualitätskriterium dar, da die beiden Bereiche als kommunizierende Gefäße zu betrachten sind. Ein Defizit an Betreuungsressourcen auf der einen Seite kann ein potentielles Risiko für die Verletzung von Menschenrechten auf der anderen Seite darstellen. Verlängerungen stationärer Aufenthalte im KJP-Bereich wegen des Mangels an qualifizierten sozialtherapeutischen Wohnplätzen sind hier ebenso zu nennen wie ein mangelndes Angebot an Behandlungsplätzen in der KJP für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen.

Ausgewählte Daten aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Vorweg ist festzuhalten, dass in allen Protokollen zahlreiche positive Beobachtungen angeführt werden. Dazu zählen:

  • Ein freundlicher/wertschätzender/geduldiger Umgang mit den PatientInnen, der ebenso wie die multiprofessionelle Betreuung in Kleingruppen an allen besuchten Abteilungen festgestellt wurde.

  • Die Fortsetzung des Schulbesuchs im Rahmen der Heilstättenschule oder auch an der Herkunftsschule.

  • An mehreren Abteilungen wurde – im Sinne von good practice-Beispielen – ein reflektiertes Krisenmanagement hervorgehoben: die Existenz von detaillierten Leitlinien zur Deeskalation und Schutzfixierung sowie eine spezielle Dokumentation zur (auch präventiven) Erfassung von Aggressionsereignissen; regelmäßige Deeskalationsschulungen; Vermeidung von oder zumindest sensibler Umgang mit Security-Einsätzen; ein klares und auf die einzelnen PatientInnen abgestimmtes Prozedere bei Isolierung/Fixierung; durchgehende 1:1 Betreuung bei Fixierungen; Veränderungen der Dienstpläne von Pflegedienst und SozialpädagogInnen mit dem Effekt einer deutlichen Reduktion von Fixierungen.

  • Eine gezielte Kooperation mit Nachsorgeeinrichtungen im Kinder- und Jugendhilfebereich sowie Vernetzung mit anderen extramuralen Diensten einschließlich der Polizei.

Die zusammenfassende Inhaltsanalyse erbrachte fünf Haupt- und zwei Subkategorien, die als Rahmen für die folgende Darstellung der Evaluationsergebnisse gewählt wurden.

Krisenmanagement

  • An den einzelnen Abteilungen bestehen große Unterschiede hinsichtlich des Einsatzes von Security-Diensten. An einigen Abteilungen gibt es keine Security-Dienst, an anderen treten derartige Dienste „nicht nur punktuell bei Sicherheitsmaßnahmen in Erscheinung, sondern auch im Stationsalltag“ und sind auch bei Fixierungen anwesend, wobei die Angaben, ob sie sich dann auch aktiv beteiligen („Hand anlegen“), nicht einheitlich sind. Auch der Umfang spezifischer Schulung der Security-Mitarbeiter ist uneinheitlich. Als Rechtsnorm gilt diesbezüglich die durchgängige Rechtsprechung des OGH, dass alle derartigen Aktivitäten Pflegehandlungen darstellen, die dem Pflegepersonal vorbehalten sindFootnote 8.

  • An mehreren der besuchten Abteilungen gibt es Auszeiträume, die sich hinsichtlich Ausgestaltung und Nutzungsmodus oft weitgehend unterscheiden. Die relevantesten Differenzen betreffen die Begleitung durch StationsmitarbeiterInnen, die Überwachung (Video etc.) und die Dokumentation der Isolationsmaßnahme. In den CPT-StandardsFootnote 9 werden Regelungen (z. B. SOP) eingemahnt, in denen die Ziele, die Dauer, der Kontrollmodus sowie der Personenkontakt festgelegt sind. Ebenso wird eine eigenständige Dokumentation (zusätzlich zur Eintragung in der Krankengeschichte) gefordert.

Freiheitsbeschränkungen, Fixierungen

Selbstverständlich gehört die Beurteilung von Freiheitsbeschränkungen und Fixierungen zu den Kernthemen des NPM-Monitoring. Zentrale Rechtsnorm ist das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit, das in Artikel 2 Abs. 1 einen Entzug der persönlichen Freiheit u. a. aufgrund psychischer Krankheit mit Selbst- oder Fremdgefährdung (Z 5) sowie zum Zweck notwendiger Erziehungsmaßnahmen bei Minderjährigen (Z 6) zulässt. Artikel 1 betont in Abs. 3: „die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.“ und fordert dabei die Achtung der Menschenwürde und der möglichsten Schonung der Person (Abs. 4). Das UbG sowie die Standards des CPT (deren Abschnitt. III psychiatrische Einrichtungen behandelt) sind weitere wesentliche Bezugspunkte der Beurteilung. Das CPT betont die Verantwortlichkeit und Vorbildwirkung der Leitung von psychiatrischen Einrichtungen für den sorgsamen Umgang mit (unvermeidlichem) ZwangFootnote 10 und fordert die 1:1-Betreuung von fixierten PatientInnenFootnote 11.

Kritische Anmerkungen finden sich in den Protokollen zum Fehlen von zentralen Fixierungsregistern Footnote 12, zum Fehlen von Sitzwachen bei fixierten Patienten (einschließlich dem Fehlen von Überwachungszimmern), während die Durchführung von Nachbesprechungen von Fixierungssituationen (Personal und Patient) als good practice hervorgehoben wird. Die Sichtbarkeit nicht benützter Fixiermittel (Gurtenbetten) wird kritisch betrachtet, da sie als Mittel der Drohung und Einschüchterung wirken.

Einige Protokolle sprechen das oft schwierig zu lösende Problem der räumlichen Beschränkung (unter Anwendung des UbG) an, da KJP-Abteilungen grundsätzlich offen geführt werden. Wird die Stationstüre versperrt oder werden PatientInnen in ihrer Bewegungsfreiheit auf bestimmte Räume der Station beschränkt, so betrifft diese Maßnahme in der Regel auch andere, derzeit nicht untergebrachte, PatientInnen. Andererseits würde die Herausnahme des Patienten/der Patientin aus der Gruppe unter Verbringung in einen anderen Raum eine Isolationssituation schaffen, die in den CPT-Standards kritisch erwähnt wird. Da eine allgemeingültige, eindeutige und widerspruchsfreie Lösung dieses Problems nicht möglich erscheint, ist es notwendig, abteilungsspezifische Regeln zu formulieren (z. B. SOPs, die verschiedene Situationen berücksichtigen und schriftliche Begründung des Einzelfalls).

Aufnahme/Einlieferung

Die verfassungsrechtliche Forderung nach Achtung der Menschenwürde wird immer wieder dann verletzt, wenn Jugendliche von der Polizei an eine KJP-Abteilung gebracht werden. In den Protokollen finden sich in einigen Fällen Hinweise, dass (seitens der Polizeibeamten) die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt wird, wenn die Einlieferung in Handfesseln und gelegentlich auch liegend mit Bauchgurt erfolgt. Jugendliche, die aus sozialpädagogischen Wohneinrichtungen zur Aufnahme gebracht werden, kommen oft ohne sachkundige Begleitung, die erforderliche Informationen (Anamnese) liefern könnte. Dieser Umstand wird von den Kommissionen als Risiko für nachfolgende potentielle MR-Verletzungen gewertet.

Aufenthaltsbedingungen in KJP (inkl. UbG-Bereich)

Die meisten der besuchten Abteilungen befinden sich in veralteten Gebäuden, die nicht für diesen Verwendungszweck errichtet wurden und verfügen daher über keine ausreichenden Baustrukturen. Aus menschenrechtlicher Perspektive bedeutet dies, dass das Recht auf PrivatsphäreFootnote 13 häufig ebenso verletzt wird wie der StandardFootnote 14, dass Fixierungen – sofern sie notwendig und unvermeidlich sind – in getrennten Räumen durchzuführen sind.

An manchen neu errichteten Abteilungen erfolgt die Betreuung in Kleingruppen, die auch über eine Wohnküche verfügen, in der auch gebacken und gekocht wird (good practice-Beispiel im Sinne der CPT-StandardsFootnote 15).

Konflikte zwischen Peers sind naturgemäß häufige Ereignisse an KJP-Abteilungen; teilweise sind sie typisch für die Entwicklungsphase, teilweise sind sie Ausdruck der Psychopathologie. Sie stellen aber ebenso wie sexuelle Grenzüberschreitungen unter PatientInnen ein Risiko für Gewalterlebnisse dar, vor denen die Kinder und Jugendlichen geschützt werden müssen. Dies wird sowohl von der KRKFootnote 16 als auch vom CPTFootnote 17 gefordert und mit dem Hinweis auf Prävention durch eine ausreichende Personalpräsenz verbunden. Immer wieder finden sich in den Kommissionsprotokollen (unter Bezug auf die CPT-StandardsFootnote 18) Hinweise auf ein Defizit an pädagogisch-therapeutischen Angeboten, die auf Personalmangel zurückgeführt werden.

PatientInnenrechte

Die PatientInnenrechte stehen – gerade an KJP-Abteilungen – häufig in einem Spannungsverhältnis zu den pädagogischen Aufgaben und auch zur Wahrung der schon erwähnten Rechte der MitpatientInnen. Auch wenn es oft nicht leicht ist, die entsprechenden Grenzen korrekt festzulegen, ist es notwendig, die Rechte von Kindern und Jugendlichen auch unter den Bedingungen der psychiatrischen Krankenhausbehandlung zu beachten da diese durch die UN-KRK und durch nationales Verfassungsrecht geschützt sind. Dies schließt den Zugang zu Information und Partizipation ebenso ein wie das Recht auf Kommunikation nach außen und auf Beschwerdemöglichkeit. In den CPT-StandardsFootnote 19 wird dieser Aspekt besonders betont. Als good practice-Beispiel wird auf die einschlägige Praxis an der KJP-Klinik in Ulm hingewiesen, an der eine kindergemäße Infobroschüre mit eigenen Kapiteln über die Notaufnahme und freiheitsbeschränkende Maßnahmen publiziert wurde.Footnote 20

Folgende Anmerkungen finden sich dazu in den Besuchsprotokollen:

  • Handygebrauch: Einschränkungen, die es praktisch an allen Abteilungen gibt, werden vor allem mit der Gefährdung der Privatsphäre anderer PatientInnen durch das Versenden von Fotos aber auch mit der Gefahr von Mobbing (in beiden Richtungen) begründet. Die Kommissionen regen an, diesen Problemen durch medienpädagogische Konzepte zu begegnen.

  • Kontakt nach außen: Hinweis auf UbG § 34/1. Die Möglichkeit, täglich zu telefonieren, wird positiv hervorgehoben. Ebenso die allgemein großzügigen Besuchsregelungen, die nur im UbG-Bereich bzw. nur nach Anordnung des Jugendamtes Einschränkungen erfahren. Auch Wochenendausgänge zählen zu den positiven Beobachtungen.

  • Beschwerdemöglichkeiten: Diesem Recht wird oft nicht ausreichend Beachtung geschenkt. Jedenfalls reicht die Beschwerdemöglichkeit der Eltern – zumindest bei >14-Jährigen – nicht aus. Auch Kindern, deren Vertrauensverhältnis zu den Eltern beeinträchtigt ist, muss ein anderer Weg der Beschwerde offenstehen. Das Wissen über formalisierte Beschwerdeoptionen ist Teil des Rechts auf Information.

  • Der (z. B. telefonische) Zugang zur regionalen Kinder- und Jugendanwaltschaft und zur Patientenanwaltschaft ist durch Aushang im Lebensbereich der PatientInnen zu gewährleisten.

  • Das Recht auf Partizipation sollte durch ein Stationsparlament, Patientenforum oder ähnliche Strukturen gewährleistet sein.

Strukturelle Versorgungsdefizite

Ein nahezu durchgängiges Thema in den Protokollen ist die Kritik an den defizitären Rahmenbedingungen der KJP-Versorgung einschließlich des Hinweises, dass diese Defizite großen Einfluss auf die Betreuungsbedingungen an den Abteilungen und damit auf die Menschenrechtskonformität haben. Die Tatsache, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Österreich erst 2007 als eigenständiges Sonderfach etabliert wurde, kann die Versorgungsdefizite zwar teilweise erklären, aber nicht entschuldigen. Die Planungsgrundlagen der KJP-Versorgung in Österreich wurden in der Vorbereitung des Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) seit dem Jahre 2005 entwickelt und sind in der Version 2012 (unverändert) dargestellt. Weitere 5 Jahre später sind alle Bundesländer von diesen Strukturkriterien noch immer weit entfernt. In den Kommissionsprotokollen werden – auf der Grundlage der Informationen aus den besuchten Abteilungen – Defizite auf allen Ebenen beschrieben: Defizite an ambulanten, teilstationären und stationären Behandlungsplätzen, ein Mangel an FachärztInnen im Allgemeinen und an niedergelassenen FachärztInnen im Besonderen. Diese Defizite beeinflussen die vor- und nachstationäre Behandlung, die AufenthaltsdauerFootnote 21, die Qualität der stationären Betreuung und das Nahtstellenmanagement (zur Erwachsenenpsychiatrie, zur Kinder- und Jugendhilfe). Diese Defizite stehen im Widerspruch zu den relevanten Kinderrechts- und Gesundheitsstandards (KRKFootnote 22, UN-Kinderrechteausschuss General Comment Nr. 15Footnote 23, WMA-Declaration of OttawaFootnote 24, ÖSGFootnote 25).

Beispielhafte Kritikpunkte aus den Protokollen:

  • Verlängerung der stationären Aufenthalte mit dysfunktionaler Bindung an die Klinik und lange Wartezeiten auf stationäre Neuaufnahmen mit Tendenz zur Chronifizierung von Störungsbildern

  • Fehlen extramuraler Nachbetreuung im räumlichen Nahebereich zum Wohnort

  • Mangel an kinderpsychiatrischen Nacht- und Wochenenddiensten

  • Defizite an fachspezifischer Kompetenz bei UbG-AufnahmeuntersuchungenFootnote 26

  • Stationssperren aus Kapazitätsgründen während der Urlaubszeit

(Nicht‑)Einhaltung des Trennungsgebots

Der Trennung der Kinder und Jugendlichen von Erwachsenen im stationären Bereich wird in allen Beurteilungsrichtlinien große Bedeutung zugemessen (KRKFootnote 27, WMAFootnote 28, Empfehlungen der VolksanwaltschaftFootnote 29, OGHFootnote 30). Nichtsdestoweniger kommt es in ganz Österreich immer wieder zu stationären Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen (mit und ohne UbG) auf erwachsenenpsychiatrischen Stationen. Die Transferierungen aus der KJP-Uni-Klinik Wien auf erwachsenenpsychiatrische Abteilungen haben in den Jahren 2014/15 wesentlich zugenommen (3-fach).

Protokollbeispiele:

  • Wien (02/2016): Wenn aus Kapazitätsgründen vorübergehend auf Ressourcen der Erwachsenenpsychiatrie zurückgegriffen werden muss, sollte dies als absolute Notlösung verstanden werden und eine Rücktransferierung der jugendlichen PatientInnen im kürzest möglichen Zeitraum erfolgen. Eine Verweildauer von 14 Tagen (wie im Fall von Fr. xxx) erscheint jedenfalls unverhältnismäßig und sollte vermieden werden.

  • Innsbruck (07/2016): 11-Jähriger mit Security in den UbG-Bereich an der geschlossenen Männerabteilung begleitet

  • Eine altersspezifische Betreuung auf erwachsenenpsychiatrischen Abteilungen findet – wenn überhaupt – nur im Rahmen eines konsiliarärztlichen Kooperationmodells statt (z. B. Wien, Tulln, Innsbruck) – die sonstigen altersspezifischen Angebote (pädagogische Gruppen, Heilstättenschule etc.) stehen nicht zur Verfügung.

  • Gibt es ausreichend Bewusstsein und Schutzvorkehrungen insbesondere zum Schutz von Opfern sexueller Gewalt? (Wien 05/2015)

Für die stationäre Betreuung jugendlicher PatientInnen aus dem Bereich der forensischen Psychiatrie gibt es keine einheitlichen Regelungen. An einigen KJP-Abteilungen (z. B. Christian Doppler-Klinik, Salzburg) werden diese PatientInnen grundsätzlich mitbetreut; meist sind diese Abteilungen aber zu klein und nicht hinreichend ausgestattet, sodass auch hier Verlegungen in den erwachsenenpsychiatrischen Bereich erfolgen.

Nahtstellen zur Kinder- und Jugendhilfe

Monitoringbesuche an KJP-Abteilungen erfassen auch die Nahtstelle zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, da viele KJP-PatientInnen einer poststationären Betreuung (Sozialarbeit, Sozialpädagogik) bedürfen. Häufig genannte Probleme sind lange Wartezeiten auf sozialtherapeutische Betreuungsangebote (Wohnplätze, intensive Familienbetreuung) mit hoher Betreuungsintensität oder auch der Verlust eines WG-Platzes im Zuge einer stationären KJP-Aufnahme. Helferkonferenzen können geeignete Instrumente des Nahtstellenmanagements sein um derartige Probleme zu reduzieren.

Daten aus der Kinder- und Jugendhilfe

Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt im Überblick, da die Heterogenität der Einrichtungstypen keine sinnvolle Kategorienbildung zulässt.

Die öffentliche Diskussion über Gewalt in Heimen, die ab 2010 in Österreich stattgefunden hat [4], belegt die Bedeutung eines externen Monitoringprozesses in diesem Bereich. Sowohl die UN-KRK als auch das BVG-Kinderrechte enthalten grundlegende Bestimmungen, die essentielle Maßstäbe des Monitorings sind. Darüber hinaus kommt im breit gefächerten Spektrum der Monitoring-Themen der Berücksichtigung von Qualitätsstandards als Präventionsinstrument besondere Bedeutung zu.

Folgende Monitoring-Themen sind unmittelbar aus UN-Kinderrechtekonvention und dem BVG Kinderrechte ableitbar:

  • Anspruch auf Schutz, Fürsorge und Wohlergehen (BVG-KR Art. 1)

  • Schutz vor Gewalt und erniedrigender Behandlung (UN-KRK Art. 19(1,2), 20, 37; BVG-KR Art 5(1), 6),

  • Kontaktmöglichkeiten nach außen (KRK Art. 9, Abs 3; BVG KR Art. 2(1)),

  • Freizeitaktivitäten (UN-KRK Art. 31(1,2)),

  • Privatsphäre (UN-KRK Art. 16(1,2)),

  • Religion (UN-KRK Art. 14 (1,2,3)),

  • Bildung (UN-KRK Art. 28(1)),

  • Partizipation und Meinungsäußerung (UN-KRK Art. 12(1), 13(1); BVG-KR Art. 4),

  • Recht auf Gesundheit (UN-KRK Art. 24)

  • Wiedereingliederung nach Traumatisierung (UN-KRK Art. 39)

Die Beurteilung der Betreuungsqualität erfolgt vor allem anhand der Quality4Children-Standards, die von Fachorganisationen aus 32 europäischen Ländern mit dem Ziel, die Situation und Entwicklungschancen von fremd untergebrachten Kindern zu verbessern, gemeinsam formuliert wurden.Footnote 31 Auch die Empfehlungen der VolksanwaltschaftFootnote 32 stellen Bezugspunkte für die Beurteilung dar.

Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse über die schwerwiegenden Defizite der Heimerziehung in den 1950-er bis 1980-er Jahren [7, 15] kommt einigen Themen besondere Bedeutung zu. Dazu gehören die Möglichkeiten des Kontakts nach außen im Allgemeinen und zu externen Ombudsstellen im Besonderen sowie der Schutz vor (sexueller) Gewalt.

Protokollbeispiele:

  • Die Möglichkeiten des selbständigen Verlassens der Einrichtung streuen von „offenes Haus, abends Türe versperrt“ über „geregelte Ausgangszeiten (altersunabhängig 1,5 h tgl.)“ bis zu „restriktive Ausgangszeiten der Hausordnung stehen im Widerspruch zum Jugendschutzgesetz des Landes“ und „BewohnerInnen haben keinen Schlüssel, die Fenster, aus denen Ausstieg möglich ist, sind vergittert. In Summe haftähnliche Anhaltung.“ Selbstverständlich steht dieser Aspekt in einem Spannungsverhältnis zur Aufsichtspflicht, die altersabhängig (unter Berücksichtigung individueller Kompetenzen) zu gestalten ist. Die Kommissionen achten auf die Existenz transparenter und reflektierter Regeln.

  • Die Möglichkeiten, zu externen Ombuds- und Beratungsstellen Kontakt aufzunehmen, werden von den Kommissionen besonders aufmerksam beachtet. In diesem Bereich hat die Tätigkeit des NPM einen deutlichen Beitrag zur Bewusstseinsbildung über die Notwendigkeit von Beschwerdemöglichkeiten geleistet. In manchen Einrichtungen finden Sprechtage der regionalen Kinder- und Jugendanwaltschaften statt, in anderen sind zumindest deren Erreichbarkeitsdaten sichtbar angeschlagen. Bedauerlicherweise finden sich aber auch gegenteilige Protokolleinträge: „Keinerlei Informationen oder Aushänge im Haus. Keine Aufklärung über Rechte oder Rechtsvertretung an die Klientinnen und Vertretungsmöglichkeiten sind auch unbekannt.“

  • Sowohl die Besuchsregelungen (Eltern, Vertrauenspersonen, FreundInnen) als auch die Handy-Nutzungsregeln zeigen im Einzelnen große Unterschiede. Restriktive Regeln sind mittlerweile allerdings die Ausnahme. Die Kommissionen betonen immer wieder die Notwendigkeit medienpädagogischer Konzepte anstatt restriktiver Nutzungsregeln.

  • Gewaltprävention war in den Jahren 2013/14 ein Prüfschwerpunkt der Volksanwaltschaft, 2015 lag der Fokus auf der Prävention von sexueller Gewalt.Footnote 33 Auch hier ist zu beobachten, dass diese Schwerpunktsetzung des NPM einen Beitrag zu wachsender Aufmerksamkeit in den Einrichtungen leisten konnte. Dennoch beschreiben die Besuchsprotokolle noch immer ein breites Spektrum: „Reflektierter Umgang mit Gewaltvorkommnissen“ und „Fortbildungen im Bereich Gewaltprävention“ werden positiv hervorgehoben; in anderen WG’s wird kritisch festgehalten: „Fehlen von Deeskalationsfortbildungen und schriftlichen Konzepten zur Prävention von (sexueller) Gewalt“, „Kein gemeinsames Verständnis, ab wann Gewalt beginnt“. Mobbing und Bullying werden bedauerlicherweise nur selten als pädagogische Probleme explizit thematisiert. Der pädagogische Umgang mit Krisensituationen stellt unter Umständen auch die Option der passageren Freiheitsbeschränkung (Festhalten, Einsperren) und die Kooperation mit der Polizei zur Diskussion. Da es für diese Situationen keine einfachen Regeln geben kann, soll ein Protokollbeispiel als Orientierungshilfe zitiert werden: „Bei aggressivem Verhalten wird ein Protokoll mit genauer Analyse des Verhaltens und der näheren Umstände angelegt um danach die Bearbeitung des Verhaltens in den Betreuungsplan aufzunehmen. Alle Probleme werden zeitnah und transparent besprochen und behandelt“. Als Instrument zur Strukturierung des Umgangs mit grenzverletzendem Verhalten und Gewaltphänomenen wird seitens des NPM auf den „Bündner Standard“Footnote 34 hingewiesen. Die Feststellung „Festhalten/Fixierung wurde von Praktikant durchgeführt“ ist jedenfalls eine negative Konnotation. Eine strukturierte Kooperation mit der regionalen Polizeidienststelle wird als sinnvolle Strategie gewertet.

  • Die Formulierung des Rechtes auf Partizipation im BVG-KinderrechteFootnote 35 ist als besonders bedeutsam einzuschätzen. Die Umsetzung dieses Rechts wird in den Protokollen positiv betont: „Regelmäßiges Kinderforum“, „Leitfaden zum Thema Beteiligung, verschiedene Informations- und Partizipationsebenen in der Einrichtung vorhanden“.

  • Obwohl das Recht des Kindes auf Schutz ihrer Privatsphäre bereits seit 1989 in der UN-KRKFootnote 36 verankert ist, ist der Prozess der Bewusstseinsbildung im pädagogischen Bereich noch unzureichend entwickelt. In vielen Einrichtungen sind die Zimmer ebensowenig von innen verschließbar wie Dusch- und Baderäume, verschließbare Kästchen fehlen, Zimmerkontrollen erfolgen häufig unangemeldet und ohne Wissen der BewohnerInnen.

  • In nahezu allen Protokollen findet sich eine positive Beurteilung der Umsetzung des Rechts auf Bildung. In vielen Einrichtungen treffen die Kommissionen auf intensive Bemühungen und teilweise großen Personalaufwand, um den Schulbesuch sicherzustellen bzw. bei längerfristiger Schulverweigerung alternative Bildungsmöglichkeiten anzubieten.

  • Die Einlösung des Rechts auf Gesundheit stößt dort an Grenzen, wo die Angebote an Psychotherapie und die ausreichende Kooperation mit KJP-Einrichtungen fehlen. Hier handelt es sich meist um strukturelle Probleme, die oft außerhalb des Einflussbereichs der KJH-Einrichtungen liegen. Das Management von erforderlichen Medikamenten, deren Aufbewahrung und Verabreichung, liegt hingegen im unmittelbaren Verantwortungsbereich der Einrichtung. Aus vielen Protokollen ist ersichtlich, dass sowohl die Aufbewahrung (keine versperrten Schränke), als auch die Vorbereitung der Ausgabe (kein adäquates Blistersystem) sowie die Dokumentation der Anordnung und Ausgabe von Psychopharmaka große Defizite aufweisen. Im Falle der ärztlich angeordneten Bedarfsmedikation ist es unumgänglich, dass diese Anordnung mit einer klaren und praktisch nutzbaren Beschreibung der Bedarfssituation verbunden ist und auch die Verabreichungssituation ausreichend dokumentiert wird. Die PädagogInnen, die mit dieser Aufgabe betraut werden, müssen über eine fachliche ZusatzqualifikationFootnote 37 verfügen.

Die Beurteilung der Qualität der Betreuungsstandards wird – wie schon früher dargestellt – als bedeutsames Präventionsinstrument gewertet, das auch fernab unmittelbarer Verletzung oder Gefährdung von Menschen- und Kinderrechten zur Anwendung gelangt. Die Quality4Children-Standards, bieten dafür einen wichtigen Raster. Folgende Beispiele fallen in diesen Bereich:

Die Erstellung individueller Betreuungspläne Footnote 38 sowie die schriftliche und damit nachvollziehbare Dokumentation des Betreuungsprozesses sind Teil der NPM-Beurteilung. Ein negatives Protokollbeispiel lautet: „Keine laufende personen- oder prozessbezogene Dokumentation hinsichtlich Förderungs- und Betreuungsplanung. Keine Zielvereinbarungen, keine Nachvollziehbarkeit von Planung und Umsetzung individueller Entwicklungsprozessen. Keine individuelle Planung oder Mitgestaltungsmöglichkeit.“

Weitere Bereiche, die ebenfalls zum Beurteilungsspektrum des NPM gehören, weisen in den Protokollen so große Streuungen auf, dass eine Zusammenfassung nicht sinnvoll ist; sie sollen an dieser Stelle nur erwähnt werden: Die Personalqualität (Ausbildungsniveau, Fortbildungsmöglichkeiten) und die Arbeitsbedingungen (Dienstpläne, Supervisionsangebote), die Gestaltung der allgemeinen Lebensbedingungen (Hausregeln, pädagogische Sanktionen, Sexualerziehung etc.) sowie die hygienischen Bedingungen, die Lage und Erreichbarkeit der Einrichtungen, die Arbeit mit den Herkunftsfamilien, der Umgang mit religiösen Ritualen (z. B. bei MigrantInnen und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen).

Diskussion

Das menschenrechtliche Monitoring, das durch das OPCAT-Gesetz in Österreich etabliert wurde, stellt eine spezifische Form des Grundrechtsschutzes dar. Klaushofer [12] stellt dem „klassischen individuellen Grundrechtsschutz“ den „objektiven Grundrechtsschutz“ gegenüber, der zwar keinen Individualrechtsschutz bieten kann, aber größere Breitenwirkung hat: „Es findet eine institutionelle Auseinandersetzung mit anderen Staatsorganen und privaten Einrichtungen statt und nicht bloß eine parteien- und verfahrensmäßige Abwicklung“ (S. 113). In einem Beispiel aus dem Kinder- und Jugendhilfebereich weist er darauf hin, dass Betroffene oft weder das Wissen noch die faktische Möglichkeit einer Beschwerde haben und menschenrechtlich Probleme daher oft unentdeckt bleiben und resümiert: „Grundrechtsschutz durch Präventionsmechanismen kann individuelle Rechtsansprüche nie ersetzen, aber oft viel schneller und breitenwirksamer zu einer Verbesserung der Menschenrechtssituation beitragen als dieser es je vermag.“ (S. 113).

Ein Vergleich der referierten Ergebnisse mit internationalen Entwicklungen ist nur punktuell, ein direkter Datenvergleich aufgrund fehlender einschlägiger Publikationen nicht möglich.

Das Optional Protocol (OPCAT) wurde bisher von 83 Staaten ratifiziert, die damit die Verpflichtung zur Einrichtung eines Nationalen Präventionsmechanismus (mit unterschiedlichen konkreten Ausformungen) eingegangen sind. Der österreichische NPM hat aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Konstruktion insbesondere im Kinder- und Jugendbereich (aber auch im Bereich der Behindertenbetreuung) im internationalen Kontext eine Pionierrolle übernommen, da in anderen Ländern Besuche in diesem Bereich nicht oder in deutlich geringerem Umfang stattfinden. Im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz ist die Besuchstätigkeit der Volksanwaltschafts-Kommissionen in Österreich im Kinder- und Jugendbereich wesentlich umfangreicher.

In der Schweiz wurde die „Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF)“Footnote 39 eingerichtet, die aus 9 Mitgliedern besteht. Die Kommission veröffentlicht Berichte und Stellungnahmen zu Besuchen in Justizeinrichtungen.

Deutschland hat eine „Nationale Stelle zur Verhütung von Folter“Footnote 40 eingerichtet, die aus einer Bundesstelle und einer Länderkommission besteht. Im Jahresbericht 2015 [14] des deutschen NPM wird erstmals über Besuche in psychiatrischen Kliniken und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe berichtet, da die Besuchstätigkeit in den Vorjahren (ab 2009) auf Einrichtungen der Polizei und Justiz beschränkt waren. Kritisch erwähnt wird dort der Mangel an Räumlichkeiten für pädagogisch-therapeutische Arbeit. Positiv hervorgehoben werden der empathische Umgang der Mitarbeiterinnen mit den Jugendlichen sowie das Fehlen von Time-out-Räumen. Besuche in kinder- und jugendpsychiatrische Kliniken werden nicht angeführt.

Aus den referierten Evaluationsergebnissen sind verschiedene Empfehlungen abzuleiten:

Ein Ausgleich der Versorgungsdefizite im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich erfordert Entscheidungen auf fachpolitischer und gesellschaftspolitischer Ebene. Seit 2007, dem Jahr der Etablierung des Sonderfaches Kinder- und Jugendpsychiatrie, sind hier zweifellos Entwicklungen zu beobachten, die aber keineswegs ausreichen, um diese Defizite im stationären und ambulanten Bereich zu kompensieren.

An MitarbeiterInnen von KJP-Krankenhausabteilungen ist die Empfehlung zu richten, im Sinne der verfassungsrechtlich festgeschriebenen Kinderrechte die Patientenrechte auch in Alltagssituationen zu beachten und eine spezifische Sensibilität für das Krisenmanagement und in der Anwendung freiheitsbeschränkender Maßnahmen zu fördern.

In Wohneinrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ist den Aspekten der Gewaltprävention, der Schaffung adäquater Beschwerdemöglichkeiten (als eigenständiges Kinderrecht) und der Partizipation besonderes Augenmerk zu schenken. Auch dies ist als Empfehlung an die dort tätigen MitarbeiterInnen zu werten.