Einleitung

Seit 2007 besteht das Sonderfach „Kinder- und Jugendpsychiatrie“ und seit 2016 die Erweiterung des Sonderfaches „Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medizin“. In der österreichischen Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) werden an den bettenführenden Abteilungen, die in Österreich für Forschung und Ausbildung hauptverantwortlich zeichnen, verschiedene Krankheitsbilder im Rahmen von Spezialangeboten versorgt und beforscht. Ziel der Arbeit ist es, die Forschungsleistung der österreichischen Kinder- und Jugendpsychiatrie der letzten 10 Jahre erstmals möglichst umfassend quantitativ und in ihren Schwerpunkten zu erfassen. In ähnlicher und noch ausführlicher Form wurde von Hebebrand et al. [1] die Forschungslandschaft der deutschen Kinder- und Jugendpsychiatrie vermessen. Dort fanden sich als fünf wichtigste Themen die Forschung in den Bereichen „Körperliche Erkrankungen“, „Säuglings- und Kleinkindpsychiatrie“, „Forensik und Psychopathie“, „Schulische Entwicklungsstörung“ und „Grundlagenforschung“ [1].

Preise für wissenschaftliche Arbeiten aus der ÖGKJP

Da die Verleihung von Preisen für wissenschaftliche Arbeiten ein weiterer Indikator für Erfolg und eine positive Entwicklung eines Faches ist, freuen wir uns, dass zwischen 2008 und 2017 13 hervorragende wissenschaftliche Arbeiten, die für den „Wissenschaftspreis der ÖGKJP“ und den „Ernst Berger-Förderpreis für sozialpsychiatrische Forschung“ eingereicht wurden, prämiert werden konnten. Die Förderung des Ernst Berger Preises erfolgte 5 mal bis 2016 von E. Berger, ab 2017 durch das Kuratorium für psychosoziale Dienste in Wien. Die Themen und die Preisträger waren:

Wissenschaftspreis der ÖGKJP: 2017 Dr. Martin Fuchs: „Child and adolescent psychiatry patients coming of age: a retrospective longitudinal study of inpatient treatment in Tyrol“; 2016 Mag. Michael Zeiler: „Prevalence of Eating Disorders and Associations with Health-related Quality of Life“; 2015 Dr. Türkan Akkaya-Kalayci: „The impact of migration and culture on suicide attempts of children and adolescents living in Istanbul“; 2014 Dr. Mag. Maria Teresa Gutmann: „Psychische Gesundheit und Psychopathologie von Kindern und Jugendlichen“; 2013 Ass.-Prof. Mag. Dr. Gudrun Wagner: „Internet delivered cognitive behavioural therapy vs. conventional guided self-help in the treatment of bulimia nervosa: Long-term evaluation of a randomized controlled trial“; 2012 Mag. Monika Smetana „Die Wiederkehr des Ähnlichen Zur Bedeutung musikalischer Objekte in der Musiktherapie bei Jugendlichen mit strukturellen Störungen“ 2011 Assoc.-Prof. Dr. Julia Huemer: „Psychopathology in African unaccompanied refugee minors in Austria“. 2008 Dr. Christian Kienbacher: „Clinical features, classification and prognosis of migraine and tension-type headache in children and adolescents: a long-term follow-up study“.

Ernst Berger-Förderpreis für sozialpsychiatrische Forschung: 2017: Dr. Türkan Akkaya-Kalayci: „Psychiatric emergencies of minors with and without migration background“; 2016 Mag. Klemens Meister: „Einfluss externer Determinanten auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen“; 2015 Mag. Dr. Julia Philipp: „The Mental Health in Austrian Teenagers (MHAT)-Study: preliminary results from a pilot study“; 2013 Mag. Petra Katzenschläger: „Lebenszufriedenheit und Symptomatik bei männlichen Jugendlichen mit niedriger Intelligenz und hoher psychosozialer Auffälligkeit im stationären rehabilitativen Setting“; 2012 Dr. Susanne M. Bauer: „Psychosocial background in incarcerated adolescents from Austria, Turkey and former Yugoslavia.“ 2009 Mag. Dr. Sandra Möstl: „Erziehungsbedürftig oder krank? Grenzfälle und Kooperationen zwischen stationärer Einrichtung der Jugendwohlfahrt und der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Steiermark.“

Methoden

Um einen direkten und lückenlosen Einblick in die Leistungen zu erhalten wurden erstens primär die für Ausbildung und Forschung Hauptverantwortlichen, die Abteilungsleiter der 11 KJP-Primariate Österreichs (5 Universitätskliniken und 6 Landesabteilungen) angefragt, die klinisch/wissenschaftlichen Schwerpunkte ihrer Abteilung (seit 2007) kurz darzustellen. Auf die Anfrage bei den Leitern kleinerer Zentren (z. B. Tageskliniken und Ambulatorien), die Teilausbildungsberechtigung haben, wurde aus Praktikabilitätsgründen verzichtet. Es wurden zweitens alle Mitglieder der ÖGKJP per E‑Mail angeschrieben, und um Bekanntgabe ihrer Buchveröffentlichungen ab 2007 (Herausgeberwerke oder Monographien herausgegeben oder verfasst von ÖGKJP-Mitgliedern) gebeten. Um einen möglichst umfassenden Überblick über die international sichtbaren Veröffentlichungen der österreichischen Kinder- und Jugendpsychiatrie zu bekommen, wurde drittens eine Pubmed-Recherche der Publikationen (zwischen 2007 und 2017) aller Mitglieder der ÖGKJP durch Fr. Mag. Lipuš, PMU Salzburg durchgeführt.

Da Bücher, die von Mitgliedern herausgegeben oder verfasst wurden, schwer umfassend bibliometrisch erfassbar sind, wurde eine direkte Mailanfrage (07.03.2017) an alle Mitglieder versendet. Information zu einzelnen Buchkapiteln wurden nicht abgefragt und konnten aus Platzgründen auch nicht berücksichtigt werden (z. B. [2]).

Die Pubmed-Recherche wurde gewählt, da die Publikationen mit internationaler Sichtbarkeit im Wesentlichen in dieser Datenbank aufscheinen. Die Namen aller Mitglieder der Mitgliederevidenz der ÖGKJP (Stand März 2017) wurden in die Recherche einbezogen. Die Abfrage erfolgte in der fortgeschrittenen Suche („advanced search“) im Feldindex „author“. Alle Abfragen wurden auf den Zeitraum 2007 bis 2017 eingeschränkt. Weiteres wurde bei den Autoren/innen die Affiliation geprüft. In Zweifelsfällen wurde auch der Titel des Artikels und das Fachgebiet der Zeitschrift als ein weiteres Zuordnungskriterium herangezogen. Bei zu hoher (unplausibler) Anzahl an Treffern wurde eine weitere Eingrenzung mit dem Suchbegriff „Austria“ im Feld „affiliation“ durchgeführt. Im Falle von Doppelnamen wurden, falls keine Einträge im Autorenindex aufzufinden waren, die Nachnamen auch separat abgefragt. Eine Einschränkung auf Originalarbeiten erfolgte nicht, als einschränkend wurde nur die Sichtbarkeit in Pubmed gewählt. Neben der Publikation in allen Journalen der Medizin wurden selbstverständlich auch die wichtigsten Zeitschriften des Fachgebietes (Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, Journal of Child Psychology and Psychiatry and Allied Disciplines, European Child and Adolescent Psychiatry, Development and Psychopathology, Child & Adolescent Psychiatric Clinics of North America, Kindheit und Entwicklung, Child and Adolescent Mental Health, Child and Adolescent Psychiatry and Mental Health, Neuropsychiatrie, Praxis der Kinderpsychologie und Psychotherapie) eingeschlossen und in einer zusätzlichen Überprüfung auf etwaige durch die primäre Recherche nicht berücksichtigte Artikel hin kontrolliert. Lediglich die einschlägigen Zeitschriften „Kindheit und Entwicklung“, „Child and Adolescent Mental Health“ und „Pädiatrie und Pädologie“ sind im Web of Science, nicht aber in der Pubmed gelistet. Deren Erfassung ist nicht vollständig. Weitere Publikationen sind auf Nachfrage bei den Abteilungsleitern von diesen genannt worden, und wurden im Online Supplement Tab. 2 in der Publikationsliste aufgeführt.

Ergebnisse

Die klinisch/wissenschaftlichen Schwerpunkte der 11 KJP Fachabteilungen Österreichs

In der Tab. 1 werden die Schwerpunkte, Tagungen und Monographien, die aus den 11 Fachabteilungen zwischen 2007 und Februar 2017 hervorgegangen sind, dargestellt.

Tab. 1 Die klinisch/wissenschaftlichen Schwerpunkte der 11 KJP Fachabteilungen Österreichs

Buchveröffentlichungen (Herausgeberwerke und Monographien)

Die Bücher [3,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,19], die von den Mitgliedern genannt wurden, finden sich in der Tab. 1, dort den jeweiligen Abteilungen zugeordnet. Weitere Antworten gingen keine ein.

Publikationen

Die Mitglieder der ÖGKJP haben 264 in Pubmed gelisteten Arbeiten zu folgenden Themen publiziert (alphabetisch; Anzahl der Publikationen in Klammer): Zu manchen Themen wurde wenig/nichts publiziert. Verglichen mit dem Band zur Forschung in der DGKJP 2009 [19] waren ähnliche Schwerpunkte feststellbar, wobei eine tiefergehende Spezialisierung mit hohem wissenschaftlichem Output nur in einzelnen Abteilungen und für einige wenige Themen vorlag (z. B. Essstörungen, Kopfschmerzen, neuropädiatrische Erkrankungen, Autismusspektrumstörungen, Psychosentherapie, Affektive Störungen, Sucht, ADHD, Suizidologie, Transkulturelle Problematiken und Trauma am AKH Wien; Persönlichkeitsstörungen und Bindung an der MedUni Innsbruck; Forensik an der PMU Salzburg, etc.). Die universitären Abteilungen in Innsbruck, Tulln und Linz sind erst seit 2013 bzw. 2015 im Aufbau, die Abteilung in Rankweil ebenfalls.

In der 10-Jahres Periode wurden 264 in Pubmed gelistete Publikationen veröffentlicht, weitere 20 aus den oben erwähnten nicht gelisteten Journalen konnten zugefügt werden, sodass 284 Publikationen als Outcome der 10 Jahre KJP Österreich anzusehen sind. Die Vollständige Liste der Veröffentlichungen inkl. Abstracts erfolgt in einem Online-supplement.

Online Supplement (link)

Im Folgenden werden die Themen (alphabetisch) angeführt, zu denen von den Mitgliedern der ÖGKJP in diesem Zeitrahmen veröffentlicht wurde (in Klammer wird die Anzahl der Artikel genannt). Jedes Paper wurde nur einem Thema zugeordnet. ADHS (9), Adipositas (1); Angststörungen (2), Aus‑, Fort- und Weiterbildung (4), Autismusspektrumstörungen (8), Bindung (2), Chronobiologie (1), Depression (7), Eltern-Kind Interaktion (5), Entwicklungsstörungen (1), Epidemiologie (6), Epilepsie (4), Essstörungen – inkl. Anorexia nervosa und Bulimia nervosa (34), Ethik (1), Forensik (23), Geschichte (2), Leitlinien (3), Methoden (7), Mediennutzung (1), Migration (2), Migräne (8), Minderjährige Flüchtlinge und Traumafolgestörungen (11), Neonatizid/Filizid (3), Neurobiologie/Neuropsychologie (11), Neuropädiatrie – inkl. Medizin (22), Partizipation (1), Persönlichkeitsstörungen (10), Prävention (2), Psychopharmakologie (11), Psychosen und Prodrome (19), Psychosomatik (10), Psychotherapie (2), Public Health/Politik (2), Resilienz (3), Schmerz (1), Psychodynamik (5), Suchtstörungen – inkl. Alkohol (10), Suizidalität (17), Therapie (1), Temperament (1), Versorgungsforschung (4), Zwangsstörungen (1).

Die Mitglieder der ÖGKJP forschen zu verschiedenen Teilbereichen des Fachgebietes. Aus den Publikationen, die aus den 5 Schwerpunktthemen hervorgegangen sind werden 5 wichtige Publikationen ausgewählt, aus den weiteren 6 Themen 2. Die meisten der 284 Publikationen erscheinen zu 5 Themen: Essstörungen (n = 34) [20,21,22,23,24], gefolgt von Forensik (n = 23) [25,26,27,28,29], Neuropädiatrie (n = 22) [30,31,32,33], Psychosen und Prodrome (n = 19) [34,35,36,37,38] und Suizidalität (n = 17) [39,40,41,42,43]. Diese 5 Themen ergaben 115 Publikationen, was etwa 41 % der Artikel ausmacht. Weitere sechs Themen, zu denen wenigstens 10 Arbeiten erschienen, sind Neurobiologie (n = 11) [44, 45], Minderjährige Flüchtlinge und Traumafolgestörungen (n = 11) [46, 47], Psychopharmakologie (n = 11) [48, 49], Persönlichkeitsstörungen (n = 10) [50, 51], Psychosomatik (n = 10) [52, 53], Suchtstörungen (n = 10) [54, 55] und ergaben 63 Artikel, was weitere 22 % ausmacht. In Summe konzentrierte sich das wissenschaftliche Werk der ÖGKJP Mitglieder auf 11 Themen, die etwa 60 % des Gesamtwerkes ausmachen. Die restlichen Publikationen waren auf 32 weitere Themen (1–9 Artikel) verteilt.

Conclusio

Die Mitglieder der ÖGKJP forschen zu verschiedenen Teilbereichen (n = 43) des Fachgebietes. Alle 11 KJP-Abteilungen in Österreich setzen – trotz Vollversorgungsauftrag mit zeitlich extrem hohem Anteil der klinischen Tätigkeit auch an universitären Einrichtungen – klinisch/wissenschaftliche Schwerpunkte und bieten vertiefende Versorgung in diesen speziellen Bereichen an. Ein weiterer Ausbau der Forschungskompetenzen sollte erfolgen und sollte auch gesundheitspolitisch priorisiert werden. Die Finanzierung von gemeinsamen Forschungsanstrengungen mit Vernetzung universitärer Forschungs‑/Versorgungsabteilungen und reiner Versorgungsabteilungen ist dringend anzuraten. Schwerpunktbildung mit dem Aufbau von Kompetenzzentren (wie sie schon bestehen z. B. an der MedUni Innsbruck für Persönlichkeitsstörungen, der PMU Salzburg für Forensik, der MedUniWien für Essstörungen und Neuropädiatrie) ist für die Teilnahme an internationalen Verbundstudien essentielle Voraussetzung. Die Weiterentwicklung von neuen und noch nicht im Zentrum stehenden Gebieten (z. B.: OPD-Forschung, epidemiologische [57] und Versorgungsforschung) ist neben den schon aktiven Hauptforschungsgebieten ebenfalls unbedingt förderungswürdig.