1 Einleitung

Das sonderpädagogische Grundangebot wird in der Schweiz im Sonderpädagogik-Konkordat (Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) 2007) definiert und umfasst Beratung und Unterstützung, heilpädagogische Früherziehung, Logopädie und Psychomotorik, sonderpädagogische Maßnahmen in einer Regelschule oder in einer Sonderschule sowie Betreuung in Tagesstrukturen oder stationäre Unterbringung in einer sonderpädagogischen Einrichtung. Die Maßnahmen können, je nach Bedarf, als einfache oder verstärkte Maßnahmen umgesetzt werden.

Der Rahmen für die Ressourcenzuteilung wird in den regulatorischen Rahmenbedingungen durch Politik und Verwaltung festgelegt. Schulleitungen können über die zugeteilten Ressourcen innerhalb der Schule teilautonom bestimmen und Bedarf an zusätzlichen Ressourcen der Verwaltung melden. Was mit den personalen Ressourcen, die für die Umsetzung von Inklusion vorgesehen sind, genau gemacht wird, bzw. wie diese konkret eingesetzt werden, ist Aufgabe der Lehrpersonen und der Förderlehrpersonen in Zusammenarbeit mit der Schulleitung (Heinzer und Hangartner 2016; Wicki und Antognini 2022; Sahli Lozano et al. 2021a, b).

Lehrpersonen sind Schlüsselakteure inklusiven Unterrichts; sie konfigurieren im schulischen Mehrebenensystem eine entscheidende Schalt- und Schnittstelle (Preuss 2018). Ein nicht unerhebliches Problem ist jedoch das Empfinden auf Seiten der Lehrkräfte, dass entscheidende Bedingungen, auch Ressourcen, für den gemeinsamen Unterricht aller Kinder (häufig bzw. potenziell) nicht vorliegen (Wirtz 2020). Die Frage, wie Förderlehrpersonen die vorhandenen Ressourcen einsetzen, ist daher zentral.

Eine der wenigen diesbezüglichen Studien stammt von Lambrecht et al. (2016). Sie untersuchten die Frage, inwieweit sich anhand der innerschulischen Ressourcenallokation unterschiedliche Organisationsformen inklusiver Grundschulen identifizieren lassen und ob diese mit Umweltfaktoren der Schule in Zusammenhang stehen. Auf der Basis der von Melzer und Hillenbrand (2013) ermittelten Aufgaben wurden zentrale Tätigkeiten mit der Organisationskonfiguration Mintzbergs (1989) verbunden und als Analysemodell herangezogen. Schulen können mit Mintzberg (1989) als professionelle Organisationen betrachtet werden, wobei operativer Kern (in Form von Unterricht), Unterstützungsstab (Beratung) und Technostruktur (bspw. Diagnostik) unterschieden werden (Merkens 2012). Lambrecht et al. (2016) befragten 70 Schulleitungen über die Verteilung der Arbeitsstunden. Mittels Clusteranalysen liessen sich mehrere Typen von inklusiven Grundschulen identifizieren. Diese unterscheiden sich hinsichtlich der Konfiguration und insbesondere in Bezug auf die Struktur der operativen Kerne sowie in der Grösse von Technostruktur und Unterstützungsstab.

Folgende Typen inklusiver Schulen wurden durch Lambrecht et al. (2016) identifiziert:

  1. 1.

    Schulen der Differenzierungsstruktur, die den Großteil der Ressourcen für Differenzierung verwenden,

  2. 2.

    Schulen der Unterstützungsstruktur, die sich durch einen grösseren Unterstützungsstab sowie eine gleichmäßige Verteilung der Ressourcen auf die Begleitung von Schulkindern im Unterricht und Differenzierung auszeichnen.

Die Studie zeigt: Im Zusammenwirken politischer Vorgaben und Empfehlungen bei der Umsetzung von Inklusion etablieren sich verschiedene Organisationsmöglichkeiten inklusiver Schulen, die sich auf deren Autonomie bei der Ressourcenallokation zurückführen lassen. Die Schulen folgen dabei je spezifischen Handlungslogiken, die sie als formale Organisation in Abhängigkeit von der Ressourcendistribution auf politischer Ebene entwickelt haben (ebd.).

Ziel der vorliegenden Studie war es, Schulleitungen und heilpädagogischen Fachpersonen Grundlagen zur Steuerung, Planung und Organisation der heil- und sonderpädagogischen Angebote zur Verfügung zu stellen. Dazu sollte die Studie von Lambrecht et al. (2016) im Deutschschweizer Volksschulkontext validiert werden. Es werden Typen der Allokation von Ressourcen für sonderpädagogische Angebote in der Volksschule in verschiedenen Kantonen herausgearbeitet. In weiteren Studien sollen folgende Fragen beantwortet werden: Inwiefern haben diese Typen einen Einfluss auf die Anzahl Fachpersonen in einer Schule? Wie viele Schülerinnen und Schüler werden unterstützt? Wie wird die Schul- und Unterrichtsqualität eingeschätzt?

Folgende Hypothese wurde formuliert:

Schulen bilden eigenständig Schwerpunkte beim Einsatz von Ressourcen, sodass sich unterschiedliche Typen von Tätigkeitsprofilen anhand der Ressourcenallokation identifizieren lassen.

Folgende Forschungsfragen leiteten die Untersuchung:

  1. 1.

    Welche Anteile der wöchentlichen Arbeitszeit der Förderlehrpersonen werden für Unterrichtstätigkeiten (operativer Kern), Beratungstätigkeiten (Unterstützungsstruktur) und Diagnostik (Aufgaben der Technostruktur) eingesetzt?

  2. 2.

    Welche Typen von Tätigkeitsprofilen können anhand der Allokation von Ressourcen für heil- und sonderpädagogische Angebote in Volksschulen identifiziert werden?

2 Forschungsmethode

2.1 Design und Stichprobe

Die Daten zum Ressourceneinsatz für sonderpädagogische Angebote für das Schuljahr 2021/22 wurden anhand einer strukturierten Online-Befragung von Förderlehrpersonen, das sind Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen (SHP), erfasst. Für die Befragung wurden auf der Basis einer Vorgängerstudie (Ladner 2021) drei Masterarbeiten durchgeführt (Foellmi 2022; Schmid 2022 und Steiger 2022). Da die Datenerhebung in die Zeit der Corona-Pandemie fiel und nur 35 Förderlehrpersonen die Fragen beantworteten, wurde im Herbst 2022 eine weitere Erhebung durchgeführt.

Ladner (2021) hatte festgestellt, dass es Schulleitenden nicht möglich war, über die Tätigkeiten von Förderlehrpersonen in dem von Lambrecht et al. (2016) vorgegebenen Detaillierungsgrad Auskunft zu geben. Daher wurden Adressen von 496 Förderlehrpersonen mit Online-Recherchen zusammengetragen. Die Personen wurden per Mail zwischen November 2021 und Dezember 2022 angeschrieben.

Die Antworten der Förderlehrpersonen aus den Masterarbeiten sowie der Befragung 2022 wurden zusammengeführt und ausgewertet, sodass N = 113 Antworten aus den Kantonen Bern, Graubünden, Schwyz, St. Gallen und Zürich in die Analyse aufgenommen werden konnten.

2.2 Operationalisierung der Analysevariablen

Nebst der Schule, in der die Förderlehrpersonen tätig sind, wurde nach dem Berufsfeld gefragt. In Anlehnung an Lambrecht et al. (2016) wurden die Tätigkeitsbereiche im Rahmen der Organisationsstruktur nach Mintzberg (1989) operationalisiert. Die Aufgabe der Erweiterung des Professionswissens im operativen Kern durch Förderlehrpersonen wurde mit drei Items erfasst. Die Personen wurden gefragt, wie hoch der prozentuale Anteil der insgesamt zur Verfügung stehenden Arbeitszeit in einer typischen Unterrichtswoche ist, den sie alleine in der Klasse, mit einer Regellehrperson gemeinsam oder allein in einer kleinen Lerngruppe unterrichten. Die Variable „Unterstützungsstab“ beinhaltet die vier Aufgabenbereiche Beratung von Kindern, Beratung von Lehrkräften und Beratung von Eltern sowie externe Kooperation mit anderen Fachpersonen. Die verschiedenen Aufgabenbereiche innerhalb der Beratung wurden jedoch als ein Item zusammengefasst. Die Technostruktur wurde ebenfalls durch ein Item erfasst. Damit wird der Anteil der Arbeitszeit für Förderplanung inkl. Diagnostik und Evaluation für Schülerinnen und Schüler mit und ohne standardisiertem Abklärungsverfahren erhoben.

Hervorzuheben ist, dass Lambrecht et al. (2016) im operativen Kern die Items „Unterricht gemeinsam mit einer Lehrkraft“ und „Unterricht als alleinige Lehrkraft in einer Lerngruppe“ als sogenannte „Differenzierung“ zusammenfasste. Im vorliegenden Bericht wird für das zweite Item die Bezeichnung „separativer Unterricht“ als Synonym verwendet und die Bereiche werden nicht zusammengefasst. Zudem wurden von Lambrecht et al. (2016) zwei weitere Aufgabenbereiche im operativen Kern definiert. Mit dem Item „Begleitung von Schulkindern“ wurde erhoben, inwiefern weitere Professionen im Unterricht beteiligt waren. Mit dem Item „Als Lehrkraft unterrichten“ wurde erfasst, wie viele Stunden die Förderlehrpersonen allein eine gesamte Klasse unterrichten. Letztere zwei Items wurden im Fragebogen der Masterarbeiten nicht abgefragt. Im Rahmen der zusätzlichen Befragung wurde jedoch das Item „Als Lehrkraft alleine in der Klasse unterrichten“ aufgenommen. Dieses Item wurde zusammen mit „Gemeinsam mit einer Lehrperson in der Klasse unterrichten“ zu „Unterricht in der Klasse“ zusammengefasst. Im Unterstützungsstab fassten Lambrecht et al. (2016) die Beratung von Lehrpersonen und die Beratung von Eltern als „Beratung Erwachsener“ zusammen. Die Zusammenarbeit mit externen Fachpersonen wurde mit dem Item „Kooperation“ erhoben. Im vorliegenden Bericht werden alle vier Items in der Variable „Unterstützungsstab“ zusammengefasst (vgl. Tab. 1).

Tab. 1 Items zur Erfassung des prozentualen Anteils der Tätigkeit

2.3 Statistische Voranalysen

Zunächst wurde mittels deskriptiver Statistik in SPSS 28 ermittelt, welche Anteile der wöchentlichen Arbeitszeit der Förderlehrpersonen für Unterrichtstätigkeiten (operativer Kern), Beratungstätigkeiten (Unterstützungsstab) und Förderplanung (Aufgaben der Technostruktur) eingesetzt werden (Tab. 2). Dabei wurden die Daten auf Ausreisser geprüft. Acht Datensätze wurden entfernt. Dies betraf vier Personen, die in Beratung und vier Personen, die in Diagnostik ungewöhnlich hohe Anteile zeigten. In die folgenden Analysen wurden letztlich die Antworten von 105 Förderlehrpersonen aufgenommen.

Tab. 2 Ressourcenverteilung heilpädagogischer Fachpersonen

Es entfielen M = 75,97 % (SD= 10,74) der wöchentlichen Arbeitszeit auf den operativen Kern. Für den Unterstützungsstab wendeten die sonderpädagogischen Fachpersonen M = 14,62 % (SD= 6,886) auf, während für Aufgaben der Technostruktur im Durchschnitt M = 6,86 % (SD = 5,106) zur Verfügung standen.

In einem nächsten Schritt wurden die Variationskoeffizienten der Ressourcenverteilungsvariablen berechnet, um zu ermitteln, inwieweit die Arbeitszeiten innerhalb der einzelnen Variablen variieren. Berechnet wird der Variationskoeffizient (v), indem die Standardabweichung (SD) durch den Mittelwert (\(\overline{x}\)) der Daten der Stichprobe geteilt wird. Der niedrigste Variationskoeffizient fand sich für den operativen Kern mit vok = 0,14, jedoch lagen die Variationskoeffizienten für die einzelnen Aufgabenbereiche zwischen 0,44 für das Unterrichten in der Klasse und 0,78 für das separate Unterrichten in einer kleinen Lerngruppe vergleichsweise hoch. Die dem Unterstützungsstab zugewiesenen prozentualen Ressourcen variierten mit vu = 0,47 stärker als diejenigen im operativen Kern. Auch bei der Technostruktur gab es mit vt = 0,74 einen hohen Wert für den Variationskoeffizienten (Tab. 2). Die Variationskoeffizienten deuteten darauf hin, dass es Lehrpersonen gibt, die ausgeprägt im Unterstützungsstab tätig sind bzw. solche, die in einer ausgeprägten Technostruktur arbeiten und andere, die nur wenig im Unterstützungsstab bzw. in der Technostruktur tätig sind, dafür umso mehr im operativen Kern. Der niedrige Variationskoeffizient des operativen Kerns liess vermuten, dass es diesbezüglich keine Konfigurationsunterschiede zwischen den Lehrpersonen gibt, jedoch die Aufgaben innerhalb des operativen Kerns variieren (Strukturunterschiede).

2.4 Prüfung der Hypothese

Um unterschiedliche Typen anhand der Tätigkeitsprofile von Förderlehrpersonen identifizieren zu können, wurde eine hierarchische Clusteranalyse durchgeführt. Die Clusteranalyse hat zum Ziel, die Personen zu Gruppen (sogenannten Clustern) zusammenzufassen. Die Personen sollen sich innerhalb der Cluster so wenig wie möglich, jedoch zwischen den verschiedenen Clustern so viel wie möglich anhand ihrer Arbeitszeitaufteilungen unterscheiden. Die Clusteranalyse dient somit dazu, homogene Untergruppen von Förderlehrpersonen zu bilden, welche ähnliche Tätigkeitsprofile aufweisen. Sie reduziert auf diese Weise die Komplexität innerhalb einer grösseren Zahl von Fällen. Die vorhandenen Cluster lassen sich dann durch ein spezifisches Merkmalsprofil beschreiben (Bortz und Döring 2006; Schmidt-Hertha und Tippelt 2011).

Zur Vorbereitung der Clusteranalyse wurden Korrelationen berechnet. Bei den vorliegenden Daten bestand für alle Items eine signifikante Korrelation mit dem Item „Unterricht in Klasse“ (Tab. 3).

Tab. 3 Pearson-Korrelationen (N = 105)

In der Folge wurde eine hierarchische Clusteranalyse mit der Ward-Methode berechnet. Der hierarchische Aufbau von sehr kleinen bis sehr grossen Clustern wird in einem Dendrogramm veranschaulicht (Bacher 2001).

Anhand des Dendrogramms (Abb. 1) und aufgrund der gleichmässigeren Verteilung der Stichprobe und der inhaltlichen Fragestellung wurde die 3‑Clusterlösung favorisiert. Deren Ergebnisse werden im Folgenden berichtet.

Abb. 1
figure 1

Dendrogramm der 3‑Clusterlösung

Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Clustern der ermittelten Tätigkeitsprofile der Förderlehrpersonen wurden mittels Varianzanalyse (ANOVA) mit der 3‑Clusterlösung in SPSS 28 getestet. Zusätzlich wurden nach Bonferroni und der Scheffé-Prozedur Post-hoc-Tests durchgeführt, um zu prüfen, zwischen welchen Clustern sich die Analysevariablen statistisch signifikant unterscheiden. Für die Variable „Technostruktur“ wurden als Post-hoc-Tests Tamhane und Dunnett T3 berechnet, da anhand des Levene-Tests nicht von Varianzgleichheit ausgegangen werden konnte. Des Weiteren wurden Streudiagramme der Ressourcenverteilung innerhalb der verschiedenen Cluster analysiert.

Zum Schluss wurde eine Diskriminanzanalyse für die ermittelte 3‑Clusterlösung von N = 105 durchgeführt. Die Diskriminanzanalyse untersucht anhand quantitativer und qualitativer Merkmale, zu welcher Gruppe ein Merkmalsträger gehört (Handl und Kuhlenkasper 2017). Sie hat zum Ziel, die Unterschiede zwischen den Clustern festzustellen und dadurch zu ermitteln, welche Variablen zur Unterscheidung der Gruppen am geeignetsten waren. Darüber hinaus prüft die Diskriminanzanalyse anhand der Klassifizierungsfehlerrate wie gut die gefundene 3‑Clusterlösung zwischen den verschiedenen Gruppen unterscheiden konnte (Backhaus et al. 2021; Handl und Kuhlenkasper 2017).

3 Ergebnisse

Anhand der Aufteilung der Arbeitszeit (Ressourcenverteilung) war es möglich, drei verschiedene Typen von Tätigkeitsprofilen von Förderlehrpersonen in der Volksschule zu identifizieren. Die Hypothese konnte somit bestätigt werden. Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage werden im Folgenden die Arbeitszeitaufteilungen der drei verschiedenen Gruppen von sonderpädagogischen Fachpersonen analysiert und verglichen.

Dem ersten Cluster wurden n= 54, dem zweiten Cluster n = 22, dem dritten Cluster n = 29 Förderlehrpersonen zugeordnet. Hinsichtlich der Arbeitszeit, welche die Fachpersonen im operativen Kern investieren, ähneln sich die Cluster 1 und 3.

In Cluster 1 und 3 bringen die Fachpersonen den Grossteil ihrer Arbeitszeit im operativen Kern ein (Cluster 1 74,74 % und Cluster 3 77,64 %). Der wesentliche Unterschied zwischen Cluster 1 und 3 besteht darin, dass die Aufgaben innerhalb des operativen Kerns variieren (Strukturunterschiede). Förderlehrpersonen im Cluster 1 setzen knapp 60 % der Ressourcen für den Unterricht in der Klasse ein (alleine oder gemeinsam mit einer Lehrperson), wohingegen im Cluster 3 oft separativ unterrichtet wird (51 %). Hinsichtlich des Items „Unterricht in Klasse“ unterscheiden sich die Förderlehrpersonen von Cluster 3 signifikant (p < 0,001) von Cluster 1. Für den Unterstützungsstab und die Technostruktur wird in diesen beiden Clustern weniger Arbeitszeit aufgewendet (Unterstützungsstab rund 13 % und Technostruktur rund 5 %). Für diese beiden Variablen bestehen zwischen Personen des Clusters 1 und Personen des Cluster 3 folglich keine Unterschiede. Cluster 1 wird somit als „Operativer Kern: Unterricht in der Klasse“ deklariert, Cluster 3 als „Operativer Kern: separativer Unterricht“.

Förderlehrpersonen, welche dem Cluster 2 zugeordnet wurden, wenden im Vergleich zu den Fachpersonen der Cluster 1 und 3 mehr Arbeitszeit im Unterstützungsstabs und in der Technostruktur auf (33,16 %). Für den Einsatz im Unterstützungsstab nutzen Personen im Cluster 2 19 % ihrer Arbeitszeit (Tab. 4). Die Unterschiede des Clusters 2 zu den Clustern 1 und 3 sind für den Unterstützungsstab signifikant mit p < 0,001. Somit wird Cluster 3 als „Unterstützungstab und Technostruktur“ bezeichnet.

Tab. 4 3‑Clusterlösung

Durch die Ergebnisse der Diskriminanzanalyse konnte die ermittelte 3‑Clusterlösung für die Tätigkeitsprofile der Förderlehrpersonen statistisch aufrechterhalten werden. In Tab. 5 sind die Gütemasse zur Beurteilung der Diskriminanzfunktion dargestellt. Der Eigenwertanteil (Varianz) der ersten Diskriminanzfunktion liegt bei 65,8 % und damit deutlich höher als bei den anderen beiden Diskriminanzfunktionen. Zudem zeigte sich, dass alle drei Diskriminanzfunktionen signifikant (p < 0,001) zur Trennung der Cluster beitragen (Tab. 5).

Tab. 5 Eigenwerte

Zusätzlich wurde eine Struktur-Matrix angefordert, um die diskriminatorische Bedeutung der einzelnen Variablen beurteilen zu können und für jede Variable der mittlere Diskriminanzkoeffizient über alle Diskriminanzfunktionen hinweg berechnet (Tab. 6).

Tab. 6 Strukturmatrix

Die Analysen zeigen, dass für die erste Trennung in zwei Cluster vor allem das Item „separativer Unterricht“ sehr bedeutsam ist. Das Item „Unterricht in der Klasse“ zeigt zwar im Vergleich zu den anderen Diskriminanzfunktionen ebenfalls einen grossen absoluten Koeffizienten, jedoch ist dieser im Vergleich zu demjenigen für das Item „separativer Unterricht“ eher gering, und auch der mittlere Diskriminanzkoeffizient liegt mit 0,09 in der Nähe von null. Letzteres bedeutet, dass dieses Item nicht zur Trennung der Cluster geeignet ist. Für die weitere Trennung in drei Cluster ist „Technostruktur“ eine gute Diskriminanzvariable. Dies belegt auch die Trennschärfe sowie das signifikante Ergebnis in der Gruppenstatistik (Tab. 6 und 7).

Tab. 7 Gleichheitstest der Gruppenmittelwerte (Gruppenstatistik)

Letztlich konnten 94,3 % der ursprünglich mit der 3‑Clusterlösung gruppierten Fälle korrekt klassifiziert werden (Tab. 8).

Tab. 8 Klassifizierungsergebnisse

Insgesamt scheinen das Item „separativer Unterricht“ und die Variable „Technostruktur“ geeignet zu sein, um Förderlehrpersonen den drei unterschiedlichen Clustern zuzuordnen. Dieses Ergebnis deckt sich mit den anhand der hierarchischen Clusteranalyse ermittelten drei Typen von Förderlehrpersonen. Die Analysen basieren auf den Daten von Förderlehrpersonen aus fünf Kantonen mit unterschiedlichen regulatorischen Rahmenbedingungen bezüglich heil- und sonderpädagogischer Angebote. So kann geprüft werden, ob sich die Kantone bezüglich der Tätigkeitsprofilen der Förderlehrpersonen unterscheiden. Der Kruskal-Wallis-Test zeigt jedoch keine Signifikanz (p = 0,869).

4 Diskussion

Mit Hilfe eines Fragebogens sollte der Ressourceneinsatz für sonderpädagogische Angebote an der Volksschule erfasst werden. Der Fokus richtete sich hierbei auf die Ebene der Lehrpersonen, da sich in einer explorativen Vorgängerstudie (Ladner 2021) gezeigt hatte, dass Schulverwaltungen wie auch Schulleitungen keine Auskunft über den Einsatz der Ressourcen durch die Förderlehrpersonen geben konnten. Die Daten der vorliegenden Studie stammen aus fünf Kantonen (Bern: 41 Förderlehrpersonen, Graubünden: 16, Schwyz: 10, St. Gallen: 7 und Zürich: 31), wobei die Kantone Graubünden, St. Gallen und Schwyz im Vergleich zu Bern und Zürich deutlich weniger vertreten waren.

Werden die Daten aus den fünf Kantonen zusammengetragen, so zeigt sich, welche Items sinnvoll sind, um den Ressourceneinsatz für heil- und sonderpädagogische Angebote zu erfassen. In der Studie von Lambrecht et al. (2016) wurden die Items „gemeinsamer Unterricht“ und „separativer Unterricht“ zusammengefasst und als „Differenzierung“ bezeichnet. Bei der vorliegenden Studie erwiesen sich jedoch gerade diese beiden Items als statistisch sehr bedeutsam für die Unterscheidung zwischen den Typen von Tätigkeitsprofilen der Förderlehrpersonen. Als Folge wurden zwei davon als „Operativer Kern: Unterricht in Klasse“ und „Operativer Kern: separativer Unterricht“ identifiziert. Förderlehrpersonen, welche diesen Tätigkeitsprofilen zugeordnet wurden, zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Schwerpunkt ihrer Arbeit entweder auf den Unterricht in der Klasse oder auf den separativen Unterricht legen.

Bei der Beurteilung der Ergebnisse zeigen sich aber auch Limitationen der Studie: Die Antworten auf die Befragung erfolgten freiwillig, nur knapp 23 % der angeschriebenen Personen beantworteten sie, zudem ist die Stichprobe klein.

Eine clusteranalytische Untersuchung der Tätigkeitsprofile von Förderlehrpersonen innerhalb der einzelnen Kantone wäre darüber hinaus wesentlich, um prüfen zu können, ob sich die Clusterlösungen zwischen den Kantonen unterscheiden. Mit Blick auf den Fachbeitrag von Wicki und Antognini (2022), könnte weitergehend analysiert werden, ob sich einzelne Kantone den hier ermittelten Typen von Tätigkeitsprofilen zuordnen lassen. Eine solche Analyse ist aber auf der Basis der vorliegenden kleinen Stichprobe nicht angezeigt.

Des Weiteren gilt es in zukünftigen Studien zu untersuchen, ob sich das Tätigkeitsprofil der Förderlehrpersonen in Relation zur Höhe der Förderquote an der Schule (Anteil der Schülerinnen und Schüler mit einfachen und/oder verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen an allen Schülerinnen und Schülern der Gemeinde) unterscheidet. Diesbezüglich wäre es bedeutsam, zwischen einfachen und verstärkten Maßnahmen zu unterscheiden und diese genauer zu definieren. So wäre es möglich zu prüfen, inwiefern sich die Verteilung der Arbeitszeit der Förderlehrpersonen bei einfachen oder verstärkten Maßnahmen verändert.

Um nach Wolter et al. (2020) feststellen zu können, ob die Kosten und Nutzen in einem vertretbaren Verhältnis stehen und mit welchen Maßnahmen mehr Effizienz und Qualität erreicht werden kann, sollte neben einer Differenzierung zwischen den einfachen und verstärkten Maßnahmen auch die Qualität des inklusiven Unterrichts an Volksschulen sowie die Entwicklung der Schüler und Schülerinnen erfasst werden. Hierfür braucht es zusätzlich die statistische Erhebung von längsschnittlichen Daten zu Entwicklungsverläufen der Schülerinnen und Schüler sowie auch detailliertere Daten zu den vorherrschenden Rahmenbedingungen an den Schulen und in der Klasse.

Ebenfalls von Interesse wäre es, in Folgestudien zu überprüfen, ob die Verteilung der Arbeitszeit in gewissem Mass auch von der Höhe des Anstellungspensums beeinflusst wird. Beispielsweise hat man im Kanton Schaffhausen pro 100 Schüler mehr als 0,8 Stellenprozent für integrierte Förderung pauschal zur Verfügung, im Kanton Zürich hingegen nur 0,4–0,5 (Wicki und Antognini 2022). Zudem unterscheiden sich die Kantone bezüglich der Kostenübernahme für sonderpädagogische Maßnahmen durch Kanton oder Gemeinden. Es ist nicht auszuschliessen, dass dies ebenfalls einen Einfluss auf den Einsatz der Ressourcen haben könnte (Wicki 2020; Wicki und Antognini 2022).

Die aktuelle Forschungslage und die vorliegende Studie zeigen auf, wo noch Datenlücken bestehen, die für die Steuerung sonderpädagogischer Angebote an Schweizer Volksschulen relevant sind. Auf Gemeindeebene fehlen Daten zum Einsatz von Ressourcen für einfache sonderpädagogische Maßnahmen. Ebenso fehlen auch weitere Informationen zu den Schülerinnen und Schülern mit verstärkten Maßnahmen und zur Art der verstärkten Massnahmen (Wolter et al. 2020; Lanners 2020; Sahli Lozano et al. 18,19,a, b). Anhand der Förderquote lassen sich Aussagen darüber machen, wie viele Schülerinnen und Schüler von den spezifischen Fördermaßnahmen profitieren. Um Hinweise zur Qualität und Effizienz der eingesetzten Ressourcen machen zu können, empfiehlt es sich, die Förderung durch einfache und verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen zu unterscheiden und zu berücksichtigen. Besonders für das Erfassen der Anzahl Schülerinnen und Schüler, die einfache sonderpädagogische Angebote sowie Logopädie, Psychomotoriktherapie und Deutsch als Zweitsprache nutzen, muss die Erhebung auf Gemeindeebene erfolgen, da viele Angebote über die Gemeinde gesteuert werden. Die Schulleitenden sind dabei die zentralen Informationsquellen. Das heisst, die Schulleitungen wie auch die Schulverwaltungen müssen einen gewissen Arbeitsaufwand leisten, um die Daten bereitzustellen und einzugeben. Die grosse Herausforderung ist es, die Schulleitenden zu motivieren, an den Befragungen teilzunehmen, da nur in wenigen Gemeinden die Daten bereits gebündelt vorliegen. Zudem müssen in den meisten Fällen weitere Informationsquellen (Leitung Sonderpädagogik, Verwaltung, Lehrpersonen) beigezogen werden, um die Daten zusammenstellen zu können. Für zukünftige Studien wurde der Fragebogen überarbeitet und liegt nun in einer stark reduzierten Form vor. Bei einer Befragung ist es von grosser Wichtigkeit, dass die Schulen von den Ergebnissen der Studie profitieren können. Der Fragebogen soll darum künftig auch die Möglichkeit bieten, dass sich Schulleitungen, Verwaltung und Schulbehörden bezüglich des Ressourceneinsatzes für sonderpädagogische Angebote vergewissern und mit anderen Gemeinden vergleichen können. Dies soll in einem Folgeprojekt entwickelt werden.

Die Steuerung der Ressourcen durch Behörden und Richtlinien wird unterschiedlich gehandhabt. Es gibt Kantone, in denen die Schulleitungen frei über einen Gesamtpool an Lektionen und weiteren Ressourcen für die Regel- und Sonderschule verfügen und über deren Verteilung und Einsatz sie autonom nach ihren Bedürfnissen und Vorstellungen entscheiden können. Im Gegensatz dazu gibt es aber auch Kantone, in denen die Verteilung der Ressourcen und die Umsetzung der Maßnahmen sehr eng vorgegeben sind. Diese lassen den Schulleitenden dadurch deutlich weniger Spielraum. Sahli Lozano et al. (18,19,a, b) weisen darauf hin, dass es bei einem grossen Handlungsspielraum für Schulleitungen wichtig ist, die zur Verfügung stehenden Ressourcen und Möglichkeiten genau zu kennen und die Ressourcen gezielt einzusetzen, um alle Lernenden bestmöglich fördern und begleiten zu können. „Nur so können die Qualität im Bereich der sonderpädagogischen Maßnahmen gewährleistet und die Lernenden mit besonderem Bildungsbedarf adäquat unterstützt werden“ (Sahli Lozano et al. 2021b, S. 174).

Die vorliegende Studie gibt einen ersten Einblick in die Verteilung der Arbeitszeit von Förderlehrpersonen an inklusiven Volksschulen. Das Ergebnis der drei verschiedenen Typen von Tätigkeitsprofilen der Förderlehrpersonen verdeutlicht die Tatsache, dass weitere Forschungsprojekte wesentlich sind, um Vergleiche zwischen Kantonen anstellen und Zusammenhänge mit der Qualität des inklusiven Unterrichts sowie der Entwicklung der Schülerinnen und Schüler untersuchen zu können. Das Vorliegen grösserer Stichproben für die einzelnen Kantone sowie Daten zur Nutzung und Qualität sonderpädagogischer Angebote wäre von grosser Wichtigkeit, um aussagekräftigere Ergebnisse zu erhalten. Die Erstellung eines Erhebungsinstruments für Gemeinden ist grundlegend für die Bestimmung eines effektiven Einsatzes von Ressourcen an inklusiven Volksschulen. Das Erhebungsinstrument sollte die unterschiedlichen Ressourcen der Schule erfassen, Auskunft über deren Nutzung geben und somit den Schulen und Gemeinden zur Qualitätsentwicklung und Sicherung der erfolgreichen Lernentwicklung der Schülerinnen und Schüler dienen (Wicki und Antognini 2022).