1 Einleitung

Der Alltag von Vorschulkindern und ihren Eltern wird durch Kindertageseinrichtungen (KitasFootnote 1) erheblich beeinflusst. Sie sind nicht nur Orte der Betreuung und frühkindlichen Bildung. In ihnen entstehen vielfältige soziale Kontakte zu anderen Kindern und Erwachsenen, die die Zeit sowohl in der Kita als auch außerhalb der Einrichtung prägen. Peers und Erwachsene im außerfamiliären Netzwerk der Kinder stellen wichtige Ressourcen dar, indem sie soziale Unterstützung bieten oder als Verhaltensmodelle dienen (Lois 2019). Durch derlei Kontakte können bildungsförderliche Ressourcen (z. B. Unterstützung bei Lernprozessen, Informationen zu Bildungsinstitutionen) bereitgestellt werden, die potenziell dazu beitragen, fehlende familiale Ressourcen zu kompensieren und Chancenungleichheit im Bildungssystem zu reduzieren (Schimmer 2024). Zudem werden heterophilen Freundschaften gesellschaftliche Vorteile zugeschrieben, weil sie dazu beitragen, gruppenbezogene Vorurteile zu reduzieren (Killen et al. 2022; Gaias et al. 2018). Demgegenüber steht das Konzept der Homophilie, denn die Mitglieder von Freundschaftsnetzwerken zeichnen sich in der Regel durch ähnliche Merkmale, z. B. ähnliche sozioökonomische Hintergründe aus. Für Freundschaften unter Schulkindern wurden bereits vielfach ethnische und schichtspezifische homophile Vorlieben festgestellt (Lenkewitz und Wittek 2023; Kramer und Wagner 2012; Winkler et al. 2011; Bicer et al. 2014; Stehlé et al. 2013). Hingegen sind entsprechende Untersuchungen für Kinder im vorschulischem Alter bisher kaum vorhanden.

In der vorliegenden Studie wird diese Forschungslücke bearbeitet. Dazu wurden 100 Kinder im Jahr vor der Einschulung zu ihren Freundschaften mit anderen Vorschulkindern standardisiert befragt. Mithilfe von Methoden der Netzwerkforschung wurde analysiert, ob und wie sich ethnische, schichtspezifische und geschlechtsspezifische Homophilie bei dieser Zielgruppe nachweisen lässt und ob die Freundschaften der Kinder mit den Kontakten der Eltern zusammenhängen.

Im Folgenden wird das theoretische Konzept der Homophilie erörtert und die erziehungswissenschaftliche Relevanz des Themas hervorgehoben, indem individuelle und gesellschaftliche Auswirkungen homophiler Beziehungen im Kindesalter betrachtet werden (Abschn. 2.1). Es folgt eine Darstellung des internationalen Forschungsstandes zur Homophilie in Schulklassen und Kindergartengruppen (Abschn. 2.2), wobei der Mangel an Studien für das vorschulische Alter herausgestellt wird. Anschließend werden Hypothesen für die Untersuchung homophiler Freundschaften in Kindergärten formuliert (Abschn. 2.3). Da Netzwerkforschung in den Erziehungswissenschaften bisher wenig Beachtung findet, wird im Kap. 3 das methodische Vorgehen, insbesondere die Analysen mit dem Social Relations Model, ausführlich beschrieben. Die Ergebnisse werden in Kap. 4 präsentiert und in Kap. 5 zusammengefasst, diskutiert und in Bezug auf bestehende Forschungsergebnisse eingeordnet.

2 Theorie, Forschungsstand und Hypothesen

2.1 Definitionen, theoretische Einbettung und erziehungswissenschaftliche Relevanz

Das Sprichwort „gleich und gleich gesellt sich gern“ beschreibt das soziale Phänomen der Homophilie. Homophilie liegt vor, wenn der Kontakt zwischen ähnlichen Personen wahrscheinlicher ist als zwischen unähnlichen Personen. Die Ähnlichkeit kann sich auf Merkmale wie Ethnie, Alter, Religion, formale Bildung, Arbeit oder Geschlecht beziehen. Homophilie beeinflusst bzw. begrenzt, wer sich von wem Rat holt, wer mit wem zusammenarbeitet, wer wen heiratet oder wer mit wem befreundet ist.

Um die Ursachen von Homophilie besser zu verstehen und zu analysieren, unterscheiden McPherson et al. (2001) zwischen baseline homophily und inbreeding homophily. Baseline homophily liegt vor, wenn Gelegenheitsstrukturen den Aufbau von Kontakten zu ähnlichen Personen begünstigen. Solche Effekte sind in Kitas z. B. zu erwarten, wenn diese aufgrund segregierter Stadtteile, Entscheidungen der Eltern oder der Aufnahmepraxis der Kita von Kindern mit ähnlichem sozialem oder ethnischen Hintergrund besucht werden und dadurch auch nur unter diesen ähnlichen Kindern Freundschaften entstehen können. Inbreeding homophily entsteht hingegen durch persönliche Vorlieben beim Aufbau sozialer Beziehungen. Diese Präferenzen können bewusst und strategisch sein, werden aber auch durch eine schichtspezifische Sozialisation und Position im Feld vermittelt (Lenkewitz und Wittek 2023). So haben Menschen mit ähnlichen Hintergründen oder Eigenschaften ein ähnliches Repertoire an Verhaltensweisen, verwenden eine ähnliche Sprache und haben ähnliche Ansichten. Dies erleichtert den Umgang miteinander, da Kommunikation effektiver wird, Missverständnisse oder Konflikte unwahrscheinlicher werden und dem Gegenüber leichter vertraut werden kann (Lazarsfeld und Merton 1954; Rogers und Bhowmik 1970; Rivera et al. 2010). In einer Kita liegt inbreeding homophily vor, wenn die Kindergruppen zwar heterogen zusammengesetzt sind, aber Freundschaften aufgrund individueller Vorlieben vorwiegend unter Kindern mit ähnlichen Merkmalen entstehen. Bei jungen Kindern spielen dabei auch die Präferenzen der Eltern eine Rolle, da sie den Kontakt zwischen den Kindern unterstützen können (Deppe 2016).

Während Gelegenheitsstrukturen und/oder individuelle Vorlieben zur Homophilie führen können, begünstigen soziale Mechanismen wie Reziprozität und triadische Schließung die Homophilie weiter. Reziprozität bezieht sich im Kontext von Freundschaften darauf, dass die Zuneigung einer anderen Person erwidert wird. Triadische Schließung beschreibt die erhöhte Wahrscheinlichkeit, mit Freunden von Freunden befreundet zu sein. Wenn Kinder beispielsweise präferieren, eher mit gleichgeschlechtlichen Kindern befreundet zu sein, verstärken Reziprozität und triadische Schließung diese gleichgeschlechtliche Homophilie (Wimmer und Lewis 2010).

In der vorliegenden Studie wird u. a. die schichtspezifische und ethnische Homophilie bei Vorschulkindern untersucht. Diese sind aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive von besonderer Bedeutung. Zum einen können Kontakte außerhalb der Familie eine entscheidende Rolle bei der Reproduktion von Bildungsungleichheit spielen. Das soziale Netzwerk, welches sowohl Erwachsene als auch Peers umfasst, übt einen signifikanten Einfluss auf die Einstellungen zur formalen Bildung, Bildungsaspirationen und Entscheidungen aus. Es stellt Informationen über das Bildungssystem und Bildungseinrichtungen bereit und bietet direkte Lernunterstützung, wie durch eine Vielzahl von Forschungsarbeiten belegt ist (Hönig 2019; Roth 2014; Sewell et al. 2003; Zimmermann 2018; Lenkewitz und Wittek 2023; Rürup et al. 2015; Kramer und Wagner 2012; Helbig und Marczuk 2021; El-Mafaalani 2014; Legewie 2021). Von diesen Ressourcen können insbesondere Kinder mit geringer familialerKapitalausstattung profitieren. Die Präferenz für homophile Beziehungen führt jedoch dazu, dass Kinder in ihren Peer-Netzwerken tendenziell Zugang zu ähnlichen Ressourcen haben, wie sie bereits durch ihre Kernfamilien bereitgestellt werden – ein Phänomen, das im Sinne des Matthäus-Effekts („Wer hat, dem wird gegeben“) verstanden werden kann. Durch diese Tendenz können Peerbeziehungen bestehende Bildungsungleichheiten verstärken. Gleichzeitig bergen heterophile Kontakte das Potenzial, diese Ungleichheiten zu verringern (Steinhoff und Grundmann 2016).

Zum anderen kann der Kontakt mit Personen aus anderen sozialen Schichten oder ethnischen Gruppen zur Reduktion von Vorurteilen beitragen (Malacarne 2017). Empirische Studien legen nahe, dass heterophile Freundschaften zwischen Kindern die Ablehnung von stereotypen Assoziationen, die auf Gruppenmerkmale abzielen, fördern können (eine Übersicht bieten Killen et al. 2022). Gaias et al. (2018) wiesen nach, dass Kinder, die bereits im Vorschulalter interethnische Kontakte pflegen, auch in späteren Lebensphasen zu ethnisch heterophilen Freundschaften tendieren und eine geringere Neigung zu rassistischen Vorurteilen aufweisen.

Die frühe Kindheit ist in Bezug auf Homophilie von besonderer Bedeutung, da durch den Mechanismus der triadischen Schließung überproportional häufig Beziehungen zu Freunden von Freunden entstehen. Jede frühe homophile Clusterbildung nimmt mit dem Alter also potenziell zu, wenn neue Beziehungen geknüpft werden (Malacarne 2017).

2.2 Forschungsstand

Im Folgenden stehen Studien zur Homophilie in den Netzwerken von Kindern und Jugendlichen innerhalb schulischer und vorschulischer Bildungseinrichtungen im Zentrum. Es ist bekannt, dass Bildungseinrichtungen in Deutschland durch soziale und ethnische Segregation charakterisiert sind (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022; Hogrebe et al. 2021), wodurch die Zusammensetzung der Kinder und deren Familien in diesen Institutionen bereits durch Gelegenheitsstrukturen beeinflusst ist (baseline homophily). Im weiteren Verlauf werden Forschungsergebnisse präsentiert, die sich mit ethnischer und schichtspezifischer inbreeding homophily befassen – also mit den persönlichen Präferenzen von Kindern, die unter Berücksichtigung dieser Gelegenheitsstrukturen beobachtbar sind. Darüber hinaus werden Ergebnisse zu geschlechtsspezifischer Homophilie einbezogen, welche zwar nicht im Fokus der zugrundeliegenden Untersuchung stand, jedoch im Rahmen der hier präsentierten statistischen Analysen zusätzlich berücksichtigt wird.

Die Präferenzen von Schulkindern und Jugendlichen für homophile Beziehungen werden meist in quantitativen Studien mittels standardisierter Methoden erforscht. Schülerinnen und Schüler geben dabei an, mit wem sie in ihrer Klasse befreundet sind oder wen sie mögen bzw. nicht mögen (Lenkewitz und Wittek 2023; Kramer und Wagner 2012; Winkler et al. 2011; Bicer et al. 2014). Bei jüngeren Kindern ist es weniger üblich, direkt nach Freundschaften zu fragen. Stattdessen werden ihre sozialen Interaktionen durch Beobachtungen oder den Einsatz von Bewegungssensoren erfasst und auf homophile Tendenzen hin analysiert (Daniel et al. 2013; DeLay et al. 2016; Stehlé et al. 2013; Neal et al. 2022). Im Falle sehr kleiner Kinder werden die Einschätzungen der sozialen Beziehungen auch von pädagogischem Fachpersonal vorgenommen (Chen et al. 2019).

Es gibt internationale wie auch deutsche Studien, die zeigen, dass es ausgeprägte geschlechtsspezifische, ethnische und schichtspezifische Homophilie in den Freundschaften von Schulkindern gibt (z. B. Lenkewitz und Wittek 2023; Kramer und Wagner 2012; Bicer et al. 2014; Stehlé et al. 2013; Winkler et al. 2011). Geschlechtsspezifische Homophilie ist dabei am stärksten ausgeprägt (Winkler et al. 2011; Bicer et al. 2014; Kramer und Wagner 2012; Lenkewitz und Wittek 2023). Aufgrund unterschiedlicher Methoden der Datenerhebung und -auswertung kann durch die Studien nicht eindeutig festgestellt werden, ob und wie sich homophile Vorlieben mit dem Alter verändern. Nur die Untersuchung von Stehlé et al. (2013) deutet darauf hin, dass zumindest geschlechtsspezifische Homophilie mit dem Kindes- und Jugendalter eher zunimmt.

Homophile Präferenzen von Kindern im Vorschulalter werden hingegen deutlich seltener untersucht. Am eindeutigsten ist auch hier die Datenlage für geschlechtsspezifische Homophilie, die hinsichtlich der Kontakte zwischen Vorschulkindern in einigen internationalen Beobachtungsstudien belegt werden konnte (Daniel et al. 2013; Chen et al. 2019; Neal et al. 2022). Die wenigen Studien zur ethnischen Homophilie im Vorschulalter liefern ein uneinheitliches Bild: Chen et al. (2019) fanden keinen Zusammenhang zwischen den Interaktionen von drei- bis fünfjährigen Kindern und ihrer Hautfarbe. DeLay et al. (2016) hingegen belegen für die gleiche Altersgruppe, dass Kontakte zwischen Kindern mit gleicher Muttersprache um 43 % wahrscheinlicher sind als zwischen Kindern mit unterschiedlicher Muttersprache. In der gleichen Studie wurde auch die schichtspezifische Homophilie untersucht. Zwar liegt kein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Kontakts der Kinder und dem Bildungsstand ihrer Eltern vor, jedoch zwischen der Häufigkeit des Kontakts und dem ökonomischen Kapital der Eltern. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die vorliegenden Daten im Kontext des Head Start Programs erhoben wurden, welches primär von Kindern aus ökonomisch und kulturell benachteiligten Familien besucht wird. Das begrenzt die Möglichkeit für Interaktionen zwischen unterschiedlichen sozialen Schichten.

Die vorhandenen Erkenntnisse über homophile Tendenzen bezüglich ethnischer Zugehörigkeit oder sozialer Schicht bei Vorschulkindern sind augenscheinlich begrenzt. Weiterhin ist aus den Beobachtungsstudien nicht eindeutig ersichtlich, ob die Kinder die beobachteten Kontakte zu Gleichaltrigen selbst als Freundschaften wahrnehmen (Neal et al. 2022). Ein weiterer Aspekt, der bei jüngeren Kindern berücksichtigt werden muss, ist der mögliche Einfluss der Eltern auf die Interaktionen ihrer Kinder. Es liegt nahe, dass die Beziehungen zwischen den Eltern auch die Kontakte ihrer Kinder untereinander prägen, doch wurde dieser Zusammenhang bisher nicht systematisch erforscht.

Um diese Forschungslücken zu schließen, liegt der Fokus der vorliegenden Studie auf der Untersuchung von schichtspezifischer und ethnischer Homophilie in Kitas, wobei zusätzlich geschlechtsspezifische Homophilie in den Blick genommen wird. Hierzu wurden Kinder im letzten Jahr vor ihrer Einschulung befragt, um Informationen über ihre Freundschaften mit anderen Vorschulkindern zu sammeln. Darüber hinaus wurden auch die Eltern aller teilnehmenden Kinder zu ihren gegenseitigen Kontakten befragt, um den Einfluss dieser Beziehungen auf die Freundschaften der Kinder zu analysieren.

2.3 Hypothesen

Aufgrund des Mangels an Studien zu Homophilie in Freundschaften von Vorschulkindern ist das Vorgehen in der vorgestellten Untersuchung als explorativ zu bewerten. Dennoch können durch die Belege geschlechtsspezifischer, ethnischer und schichtspezifischer homophiler Vorlieben von älteren Kindern Hypothesen formuliert werden. Es werden vier Hypothesen geprüft:

Kindergartenkinder im Jahr vor der Einschulung führen eher Freundschaften mit anderen Vorschulkindern…

  • … des gleichen Geschlechts (H1).

  • … der gleichen ethnischen Herkunft (H2).

  • … der gleichen Herkunftsschicht (H3).

  • …, wenn die jeweiligen Eltern ebenfalls Kontakte miteinander pflegen (H4).

3 Daten und Methodik

Im Rahmen der Studie wurden 2019 insgesamt 100 Vorschulkinder in neun Kitas in der Metropolregion Nürnberg, ein Elternteil pro Kind und der/die jeweilige Erzieher/-in persönlich befragt. In diesem Beitrag werden die Daten aus den standardisierten Befragungen der Kinder und Eltern analysiert.

3.1 Stichprobe

Die neun Einrichtungen wurden über berufliche Kontakte rekrutiert. Es wurden Kitas angesprochen, deren Leitungen angaben, dass sie von sozial heterogenen Familien (hinsichtlich beruflicher Hintergründe, formaler Bildungshintergründe etc.) besucht werden. Von insgesamt 166 Vorschulkindern stimmten 100 Eltern und Kinder einer Teilnahme zu (60 %). Die Teilnahmequote pro Kita lag zwischen 37 und 92 %. Drei Kinder wurden von den folgenden Analysen ausgeschlossen, da keine vollständigen Freundschaftseinschätzungen vorlagen. Ein weiterer Fall wurde ausgeschlossen, da keine anderen Kinder aus derselben Kindergartengruppe an der Studie teilnahmen. Insgesamt wurden somit N = 96 Kinder in die folgenden Analysen einbezogen.

Die 50 Jungen und 46 Mädchen waren zum Zeitpunkt des Interviews laut Angaben der Eltern zwischen fünf und sieben Jahre alt. Bei 58 % der Kinder wurde mindestens ein Elternteil im Ausland geboren. In den Elterninterviews wurden 27 Herkunftsländer erfasst, am häufigsten Syrien, Rumänien und Griechenland. 40 % der Eltern gaben an, dass sie zu Hause überwiegend eine andere Sprache als Deutsch sprechen.

Die Kapitalausstattung des Kindes wurde mithilfe eines Schichtindex berechnet. Dieser Index basiert auf vier Indikatoren, die im Rahmen der Elterninterviews erfasst wurden. Dabei werden als Annäherung an Bourdieus Kapitaltheorie Aspekte des kulturellen Kapitals (Schulabschlüsse bzw. Schuljahre der Eltern und Anzahl an Büchern im Haushalt) sowie des ökonomischen Kapitals (subjektive Einschätzung der finanziellen Situation der Familie) berücksichtigt. Zusätzlich wurde der höchste berufliche Status der Eltern (HISEI 08) als Indikator für kulturelles und ökonomisches Kapital einbezogen. Für die deskriptive Ergebnisdarstellung wurde der Herkunftsschichtindex (HSI) in vier Schichten klassifiziert, die auch mit den subjektiven Einschätzungen der Interviewerin im Sinne der Augenscheinvalidität übereinstimmen:

  • „Unterschicht“ (5–8 Indexpunkte), N = 23 Kinder (24 %)

  • „Untere Mittelschicht“ (9–11 Indexpunkte), N = 24 Kinder (25 %)

  • „Obere Mittelschicht“ (12–14 Indexpunkte), N = 24 Kinder (25 %)

  • „Oberschicht“ (ab 15 Indexpunkte), N = 25 Kinder (26 %)

Eine ausführliche Beschreibung der Berechnung und der Herkunftsschichten findet sich in Schimmer (2022).

Die 96 Kinder wurden in 25 Kindergartengruppen betreut. In vier der neun Kitas fanden laut Aussagen der Kita-Leitung nur selten gruppenübergreifende Kontakte statt. In den Interviews wurden die Kinder dieser Kitas nur nach ihren Freundschaften innerhalb ihrer eigenen Kindergartengruppe befragt. In den anderen fünf Einrichtungen waren dagegen gruppenübergreifende Kontakte, z. B. in den Randzeiten oder bei Angeboten für Vorschulkinder alltäglich. Die Befragung dieser Kinder umfasste sowohl die Freundschaften innerhalb als auch außerhalb ihrer eigenen Gruppe. Für die statistischen Analysen (siehe Abschn. 3.3) ergeben sich 19 Gruppen, in denen die befragten Kinder regelmäßige und intensive Kontakte miteinander haben. Jede dieser 19 Gruppen umfasst mindestens 3 bis maximal 13 Kinder.

3.2 Datenerhebung und Instrumente

Um homophile Vorlieben zu untersuchen, ist es üblich, Netzwerkdaten in Gruppen wie Schulklassen zu sammeln und diese mit verschiedenen statistischen Modellen quantitativ zu analysieren (Bojanowski und Corten 2014). Eine verbreitete Methode besteht darin, die Kinder zu fragen, welche Mitschüler/-innen ihre (besten) Freunde/Freundinnen sind. Weniger häufig werden Gesamtnetzwerke erhoben, bei denen alle Kinder einer Gruppe nach ihrer Beziehung zu jedem anderen Kind gefragt werden, unabhängig davon, ob eine Freundschaft besteht oder nicht. Die Freundschaftsbeziehungen werden dabei entweder dichotom (Freund/-in oder kein/-e Freund/-in) oder differenziert anhand einer Skala erfasst (Winkler et al. 2011).

In der vorliegenden Studie wurden Vorschulkinder persönlich und standardisiert befragt, um Informationen über ihre Freundschaften zu allen anderen teilnehmenden Vorschulkindern der Gruppe zu erhalten und die aufgestellten Hypothesen quantitativ testen zu können. Die Annahme, dass Kinder im Jahr vor der Einschulung ähnlich wie Grundschulkinder standardisierte Fragen zu ihren Freundschaften beantworten können, wurde durch einen Pretest mit sechs Kindern im Jahr vor der Erhebung bestätigt. Die Frage sowie die vierstufige Antwortskala zur Erfassung der Freundschaftsgrade wurden eigens für diese Studie entwickelt. Die Antwortskala wurde genutzt, da in anderen Befragungen festgestellt wurde, dass junge Kinder dichotome Ja/Nein-Antwortoptionen oft durch zusätzliche Möglichkeiten ergänzen; daher wird die Verwendung von Skalen empfohlen (Sommer-Himmel et al. 2016). Durch die Skala konnten die Freundschaften zudem differenzierter erfasst werden. Eigens erstellte Bildkarten mit vier Kinderpaaren illustrierten die Antwortmöglichkeiten, was bei standardisierten Erhebungsinstrumenten für diese Altersgruppe üblich ist (ebd.; Kordulla 2017). Zum Beispiel wurde Ismael gefragt: „Wenn du an Jolina denkst, ist sie keine Freundin von dir oder ein bisschen oder eine gute Freundin oder eine sehr gute Freundin?“ Dabei zeigte die Interviewerin jeweils auf das entsprechende Bild. Einige Kinder antworteten verbal, andere zeigten auf das Bild. In letzterem Fall wiederholte die Interviewerin die Antwort des Kindes und vergewisserte sich bei dem Kind, ob es richtig verstanden wurde. Die Verwendung geschlossener Fragen in Interviews mit Vorschulkindern stellt eine Besonderheit dieser Studie dar; bisher wird diskutiert, ob dies erst ab einem Alter von sechs oder sieben Jahren angemessen ist (Vogl 2015). Während der Interviews zeigte sich jedoch, dass die Kinder bei der Auswahl der vorgegebenen Antworten kaum zögerten, keine Verständnisschwierigkeiten hatten und auch bei einer größeren Anzahl von Kindern (bis zu 13) konzentriert antworteten. Die etwa 15-minütigen Einzelgespräche mit den Kindern fanden in einem Raum der Kita statt und der Fragebogen umfasste auch andere Themenbereiche wie zum Beispiel Fragen zur Schule.

Die standardisierten persönlichen Elternbefragungen fanden ebenfalls meist in den Räumen der Kita statt und dauerten 20 bis 30 min. Der Fragebogen enthielt neben der Frage nach den Kontakten zu anderen Eltern von Vorschulkindern auch andere Themen (z. B. zum außerfamiliären Netzwerk) und wurde zuvor ebenfalls mit sechs Elternteilen getestet. Die Eltern wurden gefragt, wie gut sie die Eltern der anderen Vorschulkinder kennen. Dabei konnten sie zwischen den Antwortkategorien 1. „Kenne ich nicht“, 2. „Kenne ich nur vom Sehen bzw. vom Hallo und Tschüss sagen“, 3. „Kenne ich durch regelmäßige Gespräche in der Kita bzw. bei Kita-Aktivitäten“ und 4. „Kenne ich auch durch private Kontakte außerhalb der Kita“ unterscheiden. Im Zweifel sollte die Frage für das Elternteil beantwortet werden, das dem/der Befragten bekannter war. Für die deskriptiven Ergebnisse wurden die Antwortkategorien 1 und 2 einerseits und 3 und 4 andererseits zusammengefasst.

3.3 Datenanalyse

3.3.1 Die Analyse von Netzwerkdaten

In sozialwissenschaftlichen Studien stehen in der Regel Individuen im Mittelpunkt, und die gängigen statistischen Verfahren sind auf die Analyse individueller Merkmale ausgerichtet. Bei der Untersuchung von Netzwerkdaten wird jedoch u. a. die spezifische Beziehung zwischen zwei Individuen (sog. Dyade) untersucht. Dabei ist zu beachten, dass die Angaben dieser beiden Individuen nicht unabhängig voneinander erfolgen. Wenn Ismael sagt, dass Jolina eine gute Freundin ist, ist es wahrscheinlicher, dass Jolina auch sagt, dass Ismael ein guter Freund ist (Reziprozität). Dies verletzt jedoch die Voraussetzung für viele gängige statistische Verfahren. Außerdem hängt Ismaels Bewertung der Freundschaft auch davon ab, ob er generell andere Kinder mehr oder weniger mag und ob Jolina generell beliebt oder weniger beliebt ist. Das Social Relations Model (SRM) bietet die Möglichkeit, dyadische Daten unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten zu analysieren (Kenny et al. 2006; Kenny und Kashy 2010). Es wird in der Netzwerkforschung vielfach angewendet, auch zur Analyse von Kontakten zwischen Schulkindern (z. B. Betts et al. 2012; Zimmer-Gembeck et al. 2010; van den Berg und Cillessen 2015).

3.3.2 Social Relations Model (SRM)

Die Parameter des SRM werden mit Mehrebenenmodellen geschätzt. Die Beobachtungseinheit ist die gerichtete dyadische Beziehung, also in dieser Untersuchung die Wahrnehmung der Freundschaft durch das Kind i (Akteur/-in) zu einem anderen Kind j (Partner/-in). Insgesamt wurden 514 gerichtete Dyaden untersucht, die sich aus den Beziehungen der 96 Vorschulkinder aus 19 Gruppen ergeben.

Zur Verwendung des SRM wurden die Daten aller 19 Kindergruppen zunächst im Round-robin Design aufbereitet (Kenny und Kashy 2010, S. 13ff.). In Tab. 1 ist beispielhaft dieses Design für eine der untersuchten Gruppen dargestellt (die Kindernamen wurden pseudonymisiert). In den Zeilen wird die Einschätzung der Freundschaften durch den Akteur bzw. die Akteurin dargestellt. Zum Beispiel bewertet Anna ihre Freundschaft mit Büsra mit einer 2 („ein bisschen“), die mit Chloe mit einer 3 („gute Freundin“) und die mit Daniel mit einer 4 („sehr guter Freund“).

Tab. 1 Freundschaftseinschätzungen einer untersuchten Kindergruppe im Round-robin Design

Die Spalten zeigen, wie die Partner/-innen die Freundschaft zum Akteur bzw. zur Akteurin einschätzen. Büsra findet zum Beispiel, dass Anna keine Freundin ist, Fina hingegen betrachtet Anna als gute Freundin und für Jolina ist Anna eine sehr gute Freundin.

In dem mehrstufigen Analysemodell sind die dyadischen Ergebnisse in Individuen verschachtelt und diese wiederum in Gruppen. Es ist möglich, dass in einer Gruppe im Vergleich zu den anderen Gruppen im Durchschnitt besonders hohe oder niedrige Freundschaftswerte vergeben werden. Dieser Gruppeneffekt wird im SRM als group effect berücksichtigt. Daneben sind der actor effect und der partner effect von Interesse. Ein Blick auf Tab. 1 hilft bei der Erklärung dieser Effekte. Es fällt auf, dass die Kinder unterschiedliche Durchschnittswerte für die Freundschaftseinschätzungen vergeben. Zum Beispiel vergibt Chloe sehr hohe Werte für die Freundschaften, während Fina eher mittlere Werte vergibt. Daher ist es nicht ungewöhnlich, wenn Chloe ein anderes Kind als „sehr gute Freundin“ bezeichnet, während dies bei Fina eine Ausnahme darstellt. Im SRM werden derlei Tendenzen als Akteurseffekt berücksichtigt. Beim Partnereffekt ist hingegen relevant, welche Tendenz bei der Freundschaftseinschätzung des Partners bzw. der Partnerin durch die Akteure und Akteurinnen vorliegt. Zum Beispiel fällt auf, dass sieben Kinder angeben, dass Jolina eine „sehr gute“ Freundin ist. Die drei Komponenten (Gruppen‑, Akteurs- und Partnereffekt) beeinflussen also die Einschätzungen der Freundschaften. Der sogenannte relationship effect (Beziehungseffekt) repräsentiert die einzigartige Kombination von Akteur/-in und Partner/-in und zeigt den Effekt, der über die anderen Effekte hinaus geht. Da in dieser Studie nur ein Messzeitpunkt vorliegt, beinhaltet der Beziehungseffekt auch die Fehlervarianz (Knight und Humphrey 2019). Zur besseren Nachvollziehbarkeit werden in Tab. 2 die vier Komponenten des Null-Modells dargestellt und am Beispiel der Freundschaft zwischen Ismael und Jolina angewendet.

Tab. 2 Varianzzerlegung im SRM

Die Varianzzerlegung im SRM ähnelt den ersten Schritten einer Mehrebenenanalyse, bei der die Intraklassenkorrelationen untersucht werden. Im SRM werden zwei Formen der Reziprozität geschätzt: die generalisierte Reziprozität (Kovarianz zwischen Akteurseffekt und Partnereffekt) und die dyadische Reziprozität (Kovarianz der Antworten von Akteur/-in und Partner/-in einer Dyade) (ebd.). Prädiktoren können als feste Effekte im Modell berücksichtigt werden, um Hypothesen über ihren Einfluss über den Gruppen‑, Akteurs- und Partnereffekt hinaus zu testen.

Das SRM wurde mithilfe der SRM Shiny AppFootnote 2 durchgeführt (Wong et al. 2024). Die SRM-Varianzen und -Kovarianzen wurden mit dem nlme-Paket in R geschätzt, wobei die Restricted Maximum Likelihood (REML)-Schätzmethode und der Optimierer Optim verwendet wurden.

3.3.3 Prädiktoren

Wie in Abschn. 2.2 dargestellt, sind Geschlecht (1), Ethnie (2) und Aspekte der Herkunftsschicht (3) gängige unabhängige Variablen bei der Untersuchung von Homophilie. Sie werden in dieser Studie ergänzt durch die Angaben der Eltern zu ihrem Kontakt zu anderen Eltern von Vorschulkindern (4).

Für die Analyse der geschlechtsspezifischen Homophilie (1) werden Dyaden von Kindern mit gleichem Geschlecht (kodiert als 1) und unterschiedlichem Geschlecht (kodiert als −1) betrachtet. Von den insgesamt 514 analysierten Dyaden bestehen 260 (49 %) aus Kindern des gleichen Geschlechts.

Die ethnische Homophilie (2) wird anhand der Angaben der Eltern zum eigenen Geburtsland untersucht. Bei 198 Dyaden (39 %) ist mindestens jeweils ein Elternteil beider Kinder im selben Land geboren (kodiert als „1“). In 61 % der Dyaden besteht keine Übereinstimmung der Geburtsländer der Eltern (kodiert als „−1“).

Um eine mögliche schichtspezifische Homophilie (3) zu untersuchen, wird die Differenz des Herkunftsschichtindex zwischen den beiden Kindern berechnet. Die durchschnittliche Differenz beträgt 3,15 Indexpunkte. Bei 25 % der Dyaden liegt die Differenz bei weniger als 1, während bei 21 % der Dyaden ein Unterschied von mindestens 5 Indexpunkten vorliegt. Hier treffen z. B. Kinder aufeinander, bei denen auf der einen Seite beide Elternteile keinen Schulabschluss besitzen und auf der anderen Seite beide Elternteile einen akademischen Abschluss haben.

Zusätzlich zur Homophilie wird auch der Zusammenhang zwischen den Kontakten der Eltern und der Freundschaft der Kinder (4) untersucht. Die Eltern wurden gefragt, von welchen Kindern im Vorschulalter sie die Eltern bzw. ein Elternteil kennen. Bei 21 gerichteten Dyaden fehlen die Angaben der Eltern zum jeweiligen Kontakt, da diese Kinder später in die Studie aufgenommen wurden. Für die SRM-Analysen wurden diese fehlenden Werte durch den Mittelwert der jeweiligen Kindergruppe ersetzt.

4 Freundschaften unter Vorschulkindern

4.1 Deskriptive Ergebnisse

In Tab. 3 sind die Ergebnisse der Befragung der Kinder. Zu beachten ist, dass sich die Häufigkeiten auf insgesamt 514 gerichtete Dyaden beziehen. Die Kinder wählten in 153 Fällen (30 %) die Einschätzung „kein/-e Freund/-in“, in 104 Fällen (20 %) die Einschätzung „ein bisschen“, in 64 Fällen (12 %) die Einschätzung „gute/-r Freund/-in“ und in 193 Fällen (38 %) die Einschätzung „sehr gute/-r Freund/-in“ für ihre Freundschaft mit dem anderen Vorschulkind.

Tab. 3 Einschätzung der Freundschaft – Häufigkeiten auf Ebene gerichteter Dyaden

Die Daten zeigen, dass Kinder eher andere Kinder des gleichen Geschlechts als sehr gute Freunde/Freundinnen bezeichnen (46 % vs. 30 % bei Kindern des anderen Geschlechts), was auf geschlechtsspezifische homophile Vorlieben hinweist. Hingegen geben die Häufigkeiten in Tab. 3 keine Hinweise auf schichtspezifische oder ethnische Homophilie.

Allerdings scheinen die Freundschaftsnennungen der Kinder möglicherweise mit den Kontakten zwischen den Eltern zusammenzuhängen. Wenn die Eltern der Kinder intensivere Kontakte pflegen, wie regelmäßige Gespräche in der Kita oder sogar private Treffen, neigen die Kinder eher dazu, das andere Kind als „sehr gute/-n Freund/-in“ einzuschätzen. Besteht dagegen kein oder kaum Kontakt zueinander, berichten die Kinder häufiger, dass es sich bei dem anderen Kind um „kein/-e Freund/-in“ handelt.

4.2 Multivariate Analysen mit dem Social Relations Model

In Tab. 4 sind die Ergebnisse des SRM dargestellt. Während Modell I keine Prädiktoren enthält, wurden in Modell II die unabhängigen Variablen hinzugefügt. Es zeigt sich, dass Gruppen‑, Akteurs- und Partnereffekte in beiden Modellen nur einen geringen Anteil der Varianz erklären. Die Freundschaftseinschätzung hängt also größtenteils (64 % bzw. 62 %) von der einzigartigen Beziehung zwischen den Kindern ab (inklusive Fehlervarianz). Dies deckt sich mit den Ergebnissen einer Studie von Betts et al. (2012), die Freundschaften von Kindern mithilfe des SRM analysierten.

Tab. 4 Freundschaften von Vorschulkindern: Ergebnisse des Social Relations Model

Die Korrelation für generalisierte Reziprozität ist gering und nicht signifikant. Das bedeutet, dass Kinder, die andere als (sehr) gute Freunde/Freundinnen bezeichnen, selbst nicht häufiger als (sehr gute) Freunde/Freundinnen bezeichnet werden. Bei der dyadischen Reziprozität zeigt sich jedoch ein hochsignifikanter positiver Zusammenhang zwischen den Einschätzungen des Kindes i und des Kindes j (r = 0,46 bzw. r = 0,40). Wenn Ismael Jolina als (sehr) gute Freundin bezeichnet, ist es demnach wahrscheinlicher, dass Jolina Ismael auch als (sehr) guten Freund angibt. Dieser Befund deckt sich mit anderen Studien von Kindern in geschlossenen Gruppen (Betts et al. 2012; Schaefer et al. 2010) und ist wenig überraschend.

Im nächsten Schritt erfolgt die Überprüfung der Hypothesen mithilfe von Modell II. Die zuvor präsentierte deskriptive Statistik wird durch die Anwendung des SRM bestätigt. Es zeigt sich, dass Homophilie in den Freundschaften der Kinder lediglich in Bezug auf das Geschlecht nachweisbar ist. Kinder desselben Geschlechts berichten von engeren Freundschaften zueinander als Kinder unterschiedlichen Geschlechts (b = 0,21, p < 0,001). Hypothese 1 kann daher angenommen werden. Im Gegensatz dazu geben Kinder, deren Eltern aus demselben Herkunftsland stammen, nicht häufiger eine Freundschaft untereinander an (b = −0,02, p < 0,820). Auch in einem Modell, mit dem ausschließlich ethnische Homophilie untersucht wird (ohne Berücksichtigung von Geschlecht, sozialer Schicht und Kontakten zwischen den Eltern), hat die Übereinstimmung der Herkunftsländer der Eltern keinen Einfluss auf die Freundschaftsangaben der Kinder (b = 0,03, p < 0,712). Hypothese 2 wird somit abgelehnt. Ebenso muss Hypothese 3 verworfen werden, da kein Zusammenhang zwischen der Differenz im Herkunftsschichtindex und den Freundschaftsangaben besteht – weder im in Tab. 4 dargestellten Modell II (b = 0,01, p < 0,644) noch bei einer isolierten Betrachtung schichtspezifischer Homophilie ohne andere fixierte Effekte (b = −0,01, p < 0,752).

Zusätzlich ergibt sich aus den Daten, dass Kinder, deren Eltern einander besser kennen, sich auch eher gegenseitig als Freunde/Freundinnen bezeichnen (b = 0,27, p < 0,001). Hypothese 4 wird daher angenommen.

5 Zusammenfassung und Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie deuten darauf hin, dass Kinder im Jahr vor der Einschulung in ihren Freundschaftsangaben noch keine Präferenzen für Kinder mit ähnlichem ethnischen Hintergrund oder vergleichbarer ökonomischer und kultureller Kapitalausstattung ihrer Familien zeigen. Dieser Befund ist bemerkenswert, da in Studien mit Schulkindern solche Vorlieben mehrfach nachgewiesen wurden (Lenkewitz und Wittek 2023; Kramer und Wagner 2012; Bicer et al. 2014; Winkler et al. 2011). Als Gründe für homophile Tendenzen beim Aufbau von Beziehungen werden üblicherweise das gegenseitige Verständnis, eine erleichterte Kommunikation oder geteilte Ansichten angeführt. Es gibt mehrere mögliche Erklärungen dafür, warum diese Mechanismen bei Kindern im Alter von fünf bis sieben Jahren noch nicht wirksam sind: Erstens könnten die entsprechenden schicht- oder kulturspezifischen Unterschiede bei den Kindern noch nicht oder weniger stark ausgeprägt sein. Zweitens ist es möglich, dass solche Unterschiede von den Kindern weniger stark wahrgenommen werden. Drittens ist denkbar, dass diese Unterschiede für die Wahl von Freunden/Freundinnen weniger relevant sind. Für Kindergartenkinder sind gemeinsame Aktivitäten – insbesondere das Spielen – und gemeinsame Interessen zentrale Aspekte von Freundschaften (Wehner 2016, S. 403f.). Möglicherweise sind schicht- oder kulturabhängige Differenzen für diese Aspekte weniger bedeutsam.

Jedoch konnte in der Studie eine geschlechtsspezifische Homophilie in den Freundschaftsangaben der Vorschulkinder festgestellt werden, was mit den Ergebnissen aus Beobachtungsstudien zu Kontakten von Kindern in der frühen Kindheit übereinstimmt (Daniel et al. 2013; Chen et al. 2019; Neal et al. 2022; DeLay et al. 2016). Die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen den Kontakten der Eltern und denen ihrer Kinder stellt in Netzwerkstudien zur Homophilie bisher eine Ausnahme dar. Mit der vorliegenden Studie wird aufgezeigt, dass ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen dem Kontakt der Eltern und den Freundschaften ihrer Kinder besteht.

Mit der explorativen Untersuchung wird weitgehend unerforschtes Gebiet betreten. Ethnische und schichtspezifische Homophilie in vorschulischen Freundschaften sowie mögliche Zusammenhänge zwischen den Freundschaften der Kinder und den Kontakten ihrer Eltern waren bisher selten Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, auch nicht im internationalen Kontext. Während andere Studien mit Kindern dieser Altersgruppe die sozialen Kontakte meist über Beobachtungen erheben, rückt die vorliegende Arbeit durch die Befragung der Kinder deren eigene Perspektive in den Fokus. Generell ist die Untersuchung von Dyaden in den Sozialwissenschaften unüblich, was vermutlich auf die komplexen Anforderungen an Datenerhebung und -analyse zurückzuführen ist (Knight und Humphrey 2019).

Allerdings bringt das explorative Design der Studie auch einige Einschränkungen mit sich. Erstens basieren bisherige Methoden zur Überprüfung von Homophilie und sozialen Kontakten meist auf dichotomen oder metrischen Netzwerkdaten. In dieser Studie wurde das Social Relations Model mit ordinalskalierten Daten angewendet, was zwar methodisch für die Befragung von Vorschulkindern angemessen sein mag, aber für die Auswertung nicht ideal ist. Mehrere Messzeitpunkte hätten zudem dazu beitragen können, die Fehlervarianz zu berechnen und die Ergebnisse zu präzisieren. Darüber hinaus wurden nur Vorschulkinder in die Studie einbezogen, was bedeutet, dass nur ein Teil der Kinder in den Gruppen berücksichtigt wurde. Eine Untersuchung von Gesamtnetzwerken in Kindergartengruppen wäre wünschenswert gewesen, um Aspekte wie triadische Schließung (Gansbergen 2016; Schaefer et al. 2010) einzubeziehen und weitere Merkmale von Netzwerken (wie Dichte und Zentralität) zu analysieren. Dies könnte zu einem tiefergehenden Verständnis der Freundschaftsnetzwerke junger Kinder führen. Gleichzeitig wäre es jedoch nicht altersgerecht, das gleiche Befragungsinstrument bei Kindern im Alter von ca. drei Jahren bis zum Schuleintritt anzuwenden, da dies keine verlässlichen Antworten liefern würde. Das stellt Forschende vor große methodische Herausforderungen. Ferner gelang es in der Studie zwar, Kitas mit heterogen zusammengesetzten Familien zu erreichen und somit Kinder mit unterschiedlicher Kapitalausstattung und verschiedenen ethnischen Hintergründen einzubeziehen. Dennoch sollten die Ergebnisse durch Untersuchungen mit größeren Stichproben überprüft werden, um ihre Generalisierbarkeit zu bestätigen.

Die aufgezeigten Resultate werfen die Frage auf, wann und wie ethnische und schichtspezifische homophile Vorlieben entstehen, da sie bei Vorschulkindern nicht festgestellt wurden, obwohl andere Untersuchungen mit älteren Kindern solche Tendenzen zeigen. Weitere Ergebnisse der vorliegenden Studie (Schimmer 2024) belegen, dass außerhalb der Kita schichtspezifische Segregation in den Peernetzwerken existiert, was im Gegensatz zu den heterophilen Freundschaften innerhalb der Kita steht. Eine Erklärung könnte sein, dass Eltern die Kontakte ihrer Kinder außerhalb der Kita lenken und dabei nicht immer den Präferenzen der Kinder folgen. Zukünftig sollte untersucht werden, warum schichtübergreifende Kita-Freundschaften privat nicht fortbestehen.

Kindertageseinrichtungen stellen eine der wenigen gesellschaftlichen Institutionen dar, in denen Kinder und Familien aus verschiedenen sozialen Schichten und Kulturen aufeinandertreffen können. Diese schicht- und kulturübergreifenden Interaktionen bieten das Potenzial, zur Minderung der Reproduktion sozialer Ungleichheit beizutragen, insbesondere im Hinblick auf Bildungsungleichheiten (Schimmer 2024; Steinhoff und Grundmann 2016). Kinder aus Familien mit geringerer kultureller Kapitalausstattung können durch den Kontakt mit Peers aus anderen sozialen Milieus unterschiedliche Bildungsnarrative und -normen kennenlernen (Clemens 2016; Hönig 2019), was angesichts der bevorstehenden Einschulung und der dokumentierten schichtspezifischen Bildungsorientierungen von Vorschulkindern (Schimmer 2022) von großer Relevanz ist. Ferner wird die Bedeutung von Peerbeziehungen für die Entwicklung von Kompetenzen hervorgehoben, die im formalen Bildungskontext von Nutzen sind (Steinhoff und Grundmann 2016). Zudem kann der frühkindliche Kontakt zu Kindern anderer Schichten und Kulturen dazu beitragen, dass gruppenbezogene Vorurteile erst gar nicht entstehen oder weniger stark ausgeprägt sind (Gaias et al. 2018).

Um solche Kontakte in Kindertageseinrichtungen zu fördern, ist es notwendig, Segregation innerhalb dieser Einrichtungen zu vermeiden, damit Kinder die Chance erhalten, schicht- und kulturübergreifende Freundschaften zu knüpfen. Darüber hinaus fordern die Ergebnisse dieser Studie die frühpädagogische Praxis heraus, Strategien zu entwickeln, um interethnische und schichtübergreifende Freundschaften auch außerhalb der Kita zu stärken. Denkbar wäre etwa, dass das pädagogische Fachpersonal Eltern über bestehende Freundschaften ihrer Kinder informiert und sie ermutigt, diese auch im privaten Umfeld zu unterstützen.